Reste altorientalischen Prophetentums in der Bibel
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Reste altorientalischen Prophetentums in der Bibel

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Reste altorientalischen Prophetentums in der Bibel

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Julius Wellhausen hat maßgeblich zum Verständnis der biblischen Prophetie beigetragen und gilt als einer der Erzväter des Prophetenbildes des 20. Jahrhunderts. Zusammen mit seinen Zeitgenossen rechnete er mit der evolutionären Entwicklung der israelitischen Religion, wobei die großen biblischen Propheten eine entscheidende Rolle spielten, indem sie die alte, der altorientalischen Umgebung ähnelnde Volksreligion "zu etwas anderem" machten. Zur Zeit Wellhausens waren die Quellen der außerbiblischen altorientalischen Prophetie schlecht bekannt, heute sind wir besser in der Lage, die biblische Prophetie gegen ihre altorientalische Hintergrund betrachten. Anhand der uns heute bekanntenTexten sind die "Reste altorientalischen Prophetentums", d.h., die der altorientalisch-ostmediterranen Prophetie typischen Eigenschaften im Alten und sogar im Neuen Testament deutlich zu sehen. Unter solchen Merkmalen werden sowohl der Wort-Gottes-Begriff, die Verschriftlichung der Prophetie und die politische Bedeutung der Prophetie als auch der Tempel als die "geistige Heimat" der Propheten, die Genderinklusivität und die prophetische Ekstase betrachtet.

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Information

Reste altorientalischen Prophetentums in der Bibel

Martti Nissinen
Universität Helsinki
Es war mir eine große Ehre und Freude, die Julius-Wellhausen-Vorlesung am 4. Dezember 2019 halten zu dürfen. Schon seit den Tagen von meinen Lehrern Ilmari Soisalon-Soininen und Timo Veijola besteht eine langfristige altestamentliche Verbindung zwischen Helsinki und Göttingen. Diese Beziehung wird immer noch intensiv gepflegt, besonders durch die Beteiligung beider Universitäten an dem OTSEM Netzwerk1 mit Prof. Dr. Reinhard Kratz sowie die Zugehörigkeit von Prof. Dr. Reinhard Müller zu dem von mir während der Jahren 2014–2019 geleiteten Centre of Excellence der Akademie von Finnland „Changes in Sacred Texts and Traditions“.2 Selbst bin ich mit Göttingen seit meinen Studienjahren vertraut, wobei ich an dem Doktorandenkolloquium von Prof. Dr. Rudolf Smend schon im Jahre 1987 ein paar Mal teilgenommen habe. In diesem Zusammenhang sind wir auch zum Grab Julius Wellhausens gepilgert.

Von Schwärmern zu Männern vom selbständigen Geiste: Die Entwicklung der Prophetie nach Wellhausen und seinen Zeitgenossen

Die Julius-Wellhausen-Vorlesung braucht wohl mit Wellhausen selbst nichts zu tun haben. Allerdings gibt es gute Gründe, seinen Name und sein Werk heute als Ausgangspunkt zu erwählen, hat doch Wellhausen zu dem Verständnis des altisraelitischen Prophetentums maßgeblich beigetragen und gilt wohl, zusammen mit seinen Zeitgenossen Heinrich Ewald und Bernhard Duhm, als Erzvater des Prophetenbildes des 20. Jahrhunderts.3 Wer mit der wissenschaftlichen Arbeit von Julius Wellhausen einigermaßen vertraut ist, wird in dem Titel der heutigen Vorlesung den Hinweis auf sein zum ersten Mal im Jahre 1887 erschienenes Buch Reste arabischen Heidentums erkennen4 – eines der ersten Werke, mit denen Wellhausen einen zentralen Platz in der frühen Arabistik einnahm.5 Dieses Buch befaßt sich nicht damit, die vorislamische arabische Religion mit den biblischen Texten zu vergleichen. Hinweise auf die Bibel sind nur vereinzelt zu finden, und die alttestamentlichen Propheten werden kaum erwähnt, nicht einmal im Zusammenhang mit den arabischen Sehern (kāhin).6 Einige Jahre früher hat Wellhausen seinen Wechsel vom Alten Testament zu den Arabern damit motiviert, „den Wildling kennen zu lernen, auf den von Priestern und Propheten das Reis der Thora Jahve’s gepfropft ist,“ denn er habe nicht daran gezweifelt, „daß von der ursprünglichen Ausstattung, mit der die Hebräer in die Geschichte getreten sind, sich durch die Vergleichung des arabischen Altertums am ehesten eine Vorstellung gewinnen läßt.“7 Damit weist Wellhausen darauf hin, daß sowohl der Islam als auch die alttestamentliche Religion aus dem entstanden sind, was zu jener Zeit noch unbefangen als „Heidentum“ bezeichnet wurde. Sich aus dem Heidentum allmählich „emporgearbeitet“ zu haben, sei eben der Inhalt der Geschichte der israelitischen Religion.8
Wie es aber Reinhard Kratz in seinem Artikel mit dem ebenfalls auf Wellhausens Buch verweisenden Titel „Reste hebräischen Heidentums am Beispiel der Psalmen“ geltend gemacht hat, ist Wellhausen selbst mit der frühen Geschichte der israelitischen Religion nicht konsequent verfahren.9 Wellhausen stellt zwar programmatisch fest, daß das israelitische Altertum nicht mehr isoliert werden kann: „man sieht zu deutlich, wie eng es auf allen Seiten mit der näheren und entfernteren Umgebung zusammenhängt.“10 Dabei ist er stark von der Idee der evolutionären Entwicklung der Religionen inspiriert; der Vergleich dürfte „über die Ähnlichkeit der Anfänge und der Analogie der Entwicklung die Differenz des Endergebnisses nicht übersehen.“11 Die Propheten spielen bei der Entwicklung eine entscheidende Rolle: „Die alte israelitische Religion war, wie jede andere Volksreligion, vorwiegend Kultus; erst die Propheten haben begonnen, sie zu etwas anderem zu machen.“12 Damit meint Wellhausen aber nicht Propheten im Allgemeinen, sondern macht einen maßgeblichen Unterschied zwischen den gewöhnlichen und den außerordentlichen Propheten. Ein längeres Zitat empfiehlt sich hier, weil das von ihm (aber nicht nur von ihm) vorgelegte Ideal bis zu unseren Zeiten wirksam geblieben ist:
Seher hat es in Israel, wie bei anderen alten Völkern, von jeher gegeben, aber keine Propheten, oder wie sie hebräisch heißen Nabiim. Diese letzteren tauchten zuerst auf in der erregten Zeit vor dem Ausbruch der Philisterkriege und der Entstehung des Königtums. Sie traten nicht einzeln auf, sondern in Schwärmen, und sie waren auch Schwärmer, hatten nichts rationales an sich und wirkten nicht durch das vernünftige Mittel der Rede. Wie die Derwische im heutigen Orient, veranstalteten sie unter Musik Aufzüge und Tänze, in deren tollen Wirbel auch ganz nüchterne Menschen mit ansteckender Gewalt hineingezogen wurden. Sie waren anfangs so neu und fremdartig in Israel, wie die trachischen Bacchanten in Griechenland, die dort zu gleicher Zeit erschienen sein mögen. Mit der Zeit aber bürgerten sie sich ein, konformierten sich der Jahvereligion und verähnlichten sich den alten Sehern, von denen sie ursprünglich unterschieden warden. Manches von ihrem alten Wesen schliffen sie ab, aber das scharenweise Auftreten behielten sie bei. Sie lebten in Vereinen, die man nicht für Lehrschulen halten darf, wo das Gesetz und die heilige Geschichte getrieben wurde. Sie wurden von den Königen vor Unternehmungen zu Rate gezogen und weissagten gelegentlich zu Hunderten. Durchschnittlich gingen sie mit der öffentlichen Meinung und redeten den Leuten, namentlich den Königen, nach dem Munde, weil sie arm waren und ein Stück Brot verdienen wollten. Aber ab und zu erwuchsen unter ihnen Männer von selbständigem Geiste, die über den Stand hervorragten. Es waren Ausnahmen, aber eben sie hatten die größte geschichtliche Wirkung und galten den Späteren mit Recht als die wahren Propheten. Das Kennzeichen der wahren Propheten ist nach Jeremias, daß sie Unheil verkündeten, gegen den Strom schwammen und den Befragern nicht sagten, wonach ihnen die Ohren juckten.13
Die religionsgeschichtliche Entwicklung der Prophetie ist demnach entscheidend von den wenigen Ausnahmsfällen abhängig gemacht worden, die unter den Schwärmern nüchtern genug waren, um wahre Propheten erkennbar zu sein.14 Dies entspricht völlig dem Idealbild des oppositionellen Einzelprophets, das seitdem als Maßstab der Prophetie gegolten hat. Stimmt dieses Bild aber mit religionsgeschichtlichen Realitäten überein? Was Wellhausen hier von den alten Sehern und Propheten schreibt, scheint zumeist den Samuel- und Königebüchern entstammen, und was er im übrigen von den frühen Stufen der israelitischen Religion schreibt, ist restlos auf das Alte Testament bezogen, wobei die angeblich heidnischen (d.h. kanaanitischen) Ursprünge der israelitischen Religion eigentlich keine Konturen gewinnen.
Insofern es um Prophetie geht, könnte man Wellhausens Vorgehensweise dadurch verteidigen, daß es zu seinen Zeiten mit der Dokumentation der außerisraelitischen Prophetie im Vergleich zu unseren heutigen Kenntnissen relativ schlecht bestellt war. Immerhin waren die ersten assyrischen Orakel schon seit 1875 nicht nur als Keilschriftkopien und Überzetzungen veröffentlicht,15 aber auch schon damals als Prophetie z. B. von Wellhausens jüngeren Zeitgenossen Hugo Gressmann wahrgenommen.16 Es hat aber den Anschein, als hätte Wellhausen in diesen Texten, falls sie ihm bekannt waren, kein relevantes Vergleichsmaterial gefunden.17
Dank der beträchtlichen Zunahme der archäologischen und textlichen Quellen sind wir heute natürlich in einer viel besseren Lage, „Reste hebräischen Heidentums“ in dem biblischen Text in ihren altorientalischen Kontext einzubetten, wie es auch in den letzten Jahrzehnten mit Kräften gemacht worden ist, nicht zuletzt von meinen Göttinger Kollegen.18 Dabei hat sich die aus den biblischen Texten rekonstruierbare Religionsgeschichte nicht als eine einlinige, wenn auch allmähliche, „Emporarbeitung“ aus dem Heidentum, sondern eher als ein aus parallelen Entwicklungen bestehenden Prozeß erwiesen, der ständig in Wechselwirkung mit seinem soziokulturellen Kontext war. Man darf indessen auch fragen, ob es schließlich berechtigt ist, die in den biblischen Texten erkennbaren religionsgeschichtlichen Parallelen als „Reste“ zu bezeichnen, insbesondere wenn damit ausschließlich auf Überbleibsel älteren Materialen in einem sonst viel später entstandenen Text hingewiesen wird.19 Wollen wir den Begriff nach wie vor verwenden, müssen wir zugleich davon ausgehen, daß solche „Reste“ als keine atavistische Fremdkörper, sondern als unentbehrliche Teile des Textes angesehen werden. Selbst wenn älteres Material in dem biblischen Text, z. B. in den Prophetenbüchern, literarkritisch herausgearbeitet werden kann, haben solche Stücke kein eigenständiges Dasein, sondern können nur in ihrem textuellen Kontext gelesen und ausgelegt werden. Dies bedeutet nicht nur, daß die ipsissima verba der Propheten unmöglich zu rekonstruieren sind, sondern auch, daß die ältere israelisch-judäische Religion „nicht unmittelbar, sondern nur im Reflex“ zu greifen ist.20 Allerdings ist es möglich, strukturelle Parallelen zwischen altorientalischer Prophetie, wie wir sie heute aus mesopotamischen und einigen wenigen syrisch-aramäischen Quellen kennen, und dem Alten Testament sowie frühjüdischen Texten und dem Neuen Testament auszumachen.21
Insofern ist die Rede von „Resten“ allerdings berechtigt, als sie die Änderung, die sich im Vergleich der biblischen und altorientalischen Prophetie herausstellt, widerspiegelt. Mit der biblischen Prophetie meine ich Prophetie in der Bibel, d.h. das schriftliche Phänomen, dessen ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Einführung
  6. Reste altorientalischen Prophetentums in der Bibel