Die Welt des Wechsels
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Die Welt des Wechsels

Ein Tanz zur Musik der Zeit – Band 3

  1. 236 Seiten
  2. German
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Ein Tanz zur Musik der Zeit – Band 3

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Über dieses Buch

Der zwölfbĂ€ndige Zyklus »Ein Tanz zur Musik der Zeit« —­ aufgrund­ seiner inhaltlichen­ wie formalen Gestaltung immer wieder mit Mar­cel Prousts »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« verglichen —­ gilt­ als­ das­ Hauptwerk des­ britischen Schriftstellers Anthony Powell und gehört zu den bedeutendsten Romanwerken des 20. Jahrhunderts. Inspiriert von ­dem ­gleichnamigen Bild des französischen Barockmalers Nicolas Poussin, zeichnet der Zyklus ein facettenreiches Bild der englischen Upperclass vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die spĂ€ten sechziger Jahre. Aus der Perspektive des mit typisch britischem Humor und Understatement ausgestatteten Ich­-ErzĂ€hlers Jenkins — der durch so­ manche­ biografische­ Parallele­ wie­ Powells­ Alter ­Ego­ anmutet — bietet der »Tanz« eine FĂŒlle von Figuren, Ereignissen, Beobachtungen und Erinnerungen, die einen einzigartigen und auf­schlussreichen Einblick geben in die Gedanken­welt der in England nach wie vor tonangebenden Gesellschaftsschicht mit ihren durchaus merkwĂŒrdigen Lebensgewohnheiten. Geheimnisvolle spiritistische Sitzungen und Dinnerpartys kennzeichnen den dritten Band. Der historische Hintergrund scheint dabei immer wieder ĂŒberraschend schlaglichtartig auf.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783941184787
1

Von Zeit zu Zeit, vielleicht in AbstĂ€nden von achtzehn Monaten, erreichte mich eine Postkarte in Onkel Giles’ klarer, enger Handschrift, die mich fĂŒr den Sonntagnachmittag zum Tee im Ufford einlud. Diese Hotelpension in Bayswater, wo er wĂ€hrend seiner verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig seltenen Besuche in London immer wohnte, bestand aus zwei EckhĂ€usern in einem ver­steckten, fast unzugĂ€nglichen Gebiet westlich der Queen’s Road. Nicht nur die schlachtschiffgraue Farbe des GebĂ€udes, sondern auch etwas Winkliges und gleichzeitig Kopflastiges in seiner Gestaltung insgesamt legte den Gedanken an ein gro­ßes, in der Straße vertĂ€utes Schiff nahe. Auch in seinem Inneren, wenigstens im Erdgeschoss, erinnerte das Ufford ein wenig an das Leben auf See – allerdings nicht an einen luxu­riös ausgestatteten Ozeandampfer, sondern bestenfalls an einen jener altersschwachen Schoner in den Romanen von Joseph Conrad: vor Jahren vielleicht aufgeputzt als die Yacht eines reichen Mannes, doch jetzt schĂ€big geworden durch die Zeit und degradiert zu niedrigeren Aufgaben wie der Beförderung von Touristen oder Pilgern oder gar illegalen Einwanderern; durchdrungen – um eine angemessene Conrad’sche Wendung zu gebrauchen – von unbehaglichen Erinnerungen an die MĂŒhen und Konflikte der Menschen. Das war das GefĂŒhl, das einem das Ufford gab, wie es dort vor Anker lag in dem trĂ€gen Gezeitenstrom Bayswaters.
Ohne Zweifel hatte Onkel Giles zu diesem letzteren, nach rĂŒckwĂ€rts gerichteten und entschieden bedrĂŒckenden We­sens­zug des Hotels in einem geringen Maße selbst beigetragen. Sicherlich aber hatte er nichts getan, um das Haus von der At­mo­sphĂ€re geheimer, melancholischer Schuld zu befreien. Die Korridore erschienen wie die Katakomben einer Hölle, be­stimmt fĂŒr das unterdrĂŒckte Bedauern all jener, denen im Leben das Einkommen gefehlt hatte, auf das sie selbst einen Anspruch zu haben meinten; und diesen leisen Verdacht, dass die beiden HĂ€user eine Heimstatt der Toten seien, verstĂ€rkte noch die Tatsache, dass man dort nie einen Menschen er­blick­te, nicht einmal an der Rezeption. Die Stockwerke der ehemals getrennten GebĂ€ude lagen jeweils auf verschiedenen Höhen, waren aber jetzt durch unerwartete Stufen und en­ge, steil an­stei­gende Korridore miteinander verbunden. Die Ein­gangs­halle war stets in Schweigen gehĂŒllt; die Briefe hinter den sie ĂŒberkreuzenden BĂ€ndern an dem mit grĂŒnem Fries be­spann­ten Brett gilbten dahin, nie abgeholt, auf immer ungelesen, unverĂ€ndert.
Onkel Giles selbst aber hing an diesem Quartier. »Der alte Kasten ist gerade das Richtige fĂŒr mich«, hatte ich ihn einmal leise murmeln hören – eine große Anerkennung seitens eines Mannes, der so sparsam mit Lob umging wie er; doch wie jede andere Institution, mit der er in BerĂŒhrung kam, fiel na­tĂŒr­lich auch das Ufford bei ihm von Zeit zu Zeit in Ungnade, gewöhnlich, weil ihm die GeschĂ€ftsleitung oder das Personal irgendeine â€șGrobheitâ€č angetan hatte. Vera, zum Beispiel, eine Kellnerin, war eine alte Feindin von ihm, die oft versuchte, ihm seinen Lieblingstisch nahe der TĂŒr zu verweigern, »wo man etwas frische Luft atmen« konnte. Wenigstens einmal, in einem Anfall von VerĂ€rgerung, hatte er sich im De Tabley auf der anderen Seite der Straße einquartiert. Aber frĂŒher oder spĂ€ter kehrte er immer wieder zum Ufford zurĂŒck, widerwillig eingestehend, dass dieses Hotel, obwohl es mit ihm seit den Tagen, als er es kennengelernt hatte, stĂ€ndig bergab ginge, ohne Zweifel praktisch sei fĂŒr die Zwecke seines ziellosen, unbehaglichen, doch in einem gewissen Sinne auch konzentrierten Lebens.
Konzentriert, so könnte man fragen, auf was? Das wĂ€re nicht leicht zu beantworten. Konzentriert vielleicht auf seine Selbstbezogenheit, auf seine Entschlossenheit, völlig anders zu sein als jeder andere Mensch – ohne aber das dazu angemessene moralische und intellektuelle RĂŒstzeug zu besitzen. Darin mochte eine ErklĂ€rung fĂŒr sein Verhalten liegen. Wie auch immer, er wurde von einer Macht umhergetrieben, die stĂ€rker schien als der bloße Instinkt, sich am Leben zu erhalten; und das Ufford kam dem, was er als ein Zuhause anerkannte, am nĂ€chsten. Oft ließ er wochen-, monate-, sogar jahrelang sein GepĂ€ck dort zurĂŒck, beschwerte sich aber spĂ€ter, wenn er es auspackte, darĂŒber, dass ein Smoking nicht nur zerknittert, sondern auch von Motten zerfressen sei; dass Öl in seinen Reisekorb hatte eindringen können und dort seine Tropenkleidung ruiniert habe; dass, noch schlimmer – obwohl verlĂ€ssliche Beweise stets fehlten –, die Anzahl der GepĂ€ckstĂŒcke, die er dem Hotel in Verwahrung gegeben hatte, um wenigstens eine Leinwandtasche oder eine lederne Hutschachtel oder einen Uniform-Koffer aus schwarzem Blech vermindert sei.
Bei den meisten meiner Besuche im Ufford waren Halle und EmpfangsrĂ€ume so völlig verlassen, dass es im Innern fast Onkel Giles’ Privatresidenz hĂ€tte sein können. WĂ€re er ein reicher Junggeselle gewesen und nicht ein armer, hĂ€tte er wahrscheinlich in einem Haus gelebt, das diesem genau entsprach: spĂ€rlich eingerichtet, unpersönlich, altmodisch, zugig, mit schweren MahagonischrĂ€nken und Sideboards in weiten AbstĂ€nden ĂŒber die Korridore und TreppenabsĂ€tze verteilt: nichts, was ihn vielleicht auf irgendeine besondere Meinung hĂ€tte festlegen können – außer einer allgemeinen Missbilligung der Art und Weise, wie die Welt regiert wurde.
Wir nahmen den Tee immer in einem Raum ein, der â€șdie Loungeâ€č hieß: die hintere HĂ€lfte eines großen Doppelsalons, dessen VerbindungstĂŒren permanent geschlossen blieben und so â€șdie Loungeâ€č von dem â€șSchreibzimmerâ€č, der anderen HĂ€lfte, die zur Straße hin lag, abtrennte. (Vielleicht waren diese TĂŒren, wie die Tore des Janustempels, nur in Friedenszeiten geschlossen, denn Jahre spĂ€ter, als ich das Ufford wĂ€hrend des Krieges sah, standen sie weit offen.) Die mit Spitzengardinen behangenen Fenster der Lounge gingen auf einen Lichtschacht hinaus: ein trostloser Ausblick voll der dĂŒsteren Schwermut dauernder Nacht oder eines auf ewig regendunklen Himmels. Selbst im Sommer brauchte man elektrisches Licht beim Tee.
Das in Blau, Grau und GrĂŒn gehaltene verschlungene Blumendessin der Tapete fĂŒhrte von einem cremefarbenen Linkrustasockel hoch zu einem Sims aus ebenfalls cremefarbener Linkrusta. Das unendlich verblichene Muster der Blumen entsprach genau dem der ChintzbezĂŒge des Sofas und der Sessel, die gerĂ€umig und unerwartet bequem waren. In einer Ecke stand eine Palme in einem Messingtopf mit verzierten Griffen. Kleine Tische in maurischem Stil waren ĂŒber den Raum verteilt. Auf ihnen standen große, runde Aschenbecher mit Vorrichtungen, auf denen man eine Zigarre oder Zigarette ablegen konnte. An den WĂ€nden hingen mehrere vergoldete runde Spiegel, aber es gab dort nur ein einziges Bild, einen Stich nach Sir Edwin Landseers »Die Abtei von Bolton in alter Zeit«, das ĂŒber dem offenen Kamin hing. Unter dieser dichtgedrĂ€ngten Szene mittelalterlicher FĂŒlle – die einen schmerzlichen Kontrast bildete zu der cuisine des Ufford – zeigte eine Uhr, deren Pendel und Werk unter ihrer Glaskuppel sichtbar waren, fĂŒr immer auf zwanzig Minuten nach fĂŒnf. Im Winter hielten zwei Heizkörper den Raum annehmbar warm, und die von rosa Kreppapier umgebene Kohle in dem Kamin wurde nie entzĂŒndet. Es gab kein einziges Zeichen aktiven Lebens in dem Zimmer, außer vielleicht mehreren zerlesenen Exemplaren der Zeitschrift »Die Dame«, die in einem Stapel auf einem der maurischen Tische lagen.
»Ich glaube, wir werden das Zimmer ganz fĂŒr uns allein haben«, pflegte Onkel Giles stets zu sagen, so als seien wir dort zufĂ€lligerweise an einem besonders glĂŒcklichen Tag hingekommen. »Wir werden uns also ohne Störungen ĂŒber unsere Angelegenheiten unterhalten können. Ich hasse nichts so sehr, wie wenn irgend so ein verdammter Kerl jedes Wort mithört, das ich sage.«
In den letzten Jahren hatten sich seine VerhĂ€ltnisse, soweit seine Verwandten irgendetwas von ihnen wussten, in gewisser Weise stabilisiert, obwohl Einladungen zum Tee gewöhnlich mit seinen periodischen Anstrengungen zusammenfielen, ein wenig mehr als seinen vereinbarten Anteil aus der â€șStiftungâ€č herauszuholen. Entweder ging er jetzt ruhigere Wege als zuvor, oder die Krisen fanden in lĂ€ngeren AbstĂ€nden statt und waren offensichtlich weniger heftig. Dieser Wandel bedeutete nicht, dass er das Leben selbst in einer versöhnlicheren Haltung anging oder dass er die Überzeugung aufgegeben hĂ€tte, weltlicher Erfolg sei eine Frage von â€șBeziehungenâ€č. Englands Aufgabe des Goldstandards zu etwa dieser Zeit – und die Bildung der Allparteienregierung – hatten ihn besonders verĂ€rgert. Er vertrat ganz gegensĂ€tzliche, weit revolutionĂ€rere ökonomische Theo­rien zu der Frage, wie die europĂ€ische monetĂ€re Situation geregelt werden sollte.
In seinem persönlichen Umgang war er jedoch eine Spur weniger schroff. Die Besorgnis seiner Verwandten, er könne eines Tages in wirklich ernsthafte finanzielle Verwicklungen geraten, hatte, obwohl sie sich nie völlig legte, im Vergleich zur Vergangenheit betrĂ€chtlich abgenommen. Es hatte auch in der letzten Zeit keine dieser frĂŒher stets wiederkehrenden GerĂŒchte gegeben, er treffe Vorbereitungen fĂŒr eine unpassende Heirat. Er trieb sich immer noch in der weiteren Umgebung Londons herum und war in AbstĂ€nden in Reading, Aylesbury, Chelmsford oder Dover – und einmal an einem so weit entfernten Ort w...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titelseite
  2. Impressum
  3. Kapitel 1
  4. Kapitel 2
  5. Kapitel 3
  6. Kapitel 4
  7. Kapitel 5
  8. Editionsplan