Das Betriebliche Gesundheitsmanagement der Stadtverwaltung in München
Sabine Can, Leiterin des Sachgebiets „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ in der Stadtverwaltung der Landeshauptstadt München
Die Landeshauptstadt München sieht sich mit einem steigenden Durchschnittsalter in der Belegschaft konfrontiert. Deshalb wurde schon zu Beginn des Jahrtausends mit dem Aufbau eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) begonnen. Unter dem Motto „gesund durch münchen“ liegt der Schwerpunkt auf der Verhältnisprävention. 2009 wurden in einer Dienstvereinbarung die Leitgedanken und Ziele sowie die Handlungsfelder des BGM festgeschrieben. Eine zentrale Leitlinie ist dabei die Maxime, möglichst viele Mitarbeiter an den Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungen zu beteiligen.
Aktiv im demografischen Wandel
Mit mittlerweile über 35.000 Beschäftigten, die an fast 800 Standorten in München beschäftigt sind, gehört die Landeshauptstadt zu den größten Kommunalverwaltungen deutschlandweit. Das Aufgabenportfolio ist bunt: Von der Straßenreinigung und der Abfallwirtschaft über die Kindertagesstätten und Schulen bis hin zu Museen und Theatern gibt es bei der Stadt kaum eine Berufsgruppe, die es nicht gibt.[202]
In Zeiten wachsenden Arbeitsdrucks und einer immer älter werdenden Belegschaft sind Gesundheit, Wohlbefinden und eine möglichst gute Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten von enormer Bedeutung. Das Durchschnittsalter der Beschäftigten in München lag im Jahr 2015 bei 44,96 Jahren, nur 21,4 Prozent der Beschäftigten sind unter 35 Jahre alt. Bereits jetzt weiß man, dass knapp 40 Prozent der Beschäftigten in den nächsten 10 bis 15 Jahren altersbedingt ausscheiden werden. Angesichts dieser Entwicklung mussten die Verantwortlichen handeln, um als öffentliche Verwaltung zukunftsorientiert, leistungsfähig und als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben.
Eine wichtige Rolle spielen dabei die Instrumente des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Sie tragen dazu bei, die Arbeitsfähigkeit möglichst lange – im Idealfall bis zum Renteneintrittsalter – zu erhalten. Denn nur wer gesund ist und sich wohl fühlt, kann heute und morgen motiviert und erfolgreich arbeiten. Doch ein ganzheitliches Betriebliches Gesundheitsmanagement lässt sich nicht in einer Nacht- und Nebelaktion etablieren. Erfahrungsgemäß braucht es einen langen Atem und viel Überzeugungsarbeit, damit Betriebliches Gesundheitsmanagement zu einem festen Bestandteil der Unternehmenskultur und des strategischen Managements wird. Die Stadt München baut ihr BGM bereits seit 2003 kontinuierlich aus und fasst die vielfältigen Aktivitäten unter dem Motto „gesund durch münchen“ zusammen.
Betriebliches Gesundheitsmanagement ist eine gesetzliche und unternehmerische Notwendigkeit
[203]Ganzheitliches BGM umfasst aus Sicht der Landeshauptstadt München die Handlungsfelder des gesetzlich verpflichtenden Arbeits- und Gesundheitsschutzes, der Betrieblichen Gesundheitsförderung und der Einzelfallprävention mit dem Ziel, die individuelle Arbeitsfähigkeit zu erhalten, was unter anderem den Kern des gesetzlichen Auftrags für das Betriebliche Eingliederungsmanagement beschreibt.
Erfahrungsgemäß beschränken Führungskräfte, Personalvertretungen und Beschäftigte die Aktivitäten des BGM nicht selten auf Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung wie beispielsweise den berühmt-berüchtigten Obstkorb in der Teeküche oder das umfangreiche Sportprogramm an der Dienststelle. Dass Gesundheitsmanagement insbesondere auch die verpflichtenden Bestandteile aus dem Arbeitsschutzgesetz beinhaltet, ist häufig nicht bekannt. Hier vertritt München eine ganz klare Haltung: Gesundheitsmanagement soll dort ansetzen, wo die Einflussmöglichkeiten des Arbeitgebers am Größten sind – bei den Arbeitsbedingungen. Gepaart mit zielgruppenspezifischen Interventionen im Bereich der Betrieblichen Gesundheitsförderung lässt sich im Hinblick auf den Erhalt und die Förderung von Arbeitsfähigkeit die größte Wirkung erzielen.
Betriebliches Gesundheitsmanagement hat vor diesem Hintergrund zum Ziel, die Arbeits- und Organisationsqualität zu verbessern (Verhältnisprävention), die Beschäftigten zu einem gesundheitsbewussteren Verhalten zu befähigen (Verhaltensprävention) und damit einen wesentlichen Beitrag dazu zu leisten, am Standort München eine attraktive Arbeitgeberin zu sein.[204]
Betriebliches Gesundheitsmanagement braucht Standards
Bei der Etablierung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements gibt es nicht den einen richtigen Weg. Erfahrungsgemäß muss jede Organisation (vor dem Hintergrund ihrer eigenen Strukturen und Rahmenbedingungen) für sich herausfinden, welcher Weg zu ihr passt. Idealerweise erfolgt die Erarbeitung und Festlegung sog. Qualitätsstandards, die in Form einer Dienstvereinbarung schriftlich fixiert werden. 2009 wurde in einer Dienstvereinbarung die Leitgedanken und Ziele des Betrieblichen Gesundheitsmanagement bei der Landeshauptstadt München definiert. Daneben wurden konkrete Zuständigkeiten und Mindeststandards für die Durchführung von dezentralen BGM-Projekten festgelegt (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Qualitätsstandards des Betrieblichen Gesundheitsmanagements
Das in der Dienstvereinbarung geregelte, strukturierte Projektvorgehen, das insbesondere auch der Erfassung psychischer und sonstiger Belastungsfaktoren im Sinne einer ganzheitlichen Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz dient, ist ein wesentlicher Garant für den Erfolg der BGM-Projekte in München.
Als Planungs- und Steuerungsgremium des Projekts fungiert der Arbeitskreis Gesundheit, der neben der Projektleitung mit der Leitung des Projektbereichs, der örtlichen Personalvertretung und Vertretern des Betriebsärztlichen Dienstes und des Fachdienstes für Arbeitssicherheit besetzt ist. Da primäres Ziel der Landeshauptstadt München ist, BGM nachhaltig und partizipativ zu gestalten, zielen alle Maßnahmen nicht ausschließlich auf individuelle Verhaltensänderungen einzelner Personen (Verhaltensprävention), sondern vor allem auf die nachhaltige Veränderung betrieblicher Arbeitsbedingungen und Strukturen (Verhältnisprävention). Die intensive Einbindung Mitarbeiter als „Experten für ihren Arbeitsplatz“ ist in allen Phasen der BGM-Projektarbeit vorgesehen.[205]
Betriebliches Gesundheitsmanagement fördert Partizipation
Die Beschäftigten wissen in der Regel am besten, wo Verbesserungen der Arbeitsbedingungen erforderlich sind, die zu mehr Wohlbefinden und höherer Leistungsfähigkeit beitragen. Neben der Auswertung vorhandener Daten (zum Beispiel Krankenstatistik/Arbeitsunfälle) und Dokumentationen (zum Beispiel Gefährdungsbeurteilungen) wird daher zur Analyse der Arbeitssituation und der Erfassung arbeitsbedingter Gesundheitsbeeinträchtigungen zu Beginn eines BGM-Projekts eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt. Die Ergebnisse der Befragung werden dann in den folgenden Gesundheitszirkeln oder speziellen Workshops für die Zielgruppe „Führungskräfte“ konkretisiert. Auch die dezentralen BGM-Projekte starten nach einer intensiven Vorbereitungsphase mit der Durchführung einer Mitarbeiterbefragung. Sogenannte Klassenzimmerbefragungen garantieren hohe Rücklaufquoten, die zwischen 70 und 90 Prozent liegen. Mit diesen Ergebnissen zeigt sich ein repr...