Corporate Governance
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Corporate Governance

Normen, Legitimation und Praktiken in deutschen Unternehmen, 1870–1930

  1. 331 Seiten
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Corporate Governance

Normen, Legitimation und Praktiken in deutschen Unternehmen, 1870–1930

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Diese Arbeit gibt einen neuen Einblick, wie das deutsche Corporate-Governance-System in der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts funktioniert hat. Aus einer mikroökonomischen Perspektive wird untersucht, welche Rolle Recht am Beispiel von vier deutschen Aktiengesellschaften (Deutsche Bank, BHG, AEG und Siemens) bei der Gestaltung von Corporate-Governance-Systemen einnimmt.

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Information

Jahr
2021
ISBN
9783110717068

1 Einleitung

1.1 Fragestellung

In meinem Buch gebe ich einen Einblick in die Entwicklung des deutschen Corporate-Governance-Systems – der Entwicklung von Finanzmärkten, deren Ordnungsrahmen und Funktionsweise. In Deutschland entwickelte sich zwischen der Reichsgründung und dem Ersten Weltkrieg ein gut funktionierendes Corporate-Governance-System. Mit der Verbreitung von Aktiengesellschaften während der Industrialisierung und nach der Abschaffung des Konzessionszwanges im Jahre 1870 etablierte sich ein florierender Aktienmarkt. 1913 hatte Deutschland 28 börsennotierte Unternehmen pro eine Million Einwohner und ihr Marktwert erreichte 44 Prozent des Sozialprodukts – beide Kennzahlen indizieren eine stärkere Marktorientierung des deutschen Finanzsystems vor dem Ersten Weltkrieg als im Jahre 1990.1 Insgesamt schnitt das deutsche Corporate-Governance-System in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im internationalen Vergleich gut ab. Die historische Forschung beschäftigt sich schon lange mit der Frage nach den Erfolgsfaktoren für den markanten Aufstieg nach 1870. So bezeichnete Alfred D. Chandler, der Pionier der modernen Unternehmensgeschichte, das deutsche Modell als einen leistungsfähigen Managerkapitalismus.2 Neuere Forschung dagegen betont, dass in Deutschland ein Insider System vorherrschte.3 Aus Sicht einiger Ökonomen ist die bemerkenswerte Entwicklung des deutschen Corporate-Governance-Systems nach 1870 doch überraschend. Nach der Law and Finance School hätten Civil-Law-Länder wie Deutschland schwächere Corporate-Governance-Systeme als Common-Law-Länder. Dafür sei der rechtliche Investorenschutz verantwortlich, so die These. Das Civil Law gewähre einen schwächeren Investorenschutz und bewirke, dass sich in den Unternehmen ein Insider System mit einer konzentrierten Aktionärsstruktur entwickelt. Das Common Law dagegen fördere einen starken Aktionärsschutz und ein Outsider System mit Streubesitz.
Die Geschichte zeigt allerdings ein anderes Bild. In meiner Arbeit knüpfe ich an die Law and Finance Debatte aus einer mikrohistorischen Perspektive an. Ich zeige auf, wie das deutsche Corporate-Governance-System in der Praxis funktionierte, obwohl es der Theorie nach nicht funktionieren sollte. Ein gutes Corporate-Governance-System bietet den Aktionären optimale Bedingungen, die ihnen garantieren, dass sie aus ihrem investierten Kapital einen guten Gewinn ziehen, und die sie vor opportunistischem Verhalten seitens des Managements oder anderen Akteuren schützt.4 Aktionäre müssen bereit sein, ihr freies Kapital in Aktien zu investieren, damit Unternehmen ihr Wachstum über den Aktienmarkt finanzieren können. Welche Rolle kann Recht bei der Gestaltung guter institutioneller Arrangements spielen und welche Rolle übernehmen private Akteure? Wie setzen private Akteure Rechtsnormen um und welche Auswirkungen haben solche Normen auf ihre Handlungen in der Praxis? Um diese Fragen zu beantworten, habe ich vier Fallstudien – die Deutsche Bank, die Berliner Handels-Gesellschaft (BHG), die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) und Siemens – ausgewählt. Dabei habe ich untersucht, wie die Unternehmen Kapitalerhöhungen5 durchführten. Bei Kapitalerhöhungen wird das Grundkapital durch die Ausgabe junger Aktien erhöht. Sie stellen somit wichtige Entscheidungen dar, die über die Finanzierung und den zukünftigen Erfolg des Unternehmens entscheiden. An Kapitalerhöhungen lässt sich gut darstellen, wie sich der faktische und formale Investorenschutz in Deutschland entwickelt hat. Um den Investorenschutz zu bestimmen, habe ich einen an das historische Material angepassten Analyserahmen verwendet. Ich habe mir angeschaut, wie sich bei der Ausgabe junger Aktien die Machtverteilung zwischen dem Management, dem Aufsichtsrat und den Aktionären gestaltet hat, ob Aktionärsrechte ausgeweitet bzw. eingeschränkt wurden und welche Governance-Konflikte zwischen den Akteuren aufgetreten sind. Die in der quantitativen Forschung verwendeten Indices, die vorgeben, den Investorenschutz zu messen, sind zur Identifikation von großen Trends nützlich, eignen sich für historische Fallstudien jedoch nicht, da sie Informationen zu stark aggregieren. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich von 1870 bis 1930. Er umfasst mit der Ersten und Zweiten Aktienrechtsnovelle 1870 und 1884, dem Börsengesetz 1896 und dem Handelsgesetzbuch 1897 alle wichtigen Gesetze und mit der Gründerkrise 1873, dem Ersten Weltkrieg, der Inflation und der Hyperinflation 1923 und der Weltwirtschaftskrise 1929 viele entscheidende politische und ökonomische Phänomene der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Anhand von vier Fallstudien zeige ich in meinem Buch auf, dass sich das deutsche Corporate-Governance-System aus verschiedenen Komponenten zusammensetzte und private Akteure unterschiedliche Corporate-Governance-Strukturen in den Unternehmen etablierten. Der Gesetzgeber setzte die Rahmenbedingungen, indem er regelte, wie sich die Machtverteilung zwischen dem Vorstand, dem Aufsichtsrat und den Aktionären gestalten sollte, gewährte den Aktionären wichtige Verwaltungs- und Vermögensrechte und sorgte für mehr Transparenz bei der Ausgabe neuer Aktien. Allerdings herrschte eine größere Satzungsfreiheit vor und private Akteure hatten Handlungsspielraum. Die Unternehmen passten sich teilweise den gesetzlichen Standards an, sodass sich der formale Investorenschutz verbesserte. Andererseits nutzten sie den Handlungsspielraum und implementierten die für sie passenden Strukturen. In der Praxis unterschieden sich die Unternehmen somit in der Zusammensetzung der Akteure. Kennzeichnend für alle Unternehmen war, dass sich eine Trennung zwischen Leitungsmacht und Teilhaberschaft durchsetzte. Die Deutsche Bank war mehrheitlich im Streubesitz und hatte keinen kontrollierenden Großaktionär. Die BHG, die AEG und Siemens hatten einen bzw. mehrere kontrollierende Großaktionäre. Besonders auffällig war bei allen Unternehmen, dass auf den Generalversammlungen Inside Shareholders, Banken, Familien oder andere Unternehmen dominierten und Kleinaktionäre überwiegend passiv bei Unternehmensentscheidungen blieben. Alle Unternehmen hatten ein gut ausgebildetes professionelles Management. Die Aufsichtsräte waren dagegen bei der Deutschen Bank, der BHG und der AEG weniger funktionsfähig, da sie vor allem in der Weimarer Republik zu groß waren und eine hohe Anzahl an Trittbrettfahrern aufwiesen. Ein besonderes Merkmal der Aufsichtsräte war die hohe Präsenz an Banken, die für die Eigenkapitalfinanzierung bei den Unternehmen zuständig waren. Wie gut Corporate Governance in der Praxis funktionierte, hing in Entscheidungssituationen insgesamt von den Handlungen und Lösungen der privaten Akteure ab. Bei der Durchführung von Kapitalerhöhungen setzten private Akteure Rechtsnormen unterschiedlich um, führten eigene Mechanismen ein und verfolgten mit ihren Entscheidungen unterschiedliche Interessen. In allen Unternehmen gestaltete sich die Macht abweichend von der formalen Corporate Governance. Zwischen dem Vorstand, dem Aufsichtsrat und den Aktionären kamen Finanzintermediäre hinzu und sie bildeten eine entscheidende Komponente des deutschen Corporate-Governance-Systems. Sie übernahmen Aktien bei Kapitalerhöhungen, verkauften sie an das Publikum und trugen somit bei der Eigenkapitalfinanzierung das komplette Risiko. Auch fungierten sie als Berater bei der Eigenkapitalfinanzierung und übernahmen die Vertretung der Aktionärsinteressen. Banken hatten in der Regel ein Interesse daran, die Aktien bestmöglich zu verkaufen, und waren dabei von der Marktsituation abhängig. In allen Unternehmen gestaltete sich der Investorenschutz in der Praxis teilweise schlechter als der gesetzliche. In vielen Fällen blieben Aktionäre jedoch passiv, sodass sie mit den Unternehmensstrategien der Entscheidungsträger einverstanden waren. Eine mögliche Erklärung sind hierfür sicherlich die hohen Dividendenrenditen der Unternehmen. Insgesamt hingen Aktionäre in der Praxis davon ab, dass die Entscheidungsträger im Interesse des Shareholder Value handelten. In allen Unternehmen traten trotz institutioneller Vorkehrungen Governance-Konflikte auf. Politische und wirtschaftliche Krisen, wie der Erste Weltkrieg, die Inflation und die Hyperinflation, hatten zusätzlich Einfluss auf die Entscheidungen der Verantwortlichen und wirkten sich negativ auf die Situation der Aktionäre aus.
Mein Buch gliedert sich in drei Teile. Im zweiten Kapitel meines Buches beschreibe ich, wie sich Corporate Governance in Deutschland im Kaiserreich und der Weimarer Republik entwickelt hat. Ich untersuche, wie sich der gesetzliche Investorenschutz gestaltet hat und wie Unternehmen ihn in ihren Unternehmensverfassungen implementierten. Im dritten Kapitel betrachte ich die wichtigsten Akteure auf der Unternehmensebene im Corporate-Governance-System. Ich analysiere die Zusammensetzung der Aktionäre, des Vorstandes und des Aufsichtsrats. Im vierten Kapitel schaue ich mir an, wie Corporate Governance bei Kapitalerhöhungen funktioniert hat. Ich untersuche, wie private Akteure den Investorenschutz in der Praxis umsetzten, welche eigenen Mechanismen sie etablierten und welche Governance-Konflikte zwischen ihnen auftraten.

1.2 Fallstudien und Datenmaterial

Für meine Untersuchung habe ich vier Fallstudien ausgewählt. Zu den Unternehmen gehören mit der Deutschen Bank und der BHG zwei Finanzinstitute und mit der AEG und Siemens6 zwei Elektrounternehmen. Die Unternehmensauswahl wurde nach vier Kriterien getroffen. Erstens, es handelt sich um Großunternehmen, die in ihrer jeweiligen Branche die größten Unternehmen waren und zu den Marktführern gehörten. Die Deutsche Bank zählte zu den vier großen „D-Banken“7 im Kaiserreich, die ein besonders hohes Wachstum und eine umfangreiche Geschäftstätigkeit verzeichneten. Die BHG gehörte im Emissions- und Industriegeschäft zu den wichtigsten Banken Deutschlands. Siemens und die AEG waren beide in der neuen Industrie der Elektrotechnik führend, die in den 1890ern einen Aufschwung erlebte. 1913 war die Deutsche Bank mit einer Bilanzsumme von 2,2 Mrd. M das größte deutsche Unternehmen. Unter den Industrieunternehmen war die AEG mit einer Bilanzsumme von 463 Mio. M 1913 das zweitgrößte Unternehmen und Siemens mit einer Bilanzsumme von 189,6 Mio. M das sechsgrößte Unternehmen.
Das zweite Auswahlkriterium war das Gründungsjahr der Unternehmen. Die BHG und die Deutsche Bank wurden 1856 und 1870 noch während des restriktiven Konzessionssystems von Privatbankiers gegründet, sodass ihre Gründung und ihre Statuten staatlich genehmigt werden mussten. An den Unternehmensverfassungen beider Finanzinstitute kann man gut sehen, wie sich Corporate Governance vor dem Erlass der Ersten Aktienrechtsnovelle 1870 gestaltet hat. Die AEG und Siemens wurden nach der Ersten und Zweiten Aktienrechtsnovelle 1887 und 1897 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.
Drittens, die Unternehmen sind interessant, weil sie sich in ihrer Corporate Governance unterschieden. Die BHG war eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Die KGaA hat zwei Gesellschaftstypen. Die persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementäre) übernehmen die Geschäftsführung. Die beschränkt haftbaren Kommanditaktionäre sind nur mit einem bestimmten Anteil am Unternehmen beteiligt.8 Die Deutsche Bank und die AEG gelten als managergeführte Unternehmen. Siemens ist demgegenüber aus einem traditionellen Familienunternehmen hervorgegangen, das 1847 von Werner von Siemens gegründet wurde. Unterschiede bestanden auch in der Zusammensetzung der Aktionärsstruktur, wie ich im 2. Kapitel aufzeige.
Viertens, an der AEG und Siemens lässt sich verdeutlichen, welche Rolle Finanzinstitute im deutschen Corporate-Governance-System einnahmen. Siemens pflegte seit seiner Umwandlung in eine Aktiengesellschaft gute Beziehungen zur Deutschen Bank. Die Deutsche Bank übernahm die Eigenkapitalfinanzierung, fungierte als Kreditgeber und war im Aufsichtsrat von Siemens tätig. Die AEG auf der anderen Seite arbeitete eng mit einem Finanzkonsortium zusammen, das sich aus verschiedenen Großbanken zusammensetzte.
In der Arbeit wird erstmals der Bestand der Zulassungsstelle der Berliner Börse im Bundesarchiv umfassend ausgewertet. Seit 1896 mussten börsennotierte Aktiengesellschaften bei Kapitalmaßnahmen bestimmte Unterlagen einreichen, darunter einen Generalversammlungsbeschluss mit einer Liste der anwesenden Aktionäre, ei...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Abkürzungsverzeichnis
  5. 1 Einleitung
  6. 2 Corporate Governance: Staatliche Vorgaben und private Umsetzung
  7. 3 Akteure im Corporate-Governance-System: Aktionäre, Vorstand und Aufsichtsrat
  8. 4 Corporate Governance in der Praxis: Machtverteilung, Aktionärsrechte und Governance-Konflikte bei Kapitalerhöhungen
  9. 5 Fazit
  10. Quellenverzeichnis
  11. Namensregister
  12. Ortsregister