Der unvermeidliche Prozess der Transformation der Arbeitswelten, beschleunigt durch die Corona-Krise, braucht insbesondere nachhaltige Maßnahmen für eine digitale Arbeitswelt, die den ständigen neuen Anforderungen der Kundinnen und Kunden, der Branche, des Marktes und der Mitarbeitenden gewachsen ist. Manche Unternehmen konnten sich mit Homeoffice und Teilzeitschichten, reinem Lieferservice oder Online-Shop schnell auf die Einschränkungen durch die Krise einstellen, weil diese digitalen Arbeitswelten schon vorhanden waren. Andere hatten diese digitalen Voraussetzungen nicht und konnten daher keinerlei Umsätze erzielen.6 Wie auch immer bisher das Unternehmen aufgestellt war, der Prozess der Veränderung ist auf jedes Unternehmen zugekommen: Einige befinden sich in den ersten Anfängen, andere sind mittendrin und andere wiederum müssen ganz neu starten. Die simple Einstellung »Irgendwie geht es immer« hat in manchen Unternehmen zwar bis jetzt funktioniert, allerdings meist zu dem Preis von immer schlechteren, anstrengenderen Arbeitsbedingungen und wenig Erfolg!
Die Transformation der Arbeitswelt ist ein umfangreicher und vielseitiger Prozess. Dies zeigt sich räumlich, inhaltlich, in der Zusammenarbeit mit Menschen und Maschinen und auf vielen weiteren Ebenen. Viele Entscheider und Entscheiderinnen meinen, dass der Wandel in die neue Arbeitswelt als ein klassischer Changeprozess behandelt werden kann, dies ist aber nicht ausreichend. Das klassische Changemanagement hat ausgedient, denn zwei Drittel der Projekte sind nach der »Change-Fitness-Studie 2018« bisher damit gescheitert7. Laut dieser Untersuchung ist Changemanagement nur dann erfolgreich, wenn es die folgenden Punkte berücksichtigt:
Wichtig
- »Starke Fokussierung auf wenige Projekte, die strategisch besonders relevant sind,
- klare Kommunikation über Risiken und Konsequenzen bei Nicht-Erreichung,
- Ausrichten der Kommunikation auf Dialog,
- Einbinden externer Experten,
- [14][hohe] Investition in Commitment der Führungskräfte,
- [konstruktive] Fehlerkultur und Berücksichtigung der zentralen Rolle von Lernprozessen.«8
Die Berücksichtigung dieser Punkte ist zwar die Grundlage für einen Change der Arbeitswelt, aber meist heute nicht mehr ausreichend. Die Themen Demographie, Resilienz, der Einsatz von KI (künstlicher Intelligenz) und modernen Softwareprogrammen sowie interaktive Kommunikationsplattformen sind ebenfalls zu berücksichtigen. Beim Transformationsprozess geht es zusätzlich um die Veränderung der Kultur, der Arbeitsweise, der Organisationsprozesse und Abläufe und nicht nur um eine reine betriebswirtschaftliche Sichtweise.
BEISPIEL FÜR EINEN TRANSFORMATIONSPROZESS
Die Corona-Krise hat gezeigt, dass die oben genannten Kriterien zeitweise in der Politik Anwendung gefunden haben. Die klare Kommunikation über Risiken und Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus zu Beginn der Corona-Krise hat dafür gesorgt, dass es eine hohe Akzeptanz der Regelungen in der Bevölkerung gab. Niemand wollte, dass die Betten auf den Intensivstationen überfüllt sind und viele Menschen sterben müssen. Die Ansprache der Bundeskanzlerin war ein Dialog mit dem Volk, der sonst nur an Weihnachten oder Neujahr üblich ist. Weiterhin fand die Ausrichtung der Kommunikation auf Dialog in der Regelkommunikation mittwochs mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder über Lockerungsmaßnahmen statt, was zudem als Investition in das Commitment der Führungskräfte gesehen werden kann. Es gab externe Beratung/Expertise, wie durch das RKI (Robert-Koch-Institut), dessen Zahlen und Ratschlägen geglaubt und gefolgt wurde.
Optimierbar war die gemeinsame Fehlerkultur und das Etablieren von Lernprozessen in der Politik aufgrund der fehlenden Transparenz, weil hier sicherlich der politische Machtfaktor und die Wählerzufriedenheit eine Rolle gespielt haben (vergleichbar mit einer Führung, die keine transparenten Lernprozesse und Fehlerkultur hat). Hier wurde aber im Verlauf der Krise nachgebessert: So hat das RKI zusätzlich zur Reproduktionszahl im Mai 2020 eine neue Kennzahl, die geglättete Reproduktionszahl, eingeführt. [15]Über viele Pressemeldungen wurden die Veränderungen kommuniziert und somit transparenter für die Bevölkerung. Es wurden Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung des Virus getroffen, wie der Mindestabstand von 1,5 bis 2 Metern, Hygienemaßnahmen, Husten- und Niesverhalten sowie die Einführung der Maskenpflicht. Weiterhin hat die Kanzlerin bei den folgenden Lockerungsmaßnahmen eine Kennzahl (50 Neuerkrankungen per 100.000 Einwohner) eingeführt, um zu messen, wo erneut eine höhere Ausbreitung stattfindet, damit dann gezielt Gegenmaßnahmen ergriffen werden können.
Die Corona-Krise und die Auswirkungen auf die Gesellschaft, Wirtschaft und Gesundheit haben insgesamt massive Ängste bei den Menschen ausgelöst. Der souveräne Umgang mit Ängsten, die in der Regel bei gravierenden Veränderungen auftreten, ist für eine erfolgreiche Transformation extrem wichtig und bestimmt das Mindset. Das Mindset für Transformation bedeutet daher, ständige Veränderung als Lösungsweg mit Optimierungsprozessen zu leben. Wer erfolgreich durch die Krise kommt, handelt innovativ mit diesem Mindset und setzt dies in der Arbeitswelt seines Unternehmens um.
Menschen werden immer bei Veränderungen Ängste haben und vielleicht als Krise empfinden – diese anzunehmen, schnellstens zu überwinden und in produktives Handeln umzusetzen, ist Teil des Transformationsprozesses. Nur wenn Menschen lernen, wie nützlich und sinnhaft für sie Veränderungen sein können, gestalten sie diese erfolgreich mit. Ein erfolgreich integrierter Veränderungsprozess verringert maßgeblich die Krankenquote und beugt Fehlzeiten vor! Wenn nicht nur die Geschäftsführung, sondern auch der eigene Verstand den Nutzen der Veränderung benennen kann und dieser höher ist als der des bisher gewohnten Zustands (in der Psychologie Verhaltensmuster genannt), dann gibt es eine langfristig erfolgreiche Veränderung, weil sie Sinn macht und Nutzen stiftet. Diesen Sinn und Nutzen mit Vertrauen an die Beschäftigten weiterzugeben und diese zudem an der Umsetzung zu beteiligen, schafft Innovationen und neue Prozesse.
Transformation findet sowohl auf organisationaler als auch auf individueller Ebene statt, beides benötigt die passende Begleitung der Geschäftsführung und der Führungskräfte mit Einbeziehung aller Verantwortlichen bis zum letzten Mitarbeitenden, klarer Kommunikation, offener Fehlerkultur und Akzeptanz von Lernprozessen. Markt-, Kunden- und Mitarbeiterbedürfnisse mit KI zu erheben und entsprechend zu [16]handeln, schafft hier schnelle Anpassungen, um erfolgreich zu sein. (Die passenden Geschäftsmodelle der Zukunft finden Sie dazu in Kapitel 2)
Wichtig
Die Kompetenz, Wandel bzw. Veränderungen zu gestalten, wird in KMUs (kleinen und mittelständischen Unternehmen) meistens nicht vorgehalten, weil manchmal der Geschäftsführung noch alte Strukturen wie Befehl und Gehorsam wichtiger sind als gemeinsame Innovation und gemeinsame sinnhafte Entscheidungen, die einer offenen Fehlerkultur unterliegen. Diese Verhaltenskompetenz aber wird benötigt, um sich ständig an Kundenwünsche und Marktanforderungen anzupassen und mit Unsicherheiten hantieren zu können, und ist daher eine unverzichtbare Handlungsgrundlage der Top-Entscheider und -Entscheiderinnen bzw. der Geschäftsführung.
Die Geschäftsführung braucht insbesondere digitale Strategien für die Umsetzungsmaßnahmen in den Projekten und muss dazu nicht nur ihre Kompetenzen, sondern auch die ihrer Führungskräfte und Mitarbeitenden erweitern. Qualifikation ist das Schlüsselwort für erfolgreiche Transformation und IT-Kompetenzen in jedem Bereich und für neue Arbeitsformen, die die hierarchische Form grundsätzlich ablösen. Die Geschäftsführung kann nicht erwarten, dass das Know-how in Schulen oder fachlichen Studiengängen erlernt wurde und wird. Insbesondere die Methoden, Kompetenzen und Notwendigkeiten von Transformation werden in naturwissenschaftlichen und technischen Studiengängen nicht oder kaum erlernt, ebenso wenig wie Führungskompetenz. Führung definiert sich digital neu mit Vertrauen in Prozesse und Menschen, sozialer Kompetenz und digitalen Methoden der Zusammenarbeit.
Unternehmen einschließlich der gesamten Belegschaft unterliegen dem Wandel und dieser sollte von allen auch aktiv vorangetrieben werden. Vorbild für den Wandel sein, heißt als Führungskraft, selbst der Wandel zu sein – betriebswirtschaftlich, digital und persönlich. Nur wenn Führungskräfte Treiber des Wandels sind, werden sie imstande sein, in Zukunft Personal zu halten, zu binden und passendes neues zu bekommen, um hierdurch Innovationen und Erfolge zu generieren.
Insofern stehen auch Geschäftsführung und Führungskräfte selbst vor weitreichenden Veränderungen, ohne dass es hierfür bis jetzt eine konkrete Anleitung gibt, denn vieles im Unternehmen, was sich bis jetzt bewährt hat, muss erhalten, aber auch ergänzt werden durch das Neue. Jedes Unternehmen und jede Entscheiderin und [17]jeder Entscheider muss hier den eigenen Weg finden. Einen Wegweiser mit leichtverständlichen Anleitungen und der prozessorientierten Arbeitsmethode »Faszination Metamorphose« finden Sie in diesem Buch. Mit dieser Methode und den unterstützenden Techniken kann die Transformation und somit jede Veränderung als Prozess gesteuert nachhaltig und sicher stattfinden.
1.1 Digitale Transformation und Arbeit 4.0
Die digitale Transformation gibt neue Parameter in der Veränderung der Arbeitswelten vor. Dies betrifft die Strategiefelder Führung, Mensch/Gesundheit, Arbeitsziel, Arbeitstätigkeiten, Arbeitsmittel, Arbeitsort, Organisation, Qualifikation und Beschäftigung.9 Diese komplexen Themen können für die Entscheider und Entscheiderinnen im Mittelstand nochmals auf die Bereiche Führung, Qualifikation und Organisation reduziert werden.10
Abb. 1: Zentrale Strategiefelder für die Arbeit 4.0, in Anlehnung an: »Digitale Transformation in die Arbeit 4.0«, in »Digitalisierung und künstliche Intelligenz«, acatech, IAO und IAT, S. 14
[18]Klären Sie Ihren Handlungsbedarf hinsichtlich einer digitalen Transformation mithilfe einer kurzen Analyse:
Analyse zur Eruierung Ihrer Strategie der digitalen Transformation
Bitte beantworten Sie die folgenden Fragen je nach Ihrer eigenen Rolle und Ihrem Unternehmen. Sollten Sie eine Produktion haben, unterscheiden Sie bitte den Bereich der Produktion von den anderen Bereichen, da dort meist andere Veränderungen anstehen! Sollten Sie als Entscheider bzw. Entscheiderin nur für einen Bereich zuständig sein, dann bearbeiten Sie den Fragebogen, soweit es Ihr Arbeitsfeld betrifft, und geben diesen zusätzlich an Ihre Schnittstellen und an Ihre Geschäftsführung weiter. (Den Fragebogen finden Sie auch auf Arbeitshilfen online.)
Führung
- Welche maßgeblichen digitalen Veränderungen in Ihrem Unternehmen sollen die Führungskräfte begleiten?
- Wie ist die Haltung Ihrer Führungskräfte zu diesen Veränderungen?
- Sind die Führungskräfte mit den Veränderungen konfo...