Infra Suisse ist die Branchenorganisation der Schweizer Infrastrukturbauer. Die Berufsbildung ist für sie eine zentrale Aufgabe. Auch wenn der Verband in seiner heutigen Form erst seit dem Jahr 2007 existiert, blickt er dank seiner Vorgängerorganisationen doch auf eine lange Berufsbildungstradition zurück. Aber auch eine lange Tradition entbindet nicht von der Pflicht, für Aus- und Weiterbildungen auf der Höhe der Zeit zu sorgen. Verbände, die das nicht tun, haben je länger, desto mehr Mühe, ihre Existenz zu legitimieren.
Die Anforderungen an das Baustellenpersonal haben sich auch im Infrastrukturbau in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Früher beschäftigte die Branche ein Heer von grösstenteils ungelernten Bauarbeitern. Die meisten Arbeiten wurden von Hand ausgeführt. Heute werden, wo immer möglich, Maschinen eingesetzt. Die Konsequenz: Wofür früher zehn Männer nötig waren, reichen heute ein Bagger und ein Baggerführer. Die reine Muskelkraft hat auf der Baustelle an Bedeutung verloren. Entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg einer Bauunternehmung sind heute vielmehr die Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden – und zwar nicht mehr nur auf der Baustelle selbst, sondern vor allem bei der Vorbereitung der Arbeiten, deren Organisation und Führung.
Mit der technischen Entwicklung haben sich die Aufgaben eines Verkehrswegbauers gewandelt. Sie sind vielfältiger, spannender und anspruchsvoller geworden. Strassenbauer beispielsweise bauen Beläge ein, heben Gräben aus, erstellen Randabschlüsse, versetzen Schächte oder bedienen und warten ihre Geräte und Maschinen. Entsprechende Kompetenzen sind für ihre Tätigkeiten elementar und müssen darum auch in der Bildungsverordnung und im Bildungsplan abgebildet sein.
1.2 Wir revidieren unsere Grundbildung
Zum Berufsfeld Verkehrswegbau gehören die fünf Berufe Strassenbauer/-in, Gleisbauer/-in, Grundbauer/-in, Industrie- und Unterlagsbodenbauer/-in und Pflästerin/Pflästerer. Für alle diese Berufe werden heute zum einen Grundbildungen mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ), zum andern zweijährige Berufslehren mit eidgenössischem Berufsattest (EBA) angeboten. Das Berufsfeld Verkehrswegbau wurde vor rund zwanzig Jahren geschaffen. Davon profitierten insbesondere die Berufe, die pro Lehrjahr nur ein paar wenige Lernende ausbildeten. Sie erhielten so eine strukturierte Grundbildung mit einem national anerkannten Abschluss.
Vorstellungen, wie eine Berufsbildung auszusehen hat, sind einem steten Wandel unterworfen. Noch bei der letzten Revision der Bildungsverordnungen im Berufsfeld Verkehrswegbau im Jahr 2007 standen die Gemeinsamkeiten der fünf Berufe im Vordergrund. Man wollte den Lernenden eine möglichst breite Ausbildung anbieten. Das war zwar spannend, doch vieles, was gelernt und geprüft wurde, hatte später bei der Arbeit auf der Baustelle keinen echten Nutzen. Dies wurde mit der jüngsten Revision seit 2012 berücksichtigt: Die Kernaufgaben der einzelnen Berufe wurden wieder stärker betont.
Nach den Vorgaben des Bundes müssen Bildungsverordnungen regelmässig – aber mindestens alle fünf Jahre – überprüft und den wirtschaftlichen, technologischen und didaktischen Entwicklungen angepasst werden (vgl. www.sbfi.admin.ch → Themen → Berufsbildung → Berufliche Grundbildung → Berufsentwicklung [Zugriff: 19.4.2017]. Die Bildungsverordnung für das Berufsfeld Verkehrswegbau war seit 2008 in Kraft, eine nächste Evaluation war also spätestens im Jahr 2013 angesagt. Doch neue Anforderungen vonseiten der Branche wie des Gesetzgebers waren ein Grund, die Sache schon früher anzugehen.
•Beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) galt neu die Devise: Nicht die Ausbildung, sondern deren Ergebnis strukturiert die Bildungsverordnung und den Bildungsplan. Die bisherigen Leit- und Richtziele sollen durch Handlungskompetenzen ersetzt werden.
•Bei der Revision von 2007 hatte die Gleisbau-Branche auf eine Attestausbildung verzichtet. Nun war der Wunsch da, eine zweijährige EBA-Ausbildung auch für Gleisbaupraktiker/-innen zu schaffen.
•Der Bedarf an qualifizierten Baumaschinenführern wird insbesondere bei Firmen des Tief- und Strassenbaus immer grösser. Verschiedene Unternehmen forderten daher, das Berufsfeld Verkehrswegbau um den Beruf «Baumaschinenführer/-in EFZ» zu erweitern.
Den Steilpass der Branche und des SBFI hat die Infra Suisse gerne aufgenommen und sich zusammen mit den Partnerorganisationen Pavidensa – Abdichtungen Estriche (Industrie und Unterlagsbodenbauer/-in) Schweiz, Verband Schweizerischer Pflästerermeister VSP (Pflästerin/Pflästerer) sowie «Login Berufsbildung» (Gleisbauer) an die Reform der Grundbildung im Berufsfeld Verkehrswegbau gemacht.
1.3 Eine Revision in Rekordzeit
Die Reform einer Grundbildung ist komplex und braucht viel Zeit. Relevante Aspekte aus dem Arbeitsalltag müssen ermittelt, rechtliche Fragen geklärt, pädagogische Vorgaben eingehalten, politische Aspekte beachtet und verschiedene Interessengruppen angehört werden. Die Revision der beiden Bildungsverordnungen und Bildungspläne EFZ und EBA wurde in nur zwölf Monaten geschafft – eine extrem kurze Zeit in Anbetracht dessen, dass wir fünf EFZ-Ausbildungen und vier EBA-Ausbildungen neu aufzubauen und eine EBA-Ausbildung für Gleisbaupraktiker von Grund auf neu zu entwickeln hatten. Die dreijährige Lehre für Baumaschinenführer EFZ wurde zwar vollständig entwickelt, konnte aber aufgrund brancheninterner Widerstände schliesslich doch nicht eingeführt werden.
Wenn wir die Revision in Rekordzeit gemeistert haben, dann nur dank einem schlanken und effizienten Projektteam, einer präzisen Projektplanung mit klaren Meilensteinen und realistischen Bearbeitungsfristen, ausreichend personellen Ressourcen und einer professionellen pädagogischen Begleitung.
Dass die Berufsfachschule Verkehrswegbauer (BFS VWB) in Sursee für sämtliche Deutschschweizer Kantone und das Fürstentum Liechtenstein die Fachkurse, die überbetrieblichen Kurse und die Qualifikationsverfahren im Berufsfeld Verkehrswegbau anbietet, hat wesentlich zu einer raschen und effizienten Revision beigetragen. Die wichtigsten Akteure kannten sich bereits und arbeiteten schon vorher eng zusammen. So waren Informationsaustausch und Zuständigkeiten rasch geregelt. Zudem konnten ausgewählte Lehrpersonen und Prüfungsexperten zu konkreten Fragestellungen direkt konsultiert werden, was nicht nur zu guten Resultaten, sondern bereits in einer frühen Phase zu einer hohen Akzeptanz der getroffenen Entscheide geführt hat.
1.4 Klare Strukturen und Zuständigkeiten
Eine transparente Struktur mit klaren Zuständigkeiten erleichterte die Revisionsarbeit wesentlich. Als Steuerungsgremium wurde die bereits existierende Schweizerische Kommission für Berufsentwicklung und Qualität (B&Q) für das Berufsfeld Verkehrswegbau eingesetzt. Die operative Leitung der Revision wurde an ein Projektteam aus vier Personen delegiert. Ihnen stand ein professionelles Beratungsunternehmen zur Seite, die Ectaveo AG Zürich, der vor allem die pädagogischen, formellen und administrativen Aufgaben übertragen wurden.
1.4.1 Kommission für Berufsentwicklung und Qualität
Oberstes Organ der Totalrevision von Bildungsverordnungen und Bildungsplänen ist gemäss Berufsbildungsverordnung (Art. 12 BBV) die erwähnte Kommission für Berufsentwicklung und Qualität für das Berufsfeld Verkehrswegbau (Kommission B&Q). Sie setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Organisationen der Arbeitswelt (OdA), der Sozialpartner, der Fachlehrerschaft, der Kantone und des Bundes zusammen. Bei einem Berufsfeld ist es besonders wichtig, dass sämtliche Berufe und alle Sprachregionen in der Kommission B&Q angemessen vertreten sind. Weil die Kommission ein grosses, repräsentatives und breit abgestütztes Gremium ist, eignet sie sich vorzüglich als oberstes Steuerungsorgan eines Revisionsprojekts. Zudem hat sie die notwendigen Kompetenzen, um strategische Entscheide zu fällen.
Der wichtigste Beschluss stand ganz am Anfang des Revisionsprojekts. Die Kommission B&Q muss nämlich jeweils entscheiden, ob eine Revision der Bildungsverordnung und des Bildungsplans aufgrund wirtschaftlicher, technologischer, ökologischer oder didaktischer Entwicklungen überhaupt notwendig ist. Falls ja, ersucht sie die involvierten Organisationen der Arbeitswelt (OdA), dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI einen entsprechenden Änderungsantrag zu stellen. Der zweite wichtige Entscheid ist dann die Genehmigung der Bildungsverordnung und des Bildungsplans zuhanden des SBFI. Sitzungen in regelmässigen Abständen während der Revision dienen dazu, die involvierten Kreise zu informieren, Arbeiten genehmigen zu lassen und das weitere Vorgehen zu bestimmen.
1.4.2 Projektteam
Das Projektteam, das die Revision operativ leitete, wurde auf möglichst wenige Personen beschränkt. Dazu gehörte je eine Vertretung der beteiligten OdA, der Fachlehrerschaft, der Kantone und des Bundes. Die Vertreter der Kantone und des Bundes stellten sicher, dass die Beschlüsse den gesetzlichen Vorgaben entsprachen und von den Behörden mitgetragen wurden. Die OdA-Vertreter kannten die Aufgaben und Kompetenzen, die ihre Firmen von ausgebildeten Fachleuten erwarten. Nur mit diesem Wissen konnten die Tätigkeits- und Qualifikationsprofile erarbeitet werden.
Die Leitung des Projektteams musste unserer Ansicht nach ein OdA-Vertreter innehaben. Er führte das Projekt operativ, leitete die Teamsitzungen, tauschte sich intensiv mit der pädagogischen Beratung aus und pflegte einen direkten Kontakt zu Personen der Branche und der praktischen Ausbildung.
1.4.3 Pädagogische Beratung
Das Projektteam wusste dank der OdA-Vertreter, welches Fachwissen in der Grundbildung vermittelt werden muss. Über spezifisches Wissen, wie eine Bildungsverordnung und ein Bildungsplan heutzutage entwickelt und geschrieben werden, verfügten die OdA-Vertreter nicht. Aus diesem Grund wurde eine spezialisierte Beratungsfirma beigezogen. Sie wurde mit grosser Sorgfalt ausgewählt, denn es war wichtig, dass sie zum einen über Erf...