Verhandlungen intuitiv und ergebnisorientiert gestalten
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Verhandlungen intuitiv und ergebnisorientiert gestalten

Wer nicht verlieren will, muss fühlen

  1. 219 Seiten
  2. German
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Verhandlungen intuitiv und ergebnisorientiert gestalten

Wer nicht verlieren will, muss fühlen

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Über dieses Buch

Vernünftig, sachlich, interessensorientiert - das Harvard-Konzept plädiert für eine rationale Verhandlungsführung. Aber ist ein solches Verhandeln im internationalen und interkulturellen Wirtschaftsgeschehen immer zielführend? Wer Win-Win-Ergebnisse erzielen möchte, muss Gefühl und Intuition als treibende Kraft menschlichen Handelns stärker mit einbeziehen.Die Autorin macht klar, welche wichtige Rolle emotionale Skills spielen und welche Regeln in Verhandlungen gelten, die gleichermaßen ergebnisorientiert und intuitiv geführt werden. Damit weist das Buch den Weg zu einer innovativen und nachhaltigenVerhandlungskultur.

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Information

Jahr
2017
ISBN
9783791040493

1 Einführung: Eine neue Verhandlungskultur?

Verhandeln gehört zu den wichtigen Fähigkeiten und Fertigkeiten im privaten und beruflichen Leben. Wir verstehen ergebnisorientiertes Verhandeln so, dass wir andere von unserer Idee, unserem Produkt oder Projekt überzeugen können. Das Ergebnis, das wir anstreben ist, dass wir uns durchsetzen, erfolgreich sind und das bekommen, was wir uns wünschen. Da wir alle gleichermaßen danach trachten, kann es leicht zu Konflikten kommen, die unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen. Wie könnte man dies vermeiden? Die beiden amerikanischen Wissenschaftler Roger Fisher und William Ury entwickelten in den Achtzigerjahren an der Harvard-Universität ein sinnvolles und zielführendes Konzept für Verhandlungen, das diese Konflikte möglichst in der Entstehung ausräumt. Dabei soll das Gesicht gewahrt und eine für alle Seiten befriedigende Lösung gefunden werden.
INFO
Das Harvard-Verhandlungs-Modell beinhaltet fünf Prinzipien:
  1. Behandeln Sie das Verhandlungsproblem/die Verhandlungssache getrennt vom Menschen (sachlich bleiben).
  2. Fokussieren Sie die Interessen der Beteiligten statt deren geäußerte Positionen.
  3. Entwickeln Sie Optionen für Win-win.
  4. Nutzen Sie objektivierbare Kriterien wie Gesetze, vereinbarte Regeln, Studien etc.
  5. Entwickeln Sie eine Alternative und Exit-Strategie: BATNA – Best Alternative to a Negotiated Agreement. (Vgl. Fisher/Ury 1982: 5 ff.)
Prominent angewandt wurden diese Prinzipien im Nahost-Konflikt. Das Ergebnis war das Camp-David-Abkommen, das die Normalisierung der Beziehungen zwischen Ägypten und Israel zur Folge hatte. Die Harvard-Universität hat basierend auf den Prinzipien ein Fortbildungsprogramm entwickelt (vgl. Program On Negotiation-PON, www.pon-harvard-edu.com). Schaut man sich den Wortlaut genauer an, ist offensichtlich, dass es sich hier weitestgehend um den Umgang mit Konflikten handelt. Das könnte mit der Entstehungsgeschichte des Modells zu tun haben und mit der Zeit, in der es entwickelt wurde. Die Bindung von Verhandlung an das Thema Konflikt kann zwar relevant und für manche Kontexte wichtig sein. Die negative Konnotation, die dem Begriff Konflikt anhaftet, behindert allerdings die Sicht darauf, dass Menschen zu kollaborativen Zwecken und nicht nur zur Konfliktvermeidung oder Konfliktlösung verhandeln.
Daher wäre es wichtig, zu ergründen, wie wahrhaftige Kollaboration in das Zentrum eines neuen oder erweiterten Verhandlungsmodells gerückt werden kann. Wo müssten wir anfangen zu forschen?
Meine Überlegungen basieren auf der Idee, dass eine neue Verhandlungskultur beim Individuum und seiner Fähigkeit zur Reflexion und Introspektion ansetzen sollte, um in Systeme wie beispielsweise Unternehmen auszustrahlen.
Es ist mittlerweile unbestritten, dass die Fähigkeit, Emotionen wahrzunehmen und verantwortungsbewusst mit ihnen umzugehen, eine der wichtigsten Führungsaufgaben ist, die wir brauchen. Je komplexer die Welt, je schneller die Entscheidungswege, desto mehr Brüche gibt es in unserem bisherigen Denk- und Handlungssystem. Und desto lauter wird der Ruf nach einem ganzheitlichen Handlungsansatz, der sich den rasch wandelnden Situationen anpasst. Dieser Handlungsansatz sollte sich aller Ressourcen bedienen, die Menschen zur Verfügung haben, inklusive ihrer Intuition.
Das hat nichts mit Esoterik zu tun. Intuition haftet oft das Stigma an, sie biete keine Grundlage für objektive Entscheidungen. Natürlich nicht, denn objektive Entscheidungen gibt es nicht. Wir entscheiden, so möchte ich argumentieren, auf Grundlage eigener Erfahrungen, innerer Bilder, unserem Verhältnis zu uns selbst und unter Zuhilfenahme der eigenen, durch anerzogene Werte konstruierten Weltsicht. Dabei tendieren wir dazu, das zu tun, was wir immer getan haben, weil wir nicht wissen, was wir Besseres tun könnten. Oder weil das, was wir tun, uns zumindest kurzfristig Erleichterung und Vorteile verschafft. Nicht selten wundern wir uns dann etwas später über nicht intendierte Konsequenzen.
Je radikaler sich unsere Umwelt verändert, desto weniger können wir jedoch auf die alten Handlungsmuster zurückgreifen. Wir müssen lernen, eine neue Wirklichkeit zu erschaffen, die es uns ermöglicht, Altes loszulassen und Neues zu entwickeln. Natürlich ist das nicht einfach. Woher wissen wir, dass das Neue auch gut ist? Und woher wissen wir, dass wir wegen unserer neuen Ideen nicht abgelehnt und ausgegrenzt werden? Wir wissen es nicht. Bei der Erschaffung und Erkundung neuer Ansätze ist eines ganz sicher: Unsicherheit ist unser wichtigster Begleiter. Es braucht Mut, neue Wege zu gehen. Aber es braucht Heldentum, anders zu verhandeln als bisher.
Wie ist der Status quo? Warum braucht es eine neue Verhandlungskultur?
Ein Blick in unser Wirtschaftssystem zeigt, dass wir mit der bisherigen Verhandlungsstrategie Konsequenzen geschaffen haben, mit denen wir jetzt und in Zukunft krisenhafte Entwicklungen werden bearbeiten müssen. Unsere Wirtschaft baut darauf auf, möglichst viele Bedürfnisse zu befriedigen bzw. neue Bedürfnisse zu wecken. Dafür nutzen wir jede Menge Ressourcen, sogar so viele, dass unser Planet sie in der Geschwindigkeit, in der sie verbraucht werden, nicht reproduzieren kann. Wir wissen seit 1972 durch die Publikation „Limits to Growth“ des Club of Rome (vgl. Meadows/Meadows/Behrens 1972), dass wir in den kommenden Jahrzehnten unser Wachstumslimit erreicht haben werden, da wir bis dahin sowohl eine extrem große Bevölkerungszahl und einen hohen Industrialisierungsgrad erreicht sowie unsere natürlichen Ressourcen verbraucht haben werden.
Diese Übernutzung hat langfristige Folgen für Wirtschaft, Ökologie und Gesellschaft. Weltweit steigt sowohl die Armut der vielen als auch der Reichtum der wenigen. Die Kluft zwischen den „haves“ und „have-nots“ führt in manchen Ländern bereits zu sozialen Unruhen, die wiederum zu politischer Instabilität und Flüchtlingsströmen führen. Jedoch ist diese Kluft nicht nur in unserer Umwelt sichtbar, sondern zunehmend auch in uns selbst. Und zwar auf vielen Ebenen. Manche von uns spüren die Kluft zwischen unseren Möglichkeiten, nachhaltiges wirtschaftliches Handeln zu erzeugen, und unserem Verlangen nach schnellen Gewinnen immer deutlicher. Mein 19-jähriger Sohn zum Beispiel gründete ein Modelabel, das nicht nur einen bestimmten Zeitgeist der Jugend treffen, sondern sich auch an Maßstäben wie fair trade orientieren soll. Dabei merkte er, dass ein gerechter Fertigungslohn und ökozertifizierte Baumwolle seinen Profit schmälern, und war unzufrieden mit der bisherigen Kalkulation. Er überlegte daher kurzzeitig (ich bin natürlich korrigierend eingeschritten), in einem Billiglohnland produzieren zu lassen, wo katastrophale Arbeitsbedingungen herrschen.
Der innere Widerspruch ist schwer aufzulösen, denn wir lernen seit Jahrzehnten, dass schneller – höher – weiter erstrebenswert ist. Aber intuitiv spüren wir, dass wir so wie bisher nicht zum Wohle unserer selbst und anderer wirtschaften können. Nicht umsonst sind Ausgebrannt-Sein, Demotivation und Depression ernst zu nehmende Bedrohungen unserer Leistungsfähigkeit und unseres Lebens- und Berufsglücks. Häufig empfinden wir das, was wir tun, als sinn- und ziellos, sind unzufrieden und neiden anderen ihren vermeintlichen Erfolg. Und auch bei Erfolgreichen ist lange nicht garantiert, dass sich Sinn einstellt oder Erfüllung empfunden wird. Im Vergleich zu anderen Menschen auf dem Erdball ist das alles Jammern auf hohem Niveau. Und dennoch: Wenn das Fressen gesichert ist, kann man sich ja auch der Moral zuwenden und sie genauer inspizieren. Unsere Unzufriedenheit ist das Ergebnis einer zunehmenden Entkoppelung von Ursachen und Wirkungen unserer Handlungen. Da wir keinen Mechanismus haben, der uns garantiert, dass wir ein sinnvolles und zeitnahes Feedback für unsere Handlungen und Entscheidungen bekommen, verstehen wir nicht, was wir initiieren, und kommunizieren daher auch nicht zielführend. Mit Feedback meine ich nicht nur äußeres Feedback, sondern das innere Feedback. Das innere Feedback kommt von einer Instanz in uns, die uns klare Signale sendet, wenn es eine Schieflage gibt, wenn wir etwas korrigieren, tun oder nicht tun sollten. Ich würde es Intuition nennen. Irrsinnigerweise versuchen wir sehr oft, unsere Intuition zum Schweigen zu bringen, nicht selten im Verhandlungskontext. Daher sagen wir nicht mehr wirklich das, was wir sagen wollen und was wahrhaftig ist. Warum nicht? Entweder weil wir Angst vor den Folgen haben (zum Beispiel könnte sich jemand rächen, wir könnten uns zu sehr exponieren und angreifbar werden etc.) oder wir verschweigen, verschleiern oder verunstalten Informationen, um über den anderen zu triumphieren, um ihn oder sie zu beherrschen. Leider habe ich das Letztere schon vielfach erlebt. Das nennt man dann Manipulation. Unsere Institutionen sind durchzogen davon, und wer sich gegen die Ausgrenzung und Machtdemonstration auflehnt, es anspricht oder Vorschläge zur Veränderung macht, kann seine Karriere gleich an den Nagel hängen. Eine Ausnahme gibt es natürlich: wenn es gelingt, einen Zugang zur Macht zu erlangen. Dann können wir uns leisten, die Dinge beim Namen zu nennen, zumindest für eine kurze Zeit. Den Geschmack der Macht findet unser Ego so lecker, dass wir uns dann irgendwann dem Opportunismus hingeben, um unsere Schäfchen ins Trockene zu bringen. Oder aber es gibt jemanden, der ein altes Foto aus Jugendtagen ausgräbt, wo wir unvorteilhaft dargestellt werden, und das macht uns dann den Garaus, allen unseren Beteuerungen unserer Systemintegrität zum Trotz.
Unsere institutionelle Landschaft und der beschriebene hiring & firing-Kreislauf ist das, was unsere gegenwärtige Verhandlungskultur prägt. Mit der damit verbundenen taktischen Unehrlichkeit hat auch der Gesprächs- oder Verhandlungspartner keine Chance zu einer Entscheidung, die der Situation und der Sache angemessen ist, sondern baut häufig nur auf Vermutungen und Interpretationen auf, die womöglich Missverständnisse generieren. Die Ergebnisse hochrangiger Verhandlungen und die daraus resultierenden Konsequenzen bekommen die verhandelnden Entscheidungsträger selbst nicht zu spüren und erhalten auch – wie beschrieben – kein ehrliches Feedback, wie die Verhandlungen bessere Resultate generieren könnten. Und weil die Macht der Gewohnheit und die ungeschriebenen Regeln der Kommunikation ehrliches Feedback verhindern, werden immer wieder dieselben Lösungen für die drängenden Probleme unserer Welt vorgeschlagen, die bisher nicht zum Erfolg geführt haben. Ich bin mit Einstein der Meinung, dass man Probleme nicht mit demselben Ansatz lösen kann, durch den sie entstanden sind. Doch um neue Ansätze auszuprobieren, braucht es Agilität und Flexibilität.
Unsere Gesellschaft und Wirtschaft ist sehr schwerfällig und verändert sich zu langsam und zu spät. Diejenigen mit Zugang zu Ressourcen sind in der Regel nicht bereit, von ihren bisherigen Gewinnen – seien sie materieller oder immaterieller Art, wie höhere Position, Image, Einfluss, Geld und Macht – Abstriche zu machen, auch wenn ihr Verhalten für eine große Gruppe von Menschen negative Folgen hat, und sie finden auch gute Gründe, warum sie das nicht tun müssen. Viele Beispiele für eine solche Haltung lassen sich hier – vor allem bei international agierenden Akteuren – finden: Unternehmen, die auf Kosten der Lebensbedürfnisse der einheimischen Bevölkerung in Afrika Bodenschätze abbauen und die Natur zerstört zurücklassen, Steuerhinterziehung und Korruption, Spekulationen auf dem Finanzmarkt, Betrug bei der Qualität von Gütern etc. Die Liste ließe sich hier noch fortsetzen.
Kurios ist, dass viele dieser Skandale in der Presse bekannt gemacht werden, ohne dass dem geprellten Volk, den Käufern und Kunden, Genugtuung widerfährt und ohne dass diese selbstbewusst ihre eigenen Konsequenzen ziehen. Trotzdem traben die Bürger brav zu genau der Bank, dem Autohersteller, dem Produktehersteller und kaufen weiter dort – auch wenn die Unverschämtheit und Selbstherrlichkeit der Hersteller einem nahezu ins Gesicht springt. „So ist das eben im Kapitalismus“ oder „Andere machen das genauso, die werden bloß nicht erwischt“ lautet dann die Argumentation für business as usual. Diese Stumpfheit und Trägheit sind als Symptome einer gesellschaftlichen Krankheit zu bezeichnen, sie sind jedoch nicht die Ursache. Die Ursache liegt vielmehr in der Art und Weise, wie Menschen ihre Beziehung aushandeln, und in welchem Bewusstsein, in welcher Haltung sie dies tun. Es scheint, dass der Fokus der Verhandelnden zu stark auf den erwarteten materiellen Gewinnen der Verhandlung liegt, sodass die langfristigen Konsequenzen von Verhandlungsprozessen und Entscheidungen zu wenig wahrgenommen werden – und wenn, dann erscheinen sie so fern, dass man denkt, „da kümmere ich mich drum, wenn es so weit ist, falls es so weit kommt“. Dieses Bewusstsein prägt unsere Wirklichkeit im Kleinen wie im Großen. Dies ist nicht weiter verwunderlich, denn wir streben danach, unsere Wirklichkeit berechenbar zu machen, um handlungsfähig zu bleiben. Auch darauf beruht die derzeitige Verhandlungskultur.
Allerdings ist unsere Wirklichkeit alles andere als berechenbar. Sie ist dermaßen komplex, dass sie mit den bisherigen Denkweisen nicht erfasst werden kann. Daher machen wir uns auch nicht die Mühe, immer wieder zu prüfen, was Wirklichkeit ist bzw. wie wir sie konstruieren, damit sie zu uns passt. Wir leben also zwischen der Realität und unserem Bewusstsein über diese Realität und handeln so, als ob wir tatsächlich sinnvolle Entscheidungen treffen und bedeutungsvolle Kommunikation führen würden. Ein ziemlich gefährliches Theater, das da ständig aufgeführt wird. Gefährlich, weil wir uns im Recht wähnen und unsere selektive Wirklichkeit für die Wahrheit halten. Ich erlebe immer wieder, wie erschreckend wenig die Leute über den eigenen Tellerrand schauen können.
BEISPIEL
Gut oder gut gemeint – das ist hier die Frage oder vom Glück, eine Solarlampe zu besitzen
Im Herbst 2016 nahm ich am Vision Summit in Berlin teil. Zur Teilnahme bewog mich, dass dort namhafte Persönlichkeiten zugegen waren, zum Beispiel Mohammed Yunus, der Banker der Armen und Träger des Nobelpreises, und Prof. Faltin, der als Entrepreneur in den Achtzigerjahren die Tee-Kampagne ins Leben gerufen hatte und dessen Darjeeling ich in den langen, mit politischen Diskussionen durchtränkten Nächten in West-Berlin literweise in mich hineingegossen hatte. Es standen auch viele interessante Workshops auf dem Programm, die mit Veränderung zu tun hatten, der Veränderung der Wirtschaft, der Gesellschaft, der Politik. Irgendetwas in mir regte sich wohlig bei der Erinnerung daran, dass ich mich als Jugendliche gesellschaftspolitisch sehr engagiert hatte, und ich erkannte wohlwollend, dass dieses innere Feuer in keiner Weise erloschen war, sondern noch prächtig loderte und Funken schlug. Das Versprechen war, dies sei kein Gesprächszirkel, sondern eine partizipative Veranstaltung, die Ergebnisse bringen sollte.
Ich habe mir also kostbare Zeit aus den Rippen geschnitten und bin hingegangen. Schon Tage vorher habe ich meine Netzwerke darüber informiert, dass ich dort hingehen und Inspiration ernten würde. Meine Erwartungen waren groß. Die Enttäuschung war noch größer. Die meiste Zeit des Tages war es eine Frontalveranstaltung mit gefühlten hundert Keynotes, die viel zu lang waren, Zahlen und Fakten wiederholten und appellierten, statt Impulse zu setzten.
Außerdem gaben Redner und so manch ein Workshop-Teilnehmer die gesamte Palette der Pauschalisierungen unserer engagierten deutschen Mitbürger über andere Regionen der Welt, über Frauen und über Jugend preis: Ein Redner warf euphorisch unter anderem das Bild einer Inderin mit einer solarbetriebenen Lampe in der Hand an die große Leinwand und kreischte ins Mikrofon, wie glücklich diese Inderin doch sei, dass ihre Kinder nun endlich Hausaufgaben machen und zur Schule gehen können. Man könnte also auch in Indien glücklich sein, wenn man doch nur eine Solarlampe hat.
Ein anderes Bild zeigte einen Beduinenjungen in einem Zelt, der ebenfalls durch Solarenergie nun Strom im Zelt hatte und sein Handy aufladen konnte und deshalb ja nun nicht mehr genötigt wäre, nach Europa zu fliehen. „I will stay in my tent and will not leave my country now that I have electricity“ zitierte ihn der Redner mit sich überschlagender Stimme. Gut, dass es ein etwas ungläubiges Raunen im Publikum gab, sonst hätte ich die Hoffnung aufgegeben, dass ich mich in der richtigen Veranstaltung befand.
Kein Wort wurde darüber verloren, dass das Problem der indischen Frauen ein gesellschaftliches Problem ist und Frauen in manchen Teilen Indiens nur wegen ihres Geschlechts grausamster Gewalt ausgesetzt sind – ergo braucht es wahrscheinlich doch etwas mehr als eine Lampe, um dieser Frau ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Kein Wort darüber, dass ein Jugendlicher mehr als ein Handy und Strom im Zelt braucht, dass Menschen nicht nur nach Europa fliehen, weil es dort mehr zu kaufen gibt, Strom und fließend Wasser, sondern weil sie ihre politische Meinung äußern wollen, weil sie wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werden oder einfach weil sie eine Lebensperspektive brauchen, ja sogar jenseits des Konsums.
Ich war entsetzt über die Naivität und Gedankenlosigkeit, maßlose Unterschätzung und Fehleinschätzung und die inhärente Superiorität des weiße...

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Hinweis zum Urheberrecht
  3. Impressum
  4. Widmung
  5. Vorwort
  6. Danksagung
  7. 1   Einführung
  8. 2   Philosophischer Hintergrund
  9. 3   Verhandlung: Definition und Prozess
  10. 4   Verhandeln ist eine Beziehungswissenschaft
  11. 5   Störquellen in Verhandlungen
  12. 6   Emotionen und Gedankenmuster
  13. 7   Achtsamkeit
  14. 8   Wer nicht verlieren will, muss fühlen!
  15. 9   Geistige Qualitäten
  16. 10   Vertrauen – Grundlage neuer Verhandlungskultur
  17. 11   Nachwort
  18. 12   Werkzeugkasten
  19. Bibliographie
  20. Die Autorin
  21. Stichwortverzeichnis