Wissenskulturen in der Leibniz-Zeit
Konzepte â Praktiken â Vermittlung
- 404 Seiten
- German
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Wissenskulturen in der Leibniz-Zeit
Konzepte â Praktiken â Vermittlung
Ăber dieses Buch
Das 17. Jahrhundert kann als ein Zeitalter der beschleunigten Entfaltung von Wissenssystemen und epistemischen Diskursen betrachtet werden. Der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz befindet sich an einer Schnittstelle dieser komplexen frĂŒhneuzeitlichen, eine neue Ăffentlichkeit generierenden Entwicklung, die weltliche wie geistliche AmtstrĂ€ger und Gelehrte einschlieĂt. Ihre gemeinsamen Interessen und Kontakte, ihre Arbeitsmethoden und ihr Umgang mit Medien öffnen einen weiten Blick auf Prozesse der Erzeugung, Verbreitung und Modifizierung von Wissen und lassen diese zudem in ihrer zeitbedingten FunktionalitĂ€t und MaterialitĂ€t erkennbar werden.
Die BeitrÀge dieses Bandes thematisieren Wissenskulturen der Leibniz-Zeit, indem sie deren soziokulturelle Rahmenbedingungen, Praktiken und Netzwerke kontextualisieren.
HĂ€ufig gestellte Fragen
Information
Teil 1: Wissenskonzepte
Ăber die allgemeine Bedeutung der Mathematik fĂŒr die frĂŒhaufklĂ€rerischen Wissenssysteme und die spezielle Bedeutung bei Leibniz
Ist eine Wissenschaft alles auszumessen, was sich ausmessen lĂ€st. Insgemein beschreibet man sie per scientiam quantitatum, durch eine Wissenschaft der GröĂen [âŠ] Es ist aber aus dieser ErklĂ€rung der Mathematick zugleich zuersehen, daĂ sie eigentlich nur aus der Geometrie, Arithmetick und Algebra besteht, als auf welchen Wissenschaften alles Ausmessen beruhet.
1 Die Allgemeinheit des âmosâ oder âordo geometricusâ, der mathematischen Lehrart oder Methode
Illa (structura geometriae) quidem adeo firma, atque inconcussa, esse decuit, ut velut adamantina summorum ingeniorum tamquam arietum ictibus pulsata ne minimum quidem nutantia (fundamenta) agnoscerentur: Hoc enim Mathematicarum dignitati, ac summae certitudini, quam prae omnibus aliis humanis scientiis, nemine philosophorum reclamante, ipsae sibi vindicarunt, maxime convenire manifestum est.
(Ăbersetzung: Jener (Bau der Geometrie) soll freilich so fest und unerschĂŒtterlich sein, dass man anerkennt, dass die gleichsam stĂ€hlernen Fundamente, getroffen von den StöĂen der gröĂten Geister wie von Rammböcken, nicht einmal im geringsten schwanken. Denn es ist offensichtlich, dass dies am meisten zur WĂŒrde und höchsten Gewissheit der mathematischen Wissenschaften passt, die sie selbst fĂŒr sich mehr als alle anderen menschlichen Wissenschaften beanspruchen, ohne dass einer der Philosophen widerspricht.)
Hoc enim sibi invicem praestant scientiae huius cultores: nulla nimirum ut sit lis inter illos, aut diversarum sententiarum contra veritatem conspiratio; quae in Mathematicis inter veros Mathematicos maxime si puras spectemus scientias Arithmeticam et Geometricam, nulla esse potest. Semper enim illa in puncto, et indivisibili consistit, a quo sive ad laevam sive ad dextram abieris, antrorsum retrorsumve, sive in omnem circuitum pedem contuleris, semper tamen a vero te discessisse invenies.
(Ăbersetzung: Denn die AnhĂ€nger dieser Wissenschaft gestehen wechselseitig einander zu: dass es in der Tat keinen Streit zwischen jenen oder eine Verschwörung der verschiedenen Ansichten gegen die Wahrheit gibt. Diesen kann es in der Mathematik zwischen wahren Mathematikern nicht geben, ganz besonders wenn wir auf die reinen Wissenschaften, die arithmetische und geometrische, blicken. Denn jener besteht stets in Punkt und Indivisible. Man wird indessen stets finden, von der Wahrheit abgewichen zu sein, sei es dass man links oder rechts abgewichen ist, nach vorn oder nach hinten oder einen vollen Kreis gelaufen ist.)
Lâunique moyen de redresser nos raisonnemens câest de les rendre aussi sensibles que le sont ceux des Mathematiciens, en sorte quâon puisse trouver son erreur Ă veue dâĆil, et quand il y a des disputes entre les gens, on puisse dire seulement: contons, sans autre ceremonie; pour voir lequel a raison.8
Man darf sich deshalb nicht wundern, wenn ich hier den Versuch mache, diese Dinge durch Vergleiche zu erklÀren, die der reinen Mathematik entnommen sind, wo alles geordnet vor sich geht und man Mittel hat, sie durch eine genaue Betrachtung aufzuklÀren, durch eine Betrachtung, die uns sozusagen den Anblick der Vorstellungen Gottes gewÀhrt.9
Die Lehrart der Mathematicorum, das ist, die Ordnung, deren sie sich in ihrem Vortrage bedienen, fĂ€nget an von den ErklĂ€rungen, gehet fort zu den GrundsĂ€tzen, und hiervon weiter zu den LehrsĂ€tzen und Aufgaben: ĂŒberall aber werden ZusĂ€tze und Anmerckungen nach Gelegenheit angehĂ€nget.
Wer die bisher erlĂ€uterte Methode oder Lehrart betrachtet, wird ohne MĂŒhe inne werden, daĂ...
Inhaltsverzeichnis
- Title Page
- Copyright
- Contents
- Vorwort
- Einleitung
- Teil 1:âWissenskonzepte
- Teil 2:âPraktiken und RĂ€ume der Wissenserzeugung
- Teil 3:âKontexte der Wissensvermittlung
- AnhÀnge