Sicherheitsrisiko Staat
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Sicherheitsrisiko Staat

Wir können uns besser gegen Terror schützen – tun es aber nicht!

  1. 128 Seiten
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Sicherheitsrisiko Staat

Wir können uns besser gegen Terror schützen – tun es aber nicht!

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Über dieses Buch

Seit Jahren wird Deutschland immer wieder von extremistischem Terror erschüttert: die Mordserie des NSU, der Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz oder die Attentate von Halle und Hanau. Verfassungsschutz, Kriminalpolizei oder Bundesnachrichtendienst spielen dabei eine unrühmliche Rolle. Doch eine echte Reform der inneren Sicherheit lässt auf sich warten.Der Sicherheitspolitiker Benjamin Strasser beobachtet das Agieren der über 40 Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern seit Jahren aus nächster Nähe. Mit seiner Streitschrift gibt er einen überfälligen Anstoß zur Reform von Polizei und Nachrichtendiensten, mit der die Menschen besser geschützt werden können, ohne die Errungenschaften eines freiheitlichen Rechtsstaats preiszugeben.

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Information

Kapitel 1

Unsere Sicherheitsarchitektur: Ein Kind der 1950er Jahre

Der Föderalismus ist ein bestimmendes Element der deutschen Geschichte und Gegenwart. Er ist es auch bei der Entwicklung der Polizei und Sicherheitsbehörden. In dem 1871 erst spät entstandenen deutschen Nationalstaat hatten die einzelnen Länder weiter starken Einfluss und eigene Hoheitsrechte, wie es auch in der unterschiedlichen Verfasstheit der Polizeien zum Ausdruck kam.
Nach dem Ersten Weltkrieg gab es in der Weimarer Republik keine funktionsfähige Polizei mehr. Die Unruhen und Straßenkämpfe in ihrer Anfangszeit konnten nur mithilfe der Reichswehr und zahlreicher Freikorps niedergeschlagen werden. Örtliche Polizeien waren dazu nicht in der Lage. Erst das Land Preußen schuf im März 1919 unter dem damaligen Innenminister Carl Severing mit der Sicherheitspolizei (SiPo), die später in die Schutzpolizei umgewandelt wurde, den Vorläufer der heutigen Bereitschaftspolizei.1 Mit der Weimarer Verfassung, die ebenfalls im Jahr 1919 in Kraft trat, wurde dem Reich in Artikel 9 Ziffer 2 ermöglicht, die öffentliche Sicherheit und Ordnung, und somit auch das Polizeiwesen, gesetzgeberisch zu regeln. Davon machte der Reichstag in der Zeit bis 1933 aber keinen Gebrauch.
Nachdem die Nationalsozialisten mithilfe konservativer und deutschnationaler Kreise am 30. Januar 1933 die Macht ergriffen hatten, begann die Gleichschaltung und Zentralisierung zahlreicher staatlicher und anderer Organisationen. Auch die Polizeien der Länder wurden davon nicht verschont, sondern ganz eng an den Repressionsapparat des NS-Regimes angebunden. Dies kam unter anderem auch dadurch zum Ausdruck, dass der Reichsführer-SS Heinrich Himmler im Juni 1936 auch Chef der Deutschen Polizei und im Jahr 1943 zusätzlich zum Innenminister ernannt wurde.
Nach der totalen Niederlage Deutschlands im Mai 1945 oblag der Aufbau der Polizei und der Sicherheitsbehörden den vier Besatzungsmächten. Der Aufbau in der sowjetischen Besatzungs­zone soll hier nicht betrachtet werden, da er für den Fortgang nach der Wiedervereinigung keine Rolle spielt.
Franzosen, US-Amerikaner und Briten entschieden sich für den Ansatz einer kommunal organisierten Polizei, wie sie auch in ihren eigenen Staaten aufgebaut war.
Dabei gingen die Briten am weitesten. Sie trennten das Melde- und Fremdenwesen von den bisherigen Aufgaben der Verwaltungspolizei und übertrugen diese Obliegenheiten der kommunalen Verwaltung. In der US-amerikanischen Besatzungszone entstanden zusätzlich zu den kommunalen Polizeien auch Landespolizeieinheiten.
Ziel der westlichen Alliierten war neben der Entnazifizierung und Demokratisierung auch eine »Entpolizeilichung« des öffentlichen Lebens in den drei Besatzungszonen.2
Auf dem Weg zum Grundgesetz als Verfassung der neu zu schaffenden Bundesrepublik Deutschland wurde schnell klar, dass auch der Bundesebene polizeiliche und nachrichtendienstliche Befugnisse eingeräumt werden mussten. Das vollzogen die drei westalliierten Militärgouverneure mit ihrem Schreiben zum Grundgesetz vom 14. April 1949, das auch als sogenannter Polizei-Brief bekannt geworden ist. Darin erlauben die drei Militärgouverneure, Bundesorgane zur Verfolgung von Gesetzesübertretungen und Bundespolizeibehörden einzurichten. Sie sollten den Personen- und Güterverkehr bei der Überschreitung der Bundesgrenzen überwachen, polizeiliche Auskünfte und Statistiken sammeln und veröffentlichen können sowie für die Erfüllung internationaler Verpflichtungen – beispielsweise die Bekämpfung grenzüberschreitender Organisierter Kriminalität – ermächtigt werden.
Da das junge, im Aufbau befindliche Staatswesen der Bundesrepublik schon der einen oder anderen rechtsextremistischen Bedrohung durch unbelehrbare ehemalige NS-Kader, aber auch durch kommunistische Umtriebe ausgesetzt war, entschlossen sich die Alliierten im Polizei-Brief, der Bundesregierung zu gestatten, eine Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten einzurichten. Diese Stelle sollte keine Polizeibefugnis haben.
Der Polizei-Brief gilt nicht nur als Grundlage zur späteren Schaffung des Bundesgrenzschutzes (heute: Bundespolizei), des Bundeskriminalamts und des Bundesamts für Verfassungsschutz, sondern er ist auch die Geburtsurkunde des sogenannten Trennungsgebots, das noch heute die Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten in unserem Land prägt. Das Bundesverfassungsgericht leitet das Trennungsgebot von Polizei und Nachrichtendiensten nicht nur aus dem Wortlaut und der separaten Nennung dieser Stellen in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG und Art. 87 Abs. 1 GG ab, sondern insbesondere aus dem Rechtsstaatsprinzip, dem Bundesstaatsprinzip sowie dem Schutz der Grundrechte. Klar ist, dass es keine gemeinsame Organisation und kein gemeinsames Personal von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden geben darf. Auch dürfen Nachrichtendienste und Polizeibehörden nicht einfach alle Informationen, die sie haben, miteinander teilen. Das bedeutet aber kein Informationsaustausch- oder gar ein Kommunikationsverbot. Entscheidend ist immer, welche Informationen eine Polizei oder ein Nachrichtendienst zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabe brauchen. Da das Trennungsgebot nicht näher gesetzlich geregelt ist, ist es bis heute – insbesondere seine Notwendigkeit sowie Art und Umfang – Gegenstand politischer Auseinandersetzungen.
Das ausdrückliche Verbot – »diese Stelle sollte keine Polizeibefugnis haben« – ist die logische Konsequenz aus dem gemeinsamen Willen der drei Westalliierten, die Entstehung einer neuen Geheimen Staatspolizei (Gestapo), die im NS-Staat mit einer umfassenden Überwachungsstruktur gegenüber allen Bürgerinnen und Bürgern gewütet und gemordet hatte, mit allen Mitteln zu verhindern. Deshalb sollte die nachrichtliche Aufklärung im Inland auf keinen Fall die Möglichkeit bekommen, wie eine staatliche bzw. politische Polizei agieren zu können.
Briten, Franzosen und US-Amerikaner hielten im Polizei-Brief ebenfalls an ihrer polizeilichen Kommunalisierungsstrategie fest, denn sie erlaubten der Bundespolizeibehörde keine Befehlsgewalt über Landes- oder Ortspolizeibehörden. Damit schrieben sie neben dem Trennungsgebot auch den föderalen Aufbau innerhalb des bundesdeutschen Polizei- und Sicherheitsapparates fest. Bis zum heutigen Tage ist das Polizeiwesen und sind viele Bereiche der inneren Sicherheit Aufgabe der Länder.
In den 1950er Jahren wurden die Polizeien in den elf westdeutschen Bundesländern in unterschiedlichem Tempo in Länderhoheit mit entsprechenden Polizeigesetzen und einer landeseinheitlichen Polizeiausbildung überführt. Die Auseinandersetzung im Kalten Krieg, insbesondere mit dem Ausbruch des Koreakriegs 1950, ermöglichte den Bundesländern diesen Schritt, weil auch bei den drei Westalliierten ein Umdenken in Bezug auf u. a. kasernierte Polizeieinheiten stattfand.
Die bereits erwähnte Gefahr von neonazistischen beziehungsweise kommunistischen Untergrundtätigkeiten zur Bekämpfung der jungen Bundesrepublik ließ alsbald in den Ländern Abteilungen bei der Polizei entstehen, die Untergrundorganisationen auch durch eingeschleuste Informanten auskundschaften ließen. Aus einer dieser Informationsstellen ging zuerst im Land Nordrhein-Westfalen das Landesamt für Verfassungsschutz im Dezember 1949 hervor. Es war eine Blaupause für viele weitere Landesämter für Verfassungsschutz und für das Bundesamt für Verfassungsschutz.3
Mit dem Polizei-Brief der drei alliierten Militärgouverneure wurde der Grundstein zur Schaffung von Bundespolizeibehörden gelegt.
Als Erstes wurde am 15. März 1951 mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizei­amtes das heutige Bundeskriminalamt (BKA) geschaffen. Es nahm die Funktion einer Zentralstelle wahr, wurde aber schon früh argwöhnisch von den Innenministern der Länder behandelt und hatte vorwiegend koordinierende Funktionen, jedoch keine exekutive Kompetenz als Strafverfolgungsbehörde. Zunächst war das Bundeskriminalamt vor allem eine Art technisches Service-Institut für die Polizeibehörden der Länder. Auch wegen seiner zahlreichen Beamten, die bereits früher im NS- und SS-Polizeidienst tätig gewesen waren, diente die Organisationsstruktur des in der Weimarer Republik bereits geplanten und unter den Nazis im Jahre 1937 gegründeten Reichskriminalpolizeiamtes als Grundlage für den Aufbau des BKA.4
Einen Tag nach dem BKA, am 16. März 1951, wurde mit dem Gesetz über den Bundesgrenzschutz eine weitere Sonderpolizei des Bundes gegründet. Ab diesem Tag wurden Bundesgrenzschutzverbände mit bis zu 10 000 Mann aufgestellt, die in den ersten Jahren vor allem die innerdeutsche Grenze zu bewachen hatten. Weitere Aufgaben wie der Seegrenzschutz und die Bundespasskontrollen kamen im Jahr 1951 hinzu.
Der Kalte Krieg und die damit durch die drei westlichen Alliierten befürwortete Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland bildeten die inhaltliche Begründung für die Einsetzung des Bundesgrenzschutzes. Auch deshalb war er zu Beginn mehr paramilitärisch als polizeilich ausgestaltet und ausgerüstet. Das änderte sich erst mit der Gründung der Bundeswehr im Jahre 1956.5
Deutlich differenzierter und zeitlich früher als die Gründung der beiden Polizeibehörden auf Bundesebene liegt die Entstehung der Nachrichtendienste. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wurde im November 1950 gegründet und stand bis 1955 unter Aufsicht der Alliierten, die beim Aufbau genau darauf achteten, dass mit der Behörde keine neue Gestapo entstand. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte vor allem die Aufgabe, die kommunistische Partei im Westen nachrichtendienstlich zu behandeln und Infiltrationen zu verhindern, überdies die Spionageabwehr mit dem Augenmer...

Inhaltsverzeichnis

  1. Sicherheitsrisiko Staat
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Prolog Wir müssen die Institutionenfrage stellen
  6. Kapitel 1 Unsere Sicherheitsarchitektur: Ein Kind der 1950er Jahre
  7. Kapitel 2 Der Terror der RAF und innenpolitischer Reformwille
  8. Kapitel 3 Die Zeit nach der Wiedervereinigung als verpasste Chance
  9. Kapitel 4 Der Super-GAU: Das Staatsversagen bei der NSU-Mordserie
  10. Kapitel 5 Geschichte wiederholt sich leider: Der Fall Amri
  11. Kapitel 6 Was es jetzt braucht, ist Mut!
  12. Danksagung
  13. Abkürzungsverzeichnis
  14. Der Autor