Politik in der digitalen Gesellschaft
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Neukonfigurationen zwischen Robotern, Algorithmen und Usern

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Politik in der digitalen Gesellschaft

Neukonfigurationen zwischen Robotern, Algorithmen und Usern

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Über dieses Buch

Wie verĂ€ndern sich gesellschaftliche Praktiken und die Chancen demokratischer Technikgestaltung, wenn neben BĂŒrger*innen und Öffentlichkeit auch Roboter, Algorithmen, Simulationen oder selbstlernende Systeme einbezogen und als Beteiligte ernstgenommen werden? Die BeitrĂ€ger*innen des Bandes untersuchen die Neukonfiguration von Verantwortung und Kontrolle, Wissen, BeteiligungsansprĂŒchen und Kooperationsmöglichkeiten im Umgang mit intelligenten Systemen wie smart grids, Servicerobotern, Routenplanern, Finanzmarktalgorithmen und anderen soziodigitalen Arrangements. Aufgezeigt wird, wie die digitalen »Neulinge« dazu beitragen, die Gestaltungsmöglichkeiten fĂŒr Demokratie, Inklusion und Nachhaltigkeit zu verĂ€ndern und Macht- und KraftverhĂ€ltnisse zu verschieben.

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Information

I.Kooperative Technikgestaltung mit BĂŒrgerinnen und Nutzerinnen

Zur Wissenspolitik von Smart-Grid-Experimenten

Harald Rohracher und Fredrik Envall

Einleitung

Experimente, Pilot- oder Demonstrationsprojekte sind in den letzten Jahren zunehmend zu einem zentralen Instrument der Innovationspolitik geworden, ja sogar zu einem zentralen Kennzeichen und â€șwissenschaftsgesellschaftlichem Dispositivâ€č unserer â€șexperimentellen Gesellschaftâ€č (Ansell und Bartenberger 2016; Böschen et al. 2017; Engels et al. 2019). WĂ€hrend solche Projekttypen traditionell vor allem dem Testen und Hochskalieren von innovativen Produkten und Techniken von der Laborebene auf eine industrielle Ebene dienten, hat ein zunehmender innovationspolitischer Fokus auf gesellschaftliche Herausforderungen wie den Klimawandel Experimente mit alternativen sozio-technischen Konstellationen und in alltĂ€glichen, anwendungsnahen Kontexten in den Vordergrund gerĂŒckt (Kivimaa et al. 2017). RĂ€umlich begrenzte Versuche mit neuen MobilitĂ€tsformen (z.B. autofreie Stadtteile), energieautarke Regionen oder Feldversuche zur Anwendung von autonomen Fahrzeugen sind FĂ€lle, bei denen es nicht nur um das Testen von Produkten geht, sondern ebenso um Erfahrungen mit neuen sozialen Praktiken und institutionellen VerĂ€nderungen. Was hier auf dem PrĂŒfstand steht, sind also ganze sozio-technische Arrangements, gesamte â€șÖkosystemeâ€č von z.B. MobilitĂ€t, durch die soziale Akteur*innen zu Stakeholdern des Experiments werden und zukĂŒnftige Handlungsmöglichkeiten auf dem Spiel stehen (Marres 2020). Dieser experimental turn (Overdevest et al. 2010) geht einher mit dem wachsenden Einfluss von Konzepten wie sozio-technische Transitionen (z.B. des Energie- oder Verkehrssystems), neuen â€șmissions-orientiertenâ€č Innovationsprogrammen, die sich an gesellschaftlichen Herausforderungen (grand challenges) orientieren, etwa dem neuen Forschungsrahmenprogramm der EuropĂ€ischen Union, und einer wachsenden Aufmerksamkeit fĂŒr â€șsoziale Innovationenâ€č und â€șSysteminnovationenâ€č (Diercks et al. 2019). Mit der Einbettung solcher Experimente in reale Nutzungskontexte geht auch eine Betonung partizipativer Elemente einher, durch die Nutzer*innen und andere fĂŒr das Experiment relevante Akteursgruppen stĂ€rker in die Evaluierung, Wissensgenerierung und aktive Gestaltung von Technologien und ihren Anwendungskontexten einbezogen werden sollen (Delvenne und Macq 2020).
Trotz dieser partizipativen Rhetorik und des Anspruchs, soziale Lernprozesse fĂŒr eine Vielzahl von Akteur*innen zu ermöglichen, wurde der tatsĂ€chliche Beitrag solcher Experimente zu technischen und gesellschaftlichen VerĂ€nderungen nur in wenigen FĂ€llen empirisch untersucht. Dieses Kapitel will sich kritisch mit der neuen Dominanz von Experimenten in der Innovationspolitik auseinandersetzen und stellt sich die Frage, was in der Praxis solcher Experimente eigentlich passiert und inszeniert wird. Handelt es sich tatsĂ€chlich um eine weitgehend entpolitisierte und konfliktfreie Strategie zur Entwicklung neuer klimafreundlicher Energie- und Verkehrsinfrastrukturen und einer nachhaltigeren Ökonomie und Gesellschaft? Oder werden in solchen Experimenten bevorzugt bestimmte Arten von Wissen produziert, die bestimmten Akteursgruppen eher zugutekommen als anderen? Wieviel Einfluss haben Nutzer*innen und BĂŒrger*innen tatsĂ€chlich in der Praxis dieser Projekte? Oder reflektieren die Settings und Rahmenbedingungen von Experimenten dominante gesellschaftliche Strukturen und stĂ€rken vielleicht bestehende MachtverhĂ€ltnisse mehr, als dass sie neue gesellschaftliche und technische Konstellationen ermöglichen?

Smart Grids als Basis eines nachhaltigen Energiesystems

Empirisch sollen diese Fragen am Beispiel mehrerer Experimente zur Anwendung von Smart Grids oder intelligenten Stromnetzen in Schweden untersucht werden. Die Digitalisierung des Stromsystems und generell des Energiesystems wird international als zentrales Element einer Energiewende angesehen. Durch smart meter und eine Zweiwegkommunikation zwischen Stromerzeugern und -verbrauchern wird es möglich, nicht nur Stromerzeugung an Energieverbrauch anzupassen, sondern auch flexibel auf der Seite von Stromverbrauchern zu reagieren, indem beispielsweise bestimmte stromintensive Anwendungen wie der Betrieb einer WÀrmepumpe oder eines Warmwasserbereiters zeitlich verschoben werden. Durch diese neuen Relationen zwischen Akteur*innen auf der Erzeugungs- und Verbraucherseite und die umfassende Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) wird die Einbindung eines wesentlich höheren Anteils von erneuerbaren EnergietrÀgern mit fluktuierender Erzeugung möglich, aber auch das lokale Management von Eigenerzeugung durch z.B. Photovoltaik und Verbrauch dieser selbsterzeugten Energie im eigenen GebÀude oder in lokalen Energiegemeinschaften. Potentiell bedeutet die Digitalisierung des Energiesystems damit eine radikale Re-Konfiguration von Akteursrelationen, sozialen Praktiken und institutionellen Einrahmungen. Smart Grids können mit Lösch und Schneider (2017) damit als Neuordnung von Macht-Wissenskonstellationen im Energiesystem und Teil eines neuen Macht-Wissens Dispositivs mit Experimentieren als zentraler Norm verstanden werden.
Liest man Strategiedokumente zum Ausbau von Smart Grids auf europĂ€ischer Ebene oder in Schweden, so fĂ€llt die starke Betonung von â€șaktiven Nutzer*innenâ€č und Prosument*innen, die sowohl Strom konsumieren als auch selbst erzeugen, auf (Wallsten 2017). LĂ€ngerfristige Visionen malen eine Zukunft mit verteilter Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen, der Möglichkeit fĂŒr Konsument*innen direkt miteinander selbsterzeugten Strom zu handeln (peer-to-peer trading) und einer verstĂ€rkten Integration des Verkehrssystems (Elektrofahrzeuge, Batterien) in das Energiesystem. Wieweit Haushalte diese aktivere Rolle im Energiesystem wahrnehmen, welche neuen sozialen Praktiken und Erwartungen sich in diesem Zusammenhang entwickeln und auf welche Weise neue Technologien von Nutzer*innen aktiv â€șangeeignetâ€č und in den Alltag integriert werden, ist in vielerlei Hinsicht unklar und auch abhĂ€ngig davon, wie und in welchen Konstellationen diese Technologien praktisch implementiert werden.
Diese offenen Fragen zum praktischen Einsatz von Smart-Grid-Technologien bilden den Hintergrund zu rĂ€umlich und zeitlich begrenzten Feldversuchen und Experimenten. Ein europĂ€isches Monitoring Projekt, das solche Experimente dokumentiert, hat zuletzt rund eintausend europĂ€ische Smart-Grid-Projekte gezĂ€hlt (Gangale et al. 2017). In Schweden wurden initial drei große Smart-Grid-Pilotprojekte auf nationaler Ebene gefördert – die Etablierung eines Smart Grid auf der Insel Gotland mit ca. 60.000 Einwohner*innen und einem hohen Anteil lokaler Stromerzeugung und die Etablierung von Smart Grids in zwei Stadtteilprojekten (smart cities) in Stockholm (Royal Seaport) und Malmö (Stadtteil Hyllie). Alle drei Projekte gelten als experimentelle Modelle einer zukĂŒnftigen nachhaltigen Stromnutzung und bilden zusammen mit einem vierten alternativen Stadtteilprojekt die Grundlage fĂŒr unsere Analyse zu organisatorischem Rahmen und Formen der Wissensgenerierung in Smart-Grid-Experimenten.
Bevor wir detaillierter auf diese Smart-Grid-Experimente eingehen und nach der Wissenspolitik fragen, die diesen Konstellationen zugrunde liegt, wollen wir zunÀchst einen Blick auf einige DiskussionsstrÀnge in der bisherigen Forschungsliteratur zur Rolle von Experimenten im sozialen und technischen Wandel werfen.

Der politische Charakter von Experimenten

Ansell und Bartenberger (2016) unterscheiden drei grundlegende Logiken in der Vielzahl an Interventionen, die unter der Rubrik Experiment laufen: â€șKontrollierte Experimenteâ€č, die klassischen wissenschaftlichen Laborexperimenten am nĂ€chsten kommen und z.B. alle Formen von randomisierten kontrollierten Studien umfassen; â€șDarwinistische Experimenteâ€č, die in einer evolutionistischen Logik von Variation und Selektion verstanden werden; und â€șGenerative Experimenteâ€č, bei denen die Entstehung und iterative Verbesserung einer Innovation oder eines neuen Konzepts im Zentrum stehen.
Den stĂ€rksten Einfluss auf die aktuelle Innovationspolitik haben wohl Pilotprojekte und Experimente in einer evolutionĂ€ren Logik. Auch wenn die meisten dieser Experimente scheitern und sich nicht als Alternative zu bestehenden VerhĂ€ltnissen durchsetzen (Ansell und Bartenberger 2016), tragen sie in dieser Logik dennoch zu sozialen Lernprozessen und der erfolgreichen Selektion robuster Alternativen bei. Schon Krohn und Weyer (1989) haben daher Experimente als von Konsequenzen entlastetes Handeln bezeichnet. Vor allem das Feld der Innovations- und Transitionsforschung hat einen wesentlichen Anteil an dieser Konjunktur experimenteller sozio-technischen Arrangements mit normativen Zielsetzungen wie nachhaltigeren StĂ€dten oder einer Informationsgesellschaft. Es geht hier nicht um einzelne Experimente, sondern ein ganzes â€șÖkosystemâ€č von Experimenten, die in Summe in neue soziale und technische Konfigurationen mĂŒnden. Experimente werden dabei als zentrales Instrument zur Erzeugung von Variation verstanden, sodass nicht nur neues Wissen generiert wird, sondern auch Erfahrungen mit neuen sozialen Praktiken gesammelt werden können, sich neue Akteursnetzwerke etablieren und kollektive Erwartungen fĂŒr die weitere Entwicklung einer Innovation entwickelt werden. Gesellschaft wird in solchen Konzepten selbst zum Labor und eine Vielzahl heterogener Akteur*innen ist in dieser strategischen Neugestaltung sozio-materieller RealitĂ€ten involviert (Sengers et al. 2019). Unterschiedliche experimentelle Konfigurationen und Kontexte werden in diesem Rahmen als Nischenexperimente, grassroots innovations (Seyfang und Smith 2007), oder in urbanen Kontexten als Testbeds oder urban living labs (Bulkeley et al. 2016) diskutiert. Lernprozesse und Erfahrungen mit einer Vielzahl solcher sozialen und technischen Alternativen zu dominierenden und wenig nachhaltigen Infrastrukturen und sozio-technischen Systemen sollen zur Transformation grundlegender sozio-materiellen Strukturen unserer Gesellschaft beitragen (Bossink 2015; Kivimaa et al. 2017).
Die Gruppe der â€șgenerativen Experimenteâ€č hat eine lange Tradition in der deutschsprachigen Forschungslandschaft mit...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Einleitung
  6. I. Kooperative Technikgestaltung mit BĂŒrgerinnen und Nutzerinnen
  7. II. Soziotechnische Imaginationen und KrÀfteverhÀltnisse
  8. III. Soziodigitale Neukonfiguration von Politik und Öffentlichkeit
  9. Verzeichnis der Autorinnen und Autoren