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Leben (1749–1832), Werke, Bedeutung

  1. 68 Seiten
  2. German
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Leben (1749–1832), Werke, Bedeutung

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Johann Wolfang von Goethe – Dichterfürst und FreigeistWer deutsche Literatur und die große Philosophie der Aufklärung verstehen will, der sollte Goethes Leben und Werke gut kennen. Der Autor und Herausgeber Bert Alexander Petzold nimmt uns mit auf eine faktenreiche Kulturreise und erläutert verständlich, unterhaltsam und strukturiert Basiswissen zum wichtigsten deutschen Schriftsteller und Universalgelehrten Johann Wolfgang von Goethe. Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) ist in Frankfurt am Main geboren und gilt als bedeutendster deutscher Dichter und vielseitiges Genie, seine Werke gehören zur Weltliteratur.Mit der Liebesgeschichte "Die Leiden des jungen Werther" wird er schlagartig bekannt. In Leipzig studiert er Jura, in Italien reift er zum klassischen Tragödien-Schriftsteller. Lebenslang arbeitet Goethe am "Faust", seinem bekanntesten Werk. Mit Friedrich Schiller prägt er die "Weimarer Klassik". In Weimar hat er wichtige Staatsämter am Hofe des Großherzogs Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach inne und als Naturwissenschafter gelingen ihm bedeutsame anatomische Entdeckungen über die "Metamorphose der Pflanzen" bis hin zur "Farbenlehre". Seine Liebesbeziehung zur 16 Jahre jüngeren Christiane Vulpius erregt Aufsehen. Bis an sein Lebensende bleibt Goethe ein hochproduktiver Schriftsteller und wissbegieriger Mensch. Im Amor Verlag ist sein Theaterstück "Faust" als Originalschauspiel veröffentlicht.

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Information

Jahr
2021
ISBN
9783985870011

1. Goethe, bis heute bedeutendster Vertreter deutscher Dichtkunst

Im deutschen Sprachraum ist kein Dichter, Autor oder Gelehrter so weitläufig bekannt wie Johann Wolfgang von Goethe. Er gilt als Inbegriff des deutschen Kanons und hat ein umfangreiches Œuvre aufzuweisen, das von Lyrik über Prosa und Dramen bis hin zu wissenschaftlichen Abhandlungen und Naturbeobachtungen alles abdeckt. Darüber hinaus produzierte der rege Austausch mit seinen Zeitgenossen, wie zum Beispiel den Gebrüdern Humboldt oder Friedrich Schiller, über 15.000 Briefe, denen eine Vielzahl von seinen über 3.000 Gedichten enthalten waren.
Goethe wurde bereits zu Lebzeiten ein immenses Ansehen zugleich. Mit dem 1773 veröffentlichten Drama „Götz von Berlichingen“ begründete Goethe im zarten Alter von 24 Jahren den Sturm und Drang und beeinflusste zum Beispiel Schiller dazu, sein Werk „Die Räuber“ zu schreiben. Im Folgejahr wurde sein Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“ zum europaweiten Erfolg. Goethe stieg damit in bisher ungekannte Höhen der Berühmtheit auf, die über sein gesamtes Leben anhielt und ihn bis zur Audienz vor Napoleon Bonaparte im Jahr 1808 brachte.
Zuerst aber wurde Goethe der Patron Weimars, nachdem er 1775 einer zuerst formlosen Einladung des Herzogs Karl August folgte. Schnell wurde er zum engen Freund, Begleiter und zum höchsten Beamten des Herzogtums. Er reformierte in seinen Zwanzigern den Weimarer Staat, erließ Brandschutzgesetze und führte diplomatische Verhandlungen. Als Naturforscher entdeckte er 1784 den Zwischenkieferknochen, entwarf später eine Theorie der Metamorphose und eine Farblehre.
Die stete Bewegung und der Wandel im Leben des Dichters glich einem seelischen Credo. Es überrascht wenig, dass die ab 1786 geführte zweijährige Italienreise wieder einen neuen Goethe hervorbrachte. Der Begründer des Sturm und Drang war nun gemäßigt, beruhigt, der Antike verbunden und einer Ethik des Reinen ergeben. Sechs Jahre später fußte auf dieser ästhetischen Haltung die mit Schiller zusammen begründete Weimarer Klassik.
Die einzigartige Freundschaft und Kollaboration zweier Genies brachte auf beiden Seiten ungeheuer erfolgreiche Werke hervor und verortete die deutsche Literaturszene kurzerhand im Alleingang zurück in die Klassik, wohlgemerkt nicht aus Berlin, oder München, sondern aus Weimar. Schiller war es auch, der Goethe bedrängte, die Arbeit an der „Faust“-Tragödie wieder aufzunehmen.
„Faust“ beschäftigte Goethe sein Leben lang, schon als Kind kam er mit dem historischen Fauststoff in Verbindung. Erst durch Schiller fand er die Kraft und Muse, das Fragment fertigzustellen und es 1790 zu veröffentlichen. Erleben konnte der Freund die Veröffentlichung des ersten Teils 1808 nicht mehr, und auch Goethe würde von seinem Opus überdauert werden. Der zweite Teil erschien einige Monate nach Goethes Tod 1832.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Dichter ein langes, erfülltes und bewegtes Leben gelebt. Spätestens seit der Weimarer Klassik stand sein Schaffen im Zeichen der Wirkung. Ihm war die Bedeutung seiner Werke zu Lebzeiten bereits bewusst und er schuf auch einen neuen deutschen Kanon. Die Gründung zweier Epochen und das Lebenswerk „Faust“ allein würden für dieses Ziel wohl reichen, aber Goethe war eben noch viel mehr.
Natürlich wurde sein Leben, wie auch das von Schiller, über die turbulente Geschichte Deutschlands hochstilisiert und mythisiert, doch seine Wirkung bis in die heutige Zeit kann selbst unter Anbetracht dieser historischen Realität nicht dementiert werden. Das Goethe und Schiller Archiv sowie das zugehörige Museum belegen die einzigartige Produktivität und verdeutlichen, warum es zum Beispiel Einrichtungen wie das Goethe-Institut gibt, die global agieren und das Ethos des Universalgenies berechtigterweise weltweit vertreten. In dem Sinne lohnt sich ein Blick auf das Leben des Dichters, allein schon um zu verstehen, in welchem Kontext sein Schaffen stand. Nebst den vermeintlich trockenen Fakten lebte Goethe aber eben auch im Zeichen der Selbstbestimmung und Freizügigkeit, wodurch seine Biografie ebenso zur süffisanten Unterhaltung taugt.

2. Familie, Kindheit und Jugend in Frankfurt am Main (1749–1765)

Am 28. August 1749 wurde Johann Wolfgang Goethe, laut seinem eigenen Bericht in „Dichtung und Wahrheit“, „mittags mit dem Glockenschlage zwölf“ in der freien Reichsstadt Frankfurt am Main geboren. Über die Umstände seiner Geburt konnte sich Goethe wohl doppelt glücklich schätzen, denn einerseits verlief die Geburt damals nicht ganz ohne Komplikationen. Goethe, der von der Nabelschnur stranguliert auf die Welt kam, wurde wegen der bereits bläulichen Färbung seines Gesichts von der Hebamme für tot gehalten. Erst kräftiges Schütteln und Klopfen ließen ihn die ersten Atemzüge schnappen.
Andererseits tat er diese ersten Luftschnapper in äußerst gut situierten Verhältnissen. Sein Vater Johann Caspar stammte aus einer Thüringer Bauern-, Handwerker- und Gastwirtsfamilie, von der er beträchtlich geerbt hatte. Er heiratete 1748 Catharina Elisabeth Textor, ihres Zeichens die Tochter des Frankfurter Stadtschultheißen, dem höchsten Beamten und Vertreter des Kaisers in der Reichsstadt. Großvater Textor nahm übrigens die schwierige Geburt des Enkels zum Anlass, um die Hebammen-Ausbildung zu reformieren und den Berufsstand der Geburtshelferin zu etablieren.
Johann Wolfgang hatte nur eine Schwester, Cornelia, die ein Jahr jünger war als er. Vier weitere Geschwister verstarben, noch bevor sie die Adoleszenz erreicht hatten. Seine Beziehung zur Schwester war dementsprechend eng, sie bewunderte ihn von Kindesbeinen an. Er war bedacht, alles, was er lernte, an die jüngere Schwester weiterzugeben, beide waren einander die engsten Vertrauten. Über die Beziehung reflektierte Goethe selber:
„Und so wie in den ersten Jahren Spiel und Lernen, Wachstum und Bildung den Geschwistern völlig gemein war, sodass sie sich für Zwillinge halten konnten, so blieb auch unter ihnen diese Gemeinschaft, dieses Vertrauen bei Entwicklung physischer und moralischer Kräfte. Jenes Interesse der Jugend, jenes Erstaunen beim Erwachen sinnlicher Triebe, die sich in geistige Formen geistiger Bedürfnisse, die sich in sinnliche Gestalten einkleiden, alle Betrachtungen darüber, die uns eher verdüstern als aufklären, manche Irrungen und Verwirrungen, die daraus entspringen, teilten und bestanden die Geschwister Hand in Hand.“
Die häusliche Umgebung konnte man durchaus als charakteristisch für Stand und Vermögen des Elternhauses bezeichnen. Der bei Goethes Geburt bereits 40-jährige Johann Caspar war höchst bedacht, seinen Kindern alle bildungstechnischen Privilegien zukommen zu lassen. So bekamen die Kinder die ungeteilte Aufmerksamkeit mehrerer Hauslehrer, lernten frühzeitig Latein, Griechisch, Französisch und Italienisch, lasen Klassiker im Original. Schon damals profilierte sich Johann Wolfgang durch sein Sprachtalent. Die Privilegien gingen einher mit einer immensen Erwartungshaltung, die vom Vater ausging und sich in einer routinierten Strenge auf die Kinder niedertrug.
Auf der entgegengesetzten Seite stand die viel jüngere Mutter, Catharina Elisabeth war bei Johann Wolfgangs Geburt gerade einmal 18 Jahre alt. Ihr war die kindliche Welt freilich näher, nachvollziehbarer und vertrauter. Sie ging voll auf in der gemeinsamen Freizeitgestaltung, im abendlichen Vorlesen und war selbst vom Leben nicht zu desillusioniert, um sich Phantasiewelten hingeben zu können. Den Einfluss der Eltern brachte Goethe knapp auf den Punkt: „Vom Vater habe ich die Statur, des Lebens ernstes Führen. Vom Mütterchen die Frohnatur und Lust zu fabulieren.“
Bedeutend war ebenfalls der Einfluss seiner Heimat. Die florierende Handelsstadt war mit 30.000 Einwohnern umtriebig, verwinkelt und geschichtsträchtig. Johann Wolfgang war Stadtkind durch und durch, das Labyrinth der Häuserschluchten verpflegte den hungrigen, jungen Geist mit allerlei Eindrücken. Gegenwärtig prasselten Schmiede, Fischer, Metzger und allerlei Händler auf den Jungen ein, während die alten Kirchen, Türme und Klöster eine gewisse Ehrfurcht vor dem Vergangenen und den Traditionen verlangten. In alledem die Idylle des schön gelegenen Elternhauses, Goethe erinnerte sich an seinen Lieblingsplatz im Obergeschoss:
„Dort war mein liebster, zwar nicht trauriger, aber doch sehnsüchtiger Aufenthalt. Über Gärten hinaus, über Stadtmauern und Wälle, sah man in eine schöne fruchtbare Ebene. Dort lernte ich Sommerszeit gewöhnlich meine Lektionen, wartete die Gewitter ab und konnte mich an der untergehenden Sonne nicht satt genug sehen. Da ich aber zu gleicher Zeit die Nachbarn in ihren Gärten wandeln und ihre Blumen besorgen, die Kinder spielen, die Gesellschaften sich ergötzen sah, so erregte dies frühzeitig in mir ein Gefühl der Einsamkeit und einer daraus entspringenden Sehnsucht, das, dem von der Natur in mich gelegten Ernsten und Ahndungsvollen entsprechend, seinen Einfluss gar bald und in der Folge noch deutlicher zeigte.“
Im menschgemachten Getümmel sehnte sich bereits der Jüngling nach der Natur. Diese Sehnsucht blieb sein Leben lang. In gleicher Manier zeichnete sich bereits zu jungen Jahren eine regelrechte Gier nach Wissen und der Drang, das Wissen zu verarbeiten, bei Johann Wolfgang ab. Aus der Bibliothek des Vaters verschlang er Juristisches, machte sich an französischen Theaterstücken von Racine oder Voltaire zu schaffen und griff immer wieder zur Bibel. Auch wenn er später den kirchlichen Formen des Christentums gänzlich absagte, nannte Goethe die Bibel als frühe Quelle seiner Bildung.
Das frühe Stadtleben etablierte schon damals Goethes berühmte Sensibilität für seine Umwelt. So nahm ihn die Kunde vom schweren Erdbeben in Lissabon am 1. November 1755, das als eine der großen Naturkatastrophen des Jahrhunderts in die Geschichte einging, schwer mit. In „Dichtung und Wahrheit“ ließ Goethe nachklingen, wie sehr er als Knabe davon betroffen war:
„Schneller als die Nachrichten hatten schon Andeutungen dieses Vorfalls sich durch große Landstrecken verbreitet. An vielen Orten waren schwächere Erschütterungen zu verspüren, an manchen Quellen ein ungewöhnliches Innehalten zu bemerken gewesen. Um desto größer war die Wirkung der Nachrichten selbst. Der Knabe, der alles dieses wiederholt vernehmen musste, war nicht wenig betroffen.“
Gleichzeitig war eine bewegte Handelsstadt wie Frankfurt freilich selbst fest eingebunden in die zeitgenössische Geschichte. 1759 wurde Frankfurt von den mit den Österreichern verbundenen Franzosen überrumpelt und besetzt, im Elternhaus nahm der leitende französische Verwaltungsbeamte fast zweieinhalb Jahre die unteren Stockwerke in Beschlag.
Die französische Besatzung brachte ebenfalls eine Schauspieltruppe in die Stadt, Goethe war elf Jahre jung und besuchte die Aufführungen regelmäßig. Gleichzeitig machte Goethe seine ersten poetischen Versuche zu dieser Zeit. Zum Sonntagsempfang war es normal, dass die Kinder Verse vortrugen, Goethe war von der Qualität seiner Verse schnell überzeugt, vor allem weil die anderen in seinen Augen „sehr lahme Dinge vorbrachten“.

3. Goethe wird schwärmerischer Dichter und Student (1765–1771)

Mit 16 Jahren fühlte sich Goethe der Stadt Frankfurt, aber gemäß dem Alter wahrscheinlich auch dem Elternhaus, überdrüssig. Goethe wollte studieren, sein Ziel die Universität Göttingen, wo er unter Christian Gottlob Heyne und Johann David Michaelis die Altertumskunde studieren wollte, um seiner Dichtkunst mehr Substanz zu verleihen. Sein Vater war ebenfalls der Meinung, dass der Sohn, dem bisher jegliches Wissen spielerisch zugefallen war, bereit für ein Studium war. Mit dem Studienfach und -ort hingegen war er nicht d’accord.
Johann Caspar hatte zu seiner Zeit die Universität in Leipzig besucht, Jura studiert und hegte weiterhin einige Kontakte, die er bei Bedarf spielen lassen konnte. Für ihn stand außer Frage, dass der Zögling in die eigenen Fußstapfen zu treten hatte. Goethe erinnert sich, wie der Vater stundenlang über seine Studienzeiten schwadronierte, ließ ihn reden und machte sich „kein Gewissen“ daraus.
Am 27. September 1765 hieß es also: Abschied nehmen von den Frankfurter Freunden. Unter den Kumpanen Johann Jakob Riese, Ludwig Moors und Johann Adam Horn ging nur Horn ebenfalls nach Leipzig und auch erst ein halbes Jahr später.
Goethe erreichte die sächsische Messestadt am 3. Oktober 1765. Leipzig war damals von etwa gleicher Größe und internationaler Umtriebigkeit wie Frankfurt, präsentierte sich aber nicht altertümlich verwinkelt, sondern modern, mit breiten Straßen, Blockquartieren und einheitlichen Fassaden. Studenten hausierten in durchaus komfortablen Zwei-ZimmerQuartieren, die unweit des berühmten „Auerbachs-Keller“ entfernt lagen. Auch Goethe würde in naher Zukunft schon häufig hier verkehren.
Leipzig stand im Zeichen des Rokokos, die Mode war bunt, auffällig, schick und kostspielig. Für den jungen Goethe spielte Geld kaum eine Rolle, die Apanagen des Vaters beliefen sich monatlich auf hundert Gulden. Im Arbeitervolk war das ein gutes Jahresgehalt. Goethe genoss den Luxus in vollen Zügen, noch im Oktober 1765 prahlte er gegenüber dem Freund Riese: „Hühner, Gänse, Truthahnen, Enten, Rebhühner, Schnepfen, Feldhühner, Forellen, Hasen, Wildbret, Hechte, Fasanen, Austern pp. Das erscheinet täglich.“ Goethe lud Kommilitonen ins teure Theater ein und schmückte sich in modischster Kleidung. An der Universität fiel er auf, man machte sich etwas lächerlich über den jungen Mann, Geschmack ließ sich eben auch damals nicht kaufen.
Die anfängliche Euphorie musste recht schnell einer gewissen Ernüchterung weichen. Zum einen vermisste der junge Goethe seine Freunde, oft fühlte er sich sozial isoliert, denn die einheimischen gehobeneren Gesellschaften, in denen er freilich zügig verkehrte, störten sich an der vorlauten Art und am Dialekt des Frankfurters. Gleichzeitig tangierten ihn seine Studien nicht, an Riese schrieb er bereits ein halbes Jahr nach der Prahlerei:
„Da sah ich erst, dass mein erhabener Flug, wie er mir schien, nichts war als das Bemühen des Wurms im Staube, der den Adler sieht zur Sonn' sich schwingen, und wie der hinauf sich sehnt. Er sträubt empor und windet sich und ängstlich spannt er alle Nerven an – und bleibt im Staub.“
Literarisch galten in Leipzig Professor Christian Fürchtegott Gellert und Johann Christoph Gottsched als die Koryphäen, und zu Gotthold Ephraim Lessing, der ja auch in Leipzig studiert hatte, traute er sich kaum aufzuschauen. Treffen mit Gellert und Gottsched nahmen Goethe die Ehrfurcht vor „großen Männern“, denn beide erschienen ihm für die Zeiten unpassend. Großen Einfluss hatten darüber Johann Michael Stock und Adam Friedrich Oeser, die ihm das Zeichnen und den Kupferstich lehrten. Dabei machte ihn Oeser speziell mit dem Klassizismus bekannt.
Neben den Künsten entdeckte Goethe in Leipzig seine größte Leidenschaft. Der mittlerweile 17-Jährige begegnete zu Gast im Schönkopschen Weinhaus der Tochter der Wirtsleute, Anna Katharina, genannt Käthchen, und verliebte sich in sie. Die Liebelei war schnell von Goethes Eifersucht geprägt, welche die Verehrte wohl lang, laut ihm, mit „unglaublicher Geduld“, aber eben nicht ewig aushielt. In einem Brief an den Leipziger Freund Behrisch spricht er davon, dass man mit Liebe angefangen habe und jetzt mit Freundschaft ende und glücklich sei.
In Wahrheit nahm Goethe die Trennung nur schwerlich auf, auch weil ihm die Eifersucht als unangenehme Seite an ihm offenbart wurde. In Verbindung mit den stetig schleppenden Studien wurde Goethe regelrecht übermannt und brach zusammen. Im Juli 1768 erlitt er einen lebensgefährlichen Blutsturz, der ihn mit dem Tod ringen ließ. Die Genesung ging langsam vonstatten. Am 28. August 1768, seinem neunzehnten Geburtstag, reiste er schlussendlich gen Frankfurt ab, wo er ein einjähriges Moratorium einlegte.
Zurück in der Vaterstadt, sah sich Goethe mit der Unzufriedenheit des Patriarchen konfrontiert, denn er hatte nach drei Jahren des Studiums nichts vorzuweisen, was dem Vater von wert war. Goethe reflektierte über seine Briefe, denen er die meisten seiner Gedichte aus dieser Zeit angehängt hatte, und musste sich hier der ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. 1. Goethe, bis heute bedeutendster Vertreter deutscher Dichtkunst
  6. 2. Familie, Kindheit und Jugend in Frankfurt am Main (1749–1765)
  7. 3. Goethe wird schwärmerischer Dichter und Student (1765–1771)
  8. 4. Überraschungserfolg: Die Leiden des jungen Werther (1771–1775)
  9. 5. Der Sturm und Drang hatte begonnen (1765–1785)
  10. 6. Wahlheimat Weimar bei Herzog Karl August (1775–1786)
  11. 7. Goethes Italienreise (1786–1788)
  12. 8. Als Naturforscher zurück in Weimar (1788–1794)
  13. 9. Die Weimarer Klassik (1794–1805)
  14. 10. Friedrich Schiller, der neue Freund (1794–1805)
  15. 11. Gespräch mit dem französischen Kaiser Napoleon Bonaparte (1805–1814)
  16. 12. Als verehrter Dichter auf Reisen (1814–1832)
  17. 13. Goethe und allerlei Damen (1766–1823)
  18. 14. Meistzitiertes Werk deutscher Sprache: Faust. Eine Tragödie (1773–1832)
  19. 15. Wichtige Veröffentlichungen und Hauptwerke
  20. 16. Zusammenfassung
  21. 17. Zeitleiste