Warum brauchen wir eine neue Technologie für das Speichern von Daten? Mit den herkömmlichen Mitteln sind wir doch auch ausgekommen. Bitcoin? Das ist doch diese Darknet-Währung, die Erpresser verwenden. Blockchain? Das soll die Revolution sein? So wichtig, wie die Erfindung des Internets? Gibt es dafür eigentlich schon Anwendungsfälle? Wozu brauchen wir das? Und: Wer ist überhaupt Satoshi Nakamoto? Brauchen wir Blockchain, um bei der Digitalisierung mit dabei zu sein? Was tut die Regierung, um bei neuen Technologien vorne mitzumischen? Steht dazu was im Koalitionsvertrag?
Solche Fragen und Statements zu Blockchain gibt es viele. Dieses Buch soll die Möglichkeiten von Blockchain aufzeigen und den Wirbel und die Unsicherheiten rund um diese neue Technologie beleuchten, indem es die Grundlagen dieser Technologie und mögliche Auswirkungen auf unseren Alltag darlegt.
Beginnen möchte ich mit ein paar Beispielen, die zeigen, welchen Einfluss Blockchain auf unser Leben haben kann.
Wissen Sie, wo Ihre Nahrungsmittel wirklich herkommen?
Stellen Sie sich vor, Sie wären dazu in der Lage, die komplette Kette der Nahrungsmittelproduktion zurückzuverfolgen – von der Haltung der Tiere auf einer Farm in Südamerika über den Futtermitteleinsatz, die anschließende Schlachtung, die Lagerung und den Transport mit dem Flugzeug oder dem Schiff, die Ankunft in Europa, den Weitertransport zum Großhändler, dann zum Einzelhändler, bis es schließlich bei Ihnen auf dem Tisch landet, als »frisches« Rindersteak aus Argentinien.
Stellen Sie sich vor, Sie könnten alle Behördengänge von zu Hause aus erledigen. Sie müssten nicht mehr zu einem Bürgerbüro gehen, um einen neuen Pass zu beantragen. Dokumente für Ihre Hochzeit würden bereits vorliegen, Sie wären dazu in der Lage, selbst zu entscheiden, wer welchen Zugriff auf Ihre Daten bekommt. Kontrolle über die Daten von der Geburt bis zum Tod.
Wie oft haben Sie schon nach Unterlagen für Ihren Arzt gesucht? Wie oft haben Sie schon gehört: Da müssen wir nochmal ein Röntgenbild machen, das ist zu lange her. Oder: Das haben Sie nicht dabei, dann machen wir schnell noch ein neues Röntgenbild. Selbst in ein und demselben Krankenhaus funktioniert der Informationsfluss nicht immer reibungslos und vollständig, und Sie müssen Unterlagen eigenhändig von einer Abteilung zur anderen tragen.
Abb. 1: Anwendungsbeispiele für Blockchain aus dem Alltag
Sie möchten wissen,
- ob in Ihr gebrauchtes Auto nur zugelassene Ersatzteile eingebaut wurden?
- ob der Kilometerstand dem entspricht, was Ihnen der Verkäufer erzählt hat?
- wo das Auto produziert wurde und welchen Weg es bereits genommen hat?
Anhand der oben beschriebenen Beispiele kann man sehr gut erkennen, dass es völlig unterschiedliche Anwendungsfälle für den Einsatz der Blockchain-Technologie geben kann. Von der Abbildung von Prozessen über Unternehmensgrenzen hinweg bis hin zur singulären Betrachtung einer Person und ihrer Veränderung im Zeitablauf ist alles möglich. Wichtig für die weitere Betrachtung ist aber vor allem auch, dass das Entstehen der ersten Blockchain-Anwendung eng mit den Krisen des Jahres 2008 verknüpft ist. Nach dem Platzen der Immobilienblase in den USA und der Krise in der Finanz- und Versicherungsbranche war es Zeit für eine neue Art und Weise, Geschäfte zu machen, die das geschwundene Vertrauen auf neue Beine stellen sollte. Es sollte möglich sein, Geschäfte ohne Mittelsmann machen zu können, und das auf der Basis gegenseitigen Vertrauens.
[13]1.1 Aktueller Stand der Entwicklung
2018 feierte der Begriff »Blockchain« sein zehnjähriges Jubiläum. Bitcoin hieß das Produkt, das 2008 von Satoshi Nakamoto entwickelt wurde. Das digitale Geldtransfersystem eroberte über die Jahre hinweg erst das Finanzsystem der Bürger und später auch das der professionellen Business-Branche. Am Ende des Jahres 2017 gab es nahezu kein Unternehmen mehr, das nicht darüber nachdachte, Blockchain in irgendeiner Form zu verwenden.
Blockchain ist für viele Leute vieles – und doch müssen wir gleich von vornherein unterscheiden. Blockchain ist nicht gleich Blockchain. Denn einerseits gibt es die Anwendung, also das, was wir mit Blockchain machen können, und andererseits den technologischen Aspekt, also das, was Blockchain tatsächlich ist. Das Paradebeispiel »Bitcoin« ist dementsprechend eine Anwendung für ein dezentrales Peer-to-Peer-Blockchain-System.
Unter einer Peer-to-Peer-Verbindung versteht man den direkten Austausch von Daten zwischen gleichgestellten Prozessbeteiligten. In einem Peer-to-Peer-Modell gibt es keine zentrale Stelle, die die Abstimmung zwischen den Parteien übernimmt oder eine zentrale Speicherstelle darstellt. Die Daten werden von allen Beteiligten selbst gehalten, und der Datenaustausch zwischen allen Parteien ist direkt möglich.
Abb. 2: Peer-to-Peer-Modell
[14]Was versteht man nun unter Blockchain? Blockchain ist die Art und Weise, wie Informationen gespeichert werden. Informationen, die über einen bestimmten Zeitraum gesammelt werden, werden in Blöcken (block) gespeichert. Diese mit Informationen gefüllten Blöcke werden dann wie die Perlen an einer Kette (chain) aneinandergereiht und verknüpft. Deshalb ist die Blockchain ein Datenspeicher für aneinandergereihte und verknüpfte Informationen.
Abb. 3: Blockchain-Beispiel
Seit einigen Jahren bereits kommen aus der Blockchain-Szene die tollsten Ideen, was alles mithilfe einer Blockchain abgebildet werden soll. Stellenweise hat man das Gefühl, alles müsse nun auf einer Blockchain laufen. Tausende junge Unternehmen suchen nach dem einschlagenden Anwendungsfeld für die Blockchain-Technologie. Etwas Licht ins Dunkel zu bringen, ist der Ansatz dieses Buchs. Das, was wir Blockchain nennen, wird in den unterschiedlichsten Anwendungsfeldern eingesetzt, z. B. beim Crowdfunding, bei Investments, bei allen Arten der Buchführung (Grundbücher, Kfz-Untersuchungen, Patientenakten etc.), bei eindeutiger Identifikation, Spenden, Cloud-Diensten, Anzeigen, Nachverfolgungsdiensten, Werbung, dezentralisierten Apps, Game Credits, Energie, Security-Diensten, Wettervorhersagen, Wetten oder Micro-Payments. Die Kette könnte nahezu beliebig verlängert werden, den konkreten zwingenden Fall suchen manche Industrien aber immer noch.
Dennoch könnte die Blockchain, wie die folgende Statistik zeigt, viele Industrien revolutionieren:
Abb. 4: Blockchain in Zahlen; Quelle: http://expandedramblings.com/index.php/blockchainstatistics/
[15]Dabei ist zu sehen, dass von allen Industrien vor allem der Bereich der Finanzdienstleister aktuell immer noch die höchste Dringlichkeit bei der Entwicklung von Blockchain-Anwendungen hat.
Darüber hinaus wäre noch anzumerken, dass man davon ausgeht, dass die »Blockchain-Industrie« bis mindestens zum Jahr 2024 auf Wachstumskurs sein wird. Eine Prognose, die über das Jahr 2024 hinausgeht, ist schwer zu machen. Man kann aber davon ausgehen, dass diese Technologie bis dahin etabliert ist, eine größere Verbreitung gefunden und sich darüber hinaus aus dem Finanzsektor in weitere Industriezweige ausgebreitet hat.
1.2 Grundprinzip der Datenspeicherung
Der fundamentale Unterschied zwischen Blockchain und den bisherigen Datenverarbeitungsmethoden liegt in der Datenspeicherung. Grundsätzlich gibt es vier Arten, Daten zu speichern und zu validieren.
Der erste Ansatz ist der zentralistische Ansatz. Es gibt nur eine zentrale Stelle, die die Datenhoheit besitzt. Der aktuelle Stand ist immer in der Zentrale verfügbar. Das bedeutet aber auch, dass die einzelnen lokalen Entitäten mit der Zentrale verknüpft sein müssen, um Daten schreiben oder erhalten zu können. Eine Kopie des Ledgers ist für die dezentralen Einheiten nicht vorgesehen. Ein Ausfall des zentralen Systems führt automatisch zu einem Totalausfall des gesamten Systems. Im Hinblick auf Vertrauen, dem wichtigsten Element in der Blockchain, muss ich »meiner« Zentrale vertrauen können, sodass ich davon ausgehen kann, dass die Daten nicht während meiner Abwesenheit manipuliert werden.
Der zweite Ansatz ist mit dem zentralistischen Ansatz vergleichbar, erweitert ihn aber dadurch, dass die dezentrale Einheit eine Replik der zentralen Datenbank erhält. Damit bleibt die zentrale Speicherung erhalten, wird aber durch die lokale Verfügbarkeit erweitert. Das heißt, dass die Verfügbarkeit erhöht ist. Allerdings kann es zu Fehlern in der Datenabstimmung kommen, wenn unterschiedliche Versionen abgeglichen werden müssen.
Bei der dritten Art der Datenspeicherung gehen wir nun von einem dezentralen Ansatz aus, bei dem die Daten über Knotenpunkte abgeglichen werden. Es gibt insgesamt mehr »Intelligenz« im System. Die einzelnen Knotenpunkte sind mit den lokalen Einheiten verknüpft und haben selbst die Möglichkeit, Daten zu speichern und zu verarbeiten. Der Abgleich mit der Zentrale erfolgt dabei in regel- oder unregelmäßigen Abständen, sodass eine lokale Verarbeitung gewährleitet ist, diese aber mit einer zentralen Auswertungsmöglichkeit.
Abb. 5: Möglichkeiten der Datenverarbeitung und -haltung
Die vierte Art der Datenspeicherung ist die Distributed-Ledger-Technologie (verteilte Kontenbücher). Hierbei haben wir es mit einer eigenen Art der Datenverarbeitung zu tun, die darauf beruht, dass jede lokale Einheit eine eigene Intelligenz besitzt und dazu in der Lage ist, Daten in das Kontenbuch zu schreiben bzw. Daten zu verifizieren, die in das Kontenbuch geschrieben werden sollten.
Dabei müssen vor allem die Themen »Ausfallsicherheit«, »Vertrauenswürdigkeit« und »Skalierbarkeit« betrachtet werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass ein Konsens, also eine Übereinstimmung der zu speichernden Daten, gefunden wird und gleichzeitig sichergestellt werden kann, dass die Daten valide sind.
Abb. 6: Byzantinische Generäle und Lösungsmöglichkeit
[17]Als Grundproblem wird in der Theorie hierzu häufig das Beispiel der byzantinischen Generäle herangezogen.
Eine Stadt wird von verschiedenen militärischen Einheiten belagert, die von Generälen angeführt werden. Dabei haben die Generäle ein Kommunikationsproblem. Sie können die Stadt nur dann einnehmen, wenn sie gleichzeitig angreifen, da ansonsten die Stadtbewohner aufgrund der Befestigung der Stadt dazu in der Lage wären, die einzelnen Angriffe zurückzuschlagen. Die Generäle können sich über Boten austauschen. Allerdings sind einige der Generäle Intriganten und wollen ihre gleichgestellten Partner bloßstellen, indem sie ihnen Falschinformationen zuspielen, sodass sie zu früh oder zu spät angreifen. Das Problem der Generäle ist also ein Problem der Kommunikationsform (über Boten), aber auch ein Problem des Kommunikationsinhalts (absichtliche Fehlinformation).
In der Theorie zeigt sich, dass eine Einigungschance nur in einem Szenario mit vier Generälen besteht. Das liegt daran, dass bei einem Szenario mit nur drei Generälen die beiden »Nicht-Verräter« nicht entscheiden können, wer die richtigen Informationen weitergegeben hat.
Übertragen auf die Distributed-Ledger-Technologie heißt das nun: Wie kann in verteilten Systemen sichergestellt werden, dass die Information zum einen ankommt und zum anderen die richtige Information enthält?
Im ...