Digitale Schreibregister
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Digitale Schreibregister

Kontexte, Formen und metapragmatische Reflexionen

  1. 618 Seiten
  2. German
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Digitale Schreibregister

Kontexte, Formen und metapragmatische Reflexionen

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Über dieses Buch

Angesichts der Ausdifferenzierung des kommunikativen Alltags durch digitale Medien untersucht das Buch sozio-situative Schreibvariation. Im Nexus aus Soziolinguistik, Schriftlinguistik und linguistischer Onlineforschung wird ein Forschungsansatz zur Analyse von digitalen Schreibregistern entwickelt, der in der sprachstrukturellen und ethnographischen Untersuchung jugendlicher Schriftlichkeit zwischen Schule und WhatsApp Anwendung findet.

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Information

Jahr
2021
ISBN
9783110728880

1 Digitales Schreiben: Zur Ausdifferenzierung alltäglicher Schriftlichkeit

Die gesellschaftliche Rolle von Schriftlichkeit hat sich im Zuge der Digitalisierung des kommunikativen Alltags nicht nur für individuelle SchreiberInnen gewandelt, sondern entfaltet einen katalysatorischen Effekt auch für neue linguistische Perspektiven auf geschriebene Sprache und ihre kommunikative und soziale Varianz. Traditionelle sprachwissenschaftliche Konzeptualisierungen, die geschriebene Sprache vornehmlich als relativ invariante Realisierungsform fassen, die prototypisch an Handlungsbereiche sozialer Distanz gebunden ist, geraten in einer digitalen Welt zunehmend ins Wanken.
Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist die alltägliche Omnipräsenz digitaler Kommunikation. Wie die repräsentative ARD/ZDF-Onlinestudie 2018 zeigt, machen mittlerweile über 90% der deutschen Bevölkerung Gebrauch von Internetanwendungen (vgl. Frees/Koch 2018: 399). Die Produktion von geschriebener Sprache spielt dabei eine zentrale Rolle. Die tägliche Nutzungsdauer von Onlineplattformen, die mit schreibender Tätigkeit einhergehen, wird von der Studie im Mittelwert mit 87 Minuten angegeben (ebd.: 406). In der Altersgruppe zwischen 14 und 29 Jahren liegt der Wert sogar bei 125 Minuten (vgl. ebd.). Dieser im Vergleich zu den vorausgegangenen Jahren ansteigende Trend wird dabei wesentlich auch durch die Verbreitung onlinefähiger Smartphones begünstigt, mit denen digitale Schriftlichkeit noch mobiler als bislang in Erscheinung tritt. So geben in der ARD/ZDF-Onlinestudie 86% der 14- bis 29-Jährigen an, ein Smartphone zu besitzen (ebd.: 411). Die JIM-Studie 2018, die die Mediennutzung deutscher Jugendlicher repräsentativ erhebt, ermittelt sogar eine Smartphone-Ausstattung von 97% der 12- bis 19-Jährigen (mpfs 2018: 8). Digitale Schriftlichkeit prägt den Alltag der deutschen Bevölkerung – nicht nur immer, sondern auch überall.
Mit diesem quantitativen Aufschwung geht eine qualitative Ausdifferenzierung einher. Schriftlichkeit diffundiert in neue, häufig informelle Handlungsbereiche, die traditionell mit gesprochener Sprache assoziiert wurden. Geschriebene Sprache findet neben ihren angestammten institutionellen Domänen des Berufs und der Bildung nun auch Verwendung, um beispielsweise Verabredungen unter FreundInnen zu organisieren, Familieneinkäufe zu planen oder schlicht zu plaudern und durch Geschriebenes soziale Beziehungen einzugehen und zu pflegen. War die Schriftlichkeit literaler Gesellschaften lange Zeit vornehmlich eine Literalität des Lesens, vollzieht sich im Zuge der Digitalisierung ein „turn to writing as a mass daily experience“ (Brandt 2015: 3).
Die graphische Manifestation digitaler Schriftlichkeit spiegelt diesen Wandel wider, indem sich Schreibungen und graphische Mittel im alltäglichen Umgang mit Schrift etablieren, die sich von kodifizierten Standardformen unterscheiden und in ihrer Bündelung als ein Mosaik unterschiedlicher Schreibstile literalen Alltag prägen. Wortschreibungen wie <kommste>, Interpunktionsgebrauch wie <!!!!> und Bildzeichen wie <
> treten an die Seite orthographisch kodifizierter Schreibformen und werden je nach kommunikativem Zweck, AdressatIn, ProduzentIn, Medium – oder kurz: Kontext – in unterschiedlicher Weise herangezogen, um digitale Kommunikation zu realisieren.
Der sprachwissenschaftlichen Begeisterung, es hier mit einer gänzlich innovativen Verwendung geschriebener Sprache zu tun zu haben, ist zunächst einmal mit Vorsicht zu begegnen. Viele der Schreibungen, die einschlägige linguistische Arbeiten als typisch für den digitalen Sprachgebrauch herausarbeiten (u. a. Abkürzungen, Versalienschreibungen, Elisionen und Kontraktionen), zeigen sich, wie Elspaß (2002) darstellt, in ähnlicher Weise schon in privaten, handschriftlichen Briefen des 19. Jahrhunderts und gehen auf eine grundsätzliche Verschriftungsvarianz zurück, die an noch ältere Traditionen phonographischer Schriftsysteme anknüpft. Wie Elspaß (ebd.: 27f.) aber auch anmerkt, lässt sich durchaus von einem wesentlichen Unterschied zwischen diesen historischen Schriftprodukten und gegenwärtiger digitaler Kommunikation ausgehen: Die Bewusstheit der SchreiberInnen über ihren varianten Schriftgebrauch und der daraus abgeleitete stilistische Wille, sozial und kommunikativ kontextsensitiv zu schreiben, ist im digitalen Zeitalter ungleich höher. Die Varianz des Geschriebenen gewinnt in und durch digitale Medien an Sichtbarkeit.
Insofern ist die Novität digitaler Schriftlichkeit weniger in ihren strukturellen Formen als in der stilistischen Vielfalt ihres Gebrauchs sowie in der metasprachlichen Wahrnehmung und sinngebenden Rationalisierung dieser Ausdifferenzierung in einer digitalisierten Gesellschaft zu suchen. Eine „Neue Schriftlichkeit“, wie sie Androutsopoulos (2007a) beschreibt, kennzeichnet sich in diesem Sinne nicht nur durch bestimmte Schreibformen, sondern vor allem auch durch ihre interaktiven, beschleunigten, flüchtigen, entinstitutionalisierten und vor allem beziehungszentrierten Schreibkontexte (vgl. ebd.: 74), die durch vernetzte digitale Medien ermöglicht werden, sowie durch die Herausbildung jener metasprachlichen Normen, die den Gebrauch von Schrift in diesen Kontexten sozial organisieren. Eine Ausdifferenzierung von Schriftlichkeit lässt sich damit einerseits an den realisierten Schreibstilen, die sich im digitalen Schreiben beobachten lassen, sowie andererseits an der „pluralisation of written language norms“ (Androutsopoulos 2011a: 146), mit der eine Gesellschaft der Vervielfältigung von sozialen Schreibanlässen begegnet, festmachen. Die Ausdifferenzierung von Schriftlichkeit geschieht sprachstrukturell und sozial.
In dieser Perspektive ist gesellschaftliche Schriftlichkeit nicht mehr bloß in ein orthographisches Standard-Schreiben und ein demgegenüber quantitativ und qualitativ marginales Nonstandard-Schreiben zu unterscheiden, sondern parzelliert sich in ein Kaleidoskop distinkt wahrgenommener Schreibstile, die Gemeinschaften und Individuen verwenden, um sozial und kommunikativ zielgerichtet literal zu handeln. Das vorliegende Buch wird dieses schreibstilistische Kaleidoskop aus einer dezidiert soziolinguistischen Perspektive in den Blick nehmen. Dabei ist die Forschungsfrage leitend, wie die Varianz von Schreibungen im literalen Alltag von AkteurInnen sozial organisiert und kommunikativ funktionalisiert wird. Angestrebt wird also eine soziolinguistische Modellierung der Praxis von Schreibvarianz in einer digitalisierten Gesellschaft. Dieses Vorhaben geht mit einer Trias von kleinteiligeren Fragestellungen einher:
  1. Es ist zu klären, welchen sozio-kontextuellen Faktoren SchreiberInnen Bedeutung zumessen, wenn sie bestimmte Schreibstile gegenüber anderen kontextsensitiv bevorzugen. Wie lassen sich sozio-situative Kontexte des digitalen Schreibens modellieren?
  2. Weiterhin muss untersucht werden, welche graphischen Mittel herangezogen werden, um in digitalen Kontexten mikrostrukturelle Schreibstile zu realisieren. Wie lassen sich schreibstilistische Selektionen von Formen in digitalen Schreibkontexten modellieren?
  3. Schließlich soll außerdem das Bewusstsein der SchreiberInnen über kontextuelle Varianz, divergierende Gebrauchsnormen und die Relevanz der kodifizierten Orthographie in den Blick genommen werden. Welche metasprachlichen Reflexionen liegen kontextsensitivem Schreiben in digitalen Medien zugrunde?
Der Aufbau des vorliegenden Buches ist durch diese Dreigliederung von Kontexten, Formen und Reflexionen bestimmt – sie wird auf den folgenden Seiten immer wieder aufgegriffen und zuerst mit theoretischem, dann mit methodischem und schließlich mit empirischem Leben gefüllt.
So steht dem Buch zunächst ein theoretischer Teil voran, in dem zuerst linguistische Perspektiven auf geschriebene Sprache und Schreibvarianz ausgelotet werden (Kap. 2). Nach einer knappen terminologischen Einführung in zentrale Begriffe der Schriftlichkeitsforschung werden die Schriftlinguistik, die linguistische Onlineforschung sowie die Soziolinguistik der Schriftlichkeit als Fächer konturiert, in deren Forschungsfelder Phänomene digitaler Schreibvarianz potentiell fallen. Dabei ist jeweils kritisch zu fragen, welche disziplinären Grundannahmen und Ausrichtungen der holistischen Erfassung digitaler Schreibpraxis bislang im Wege stehen.
Nachdem diese schrifttheoretische Verortung vorgenommen wurde, folgt im Anschluss eine Darstellung und Diskussion soziolinguistischer Register-Theorien als theoretische Grundlegung der soziolinguistischen Basiskonzepte, mit denen die vorliegende Arbeit operiert (Kap. 3). Die Theorien sprachlicher Register nehmen grundsätzlich in den Blick, in welchem Verhältnis Sprachgebrauch und soziale Kommunikationssituation zueinander stehen und wie sich kommunikativer Alltag in verschiedene Register ausdifferenziert – liefern damit also das passende soziolinguistische Rüstzeug, um die soziale und situative Pluralisierung von Schreibstilen theoretisieren zu können. Die Diskussion fokussiert hierfür drei verschiedene Ausarbeitungen des Registerbegriffs, zunächst den der Systemisch-Funktionalen Linguistik (Kap. 3.1), dann den der korpuslinguistischen Register Studies (Kap. 3.2) und schließlich den der Linguistischen Anthropologie (Kap. 3.3). Das Buch wird hierbei einen Schwerpunkt bezüglich der letztgenannten Disziplin legen und verbindet damit auch die Hoffnung, die vornehmlich in Nordamerika entwickelte sprachanthropologische Theorie der deutschsprachigen Forschung zu öffnen. Als zentrale Leitkonzepte werden hier vor allem Metapragmatik und Sprachideologie, soziale Indexikalität sowie soziale Registrierung eingeführt und in eine sprachanthropologische Perspektivierung auf Sprache im sozialen Kontext zusammengesetzt. In Bezugnahme der drei Registerbegriffe aufeinander wird außerdem schließlich eine theoretische Triangulation angelegt, die so den Ausgangspunkt für den weiteren Verlauf des Buches schafft.
Damit ist es im Anschluss möglich, die linguistischen Perspektiven auf (digitale) Schreibvarianz einerseits und die soziolinguistischen Perspektiven auf Sprache im Kontext andererseits zu einem Forschungsansatz zusammenzuführen, um digitale Schreibregister analytisch erfassen zu können (Kap. 4). Geleitet durch die diskutierten sprachwissenschaftlichen Disziplinen entwickelt das Buch einen Forschungsansatz, der sich aus den drei Analysedimensionen der sozio-situativen Kontexte (Kap. 4.1), der graphisch-segmentalen Formen (Kap. 4.2) sowie der metapragmatischen Ideologien (Kap. 4.3) zusammensetzt. Das Buch legt damit ein Analyseraster vor, das für die Erfassung von Schreibregistern in unterschiedlichen sozialen, medialen und sprachlichen Kontexten Anwendung finden kann und das in dieser Weise über die eigene Empirie hinausgeht.
Der folgende empirische Teil kann unter dieser Voraussetzung als eine Anwendung des entwickelten Forschungsprogramms verstanden werden. Dabei wurde eine soziale Population als Forschungsfeld ausgewählt, in deren literalen Alltag sich die Pluralisierung von Schreibstilen ganz besonders deutlich abzeichnet: jugendliche SchülerInnen zwischen zwölf und 19 Jahren, die an vier verschiedenen norddeutschen Schulen für eine Teilnahme an dieser Studie gewonnen werden konnten. Inwiefern der literale Alltag von Jugendlichen sich als ein Forschungsfeld der Schreibregisterforschung besonders eignet und welche empirischen Fragestellungen sich zugeschnitten auf diese Population ableiten, wird der Untersuchung vorangestellt thematisiert (Kap. 5). Nachdem grundsätzliche forschungsethische und forschungspraktische Leitlinien der Studie vorgestellt wurden (Kap. 6), folgt außerdem eine Darstellung der beteiligten ProbandInnen, der erhobenen Datentypen sowie der Analyseverfahren, die jeweils Anwendung gefunden haben (Kap. 7). Hier wird präsentiert, dass die Studie auf der Triangulation von drei Datentypen basiert, die jeweils in Korrespondenz zu den drei übergeordneten Fragestellungen dieser Arbeit stehen:
  1. Fragebögen von 181 ProbandInnen, die Auskunft über die sozio-situativen Kontexte des digitalen Schreibens geben,
  2. Textportfolios von 23 ProbandInnen, die jeweils sowohl handgeschriebene Texte aus den formellen Kontexten der Schule als auch Chats aus der digitalen Messengerkommunikation mit FreundInnen enthalten,
  3. sieben Gruppeninterviews mit 16 ProbandInnen, die Auskunft über die metasprachlichen Reflexionen geben, mit denen die Ausdifferenzierung von Schreibstilen rationalisiert, evaluiert und funktionalisiert wird.
Die empirische Analyse digitaler Schreibregister gliedert sich in den anschließenden Analysekapiteln damit sowohl durch die drei unterschiedlichen Datengrundlagen als auch durch die jeweilige analytische Fokussierung auf soziosituative Kontexte, graphisch-segmentale Formen sowie metapragmatische Reflexionen.
Die Analyse der ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Danksagung
  5. 1 Digitales Schreiben: Zur Ausdifferenzierung alltäglicher Schriftlichkeit
  6. Teil I: Theoretische Grundlegung
  7. Teil II Forschungsfeld, Methoden und Daten
  8. Teil III Ergebnisse
  9. Teil IV Zusammenfassung und Ausblick
  10. Tabellen-, Abbildungs- und Diagrammverzeichnis
  11. Index