Die Sprache der Macht
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Die Sprache der Macht

Wie man sie durchschaut. Wie man sie nutzt.

  1. 215 Seiten
  2. German
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Die Sprache der Macht

Wie man sie durchschaut. Wie man sie nutzt.

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Über dieses Buch

Sprache bestimmt unser Denken und Handeln. Sie stiftet Vertrauen und schafft Verbündete. Sie ist das wichtigste Instrument, um Menschen zu führen. In diesem Buch lernen Sie das Arsenal der Sprache der Macht kennen - ihre legitimen wie auch ihre fragwürdigen Methoden. Der Autor zeigt anschaulich, wie Sie sich mit dem richtigen Einsatz von Sprache vor Manipulationen schützen und gezielt Einfluss nehmen - ob als Mitarbeiter oder als Führungskraft.Inhalte: - Sprachliche Manöver nutzen, durchschauen und gegensteuern- Dominanz: So behalten Sie die Oberhand- Einfluss: So überzeugen Sie ohne Argumente- Souveränität: So strahlen Sie Selbstsicherheit aus- Neu: Framing, Polarisierung und der Kampf der Narrative sowie aktuelle Beispiele: Donald Trump, Greta Thunberg, Kamala Harris

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Information

Verlag
Haufe
Jahr
2019
ISBN
9783648130414

1 Sprache und Macht

Wer zu überreden sucht, sollte sein Vertrauen nicht auf das durchschlagende Argument setzen, sondern auf das treffende Wort. Die Macht des Schalles ist stets größer gewesen als die Macht der Vernunft.
Joseph Conrad
Symbolische Macht ist die Macht, Dinge mit Wörtern zu schaffen.
Pierre Bourdieu
Manchmal halten die Leute die Art, wie ich rede, fälschlicherweise für das, was ich denke.
Idi Amin Dada
Nach Macht in irgendeiner Form streben wir alle. Wer Macht hat, kann nach eigenen Vorstellungen gestalten und auf andere Menschen einwirken. Und das ist eine zutiefst beglückende Erfahrung – für jeden von uns. Ja, unsere seelische Gesundheit hängt unter anderem davon ab, dass wir unser Tun als wirksam empfinden, dass wir eben nicht ohnmächtig alles über uns ergehen lassen müssen. Hin und wieder verschaffen wir alle uns dieses Glück über ein »kleines Machterlebnis« – auch so charakterlich integre Menschen wie Sie und ich.
Dieses kleine Machterlebnis besteht in nichts anderem als in der wohltuenden Gewissheit: »Dies ist nur geschehen, weil ich das so wollte.« Genau das kennzeichnet nämlich Macht: Dass man seinen Willen durchsetzt, auch wenn ihm das Gegenüber zunächst nicht folgen will. So konstatiert Max Weber in seiner viel zitierten Definition: »Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.« In diesem Sinne gibt es Macht in jeder erdenklichen Größe und Spielart.
Manchmal zeigt sie sich auch darin, dass uns jemand hindert, etwas Bestimmtes zu tun. Dafür gibt es vielleicht keinen anderen Grund, als dass er gegen unser »Widerstreben« seinen Willen durchzusetzen vermag. Ein Wille, der einzig darin besteht, uns einen möglichst dicken Strich durch die Rechnung zu machen. Sie sollten die Genugtuung, die solche kleinen Machterlebnisse einem anderen verschaffen, niemals unterschätzen – vor allem, wenn es sich um jemanden handelt, dem sonst wenig Raum zur persönlichen Machtentfaltung bleibt. Wie eine klassische Studie des amerikanischen Soziologen Peter M. Blau gezeigt hat, ziehen Angestellte sehr viel Bestätigung aus der Möglichkeit, Bewerber an der Rezeption warten zu lassen. Länger als notwendig. Eigentlich sollen sie das gar nicht. Aber sie machen es dennoch: Schicken die Bewerber wieder nach Hause und vergeben eigenmächtig Folgetermine. Das sorgt für hohe Arbeitszufriedenheit – stärker als bessere Bezahlung oder das Lob vom Chef.
Doch nicht nur wenn wir selbst in ihren Genuss kommen, empfinden wir Macht als etwas Positives. Häufig bringen wir denen, die wir für mächtig halten, Achtung und Respekt entgegen, auch dann, wenn wir gar nicht so viel über sie wissen. Wir werten sie noch einmal auf – und zwar durchaus im eigenen Interesse. Wir erwarten, dass sich der Mächtige durchsetzen wird und stellen uns schon mal auf die richtige Seite.
Opportunismus lautet das unfreundliche Wort dafür. Doch auch wenn diese Methode in keinem besonders hohen Ansehen steht – sie ist allgemein üblich und hält die zwischenmenschlichen Beziehungen, sagen wir einmal: geschmeidig. Wir versuchen unbewusst, unseren Willen an den des Mächtigen gewissermaßen »anzudocken«. Und wenn uns das gelingt, dann strahlt ein wenig von seinem Glanz auch auf uns ab. Er setzt sich durch – und wir haben das ja auch irgendwie »gewollt«. Zudem: Jemandem zu folgen, von dem wir annehmen, dass er seine Macht auch verdient hat, fällt uns deutlich leichter.
Tatsächlich haben wir eine starke Neigung, Menschen zu idealisieren, denen wir Macht zuschreiben – wodurch sich deren Macht noch vergrößert und ihre Konkurrenten und Kritiker regelrecht ins Abseits geraten. In einzelnen Fällen kann daraus eine bedenkliche Eigendynamik erwachsen. Sie kann manch einen sogar dazu verleiten, sich den Anschein von Macht zu geben, um eben diese Macht erst zu gewinnen.
Aber die Verklärung der Macht ist eben nur die eine Seite. Andererseits hat Macht nämlich immer auch etwas Anrüchiges, ja, Macht liegt in unseren Köpfen so nahe am Machtmissbrauch, dass die beiden Begriffe häufig geradezu synonym gebraucht werden: Wer offen nach Macht strebt, ist in unseren Augen verdächtig. Er gilt als rücksichtslos und egoistisch. So jemandem möchte man sich nicht ausliefern. Man geht ihm lieber aus dem Weg oder versucht sogar ihm zu schaden.
Scheitert ein Machtmensch, dann erntet er weniger Mitleid als unverhohlene Schadenfreude. Auf Sympathie und Vertrauen kann er nicht bauen. Dabei wäre beides von großem Nutzen, um den eigenen Willen durchzusetzen – und darum geht es ja schließlich bei der Macht. Hat so ein Machtmensch womöglich weit weniger Macht, als er denkt, weil ihm die Herzen der anderen verschlossen bleiben? Und kann jemand, der auf den ersten Blick keinerlei Machtambitionen zeigt, einen Nutzen daraus ziehen? In manchen Fällen ist das wohl so. Und doch müssen auch diejenigen, die auf leisen Sohlen an die Hebel der Macht gekommen sind, recht schnell den Schalter umlegen und sich machtbewusst zeigen – auf die eine oder andere Art.
Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen? Warum erscheint uns Macht einmal so attraktiv – und mit ihr die Menschen, die über Macht verfügen – und dann wieder so abstoßend? Die Antwort hat mit uns selbst und unserer Position zu tun: Was wir anerkennen und bewundern, das ist die arrivierte Macht, an die wir nicht heranreichen, die auf unserer Seite steht oder mit der wir uns zumindest arrangiert haben. Dann sehen wir auch gnädig darüber hinweg, wenn ein Machtmensch in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich ist. Es geht nun mal nicht anders, finden wir.
Bedrohlich erscheint hingegen jede Macht, die sich gegen uns und unsere Interessen wenden könnte. Wer sich noch nicht durchgesetzt hat und womöglich mit uns selbst um Macht und Einfluss konkurriert, der erzeugt ebenso Abneigung wie derjenige, dessen Interessen sich direkt gegen uns richten: der übermächtige Konkurrent, der erklärte Gegenspieler, der uns das Leben schwer macht oder der politisch Andersdenkende.
Selbstverständlich fliegen auch Ihnen nicht die Sympathien der Kollegen zu, wenn Sie sich ausgesprochen machtbewusst zeigen. Erst wenn Sie eine Machtposition innehaben, urteilen die anderen weniger streng. Denn nun können sie ja davon profitieren, wenn sie sich gut mit Ihnen stellen – oder weniger eigennützig interpretiert: Nun haben Sie ja bewiesen, dass Sie es können, sonst wären Sie ja nicht dort, wo Sie jetzt sind.
Tiefe menschliche Zuneigung können Sie zwar nicht erwarten, aber immerhin Respekt, Anerkennung oder Unterwürfigkeit. Doch zuvor müssen Sie sich diese Position erst erobern. Und dafür braucht man mitunter härtere Bandagen. Es ist geradezu ein Betriebsgeheimnis der Macht, dass man sich nicht scheuen darf, anderen Unannehmlichkeiten zu bereiten. Darauf kommen wir noch ausführlich zu sprechen.
Ein ähnlicher Widerspruch tut sich auf, wenn die Sprache als Machtmittel ins Spiel kommt. Denn einerseits ist es uns ja ganz sympathisch, wenn sich Macht nicht auf Hierarchie, Tradition oder gar Gewalt gründet, sondern auf ein Mittel, das uns allen zur Verfügung steht: das Wort. Wer sich sprachlich durchsetzt, dem ist es gelungen, die Zustimmung der anderen zu gewinnen. Auch wenn das nicht immer ganz freiwillig geschieht. Aber es erscheint kaum eine Form der Machtausübung so legitim wie die durch das Wort.
Und doch gilt gerade sie als besonders abgefeimt. Macht durch Sprache, so wird geargwöhnt, heißt nichts anderes als Manipulation. Das mag überzogen sein. Allerdings gehört es zu unseren grundlegenden Erfahrungen, dass auch Menschen, denen wir vertrauen, nicht immer die ganze Wahrheit sagen, um ihre Interessen zu wahren. Wir bemerken, dass sich nicht immer das beste Argument durchsetzt, dass Informationen verdreht, unterschlagen oder in einen neuen Zusammenhang gebracht werden, dass an Gefühle appelliert wird mit der klaren Absicht, sie gegen unsere Vernunftgründe zu mobilisieren.
Kaum jemand gibt sich der Illusion hin, er werde nicht manipuliert. Ja, es scheint zu den wenigen Gewissheiten zu gehören, die wir als ebenso aufgeklärte wie verunsicherte Menschen des 21. Jahrhunderts noch haben: Wir werden ständig manipuliert. Und »irgendwie« manipulieren auch wir selbst – natürlich immer mit den besten Absichten und manchmal, ohne dass uns das überhaupt bewusst ist. Ja, womöglich sind wir sogar gerade dann besonders erfolgreich. In diesem Sinne: Der erste Schritt zur gelungenen Manipulation besteht in der Selbstmanipulation. Die Sache ist nur die: Es gibt kaum einen Begriff, der so polemisch, um nicht zu sagen: manipulativ verwendet wird, wie der der Manipulation.

1.1 Überzeugen Sie noch oder manipulieren Sie schon?

Was Manipulation überhaupt ist, darüber herrschen unterschiedliche Vorstellungen. Handelt es sich um bloße Einflussnahme? Gehört es zur Manipulation dazu, dass sie vom Opfer nicht bemerkt oder zumindest nicht durchschaut wird? Zielt Manipulation immer auf die Schädigung des anderen? Ist Manipulation unmoralisch oder allgemein menschlich? Oder beides zugleich? Dass dieser Begriff so unscharf ist, macht ihn besonders geeignet, um zu manipulieren.

1.1.1 Die Strategien der Manipulation

Zwei gegensätzliche Strategien lassen sich beobachten: Dramatisierung und Verharmlosung. Bei der Dramatisierung wird jeder Versuch, auf jemanden einzuwirken, bereits in die Nähe vorsätzlicher Verdummung gerückt. Sie wollen mich überreden und benutzen bestimmte Begriffe, um mir die Sache schmackhaft zu machen. Natürlich könnte man es auch ganz anders ausdrücken, was mich zu gegenteiligen Schlussfolgerungen führen würde. Sie nennen mir nur Argumente, die Ihre Position stützen, und überlassen es mir, die Gegenargumente zu finden. Sie nutzen den Umstand aus, dass ich Sie für vertrauenswürdig halte, und bauen auf eines der sichersten Fundamente, die in diesem Zusammenhang verfügbar sind: meine Denkfaulheit. Sie belohnen mich mit einem Lächeln, wenn ich Ihnen zustimme, und Ihre Miene verfinstert sich, wenn ich Bedenken äußere. So sitzen Sie als Manipulator auf der Anklagebank, abgestempelt als jemand, dem nicht über den Weg zu trauen ist.
BEISPIEL: KEIN ERFOLG BEI FRAUEN? VERKLAGEN SIE IHREN DEOHERSTELLER!
Nicht einmal auf die Werbung ist heute noch Verlass. In einem Spot für das Deo Axe wird der Eindruck erweckt, als könnte jeder Mann die Frauen betören, wenn er nur das richtige Deo verwendet. Weil die versprochene Wirkung (der »Axe-Effekt«) nicht eintrat, verklagte der 26-jährige Inder Vaibhav Bedi den Hersteller Unilever. Wie die Zeitungen meldeten, bekam er von einem Gericht in Amsterdam 30.000 Euro Schadenersatz zugesprochen. Eine schöne Geschichte über die Macht der Manipulation und ihre vermeintlichen Opfer. Denn die Meldung hatte es natürlich nur in die Boulevardpresse geschafft, weil wir kaum glauben mögen, dass jemand eine Werbeaussage als Versprechen versteht. Und wenn er dann noch Recht bekommt, verschlägt uns das den Atem. Allerdings waren die Blätter einer Falschmeldung aufgesessen. Und dabei handelte es sich nicht einmal um Manipulation. Denn die Geschichte stammte von der satirischen Internetseite fakingnews.com.
Nicht weniger häufig treffen wir jedoch auf ein ganz anderes Argumentationsmuster: Verharmlosung. Weil ohnehin jeder manipuliert, der den Mund aufmacht, um seinem Gegenüber einen schönen Tag zu wünschen, ist nun alles erlaubt: Lug und Trug, Tricks und Täuschung. Im Spiel der Macht zählen moralische Skrupel allenfalls als Imagefaktor, ansonsten gelten sie als Hindernis. Nach dem Motto: Mach, was du willst, aber lass dich nicht erwischen. Der Begriff der Manipulation wird bagatellisiert, damit auch größere Sauereien noch irgendwie durchgehen. Weil Sie als Verkäufer, Mitarbeiter und erst recht als Führungskraft gar nicht umhinkommen, den einen oder anderen Kniff anzuwenden, um Ihre Mitmenschen in die gewünschte Richtung zu bugsieren, sollen auch bedenkliche »dirty tricks« in den Handwerkskasten der Profis. Denn so machen es ja im Grunde alle, lautet die Rechtfertigung. Zumindest alle, die ihren Willen erfolgreich durchsetzen können. Seien wir doch mal ehrlich …
In beiden Fällen handelt es sich um, nun ja, Manipulation. Zumindest wird es der Sache, um die es hier geht, nicht gerecht. Es ist schlicht weltfremd anzunehmen, Sie könnten sich gegenüber anderen behaupten ohne Mittel und Methoden der Einflussnahme. Sie bedienen sich dieser Methoden und achten dabei darauf, dass die Gegenseite Ihre Manöver möglichst nicht durchschaut. Denn das ist in den meisten Fällen die Bedingung dafür, dass sie überhaupt gelingen. Und selbstverständlich nehmen Sie in Kauf, dass Ihrem Gegenüber Nachteile entstehen (wenn Sie »jetzt mal ehrlich« sind) – zumal wenn diese Nachteile Ihre Vorteile sind. In diesem Sinne ist Manipulation nicht nur äußerst weit verbreitet, oftmals ist sie geradezu die Voraussetzung dafür, dass Sie Ihren Willen durchsetzen können und nicht den Kürzeren ziehen. Im Übrigen zeigt die Lebenserfahrung, dass diejenigen, die besonders streng über die vermeintlichen Manipulationsversuche der anderen urteilen, an das eigene Verhalten deutlich weniger strenge Maßstäbe anlegen. Bestätigt wird dieser Befund durch die Sozialpsychologie. Eine ganze Reihe von Studien zeigt: Auch und gerade Moralapostel sündigen – und zwar mit dem reinsten Gewissen. Der Psychologe Benoît Monin von der Universität Stanford hat für diesen Effekt den Begriff »Moral Credentials« geprägt. Man hält sich selbst für besonders moralisch und deshalb für berechtigt, auch einmal über die Stränge zu schlagen.
Das heißt aber gerade nicht, dass »alles erlaubt« ist. Natürlich gibt es einen fundamentalen Unterschied zwischen rhetorischem Geschick und faustdicker Lüge, zwischen Imagepflege und Intrige, zwischen Selbstbehauptung und Mobbing. Die Wahl der Mittel hat entscheidenden Einfluss darauf, wie die Auseinandersetzung geführt wird. Überschreiten Sie eine bestimmte Grenze, müssen Sie nicht nur damit rechnen, dass Ihre Konkurrenten nachziehen, Sie selbst laufen Gefahr, sich als Führungsfigur buchstäblich unmöglich zu machen – auch und gerade bei denen, die Sie vorher besonders unterstützt haben. Ja, Sie können sich sogar rückwirkend selbst demontieren: Wenn sich herausstellt, mit welchen Mitteln Sie einst Ihre Machtposition erobert haben, kann Sie das aktuell in Schwierigkeiten bringen.
Darüber hinaus sollten Sie eines nicht vergessen: Eine der wirksamsten Waffen gegen Manipulation ist die Aufdeckung der Manipulation. Bereits die Unterstellung, dass jemand manipuliert, kann seinen Einfluss schlagartig mindern. Womöglich geraten Sie in dieser Hinsicht schneller ins Abseits, als Sie meinen. Es ist ein Irrtum, wenn Sie in aller Unschuld annehmen, dass man Ihnen schon keine unlauteren Absichten unterstellen wird.

1.1.2 Die schweigende Macht

Wenn es um das Thema Macht und Sprache geht, stoßen wir auf einen weiteren Sachverhalt, der zunächst etwas widersprüchlich scheint: Häufig ist es gar nicht der Mächtige selbst, der das Wort ergreift. Vielmehr tun das andere für ihn, während er sich selbst in Schweigen hüllt zu einer Angelegenheit, bei der er ja seinen Willen durchsetzen möchte, »auch gegen Widerstreben«. Doch für seine fehlende Initiative gibt es einen einfachen Grund: Nichts dokumentiert seine Dominanz und Souveränität überzeugender, als wenn er sich selbst vollkommen heraushält, während sich andere für ihn ins Zeug legen. Eher gibt er sich den Anschein, er müsste seine Leute noch zügeln, die für ihn eine Bresche schlagen.
Die arrivierte Macht hat es gar nicht nötig, in eigener Sache zu argumentieren. Ja, es kann sogar den Eindruck schwächen, wenn sie sich allzu stark engagiert und den Gegner in Grund und Boden argumentiert. Der Souverän schweigt. Der brillante Redner hingegen erscheint gerade nicht als derjenige, der die Macht hat. Für ihn ist die Rolle dessen vorgesehen, der sich in den Dienst der »guten Sache« stellt. Und von der profitieren womöglich ganz andere als er selbst. Natürlich kann Ihnen rhetorisches Geschick von allergrößtem Nutzen sein, Ihren Willen durchzusetzen. Davon wird noch ausführlich zu reden sein. Doch sollten Sie diesen Aspekt einfach im Hinterkopf behalten: Macht kann gerade dadurch zum Ausdruck kommen, dass man sich selbst gar nicht äußert. Dadurch sind Sie weniger angreifbar, weniger durchschaubar und rein machttechnisch im Vorteil. Es wertet Sie auf, wenn andere für Sie Partei ergreifen und die Angelegenheiten in Ihrem Sinne regeln.
BEISPIEL: KÖNIGE ARGUMENTIEREN NICHT
Die Herrschaft des Königs versteht sich von selbst. Er muss niemanden überzeugen und sich auch nicht rechtfertigen. All...

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Hinweis zum Urheberrecht
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. 1 Sprache und Macht
  6. 2 Dominanz und Imponiergehabe
  7. 3 Einfluss nehmen
  8. 4 Souveränität
  9. Literatur