Ulrike Brandmeier, Andreas Höcherl, Dr. Christian Holst, Laura Lamieri, Gabriele Laurich, Prof. Dr. Peter Lorscheid, Dr. Klaus Wilsberg, Siegfried Vögele Institut
Summary
Dieses Kapitel befasst sich mit relevanten Aspekten des Mailings für die Kampagnenplanung. Nach einigen grundlegenden Erläuterungen zur Relevanz des Mailings im deutschen Werbemarkt und den Möglichkeiten dieser Werbeform in Kapitel 2.1 informieren die Unterkapitel über Zielgruppenanalyse, Werbewahrnehmung, -wirkung und -gestaltung, multisensorische Kundenansprache, die Produktion von Mailings, die crossmediale Kundenansprache und Beispiele zu Mailings in der Praxis (Kapitel 2.2).
Methoden zur Zielgruppenanalyse und -selektion erläutert Prof. Dr. Peter Lorscheid. Er geht dabei ausführlich auch auf Adressierungsarten, Verfahren bei der Datenbankanalyse und Methoden der Kundenbewertung ein (Kapitel 2.3[34]). Die Wahrnehmung und Wirkung von Mailings auf den Empfänger erläutert Laura Lamieri, die dabei die Ansätze und Ergebnisse der Prof. Vögele Dialogmethode© nutzt (Kapitel 2.4). Mit dem Kapitel zur Multisensorik erweitert Dr. Christian Holst den Blick auf das Thema Wahrnehmung von Werbung auf alle menschlichen Sinne und deren Funktionsweisen (Kapitel 2.5). Der Praktiker unter Ihnen fragt sich sicherlich schon jetzt, wie er die zahlreichen Ideen aus diesen Kapiteln bei der Produktion des Mailings umsetzen soll, welche Kosten entstehen und worauf zu achten ist. Diesen Fragen geht Ulrike Brandmeier im Kapitel zur Produktion nach (Kapitel 2.6). Andreas Höcherl stellt in Kapitel 2.7 das Mailing in den Zusammenhang der crossmedialen Kampagnenplanung. Nicht das Mailing isoliert, sondern das Mailing im Zusammenspiel mit anderen (Online-)Medien entwickelt größere Wirkungen. Der Leser erfährt hier auch, wie er papiergebundene Medien konkret mit Online-Medien verknüpfen, das heißt „anschlussfähig” machen kann. Gabriele Laurich schließt diesen Spannungsbogen aus der Welt des Mailings mit Praxisbeispielen ab (Kapitel 2.8).
2.1 Einleitung: Die wichtigsten Voraussetzungen für Response-starke Mailings
Dr. Klaus Wilsberg, Siegfried Vögele Institut
Das Patentrezept für den Erfolg eines Mailings gibt es leider nicht. Es kommt immer darauf an. Aber worauf? Die folgende kurze Übersicht macht die relevanten Aspekte deutlich.[35]
2.1.1 Strategie und Erfolg
Das schönste Mailing hilft nichts, wenn es nicht zu Zielen, Strategie und Zielgruppe des Absenders passt. Bevor die Marketingabteilung Mailings einsetzt, sollte sie Ziele und Zielgruppen definieren sowie weitere Bedingungen klären. Handelt es sich um Bestands- oder Neukunden? Welche Marketingziele verfolge ich? Imagegewinn? Produkte bekannt machen? Abverkauf? Hinführen zu einem Webshop? Habe ich Aussagen darüber, zu welchem Medium meine Zielgruppe affin ist? Passt die Werbung zu meinem Produkt? Wie ist das Mailing in die gesamte Kampagne integriert? Welche Stufen hat diese? Welche Kennziffern lege ich als relevant fest?
Wann ist das Mailing erfolgreich gewesen? Abhängig vom Kampagnenziel gibt es zahlreiche Kennziffern. Die Gängigsten sind nach wie vor die Response-Quote, Cost per Interest (CpI), Cost per Order (CpO) sowie Return on Investment (ROI).
2.1.2 Kreative Idee und Umsetzung
Die klassischen Bestandteile des Mailings (siehe Kapitel 2.3) bieten zahlreiche Optionen zur Gestaltung und persönlichen Kundenansprache. Für den Erfolg eines Mailings ist es unverzichtbar, hier neben der guten Idee auf die professionelle Umsetzung zu achten:
zielgruppengerechte Ansprache
Nutzenargumentation
Platzierung und Häufigkeit der persönlichen Ansprache
Bestandteile des Mailings definieren; dazu gehören auch Warenproben, Give-Aways
den Kunden zum Dialog mit dem Unternehmen animieren, dabei einen crossmedialen Ansatz nutzen: Anschlussfähigkeit an Website, Webshop, Landingpage und anderes herstellen[36]
Gestaltung, dazu zählt auch der Einsatz von Grafik und Text
2.2 Was können Mailings leisten?
Dr. Klaus Wilsberg, Siegfried Vögele Institut
2.2.1 Der unverwüstliche Werbebrief
Für viele Werbetreibende ist der Werbebrief auch im modernen Marketingmix ein unverzichtbarer Bestandteil. Das Mailing, wie es neudeutsch heißt, ist einfach unverwüstlich. Bereits vor 100 Jahren war das Mailing zu einem wichtigen Instrument der Werbung aufgestiegen: „Jede Drucksache löst wie jeder Brief beim Empfänger eine Wirkung aus, und zwar Abneigung, Zuneigung oder Gleichgültigkeit. Aus dieser Tatsache ergibt sich die Bedeutung der Drucksache und die Notwendigkeit, ihr bei Herausgabe größte Beachtung zu schenken: Denn sie soll natürlich nur Zuneigung, Sympathie erwecken!”1
Bei allen technischen Fertigkeiten der Analyse und Gestaltung von Mailings sind die Funktionen und Ziele des Mailings bis heute unverändert geblieben. Es dient nicht nur dem Verkauf eines Produkts, sondern übermittelt Nachrichten. Es stellt damit eine Beziehung zwischen Kunden und Unternehmen her. Der Brief ist mit anderen Worten nicht nur ein Mittel der Verkaufsförderung, sondern auch des Beziehungsmanagements, der Kundengewinnung und -bindung.
Beim Empfänger bedient der Brief sehr unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse, wie das Institut „rheingold” in einer Studie2 für das Siegfried Vögele Institut analysiert hat:
Der Brief gibt mit seinen Informationen[37] Anstöße aus der Außenwelt und bedient die Neugierde und Offenheit der Menschen.
Briefe vermitteln Inspiration und Emotion. Die Empfänger genießen es, mithilfe dieses Mediums Wünsche lebendig werden zu lassen.
Der Brief emotionalisiert Kundenbeziehungen, weil die individuelle Ansprache den Konsumenten aus der Anonymität heraushebt.
Der Brief gibt Orientierung im Alltag, zum Beispiel bei der Planung von Einkäufen.
2.2.2 A brief history
Mit der Entstehung von Schriftzeichen begannen die Menschen, sich Nachrichten zu schreiben. Das deutsche Wort „Brief” bezeichnet nach seiner lateinischen Herkunft („brevis libellus”) ein kurzes Schreiben. Im Altertum nutzte man hierfür Tontafeln, Papyrus und beschichtete Holztafeln, in der Neuzeit verwendete man Hadern und später, eine bereits alte Erfindung aus China, Papier. Mit der stärkeren Nutzung von Papier, dem organisierten Postwesen und der Entwicklung einer ökonomisch orientierten bürgerlichen Gesellschaft entwickelte sich der Brief zum (individualisierbaren) Massenkommunikationsmittel für öffentliche und private Absender. Die Werbung per Brief wurde zum Standard.
2.2.3 Bestandteile und Arten des Mailings
Der Werbebrief besteht in der Regel aus vier Bestandteilen, die unterschiedliche Funktionen erfüllen. Alle Bestandteile können bei crossmedialen Kampagnen zum Anschluss an die Online-Welt genutzt werden, zum Beispiel durch QR-Codes oder Internetadressen.
Kuvert: Schutz und Gewinnen der Aufmerksamkeit des Kunden[38]
Anschreiben: das „Gespräch” mit dem Kunden. Informationen über Absender und Leistungen, Nutzen und Vorteile vermitteln
Prospekt/Katalog: Darstellung der Produkte im Detail
Response-Element: Der Abschluss des Verkaufsgesprächs, bei einem crossmedialen Ansatz auch online zu finden.
Im Dialogmarketing unterscheidet man darüber hinaus adressierte und teiladressierte (etwa bestimmte Straßenzüge) beziehungsweise unadressierte Sendungen. Der Gestaltungsspielraum ist gewaltig, was auch der Branchenwettbewerb ddp (Deutscher Dialogmarketing Preis) in jedem Jahr beweist. Von Postkarte und Selfmailer über das klassische DIN-lang-Mailing bis hin zu großformatigen und kreativ gestalteten Mailings – das berühmte Bierdeckel-Mailing oder die ausgestanzte Weinflasche – gibt es beinahe alles, um die Aufmerksamkeit des Kunden zu gewinnen.
2.2.4 Das Mailing als fester Bestandteil des Marketingmix
Das Mailing spielt im Medienmix des Dialogmarketings eine bedeutende Rolle. Betrachtet man die Einzelmedien, fließen mit 9,2 Milliarden Euro die größten Werbebudgets im Dialogmarketing mit großer Konstanz in das adressierte Mailing.3 Der Anteil des Mailings an den Gesamtausgaben liegt bei einem Drittel.
Abb. 1: DM-Medien 2013
Quelle: Deutschen Post AG (2014), Dialog Marketing Monitor, S. 12
Vor allem der Handel nutzt den Werbebrief in allen Varianten – voll-, teil- und unadressiert. Über 60 Prozent der Budgets für Dialogmarketing in dieser Branche gehen in Werbesendungen. Betrachtet man die Budgets in Abhängigkeit von der Größe der Unternehmen, lautet die einfache Formel: Je höher der Jahresumsatz, desto stärker werden Mailings genutzt. Bei kleineren Firmen steht die eigene Website im Vordergrund. Die Verbreitung des Mailings ist insgesamt hoch. Jedes fünfte Unternehmen in Deutschland versendet Mailings, allerdings sinken die Gesamtausgaben durch den Sparkurs in vielen Unternehmen leicht. Kleinere Unternehmen, die über geringere Budgets verfügen, entdecken das Mailing neu. Hier steigen die Nutzerzahlen.[39]
2.3 Auswahl der richtigen Zielgruppe
Prof. Dr. Peter Lorscheid, Siegfried Vögele Institut
2.3.1 Einsatzgebiete für Mailings entlang des Kundenlebenszyklus
An wen soll sich ein Mailing eigentlich richten? Diese Frage ist eine Kernfrage, die sich dem Dialog-Marketer zu Beginn seiner Überlegungen stellt. Dabei kommen für ein Mailing ganz verschiedene Einsatzmöglichkeiten im Verlaufe einer Kundenbeziehung in Frage. Betrachtet man die Phasen einer Kundenbeziehung im sogenannten Kundenlebenszyklus, so lassen sich folgende Einsatzgebiete und Zielsetzungen unterscheiden: