… aber ohne Cash ist alles nichts.
Nur wenige Aussagen treffen so eindeutig und unmissverständlich auf alle Unternehmen zu. Ob es Unternehmen des Handels, des Maschinenbaus oder der IT-Branche sind, ob es Kleinunternehmen, Mittelständler oder Großunternehmen sind: Cash ist für alle Unternehmen unabdingbar. Cash entscheidet maßgeblich darüber, ob ein Unternehmen weiter existiert oder im Extremfall den Weg zum Insolvenzrichter antreten muss.
Wenn ein Unternehmen zu diesem letzten Schritt gezwungen wird, dann ist es das Ende eines langen Wegs. Es ist vergleichbar mit dem Absturz eines Flugzeugs, und zwar einem Absturz aus Mangel an Treibstoff. Nur wenn genügend Treibstoff vorhanden ist, kann ein Flugzeug fliegen, nur wenn genügend Cash vorhanden ist, kann ein Unternehmen existieren. Cash, dieser spezielle Treibstoff, besteht aus den verfügbaren Zahlungsmitteln und äußerst liquiden Finanzmitteln eines Unternehmens.[5]
Über wie viel Cash ein Unternehmen verfügt – oder in entscheidenden Situationen eben nicht verfügt –, ist das Resultat von vorgelagerten Entscheidungen. Es sind Entscheidungen, die sich auf den verschiedenen Ebenen und Funktionsbereichen eines Unternehmens vollziehen und sich in Cash-Zuflüssen und in Cash-Abflüssen niederschlagen. Vereinfacht formuliert gilt:
Die Gesamtheit der Cash-Zuflüsse und Cash-Abflüsse bildet den Cashflow.
Die zielgerichtete Beeinflussung des Cashflows ist Gegenstand von Cashflow-Management und damit dieses Buches. Welche Hebel können wir einsetzen, um die Cashflow-Situation zu verbessern, wie können wir systematisch in der Umsetzung vorgehen? Welche Wege haben andere Unternehmen genutzt, um ihren Cashflow zu verbessern? Dies sind die Kernfragen des Cashflow-Managements.
Um Cashflow-Management besser einordnen zu können, ist es sinnvoll, zuerst einen kurzen Blick auf die verschiedenen Ebenen der Unternehmensführung zu werfen. Die Entscheidungen auf diesen Ebenen führen final zum Cashflow. Diese Ebenen sind ähnlich einer Pyramide aufgebaut, die hier zur Vereinfachung als Dreieck dargestellt wird (siehe Abb. 1).
Die Führung eines Unternehmens vollzieht sich danach auf drei inhaltlichen Ebenen, die eng miteinander verbunden sind:1
Abb. 1: Die drei Ebenen der Unternehmensführung und Cashflow
Die normative Ebene der Führung umfasst vor allem die übergeordneten Ziele des Unternehmens (z. B. „Wir wollen das führende Unternehmen in unserer Branche werden.“), die grundsätzlichen Werthaltungen und, eng damit verbunden, die Unternehmenskultur. Die Werthaltungen bestimmen die ethischen Grundeinstellungen des Handelns. Ein Beispiel ist die prinzipielle Wertschätzung gegenüber anderen Menschen, seien es Mitarbeitende, Kollegen oder Kunden. Werthaltungen geben damit speziell in kritischen Situationen die dann so wichtige Orientierung.
Die Unternehmenskultur baut vor allem auf den Werthaltungen auf. Eine Unternehmenskultur umfasst dabei sichtbare und nicht sichtbare Elemente. Werthaltungen sind dann sichtbar, wenn sie in einer Handlung deutlich werden. Darum sind es vor allem die angesprochenen kritischen Situationen, die Rückschlüsse auf die Werthaltungen erlauben. Findet z. B. ein Unternehmen auch in schwierigen Zeiten noch Wege, um die Stammbelegschaft zu halten, oder gilt ‚Hire and Fire’?
Die normative Ebene setzt bewusst oder unbewusst auch einen Rahmen für Cashflow-Entscheidungen. Wenn z. B. in einem Familienunternehmen die Unabhängigkeit als übergeordnetes Ziel gesehen wird, dann hat dies Auswirkungen auf die Kapitalbeschaffung und damit die Spielräume für Investitionen. Auch die generelle Einstellung zu Cash ist ein Teil der Unternehmenskultur. Gilt das Prinzip der Sparsamkeit im Umgang mit Cash oder eher eine ‚großzügige’ Einstellung nach dem Motto: „Bisher war immer genug Geld da!“ Es ist daher wichtig, den normativen Rahmen zu erkennen und durchaus auch immer wieder mit Blick auf veränderte Anforderungen kritisch zu hinterfragen.[7]
Der normativen Ebene schließt sich die strategische Ebene an. Im Mittelpunkt der strategischen Ebene stehen die sogenannten Erfolgspotenziale. Es sind die Voraussetzungen im Hinblick auf Produkt und Markt, um überhaupt erfolgreich sein zu können. Ein Erfolgspotenzial bei einem produzierenden Unternehmen wäre ein neues Produkt in Verbindung mit der erforderlichen Fabrik. Andere Beispiele sind Investitionen in das Vertriebsnetz eines neuen Auslandsmarktes oder der Kauf eines Unternehmens. Ob die Ziele zu Umsatz, Ergebnis und Cashflow erreicht werden, steht noch nicht fest, aber das Vorhandensein der Erfolgspotenziale ist die Voraussetzung dafür.
Ebenfalls der strategischen Ebene können die Grundsatzentscheidungen zur Organisation und die Besetzung der Schlüsselpositionen (z. B. Geschäftsführung) zugerechnet werden. Der Zeithorizont dieser strategischen Entscheidungen ist mittel- bis langfristig.
Die Entscheidungen der strategischen Ebene werden häufig auch durch die Frage beschrieben: „Tun wir die richtigen Dinge?“ Also die Frage danach, ob vor allem in die richtigen Zukunftsthemen investiert wird. Die Entscheidungen auf der strategischen Ebene haben einen unmittelbaren Einfluss auf den Cashflow. Sie finden insbesondere ihren Niederschlag im Investitions-Cashflow, wie wir später noch sehen werden. Es ist der Kern der unternehmerischen Entscheidungen, den wir hier antreffen: hohe Unsicherheit, langer Zeithorizont und zumeist erhebliche Geldbeträge. Chance und Risiko liegen hier sehr nahe beieinander.[8]
Mit den Entscheidungen zu den Erfolgspotenzialen werden auf der strategischen Ebene Voraussetzungen für den Erfolg geschaffen. Das „Tun wir die richtigen Dinge?“ verändert sich auf der operativen Ebene zur Frage: „Tun wir die Dinge richtig?“ Hier steht die optimale Nutzung vorhandener Erfolgspotenziale im Vordergrund: Wie nutzen wir bestmöglich das Potenzial unserer vorhandenen Produkte, unserer vorhandenen Fabriken etc.? Der Zeithorizont ist hier typischerweise kurz- bis mittelfristig. Die Nutzung der Erfolgspotenziale, die operative Effizienz, findet ihren Niederschlag im Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit. Wenn die Entscheidungen auf der strategischen Ebene falsch getroffen wurden, dann kann operativ nicht mehr viel ‚herausgerissen’ werden. Die falschen Produkte, eine nicht wettbewerbsfähige Fabrik, alles das kann im operativen Bereich bestenfalls noch abgemildert werden. Denn in der Regel schlagen die strategischen Fehler im operativen Bereich mit voller Wucht durch. Werden die strategischen Fehler sogar noch durch operative Schwächen verstärkt, oder kommt es vielleicht zum Konjunktureinbruch, dann befindet sich ein Unternehmen in einer zunehmend gefährlichen Situation.
Mit dieser Kennzeichnung der verschiedenen Ebenen können wir die Verbindung zum Cashflow[9] und seinen Bestandteilen herstellen. Für Cash und Cashflow gilt dabei die einfache Grundgleichung:
Anfangsbestand an Cash
+ Zuflüsse an Cash
– Abflüsse an Cash
= Endbestand an Cash
Ausgehend von dieser Grundgleichung werden die Zuflüsse und die Abflüsse drei Hauptkategorien zugeordnet (siehe Abb. 2):
Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit
Cashflow aus Investitionstätigkeit
Cashflow aus Finanzierungstätigkeit
In diesen drei Kategorien schlägt sich der ganze finanzielle Kreislauf von Unternehmen nieder. Um dies zu verdeutlichen, sind den einzelnen Kategorien die typischen Vorzeichen zugeordnet, also ein ‚+’ im Falle eines typischen Cash-Zuflusses bzw. ein ‚–’ bei einem typischen Cash-Abfluss. Die Vorzeichen können auch dazu genutzt werden, um einen Cashflow-Quick-Check durchzuführen, als Einstieg in eine tiefere Analyse.
Abb. 2: Komponenten des Cashflows und typische Vorzeichen bei etablierten Unternehmen
Werfen wir zuerst einen Blick auf etablierte Unternehmen, da sie andere Merkmale aufweisen als Neugründungen. Ziel jedes etablierten Unternehmens muss das Erwirtschaften eines substanziell positiven Cashflows aus laufender Geschäftstätigkeit sein. Dieser Cash-Überschuss bildet die existenzielle Grundlage des Unternehmens. Der Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit zeigt als Ausdruck der Innenfinanzierungskraft, welche finanziellen Mittel das Unternehmen aus seinen Wertschöpfungsaktivitäten heraus erbringt. Eine Teilmenge des Cashflows aus laufender Geschäftstätigkeit bildet der operative Cashflow.[10] Er soll den Zahlungsüberschuss aus dem ‚eigentlichen’ Geschäft abbilden. Dazu werden außerordentliche Posten und auch gezahlte Steuern herausgerechnet. Ebenfalls enthält der operative Cashflow kein Finanzergebnis. Zu beachten ist, dass die beiden Kennzahlen ‚Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit’ und ‚operativer Cashflow’ in der Praxis oftmals identisch verwendet werden.
Hohe Cashflows aus laufender Geschäftstätigkeit sind ein Indikator für ein finanziell stabiles Unternehmen, insbesondere, wenn sie ohne Sondereffekte erwirtschaftet wurden. Die betreffenden Mittel aus diesem Cashflow schaffen den nötigen finanziellen Freiraum, um Investitionen zu tätigen. Investitionen führen definitionsgemäß zu Auszahlungen, womit der typische Cashflow aus Investitionstätigkeit ein negatives Vorzeichen aufweist. Werden allerdings Unternehmensteile veräußert, dann schlägt sich dies in einem Mittelzufluss im Cashflow aus Investitionstätigkeit nieder; dieser kann dadurch insgesamt sogar positiv werden. Ein positiver Investitions-Cashflow stellt jedoch einen Ausnahmefall dar, der sich nicht dauerhaft wiederholen lässt. Der Regelfall im Bereich des Investitions-Cashflows ist ein Übergewicht der Auszahlungen, sei es für Ersatzinvestitionen oder Wachstumsinvestitionen. Einen speziellen Fall bilden Finanzinvestitionen, auf die an späterer Stelle eingegangen wird.
Um zu ermitteln, inwieweit der Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit zur Abdeckung der Investitionen ausreichend ist, kann die Kennzahl des Free Cashflow[11] (FCF) herangezogen werden.
Free Cashflow = CF aus laufender Geschäftstätigkeit + CF aus Investitionstätigkeit
Ist der Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit positiv und übersteigt die Mittelabflüsse des Investitions-Cashflows, dann liegt ein positiver Free Cashflow vor. Dieser positive Free Cashflow ist in Relation zu den Einzahlungen und Auszahlungen aus dem Finanzierungs-Cashflow zu sehen, und zwar insbesondere zu den vereinbarten Zins- und Tilgungszahlungen. Besteht auch unter Berücksichtigung des Finanzierungs-Cashflows noch ein Überschuss, dann eröffnen sich dem Unternehmen dadurch Handlungsspielräume. Der Cash-Überschuss kann z. B. für eine (zusätzliche) Schuldentilgung oder für Ausschüttungen verwendet werden. Im Falle von Aktiengesellschaften kann der Überschuss auch genutzt werden, um Aktienrückkaufprogramme durchzuführen und damit den Aktienkurs zu steigern. Ebenso ist es aber auch denkbar, dass zusätzliche Investitionen durchgeführt werden.
Wie sieht die Situation jedoch aus, wenn der Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit nicht ausreichend ist, um die vorgesehenen Investitionen zu tätigen, und zwar selbst unter Berücksichtigung des anfangs vorhandenen Cash-Bestandes? Der Ausgleich muss in diesem Fall über den Cashflow aus Finanzierungstätigkeit erfolgen. Es müssen Kapitalgeber gefunden werden, die bereit sind, d...