Stress ist ganz normal. Er gehört zum Leben dazu und muss sogar sein, damit unser Körper gut funktioniert. Ziel eines erfolgreichen Stressmanagements ist es daher nicht, Stress um jeden Preis zu vermeiden. Es geht vielmehr darum, Wege aus der Stress-Spirale zu finden und mit der alltäglichen Belastung besser umzugehen.
In diesem Kapitel erfahren Sie u. a., dass
[102]Von Wundern und Allheilmitteln
Wie gerne hätten wir ein Allheilmittel, dass unsere Probleme, so vor allem sehr belastende wie Stress, auf Anhieb löst! Doch je komplexer ein System ist, desto schwieriger lässt sich eine allgemeingültige Lösung finden und standardisieren. Und der Mensch selbst zählt zu den komplexesten Systemen überhaupt. Er entspricht – bildlich gesprochen – einem gigantischen System aus unglaublich vielen kleinen Zahnrädern.
Jedes dieser Zahnräder hat eine wichtige Aufgabe. Und jede noch so kleine oder unbedeutende Veränderung eines einzigen Rädchens hat Auswirkungen auf alle anderen. So verändert sich, manchmal sogar ohne die Wirkung vorhersagen zu können, das gesamte System.
[103]All das, was sich in unserem Körper abspielt und miteinander zusammenspielt, ist bereits für sich allein genommen hochkomplex. Doch damit nicht genug: Dieses System ist zusätzlich noch verbunden mit seiner Außenwelt. Auch dort gibt es Zahnräder, die ineinandergreifen: So kann bereits eine winzige Bakterie, die wir aus der Umwelt aufnehmen, eine große Wirkung auf unsere körperlichen Funktionen haben, diese wiederum auf den Stoffwechsel, dieser wiederum auf die Konzentrationsfähigkeit, diese wiederum auf die Ausübung des Berufes oder den Umgang mit Mitmenschen usw.
Fast so komplex wie dieses System sind auch die Meinungen und Ansätze, die es zur Stressbewältigung gibt. Was ist nun das am besten geeignete Mittel, den Stress in den Griff zu bekommen? Ist es Stressmanagement, ist es Resilienz- oder Achtsamkeitstraining, Sport, Ernährung, sind es Entspannungsverfahren? Die Antwort auf diese Frage macht uns nicht schlauer als vorher: »Alle und keines!« Jedes für sich wirkt an einem anderen Zahnrad oder auch an mehreren und jedes bewirkt etwas. Doch keines bewirkt alleine eine Lösung. Und weil das so ist, existiert auch weiterhin Unsicherheit in unseren Köpfen: »Wo fange ich an, wem soll ich glauben? Bin ich auf dem richtigen Weg? Ist das der korrekte Ansatz? Gibt es Besseres, vielleicht Wirkungsvolleres?«
Übertragen auf das System der Zahnräder, ist diese Unsicherheit eines der ganz kleinen, tief in uns gelegenen Rädchen, dessen Aktivität sich auf das gesamte System auswirkt und so manches andere große Rädchen massiv beeinflusst.
[104]In der medizinischen Forschung konnte man die Wirksamkeit verschiedener Ansätze nachweisen. In diesem TaschenGuide lernen Sie viele dieser bewährten Einzelansätze sowie Übungen und Strategien kennen. Manche davon beeinflussen die Zahnrädchen direkt, manche dienen als »Schmieröl«, um einen reibungslosen Ablauf der Stressbewältigung zu gewährleisten. Probieren und experimentieren Sie mit diesem Material.
Welche Strategie für Sie geeignet ist und sich obendrein auch noch gut in Ihren Alltag integrieren lässt, kann nur ein Mensch entscheiden: Sie selbst.
Unserer Erfahrung nach ist es nicht erfolgreich, sich (nur) um ein großes Zahnrad zu bemühen, um große Veränderungen zu initiieren. Es ist viel wichtiger, kleine, vielleicht nur feine Impulse für eine Vielzahl von Systempunkten zu geben, um das ganze System langfristig gesund und aufrecht zu erhalten. Denn kleine Schritte führen vielleicht etwas langsamer, dafür aber sicherer ins Ziel.
Regenerieren: gar nicht so schwer,
wie man denkt
Die schlechte Nachricht: Stress macht krank. Die gute Nachricht: Der menschliche Körper hat eine phänomenale Regenerationsfähigkeit. Mit dem richtigen Verhalten, Entspannungsübungen, ausreichend Bewegung und gesunder Ernährung stellen [105]wir ihm alles Notwendige zur Verfügung, um sich, zwar nicht von heute auf morgen, aber dennoch wieder selbst in den gesunden (Original-)Zustand zu begeben. Blutdruck, vegetatives Nervensystem, Muskeltonus und Organe können sich wieder vollständig erholen.
Schnelle Hilfe gibt es nicht
In der heutigen Zeit haben die Menschen allerdings oft keine Geduld und auch keine Lust, Anstrengungen in Kauf zu nehmen, um sich selbst zu heilen. Viel komfortabler ist eine schnelle Behandlung der Symptome durch Medikamente, so z. B. mit Schmerztabletten, Pillen gegen Sodbrennen oder Blähungen, Schlaftabletten oder gar Aufputschmitteln. Sie nehmen einem die Schmerzen und lassen es uns sofort wieder gutgehen.
Wenn die ersten Stresssymptome auf eine solche Art und Weise immer rechtzeitig »betäubt« werden, kann es, so die medizinischen Statistiken, bis zu drei Jahren dauern, bis der körperliche und psychische Zustand derart deutlich wird, dass betäubendes Verhalten nicht mehr darüber hinwegtäuschen kann. Dann befindet sich der Mensch jedoch bereits in der Erschöpfungsphase. Um dies zu vermeiden ist es wichtig, dass man seine eigenen körperlichen Empfindungen frühzeitig wahrnimmt. Achtsamkeitsübungen helfen dabei.
[106]Die Grundlagen für die Regeneration des Körpers sind
- das realistische Wahrnehmen und Erkennen der aktuellen Situation,
- die Bereitschaft, sich selbst und den Körper zu verstehen und zu akzeptieren, und
- die Disziplin aus der eigenen Komfortzone zu treten und bewusste Entscheidungen hin zur eigenen Gesundheit zu treffen.
Man muss keine komplizierten Maßnahmen treffen oder sein Leben völlig umkrempeln, um Körper und Geist wieder in Ruhe zu bringen und es künftig zu vermeiden, erneut in die Stressfalle zu geraten. Im Gegenteil. Es gibt ein paar sehr einfache, aber nachweislich höchst wirksame Übungen, die dabei helfen. Sie sind so einfach, dass viele Menschen diese Lösungen als nicht vollwertig anerkennen.
Warum es so wichtig ist, Geduld zu haben
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