Die Philosophen des Krieges
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Die Philosophen des Krieges

Ein Tanz zur Musik der Zeit – Band 9

  1. 288 Seiten
  2. German
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Die Philosophen des Krieges

Ein Tanz zur Musik der Zeit – Band 9

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Über dieses Buch

Der zwölfbändige Zyklus "Ein Tanz zur Musik der Zeit" —­ aufgrund­ seiner inhaltlichen­ wie formalen Gestaltung immer wieder mit Mar­cel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" verglichen —­ gilt­ als­ das­ Hauptwerk des­ britischen Schriftstellers Anthony Powell und gehört zu den bedeutendsten Romanwerken des 20. Jahrhunderts. Inspiriert von ­dem ­gleichnamigen Bild des französischen Barockmalers Nicolas Poussin, zeichnet der Zyklus ein facettenreiches Bild der englischen Upperclass vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die späten sechziger Jahre. Aus der Perspektive des mit typisch britischem Humor und Understatement ausgestatteten Ich­-Erzählers Jenkins — der durch so­ manche­ biografische­ Parallele­ wie­ Powells­ Alter ­Ego­ anmutet — bietet der "Tanz" eine Fülle von Figuren, Ereignissen, Beobachtungen und Erinnerungen, die einen einzigartigen und auf­schlussreichen Einblick geben in die Gedanken­welt der in England nach wie vor tonangebenden Gesellschaftsschicht mit ihren durchaus merkwürdigen Lebensgewohnheiten.

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Information

Jahr
2017
ISBN
9783941184848
1

Gegen Morgen
ertönte die Klingel des Fernschreibers.
Es konnte eine ganze Nacht vergehen, ohne dass man von einem solchen Ruf geweckt wurde, denn hier, anders als bei den Verbänden, fiel es nicht in meine Verantwortlichkeit, nachts um vier aufzustehen und von dem geheimen Radiosender
»Spinne«, der immer in den frühen Morgenstunden aktiv wurde, ein Diktat aufzunehmen – irgendeine kurze, nicht identifizierbare Passage meist mittelmäßiger Prosa. Wenn einen nicht Luftangriffe daran hinderten, war Schlaf genug zu bekommen, obwohl die unaufhörlichen Vibrationen einer oder beider der Maschinen im Nebenraum – fortwährend verhaltene Gefühlsströme summend, die ihnen von einer ständig wechselnden Bedienung eingegeben wurden – die gleiche geistige Ruhelosigkeit anzeigten, die einen auch in dem Zimmer des diensthabenden Offiziers umgetrieben hatte. Gequälte, aggressive Schatten, endemisch hier wie Ghuls auf einem arabischen Friedhof, verweilten auf ewig in solchen Zellen und drängten jedem der wechselnden Besucher ihre Sorgen und Ängste auf, trieben ihn aus seinem Bett, seinem Zimmer, drangen ein in seine Träume, verzerrten sie. Hin und wieder streikte ein Fernschreiber. Dann spie er plötzlich nicht länger seine breiten Papierschübe aus, die stattdessen zerknüllt mitten in der Luft zum Stillstand kamen wie das Wasser eines gefrorenen Katarakts. Ein Papierstau war vielleicht auch jetzt der Grund für den Ruf. Es lag jedoch näher, dass das Klingeln eine Nachricht anzeigte, die sofortiges Handeln verlangte. Ich ging hinüber, um nachzusehen.
Die ausgefransten Großbuchstaben des grauen Typoskripts übermittelten die Information, dass kleine polnische Abteilungen dabei waren, die russische Grenze zum Iran zu überschreiten, jeweils nur einige wenige Männer, aber genug, um darauf hinzudeuten, dass eine Art Evakuierung begonnen hatte. Es handelte sich um eine Nachricht, die für uns von großer Wichtigkeit war. Wir hatten sie schon lange erwartet. Zuerst dachte ich, ich müsse sofort Oberst Finn in seiner Wohnung anrufen, entschied dann aber nach einigen Überlegungen, dass er, da es schon fast Tag wurde, das Fernschreiben in wenigen Stunden auf seinem Schreibtisch vorfinden würde. Ohne dass Konsultationen stattgefunden hatten, konnte sowieso nichts Effektives unternommen werden. Außerdem, da er am Abend zuvor bis spät gearbeitet hatte – es war nach elf gewesen, als ich ihn mit schweren Schritten, wie der nach Karthago zurückkehrende Regulus, die Treppe hinuntergehen sah –, verdiente Finn jeden Augenblick der Ruhe, den er bekommen konnte. Ich ging zurück ins Bett. Die Fernschreiber surrten weiter ihre Beschwörungsformeln heraus, mürrisch und monoton, doch nicht ohne die Bedrohung eines plötzlichen, unkontrollierten Anfalls von Verrücktheit. Es gelang mir jedoch nicht mehr, die Bruchstücke meines gestörten Schlafs wieder zusammen­zu­setzen. Ich musste schließlich den Versuch aufgeben und mich dem Tag stellen. Auf dem Weg zum Rasieren hielt ich in dem Zim­mer der Abteilung an, die für die hereinkommenden Sig­nale zuständig war. Während der Einsatzzeit stand man unter dem Befehl des jeweils dort diensthabenden Offiziers, welchen Rang auch immer er bekleidete. Bei dieser Gelegenheit handelte es sich um einen fast zwergenhaften Leutnant mittleren Alters mit langen Armen, kurzen Beinen und einem gedrungenen Körper, der am Abend zuvor auf seinen ihm den Vorschriften nach zustehenden Rechten – auf die jene, die die Dinge gelassener nahmen, immer verzichteten – bestanden hatte, dass ihm beim Verteilen der Post geholfen werde. Während er verdrießlich die langen dunklen Korridore entlanggeeilt war und die heißen Nachrichten aufgeteilt hatte, um die Eingangskörbe für den Tagesanbruch zu füllen, schien er einer aus der Schar der Kobolde in Christina Rossettis »Goblin Market« zu sein. Als ich jetzt die Tür zu dem Zimmer öffnete, konnte ich ihn jedoch präziser identifizieren. Der Vorhang hatte sich augenscheinlich gerade zum dritten Teil des »Ring« – Mime in seiner Schmiede – geöffnet und gab den Blick auf den verhutzelten Leutnant in Hemdärmeln frei, wie er sich gerade über einen Tisch beugte und mit absolut fieberhafter Energie an einem Gegenstand herumrieb.
»Guten Morgen.«
Er verhehlte nicht eine gewisse Gereiztheit angesichts der Unterbrechung der Vorstellung an einem so entscheidenden Punkt – nur wenige Sekunden bevor er mit einem Schwall gutturaler Tenornoten die einführende Klage eröffnen würde:
»Zwangvolle Plage! / Müh ohne Zweck! / Das beste Schwert, / das je ich geschweißt …«
Doch er unterbrach für eine kurze Weile seine undankbare Aufgabe, hielt das Poliertuch allerdings weiter mit seinen klauenartigen Fingern umklammert. Es war natürlich nicht Siegfrieds Schwert, dem er sich mit so großer Aufmerksamkeit widmete (Geschäfte machend mit dem Feind sozusagen), sondern jener inzwischen von fast allen getragene – möglicherweise indische – Beitrag zur militärischen Bekleidung, der Sam-Browne-Gürtel, zweifellos sein eigener, dessen abgekoppelter Schulterriemen auf einem anderen Tisch seiner Behandlung harrte.
»Kann ich das Telegramm über die Polen bekommen, die die UdSSR verlassen?«
Der unten auf der Nachricht angeführte Verteiler pflegte die unmittelbar mit dem Thema zu befassenden Stellen zu nennen. Als er eher widerstrebend die Ernte der Nacht hervorholte, hielt er, wie ein vorsichtiger Pokerspieler seine Karten, das Bündel der Telegramme eng an seiner Brust, damit, während er es durchblätterte, kein anderes Auge ihre Sicherheit gefährde. Das gewünschte Papier befand sich ganz unten in dem Stapel. Nachdem er die Empfänger notiert hatte, unterhielten wir uns noch darüber, welcher der Waschräume in dem Gebäude der am wenigsten abschreckende sei, und stimmten im Prinzip darin überein, dass es zwischen den existierenden Wahlmöglichkeiten keinen großen Unterschied gebe. Mit einem verzweifelten Kopfschütteln, das entweder der Vorstellung von Reihen schmieriger Waschbecken galt oder seiner eigenen unentwegten Frustration als Schwertschmied (oder Lederbearbeiter, besser gesagt), wandte sich Mime wieder dem Sam-Browne zu. Dann verschloss die Tür den Blick auf ein immerwährendes Polieren. Draußen auf dem Flur erhob sich, durch die Besen der frühmorgendlichen Putztruppe zu Wolken aufgewirbelt und in den Augen brennend wie Pfeffer, der Staub uralter Zeiten. Boten in schäbigen blauen Uniformen, eine Rasse grob und unhöflich bis fast auf den letzten Mann, schlurften jetzt gähnend und einander anknurrend umher. Theoretisch dauerte mein Nachtdienst bis neun Uhr, aber da der Nibelunge mir zugestanden hatte, dass die Lehnstreue ihm und seinem Klan gegenüber inzwischen in genügendem Maße abgeleistet sei, zog ich mich an und machte mich, froh, wieder einmal aus dieser wiederkehrenden nächtlichen Vasallenpflicht entlassen zu sein, auf den Weg zum Frühstück. Zusätzlich zu den stimulierenden Neuigkeiten, die über den Fernschreiber gekommen waren, galt es noch über Dinge nachzudenken, die am Tag zuvor passiert waren.
Ein wolkenverhangener Himmel brütete über Reihen von überfüllten Bussen, die die Whitehall entlangrumpelten. Singapur war fünf oder sechs Wochen zuvor gefallen. Da man auf offizieller Seite eine nachteilige Wirkung auf die öffentliche Moral befürchtete, waren die japanischen Exzesse dort heruntergespielt worden, doch alle, die Zugang zu den in relativ begrenzter Zahl zirkulierenden Dokumenten hatten, wussten, was wirklich vor sich ging. Ein Rückzug aus Birma stand unmittelbar bevor. In London pflegten die Luftangriffe, die insgesamt gesehen nachgelassen hatten, von Zeit zu Zeit wie eine unheilbare Krankheit wieder auszubrechen. Es war eine gute Nachricht, dass es den Polen endlich erlaubt sei, Russland zu verlassen. Etwas Aufmunterndes war höchst willkommen. Die Sache hatte besonderen Bezug zu meinen eigenen veränderten Umständen.
Neun oder zehn Monate zuvor war ich zu einer kleinen, ziemlich in sich abgeschlossenen Gruppierung innerhalb des Generalstabs abgeordnet worden. Einschließlich Finns selbst, eines Oberstleutnants, bestand das Personal der Sektion aus etwas weniger als einem Dutzend Offiziere. Nach einer kurzen Probezeit zum Hauptmann ernannt, war ich »aus Gründen administrativer Zwe...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titelseite
  2. Impressum
  3. Kapitel 1
  4. Kapitel 2
  5. Kapitel 3
  6. Kapitel 4
  7. Kapitel 5