Vom Kriminellen zum Kriminalisten
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Vom Kriminellen zum Kriminalisten

Mein Leben als Mordermittler bei der Deutschen Volkspolizei

  1. 160 Seiten
  2. German
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Vom Kriminellen zum Kriminalisten

Mein Leben als Mordermittler bei der Deutschen Volkspolizei

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Über dieses Buch

Als Siegfried Schwarz 1955, zwanzigjährig, in den Dienst der Deutschen Volkspolizei eintritt, liegen Aussiedlung, Hunger, Stehlereien, der Einstieg in die Welt des Boxsports und eine Matrosenausbildung hinter ihm. Ein Jahr später ist er der jüngste Kriminalist des Bezirks Halle. Zehn Jahre danach hat er als Kriminalermittler bereits intiefe Abgründe menschlicher Seelen geblickt, und nach weiteren zehn Jahren und einerFachschulausbildung in Kriminalistik wird er zum Leiter der Morduntersuchungskommission Halle ernannt. Einer seiner vielen Fahndungserfolge in diesem Amt ist 1981 dieAufklärung des sogenannten Kreuzworträtselmords, der später durch die Verfilmung inder Krimiserie "Polizeiruf 110" weithin bekannt wird.Siegfried Schwarz' autobiografischer Report ist der eines Insiders, der bei Suiziden, tödlichen Verkehrsunfällen, gefährlichen Körperverletzungen, Vergewaltigungen und Tötungen Neugeborener ermittelte. Unzählige Vermisstenanzeigen landeten auf seinem Tisch, allzu oft mit tödlichem Ausgang. Als Mordermittler wurde er mit der Aufklärungschwerster Tötungsverbrechen betraut – menschliche Katastrophen und Tatabläufe sindihm bis heute in lebhafter Erinnerung. Mit seiner Lebensgeschichte legt der außergewöhnliche Vollblutkriminalist, der auch vor schonungsloser Kritik zu Missständen, Fehlverhalten und sogar Straftaten in den eigenen Reihen nicht zurückschreckte, einenschillernden Erfahrungsbericht und aufschlussreichen Rückblick auf die Kriminalität inder DDR vor.

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III
Ein neuer Lebensabschnitt beginnt · Gruppenführer im Schnellkommando · Einzug in die Abteilung Kriminalpolizei · Erste kriminalistische Schritte · Sachgebiet »Landwirtschaft« – Als Verdeckter Ermittler unterwegs · Sachgebiet »Leben und Gesundheit« – Brände, Suizide, Verkehrsunfälle und dem Tod von der Schippe gesprungen · Erschütternde Fälle – Straftaten an Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern · Die So­wjetischen Streitkräfte, unser großer Bruder · Ein Suizid und ein Mord
Am 11. November 1955 führten zwei Kommissare der Volkspolizei mit mir ein Einstellungsgespräch. Das Ergebnis war meine Übernahme in den Dienst der Deutschen Volkspolizei. Gleich mit Beginn des Folgemonats, am 1. Dezember 1955, begann meine Karriere. Vom Maat nun zum Oberwachtmeister mutiert, kam ich für Wochen in den Streifendienst. Dort blieb ich nicht lange.
Kurz darauf wurde ich Gruppenführer im Schnellkommando. »Schnellkommando« war ein anderes Wort für »Überfallkommando«. Im Zwölf-Stunden-Takt war es Aufgabe des Gruppenführers mit dem Personalbestand von zwölf Polizisten für Ruhe, Ordnung und Sicherheit in der Kreisstadt Merseburg und deren Umgebung zu sorgen.
Das hieß für uns vor allem, Kneipenschlägereien zu trennen. Besonders die Auseinandersetzungen in der Mitropa-Gaststätte im Bahnhof Merseburg waren die schwersten und härtesten Einsätze. Auch zu Raufereien in den Kneipen der Schrebergärten fuhren wir oft aus. Nicht selten konnten wir die Streitereien nur mit Hilfe des Schlagstocks klären. Interessant aus heutiger Sicht ist die Tatsache, dass keiner der Täter je eine Anzeige erstattete, wegen der gegen ihn erfolgten Gewalt.
Die Uniform des Schnellkommandos sah anders aus als die im Normaldienst. Wir trugen Stiefel, Stiefelhose, Uniformjacke, Mantel und als Kopfbedeckung einen schwarzen Tschako. Bewaffnet waren wir mit Schlagstock und einer Pistole 08. Diese Waffe war schon in Nazideutschland als Schusswaffe eingesetzt worden. Im Normaldienst trug man schwarze Halbschuhe, eine lange Hose, eine grüne Uniformjacke mit Schulterstücken und eine grüne Schirmmütze. Mit anderen Worten: Wer uns kommen sah, wusste, dass es jetzt ernst wurde.
Im Juni 1956 schlugen mir dieselben Kommissare vor, mich in die Abteilung Kriminalpolizei des Volkspolizeikreisamts zu versetzen. Ich fand diesen Vorschlag gut, und schon am 1. Juli 1956 war ich Angehöriger dieser Abteilung. Weder für den Dienst in der Schutzpolizei noch in der Kriminalpolizei hatte ich irgendeine Qualifikation vorzuweisen. Mit meinen gerade einmal einundzwanzig Jahren war ich plötzlich der jüngste Kriminalist des Bezirks Halle.
Meine ersten Stunden in dieser Abteilung gestaltete der Leiter, Otto M. Mit ihm ging es von Zimmer zu Zimmer. Er stellte mich den Kriminalisten als neuen Mitarbeiter vor. Als wir im Büro des Kreisfahndungsbevollmächtigten Heinz P. angekommen waren, begrüßte der mich wie aus der Pistole geschossen: »Ach, der Coco!« Erst Jahre später, als Heinz mir das Du angeboten hatte, fragte ich ihn nach dieser Begrüßung. Er erzählte mir, dass er in seinem zivilen Leben in der Lehre einen Mitlehrling mit Namen Schwarz gekannt habe. Den hätten alle immer Coco genannt. Aus »Coco« wurde in meiner Abteilung später »Koks«.
Das »Laufen« in der neuen Tätigkeit lehrte mich Georg K. Auch er war um Jahre älter als ich. Der Kriminalist stammte aus Breslau und beherrschte perfekt Judo. Sein Körper war absolut durchtrainiert. Seinem Aussehen nach hätte man ihn für einen Asiaten halten können. Er hatte mandelförmige Augen, eine dunklere Hautfarbe und schwarze Augenbrauen sowie tiefschwarze Haare. Georg K. leitete nicht nur den Dienstsport in der Abteilung, sondern auch eine monatliche Fachschulung. Einen Ausspruch von ihm habe ich noch heute in Erinnerung: »Mein Junge, bei uns kannst du jeden Tag von früh bis abends klauen, aber nur mit den Augen und den Ohren.«
In dieser Zeit hatte ich viel zu lernen. Da war einerseits das Kriminalistenhandwerk. Andererseits hatte ich durch Krieg und Flucht viel Unterricht in der Schule versäumt, und es fehlte mir an Allgemeinbildung. Im Selbststudium holte ich auf der Abendschule den Abschluss der zehnten Klasse nach und erreichte dabei gute Noten.
Besonders auffallend waren meine Defizite zu Beginn meiner Laufbahn, als ich erste Berichte verfassen musste. Ich erinnere mich noch gut an meinen allerersten, welchen ich für den Leiter der Abteilung schreiben sollte. Im Adlersuchsystem klapperte ich diesen auf einer ausgeleierten Büroschreibmaschine herunter. Ich bekam ihn zurück. Unter vier Augen legte mir der Abteilungsleiter das orthografisch korrigierte Schreiben vor. Seitdem holte ich mir beim Dokumentieren von Ermittlungsergebnissen den »Liebknecht« auf meinen Schreibtisch. Das »Wilhelm-Liebknecht-Volksfremdwörterbuch« half mir bei komplizierten Wörtern. Da es auf unserer Etage nur ein Exemplar gab, musste ich das Hilfsmittel manchmal in den anderen Zimmern suchen.
Beim Verfassen eines Berichts benötigte ich wieder einmal das Wörterbuch, um keinen Fehler zu machen. Ich begab mich also auf die Suche danach in den anderen Zimmern. Doch dort fand ich es nicht. Es blieb am Ende nur das Nebenzimmer. An der Zimmertür hing das Schild: »Vernehmung, nicht stören!« Ich überlegte kurz, dann klopfte ich behutsam an die Tür. Ich steckte den Kopf hinein. Ein Kriminalist hatte, wie es das Schild erläuterte, einen Mann vor seinem Schreibtisch sitzen. Nahe bei dem Ohr des Polizisten fragte ich leise: »Hast du den Liebknecht da?« Er notierte für mich auf einem Infozettel neben der Schreibmaschine: »Nein, das ist Herr Müller. Der gibt eine Anzeige auf.«
Eine junge Frau saß eines Tages in meinem Dienstzimmer und erstattete bei mir Anzeige. Ich hörte ihr zu und fixierte das Gesagte. Nach Ende des Schriftsatzes schrieb ich, wie das üblich war, links meinen Namen und Dienstgrad auf. Auf die rechte Seite schrieb ich den Namen der Frau. Danach legte ich ihr die Anzeige zur Unterschrift vor. Sicherheitshalber sollte sie noch einmal laut vorlesen. Sie sah auf das beschriebene Blatt und fing auf einmal an, zu schreien: »Aua, mein Kopp, aua, mein Kopp!« Nachdem sich dieses mehrfach wiederholt hatte und ich langsam ahnte, was der Grund für dieses merkwürdige Verhalten war, fragte ich, ob sie des Lesens und Schreibens unkundig sei. Sie nickte nur. Mit drei Kreuzen besiegelte sie den von mir vorgelesenen Sachverhalt.
An der Seite von Georg K. lernte ich Schritt für Schritt das kriminalistische Vorgehen bei der Bearbeitung von einfachen Eigentumsdelikten. Dazu gehörten der Diebstahl von Kleinvieh, von Fahrrädern, aber auch Einbrüche in Lebensmittelgeschäfte und Gaststätten.
Zu Beginn eines jeden Tages, wir arbeiteten auch samstags bis dreizehn Uhr, gab der Kriminaldauerdienst im Beisein des Leiters der Abteilung den morgendlichen Rapport. Je nach Deliktlage kamen dann Kriminalisten der jeweiligen Fachgebiete zum Einsatz. Wenn also im Stadtgebiet von Merseburg in der vergangenen Nacht ein Einbruch in ein Lebensmittelgeschäft, der Handelsorganisation (HO) oder der Konsumgenossenschaft, stattgefunden hatte und der Kriminaldauerdienst mit dem Kriminaltechniker zum Einsatz gekommen war, begann unsere Täterermittlung. Kam dafür das Stadtgebiet in Frage, wurde die Ermittlung zu Fuß durchgeführt.
Das gesellige Leben spielte sich in jenen Jahren nicht zu Hause ab, sondern in der nächstgelegenen Kneipe. Wenn also in der Nacht irgendetwas passiert war, dann war es in der Kneipe zumindest Diskussionsthema gewesen. Daher führte unser erster Gang immer in das Lokal, das in unmittelbarer Nähe zum Tatort lag.
In Merseburg existierte damals eine Vielzahl von kleineren und größeren Gaststätten in allen Stadtteilen. Die Kneipen öffneten in der Regel um elf Uhr. Wir fanden uns zehn Uhr ein. Georg K. wusste, dass man um diese Uhrzeit als Polizist, der ein Delikt aufklärt, auf ein Frühstück hoffen durfte. Es gab zum Beispiel mehrere Gaststätten, welche Pferdefleisch im Angebot hatten. Einer der Wirte machte aus Pferd, Rind und Schwein Gehacktes und bot dazu eine Fleischbrühe. Während wir frühstückten, begann dann ganz ruhig und gelassen das »Abschöpfen« des Wirtes. Wir erfuhren, welche Gäste am Vorabend bis zuletzt in seinem Lokal anwesend gewesen waren. Da Georg schon viele Jahre im Dienst war, kannte er auch den Stamm der Straftäter, welche für Einbrüche bekannt waren. So kamen wir mehr als einmal zu einer schnellen Täterermittlung. Hinzu kam die Tatsache, dass es im Stadtgebiet Abschnittsbevollmächtigte (ABV) der Deutschen Volkspolizei gab. Diese trugen ebenfalls zur schnellen Aufklärung unterschiedlichster Delikte bei.
In einem Bericht eines ABV hieß es: »In dem genannten Lokal verkehrten Kohlen- und Aschefahrer, Nutten, Volkspolizisten und anderes Gesockse.«
Nun, zu diesem »Gesockse« zählte auch ich. Das Lokal, in dem ich verkehrte, hieß Gasthof zur goldenen Kugel und befand sich in der Oberen Breiten Straße in Merseburg. Durch einen Wohnungswechsel lebte ich ganz in der Nähe. Der Wirt, Werner M., war nicht nur ein guter Kneipier, sondern auch ein hervorragender Koch. Diesen Beruf hatte er im Roten Ross in Halle erlernt. Der Schalk saß ihm oft im Nacken, und mit Leichtigkeit konnte er einen »in den April schicken«.
Eines Abends betrat ich nach der Arbeit die Goldene Kugel. Sie war wie immer gut besucht. Ich saß noch gar nicht richtig, da brachte mir Werner ein Bier und einen Braunen, »Wilthener Goldkrone«. Ich hatte das Gedeck nicht bestellt und sah ihn daher fragend an. Er sagte: »Geht schon in Ordnung.« Noch zweimal durfte ich das Angebot nutzen. Mehr hätte ich auch nicht trinken dürfen, um nicht volltrunken zu werden. Ohne von Werner zu erfahren, wer der edle Spender war, trat ich den Heimweg an. Entsprechend angetrunken kam ich zu Hause an. Tags darauf begab ich mich auf kürzestem Weg nach Feierabend abermals zur Goldenen Kugel. Im Gegensatz zum Vortag waren wenige Gäste im Lokal. Ich fragte Werner, durch wen ich denn nun gestern kostenlos fast volltrunken geworden wäre. Jetzt erzählte er die Geschichte dazu: In meiner Kneipe verkehrten neben Polizisten und anderem »Gesockse« eben auch Kohlen- und Müllfahrer. Einer von denen hatte einen Tag zuvor im Alkoholrausch seine Frau dermaßen verprügelt, dass sie ein blaues Auge davongetragen hatte. Werner hatte diesem Prügelehemann nach meinem Erscheinen eingeredet, dass ich wegen der Körperverletzung an seiner Frau anwesend sei. Und bevor ich eventuell Fragen zu diesem Sachverhalt stellen könnte, wäre es besser, mich mit alkoholischen Getränken milde zu stimmen. Alles daran war frei erfunden. Ich wusste von keiner Körperverletzung. Nur der Gastwirt hatte rein zufällig von einem Kollegen des Mannes erfahren, dass dieser einmal wieder seine Elvira grün und blau geschlagen hatte.
Auf alle Fälle habe ich durch Georg K. alle Gaststätten der Stadt, einschließlich der Kneipen in den Schrebergartenanlagen, und deren Personal kennengelernt.
Aber auch auf andere Weise lernte ich im Kreis Merseburg und in Teilen des Bezirks Halle Gaststätten, Lebensmittelgeschäfte und Möbelhäuser kennen. Wegen meines bescheidenen Gehalts opferte ich Teile von meinem Jahresurlaub, um in der Transportgesellschaft Handel Merseburg als Kraftfahrer die entsprechenden Einrichtungen mit Waren zu beliefern. Unweit unserer Merseburger Dienststelle, des Volkspolizeikreisamts (VPKA), befand sich eine Gaststätte namens Hoffischerei. Darin aßen wir, wenn uns das Essen der Dienststelle nicht zusagte. Natürlich kehrte man dort auch nach Dienstschluss noch ein. Georg K. spendierte mir dort so manches Mal ein Bier. Jetzt aber war ich als Lieferant auf dem Weg zu dieser Gaststätte und mit einem vorbestraften Beifahrer unterwegs. Dieser wusste allerdings nicht, was ich im wirklichen Leben machte. Vor der offiziellen Öffnung empfing uns der Wirt, um die bestellten Spirituosen entgegenzunehmen. Mit etwas Abstand lief hinter mir der Beifahrer, ebenfalls einen Karton tragend. Bei meinem Anblick entfuhr es dem Wirt: »Siggi, was ist mit dir los?«
Ich zischte ihm zu: »Schnauze! Man hat mich rausgeschmissen!« Ich wollte verhindern, dass mein Beifahrer meine wahre Identität erfuhr.
Interessant wurde meine Zusammenarbeit mit dem Mann, als wir Lebensmittel ausfuhren. Neben Mehl hatten wir auch weiße Fünfzig-Kilo-Säcke mit Kubazucker an Bord. Diese Tour dauerte bis in den Nachmittag. Am Ende hatten wir einen Sack Kubazucker zu viel vom Zentrallager erhalten. Kaum dass wir die Rückreise angetreten hatten und ich den Sack Zucker zum Zentrallager zurückbringen wollte, wurde mein Beifahrer unruhig. Er rutschte auf seinem Sitz hin und her. »Wo fahren wir denn hin?«, fragte er schließlich.
»Zum Zentrallager«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
Nun ließ er die Katze aus dem Sack: »Ich habe für den Sack extra einen Abnehmer, der gut bezahlt!«, schimpfte er.
Aus ermittlungstaktischen Gründen überhörte ich seinen Einwurf und gab ihm zu verstehen, dass wir den Sack zurückbringen würden. Das geschah dann auch gegen den Widerstand meines Beifahrers.
Umso erstaunter war der Wirt der Hoffischerei, als ich nach meinem »Urlaub« wieder als Kriminalist bei ihm einkehrte.
Nach Beendigung meiner Nebentätigkeit war mein Erfahrungsschatz im Umgang mit Menschen in unterschiedlichen Berufen um ein großes Stück erweitert worden.
Nach Monaten der Einarbeitung als Kriminalist durfte ich einzelne Delikte selbst bearbeiten. Mein erster großer Kriminalfall waren zwei gestohlene Kaninchen in der Wohnsiedlung »Freiimfelde«, zwischen den Buna-Werken und Merseburg gelegen. Ein älteres Ehepaar, Umsiedler aus dem Böhmischen, zeigten an, dass man ihnen aus einem Stall ebendiese Kaninchen gestohlen hatte. Die Reihenhaussiedlung habe ich mit einem »Fundfahrrad« besucht. Fundfahrräder waren in den meisten Fällen gestohlene Fahrräder, welche der jeweilige Täter nach Benutzung einfach weggeworfen hatte. Solche Räder wurden in großer Stückzahl von der Polizei verwahrt, um sie später an ihre Besitzer zurückzugeben.
Innerhalb von vierundzwanzig Stunden konnte ich den Kaninchendieb ermitteln. Er wohnte am anderen Ende der Siedlung. Schon am nächsten Tag konnte ich mit meinem »Dienstfahrzeug« einen Pappkarton zustellen. Darin befanden sich die beiden Langohren. Lebend! Das Ehepaar war zu Tränen gerührt.
Die Unsitte, Fahrräder einfach mitzunehmen und dann abzustellen, wo man sie nicht mehr brauchte, hatte Ausmaße angenommen, die unsere Verwahrungsst...

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorbemerkungen
  2. I
  3. II
  4. III
  5. IV
  6. V
  7. VI
  8. Nachbemerkungen