1 Einleitung
Der Begriff „Dritte Partei“ wird in mehreren besonders verbreiteten und angesehenen historiographischen Werken, die den Westfälischen Friedenskongress oder damit verbundene Akteure betreffen, zur Bezeichnung einer konfessionsübergreifenden Gruppierung reichsständischer Gesandter gebraucht, die den Friedensprozess in der Endphase der Verhandlungen eigeninitiativ vorantrieb.1 Daneben werden auch andere reichsständische Zusammenschlüsse oder auch zufällig entstandene Gruppen ohne gemeinsame Zielvorstellung aus der Epoche des Dreißigjährigen Krieges zeitgenössisch und teils auch in der Sekundärliteratur so genannt.2 Eine Würdigung oder Definition, die all diese Erscheinungsformen berücksichtigen würde, fehlt bislang.3 Wohl hat sich Klaus Peter Decker in seiner Mainzer Dissertation von 1978 einleitend mit dem Begriff „Dritte Partei“ auseinandergesetzt. Sein Thema sind allerdings die Beziehungen der Reichsstände zu Frankreich im Zeitalter Ludwigs XIV.; er befasst sich mit den „Ansätze[n] zur Bildung einer ‚Dritten Partei‘ in den Anfangsjahren des Holländischen Krieges“ (1672 – 1675).4 Deshalb können seine Untersuchungsergebnisse nicht auf die Ereignisse in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts übertragen werden. So sei nur auf seine einführende Erwägung verwiesen, dass der Begriff „Dritte Partei“ zu den „durch Erfahrung aus sich selbst heraus verständlichen Begriffen des politischen Sprachgebrauchs“ zählt, vertraut aus der juristischen Sphäre ebenso wie von politischen oder militärischen Konflikten.5 Decker argumentiert, dass es in seiner Monographie um eine „spezifische historische Realität“ gehe und den zugehörigen zeitgenössischen Terminus, der einer speziellen Untersuchung bedürfe.6 Ebenso verhält es sich mit dem Gebrauch des Begriffs während der Westfälischen Friedensverhandlungen. Angaben zu Herleitung und Geschichte des Begriffs sind bislang aber spärlich oder fehlen ganz. Dies soll im Folgenden nachgeholt werden. Vollständigkeit der Belege wird dabei nicht erstrebt.
Analoges gilt für den Begriff „Friedenspartei“, der seit dem 19. Jahrhundert einen Alternativbegriff für bestimmte Gruppierungen während des Westfälischen Friedenskongresses darstellt. Auch hier sollen Herleitung und Bedeutungsdefinition versucht werden.
2 Zeitgenössischer Gebrauch
Schon zur Zeit des Westfälischen Friedenskongresses wurde der Begriff „Dritte Partei“ verwendet, allerdings nur selten. Um so wichtiger ist es, die Belege auf ihren Aussagewert hin zu analysieren. Die im Folgenden genannten Beispiele sind den Akten des Friedenskongresses oder deren Umfeld entnommen, wobei unterschiedliche Quellengattungen (Briefe, Protokolle) berücksichtigt werden.
Der Terminus wurde auf mehrfache, inhaltlich differente Weise verwendet. Zum einen geschah dies in unspezifischer Weise zur Bezeichnung einer Teilmenge.7 „Dritte Partei“ bezeichnet dabei ein gewisses, in seiner Größenordnung unbestimmtes Quantum von einem größeren Ganzen. So heißt es bei der Schilderung eines uneinheitlichen Beratungsergebnisses im Fürstenrat Osnabrück am 30. Juli 1648 gemäß einer kurfürstlichen Protokollüberlieferung: Die einen hätten so votiert, die anderen anders. „Die dritte partey hette sich aus mangell instruction undt anderer considerationen halber in votis nicht desfals heraußer laßen wollen. Und dieße dritte hette die maiora der alhier anwesenden furstlichen gemacht […].“8 Diese „dritte partey“ hatte also gar nicht Stellung bezogen zur proponierten Frage, und zwar aus heterogenen Gründen (keine Instruktion, nicht benannte Erwägungen). So wäre es verfehlt, von einer vorhergehenden Absprache der Votanten auszugehen, zumal es sich nur um einen Punkt einer dreigliedrigen Proposition handelte, also um keine Kernfrage der Verhandlungen. Demnach war es keine absichtlich gebildete „dritte Partei“, sondern eine sich aus heterogenen Motiven ad hoc ergebende Gruppe, die keine weitergehenden gemeinsamen (politischen) Ziele verfolgte.
Ein anderer Gebrauch des Begriffs findet sich in einem Bericht des kaiserlichen Hauptgesandten Graf Trauttmansdorff (1584 – 1650) an den Kaiser vom 12. Februar 1646.9 Der Diplomat informierte Ferdinand III. angesichts der stockenden Verhandlungen über einen Plan zur Beschleunigung des Friedensprozesses. Er stammte von dem Kriegsrat und Generalproviantmeister des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel Jacob Arend Pape; zumindest gab dieser an, nur für sich und nicht im Auftrag des Herzogs zu sprechen. Der Plan korrespondierte „fast“ mit einem Vorschlag, den Trauttmansdorff im Oktober 1645 in einem Gutachten formuliert hatte. Auch der kursächsische Feldmarschall Johann Georg von Arnim (1581 – 1641) hatte ähnliche Pläne gehegt, so Trauttmansdorff. Zudem hatte nach Papes Bericht der Kommandant der Westfälischen Kreisarmee, Peter Graf von Holzappel (1585 – 1648), gleichfalls analoge Vorstellungen entwickelt. Nach diesem anscheinend in Kreisen der Armee erwogenen Plan handelte es sich um einen militärischen Zusammenschluss von – protestantischen – Reichsständen mit dem Ziel, jene Reichsstände, die sich dem Frieden noch widersetzten, zum Frieden zu zwingen. Als Befehlshaber sollte Holzappel fungieren, während dem Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel das Generalat zugedacht war, zumal dessen aktive Truppen den Kern der neu entstehenden Armee bilden sollten, die durch Zuzug aus den feindlichen Armeen mittels kaiserlicher und reichsständischer Avocatorialmandate zu ergänzen sei. Pape hoffte, dass neben Hans Christoph Graf Königsmarck (1600 – 1663), der früher in kaiserlichen und damals in schwedischen Diensten stand, Truppenteile von der „Schwedischen parthey“ abgezogen und in den Dienst der neuen Armee unter dem Generalat des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel treten würden. Diese geplante militärische „verfassung“ habe Pape, wie Trauttmansdorff berichtete, „die dritte parthey genennet“.10
Ein Antwortschreiben des Kaisers liegt nicht vor. Offensichtlich billigte er den Plan nicht. Die Gründe sind leicht nachvollziehbar: Es konnte nicht in seinem Interesse liegen, dass sich neben der kaiserlichen Reichsarmee eine weitere Armee unter dem Generalat des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel formierte, die sich als dritte Kraft zwischen Reich und Schweden verstand. Das galt auch unter der Voraussetzung, dass diese Armee widerstrebende Reichsstände zum Frieden und zur Vereinigung mit dem...