Der stille Raub
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Der stille Raub

Wie das Internet die Mittelschicht zerstört und was Gewinner der digitalen Revolution anders machen

  1. 105 Seiten
  2. German
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Der stille Raub

Wie das Internet die Mittelschicht zerstört und was Gewinner der digitalen Revolution anders machen

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Über dieses Buch

Binnen weniger Jahre wird die digitale Revolution die Gesellschaft komplett verändern. Wenige werden reich, viele arm, und die Mittelschicht wird es nur noch in den Geschichtsbüchern geben. Gerald Hörhan, Harvard-Absolvent, Investmentbanker und Internet-Unternehmer, zeigt, was die künftigen Gewinner der digitalen Revolution jetzt tun müssen und warum alle anderen untergehen. In provokantem Ton lässt Hörhan, der an Wirtschaftsuniversitäten lehrt und mit seiner Online-Akademie einen MBA (Master of Business Administration) anbietet, hinter die Kulissen der digitalen Wirtschaft blicken. Ein Buch, das erschreckt, und zugleich die neuen Chancen zeigt.

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Information

Verlag
edition a
Jahr
2017
ISBN
9783990012253

DAS GROSSE VERDRÄNGEN

Ich reiste nach London, um mich mit Kapitalgebern und Fondsvertretern zu treffen. Mein Ziel war es, Kapital für einen Immobilieninvestor zu beschaffen, der damit ein größeres Bauvorhaben verwirklichen wollte.
Ich flog einen Tag früher hin, um die Gelegenheit für ein Treffen mit Freunden zu nutzen. Wir aßen bei einem Italiener in der Savile Row. Das Essen war gut. Ich hatte Thunfischtatar und Hummerspaghetti bestellt, und danach zogen wir noch durch einige der angesagten Bars, von denen es in diesem Viertel Londons nur so wimmelt.
Irgendwann in der Nacht fing es zu regnen an. Das bemerkte ich, als ich um drei Uhr morgens aus einer Bar trat, um mich auf den Heimweg zu machen. Eigentlich wollte ich zu Fuß zu meinem Hotel gehen. Ein Spaziergang erfrischt mich nach so einer Nacht, aber ich hatte keine Lust, klatschnass zu Hause anzukommen.
Während ich unschlüssig in der Tür stand, fiel mir ein davor parkender Jaguar XJ 6 auf, eine gepflegte Limousine in der Farbe British Racing Green. Ich habe eine Vorliebe für britische Autos und besitze selbst zwei Sportwagen dieser Herkunft. Während mein Blick noch auf dem Jaguar ruhte, ließ der Fahrer das Fenster herunter. »Do you need a ride, Sir?«, fragte er höflich.
Erst jetzt begriff ich, dass es sich um ein Taxi handelte. Ich nannte dem Fahrer mein Hotel. Für die eher kurze Fahrt dorthin wollte er 20 Pfund, damals umgerechnet etwa 30 Euro, aber es war eben kein gewöhnliches »Black Cab«. Der Fahrer, ein etwa 35 Jahre alter Mann, war elegant gekleidet. Ich stieg also ein und wir fuhren los. »Woher haben Sie so ein schönes Auto?«, fragte ich.
»Das stammt noch von meinem früheren Job«, erklärte er.
Es stellte sich heraus, dass er vor wenigen Jahren noch Wertpapierhändler in der City gewesen war. Mehr brauchte er nicht zu sagen. Den Großteil des Handels mit Wertpapieren wie Aktien und Futures hatten lange Zeit Händler in grauen Anzügen erledigt, doch diese Zeiten waren vorbei. Computerprogramme, die keine Kaffeepausen benötigen und sich nie krankmelden, haben sie abgelöst und machen höhere Gewinne als sie.
Ich habe schon ehemalige Börsenhändler kennengelernt, die Wirte oder Bauern geworden sind, und dieser hier fuhr also ein nobles Taxi. »Mich hat die Digitalisierung erwischt«, bemerkte er, als ein Gespräch in Gang kam. »Ich mag meinen neuen Job sogar, aber die Digitalisierung wird mich bald erneut erwischen. Zwei oder drei Jahre geht das vielleicht noch, aber schon jetzt fahren viele nur noch mit Uber, aber mit Uber ist nichts zu verdienen. Spätestens wenn die selbstfahrenden elektrischen Taxis kommen, sind die Black Cabs mit ihrem ganzen Mythos und ihrer ehrwürdigen Taxi-Akademie Geschichte.«
»Haben Sie schon neue Pläne?«, fragte ich ihn.
»Ich arbeite seit einer Weile daran, alles andere wäre verantwortungslos. Schließlich habe ich eine Frau und eine kleine Tochter.«
»Da haben Sie immerhin vielen anderen, die ebenfalls durch die Digitalisierung ihren Job verlieren werden, etwas voraus«, ermunterte ich ihn.
»Da haben Sie recht«, antwortete er, als wir schon vor meinem Hotel hielten und er sich umdrehte, um mir die Rechnung zu reichen. »Die Leute verdrängen das. Es ist kaum zu glauben, in welchem Ausmaß sie das tun.«
Ich wusste, was er meinte, denn ich hatte lange genug selbst zu den Verdrängern gehört. Doch nach meiner zweiten Reise ins Silicon Valley hatte ich mich zwei Dinge gefragt.
Erstens. Warum habe ich so lange gebraucht, um dermaßen offensichtliche Entwicklungen wie die digitale Revolution und ihre Folgen zu erkennen?
Zweitens. Warum ignorieren so viele Europäer beharrlich weiterhin diese unübersehbaren Veränderungen?
In den USA ist das anders. Dort hat bereits jeder Hotdog-Verkäufer verstanden, dass er in Zukunft am Arbeitsmarkt und im Geschäftsleben eine digitale Identität brauchen wird. In Europa hingegen herrscht weiterhin die Grundstimmung, in der auch ich mich vor zwei Jahren noch befunden hatte.
Jüngst unterhielt ich mich bei einem Mittagessen mit einem Immobilienmakler über die digitale Revolution und ihre Folgen. Der Mann hatte dazu eine klare Meinung.
Wird schon alles nicht so schlimm.
Das ist eines von zwei Kernargumenten der Verdränger. Ich stellte ihm deshalb die Frage, die ich allen Verdrängern stelle.
Was glauben Sie, wohin das alles führt? Glauben Sie, die Digitalisierung ist eine Modeerscheinung und irgendwann wird alles wieder so wie früher sein?
Daraufhin brachte er das zweite Kernargument der Verdränger vor.
Vielleicht werden einige betroffen sein, ich aber nicht.
»Klar gewinnt das Internet immer mehr an Bedeutung und die Jugend ist da im Vorteil«, sagte er. »Deshalb bricht aber noch lange nicht alles andere zusammen. Wie, bitteschön, soll denn ohne Immobilienmakler eine Wohnung, eine Geschäftsfläche oder ein Büro vom Vermieter an einen Mieter oder von einem Verkäufer an einen Käufer gelangen? Immobilienmakler wie mich wird es weiterhin geben.«
Der Mann irrte in zwei Punkten.
Irrtum eins. Auch die Jugend verdrängt zum Teil das Problem. Jüngst erzählte mir Johannes, ein 26 Jahre alter Wiener Filmemacher, den ich in Berlin kennengelernt hatte und der nebenbei an einer neuen Party-App arbeitet, dass er selbst in seiner Altersgruppe keinen Programmierer für diese finden kann. Deshalb verzögere sich die Verwirklichung seines Projektes ständig. »Wenn einer programmieren kann, kriegt er auf jeder Party drei Jobangebote und weiß irgendwann nicht mehr, wie er sich dagegen wehren soll«, erklärte er mir. Dabei mangle es seiner Altersgruppe nicht nur an der Fähigkeit zum Programmieren, berichtete er. Er schätzte, dass bis zu 50 Prozent selbst der jungen Menschen nie richtig in der digitalen Welt Fuß fassen werden. »Sie kennen die Bedienfunktionen der gängigsten Plattformen, aber das ist dann auch schon alles. Dass sie damit beruflich ein Problem kriegen werden, verdrängen sie.«
Ich fragte daraufhin bei einem Vortrag an der Schweizer Universität St. Gallen die Studenten nach ihrer Online-Affinität: »Wer von euch hat in den sozialen Medien ein Profil mit 5.000 oder mehr Likes oder Followern? Wer von euch hat schon einmal Facebook, Amazon oder YouTube für kommerzielle Zwecke genutzt und nicht nur als Konsument? Wer von euch kann programmieren?«
Nur wenige Hände gingen hoch, und das an einer Eliteuni, wohlgemerkt.
Auf die Frage, wer einmal ein Eigenheim will oder ein großes Auto, gehen dagegen viele Hände hoch.
Dass so wenige Studenten wirklich Teil der digitalen Revolution sind, ist kein Einzelfall. An vielen Unis, an denen ich Vorträge halte, zeigt sich mir ein ähnliches Bild.
Die Verdränger unter den jungen Menschen gibt es schon in den Schulen, was besonders tragisch ist, weil sie dort die falschen Richtungsentscheidungen treffen. Deshalb starten sie schlecht vorbereitet ins Berufsleben. Das lässt sich hinterher nur noch schwer korrigieren.
Schüler sollten vor ihrer Studienwahl oder ihrem Berufseintritt die Veränderungen am Arbeitsmarkt aufmerksam beobachten und Ausbildungen in Fächern vermeiden, die sie zu Gefangenen einer mit der digitalen Revolution untergehenden Branche machen. Das klingt selbstverständlich, doch nicht alle tun das. Viele schauen lieber gar nicht hin.
So hielt ich vor einiger Zeit an einer Schule in Kärnten einen Vortrag. Danach hatten die Schüler Gelegenheit, mir Fragen zu stellen. Ein schmächtiger Junge mit schwarz gefärbten Haaren meldete sich. »Was soll ich studieren, um Erfolg im Leben zu haben?«, fragte er mich.
Ich gab ihm die Antwort, die ich stets in solchen Fällen gebe. »Was hältst du von einer Kombination aus Maschinenbau und Informatik? Oder Biotechnologie und Informatik? Oder Datenanalyse, Statistik und Wirtschaft? Die Nachfrage nach jungen Menschen mit diesen Ausbildungen wächst enorm, und du wirst am Arbeitsmarkt in Platin oder Diamanten aufgewogen werden.«
Der Junge wirkte entmutigt. »Das interessiert mich alles nicht«, sagte er. »Ich will etwas studieren, das Spaß macht. Psychologie oder bildende Kunst.«
»Dann genieße dein Studium«, erwiderte ich. »Denn nach deinem Abschluss wirst du vermutlich arbeitslos sein. Du wirst nicht einmal mehr Taxi fahren können, weil es in zehn Jahren keine Taxifahrer mehr geben wird.«
»Das ist nicht fair«, beschwerte er sich. »Irgendjemand muss mir doch einen Job geben.«
»Wer muss dir einen Job geben?«, fragte ich zurück. »Niemand. Deine beste Chance besteht darin, etwas zu lernen, nach dem die Nachfrage höher als das Angebot ist.«
Irrtum zwei. Auch die Immobilienmakler werden verschwinden. Es wird sehr wohl schon bald Möglichkeiten geben, mit denen eine Wohnung, eine Geschäftsfläche oder ein Büro ohne Immobilienmakler vom Vermieter an einen Mieter oder von einem Verkäufer an einen Käufer vermittelt werden kann. Die Zeit der Immobilienmakler, die nur Türen auf- und wieder abschließen und teils weniger über eine Immobilie wissen als im Internet nachzulesen ist, läuft ab. Die digitale Revolution gefährdet ihre Jobs gerade von mehreren Seiten gleichzeitig.
Zum einen wird es ständig einfacher und günstiger, professionelle Videos herzustellen, durch die viele Besichtigungstermine wegfallen werden. Interessenten für neu gebaute Wohnungen werden sie in der virtuellen Realität besichtigen, und zwar samt Einrichtung und noch vor Baubeginn. Bei Luxusimmobilien in einem bestimmten Preisbereich werden vielleicht weiterhin Makler vor Ort sein. Doch 60 Prozent der jetzigen Maklerjobs werden früher oder später wegfallen, und mindestens weitere 30 Prozent werden sich gründlich ändern und Fertigkeiten im Umgang mit den neuen digitalen Möglichkeiten voraussetzen.
Außerdem werde ich, sobald die Technik dafür ausgereift ist, bei meinen Wohnungen Codeschlösser verwenden, für die meine Mitarbeiter an Interessenten Zugangscodes wie für das Boarding vor einem Flug verschicken können.
Wenn ich bei meinen Vorträgen über diese Dinge rede, reagieren die Verdränger teils richtig aggressiv. So zum Beispiel, als ich vor Immobilienmaklern über die Sache mit den Schlüsselcodes und die Videobesichtigungen sprach. Ich stellte ihnen die Frage, die sich jeder Berufstätige stellen sollte.
Wer wird Sie noch brauchen, wenn sich die technischen Möglichkeiten nur noch ein wenig verbessern, was sie bestimmt tun werden? Was wird der Wert sein, durch den Sie sich dann von einem Computerprogramm unterscheiden?
Das Publikum starrte mich entgeistert an. »Herr Hörhan, das ist unerträglich«, bemerkte einer der Verdränger. »Was Sie vortragen, ist bösartig. Das müssen wir uns nicht gefallen lassen.«
Doch nach dem Vortrag kam der gerade einmal 14 Jahre alte Sohn des Mannes zu mir. »Sie haben recht«, bestätigte er. »Mein Vater versteht das nur nicht.«
Ein anderes Mal schilderte ich Versicherungsmaklern bei einem Vortrag ihre Zukunft. »Derzeit schützen gesetzliche Regelungen Sie noch vor der digitalen Revolution, dennoch werden Sie Ihre Jobs so, wie sie sind, nicht in die Zukunft retten können«, sagte ich. »Denn die Versicherungskonzerne entdecken gerade, wie gut sie ihre Produkte online verkaufen können. Bald werden sie sich keine teuren Makler mehr leisten, die fünf Prozent Provision kassieren und regelmäßig unterhalten und bewirtet sein wollen. Computer brauchen nur ein bisschen Strom und zwei Mal im Jahr eine Wartung.«
Ein Unternehmen, das ein halbes Dutzend Fabrikgebäude versichern wolle, würde sich vielleicht noch an einen Makler wenden, erklärte ich. Doch der größte Teil des Geschäfts, der Verkauf von Lebensversicherungen, Kfz-Versicherungen und Ähnlichem, findet schon jetzt und erst recht in Zukunft digital statt. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich selbst zum letzten Mal mit einem Versicherungsmakler gesprochen habe. »Wozu sollte ich das auch tun?«, fragte ich mein Publikum. »Ich vergleiche Preise und Leistungen von Versicherungen online und entscheide mich auf dieser Grundlage. Das ist so naheliegend, dass es früher oder später so gut wie alle Versicherungskunden tun werden, und Ihre Arbeitgeber werden sich über jeden von Ihnen, den sie durch eine digitale Verkaufsplattform einsparen können, freuen. Sie sparen sich Provisionen und können ihre höheren Renditen selbst einstecken oder als Preisvorteil an ihre Kunden weitergeben.«
Starr und stumm lauschte mein Publikum meinen weiteren Ausführungen.
»Es geht noch weiter«, fuhr ich fort. »Die Versicherungskonzerne werden die digitalen Möglichkeiten sogar nutzen müssen, um zu überleben. Denn die Versicherungsbranche ist das perfekte Beispiel für einen alt, fett und langsam gewordenen Wirtschaftszweig, der sich auf seinem Erfolg ausgeruht hat. Veränderungen waren jahrzehntelang nicht notwendig, weil die Erträge kontinuierlich gestiegen sind. Doch jetzt sorgen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die ersten Sprünge, mit deren Hilfe die digitale Revolution die Beharrungskräfte des Bestehenden überwinden kann. Denn in Zeiten niedriger Zinsen tun sich die Versicherer mit den hohen Kosten für ihre bürokratisch aufgeblähten Apparate und ihrem teuren Vertrieb immer schwerer, Erträge zu erwirtschaften. Vor allem Versicherungskonzerne, die nicht rechtzeitig auf Immobilien gesetzt haben, können ihr Kapital kaum noch gewinnbringend anlegen. Die Digitalisierung ist ihre beste Chance, zu sparen. Nicht nur der Großteil von Ihnen wird damit arbeitslos, auch aus den Zentralen Ihrer Arbeitgeber wird ein Heer überflüssig gewordener Mitarbeiter auf den Arbeitsmarkt strömen.«
Ich hatte meine Rede als Weckruf gemeint. Schließlich hatte jetzt jeder meiner Zuhörer noch die Möglichkeit, sich wie der Londoner Nobel-Taxifahrer auf die Zukunft einzustellen und womöglich sogar davon zu profitieren. Doch es war nicht gerade Dankbarkeit, was mir da aus dem Publikum entgegenkam. Ich musste vielmehr froh sein, dass mich niemand mit faulen Eiern oder Tomaten bewarf.
Auch in meiner eigenen Branche, der Finanzbranche, treffe ich jeden Tag Verdränger. Zuletzt, als ich in Hamburg und zum Mittagessen mit einem Bekannten verabredet war, der dort bei einer lokalen Bank arbeitet. Er versteht etwas von Finanzen und macht seine Sache gut. Alle paar Monate, wenn ich geschäftlich in Hamburg bin, gehe ich mit ihm essen.
Bei unserem jüngsten Treffen in einem Restaurant an der Alster wollte ich von ihm wissen, welche Veränderungen des Bankgeschäfts aufgrund der digitalen Revolution er kommen sieht. »Was bekommst du davon mit?«, fragte ich ihn.
Er winkte ab. »Das eine oder andere Start-up entsteht, aber es ist nichts dabei, das uns Sorgen macht«, berichtete er.
»Sieh dich besser vor«, sagte ich, während der Kellner Seezunge mit Salat, eines meiner Lieblingsessen, servierte. »Diese kleinen Start-ups können dich eines Tages deinen Job kosten.«
Er schüttelte den Kopf. »Klassische Banken mit einem Filialnetz wird es immer geben«, erwiderte er. »Schließlich wollen Kunden betreut werden. Die Banken werden weniger Mitarbeiter haben, schon klar, aber trotzdem noch so viele, dass sich die guten Leute keine Sorgen machen müssen.«
»Aber was ist mit dem nationalen und internationalen Zahlungsverkehr?«, fragte ich ihn. »Der findet größtenteils schon jetzt digital statt, und so wird es auch anderen Bereichen gehen. Was ist mit den vielen Bankenmitarbeitern, die Finanzprodukte an Kleinanleger verkaufen. Wer braucht die in Zukunft noch?«
Er zuckte mit den Schultern. »Banken werden auch in Zukunft Finanzprodukte an Kleinanleger verkaufen.«
»Ich habe selbst schon die ersten Robo-Advisors in Aktion erlebt«, entgegnete ich.
Er wusste nicht, wovon ich sprach. »Robo-Advisors erstellen digital ein Anlagepaket und stimmen es aufgrund der Daten, die du eingibst, genauer auf deine Wünsche, Bedürfnisse, Ziele und Möglichkeiten ab, als es der beste Finanzberater könnte«, erklärte ich. »Glaubst du wirklich, dass Kleinanleger trotz dieser neuen Möglichkeiten darauf bestehen werden, sich von Provisionsschindern beraten zu lassen, die ihre Ahnungslosigkeit in Sachen Geld schon alleine dadurch belegen, dass sie selbst keines haben? Sie werden vielmehr herausfinden, dass digital gekaufte Anlageprodukte günstiger und die Ergebni...

Inhaltsverzeichnis

  1. Umschlag
  2. Titel
  3. Impressum
  4. INHALT
  5. MILCHGESICHTER IN BUSINESS-JETS
  6. DIE DICKEN HUNDE VON LAS VEGAS
  7. MEETINGS MIT BURGERN
  8. KÄMPFEN UND LERNEN
  9. NACHRICHTEN AUS DER GOOGLE-UNIVERSITÄT
  10. DAS GROSSE VERDRÄNGEN
  11. DAS OLYMPIA-PRINZIP
  12. DIE SCHWINDENDEN STEUEREINNAHMEN
  13. DIE NEUE WELTKARTE
  14. DIE GROSSE VERBLÖDUNG
  15. DIE EXPONENTIELLE BESCHLEUNIGUNG DER DIGITALEN REVOLUTION
  16. WIE DIE DIGITALE ELITE TICKT
  17. DIE HILFLOSE POLITIK
  18. DER BESTE AUSWEG
  19. WIRTSCHAFTSTRENDS FÜR DIGITALE AUFSTEIGER
  20. SCHLUSSWORT