1.1 Trend #1: Active Sourcing
Die Suche und das Identifizieren geeigneter Mitarbeiter ist nicht einfach. Da der Arbeitsmarkt regelmäßig konjunkturellen Schwankungen unterworfen ist und Unternehmen immer mehr selbst die Initiative ergreifen möchten, aber auch müssen, warten diese nicht mehr, bis sich die richtigen Kandidaten bei ihnen melden.
Active Sourcing ist die Antwort der Unternehmen auf den sich derzeit sehr stark verändernden Arbeitsmarkt. Hierbei gehen Unternehmen immer mehr proaktiv und selbstständig auf Talente und potenzielle Bewerberinnen und Bewerber zu. So können offene Stellen deutlich schneller besetzt und zukünftige personelle Engpässe vermieden werden.
In der Vergangenheit wurden Stellenanzeigen in Zeitungen, Fachzeitschriften und in Jobbörsen geschaltet und die Unternehmen warteten eher passiv auf eingehende Bewerbungen. Im Gegensatz dazu betreiben die Unternehmen beim Active Sourcing eine aktive eigene Recherche im Bewerbermarkt inklusive der Kontaktaufnahme mit potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Das Ziel ist somit nicht nur, Bewerber für offene Stellen zu finden, sondern diese auch langfristig an das Unternehmen zu binden. Eine längerfristige Verweildauer im Unternehmen ist von Arbeitgeberseite definitiv erwünscht. Unternehmen möchten sich daher unbedingt als attraktive Arbeitgeber für Bewerber und Bewerberinnen darstellen und ein professionelles Employer Branding nutzen.
Mit »Employer Branding« ist gemeint, dass Unternehmen zielgerichtet Marketingmaßnahmen einsetzen, um sich als attraktiver, angenehmer und interessanter Arbeitgeber zu präsentieren. Durch die Steigerung ihrer Bekanntheit und die Entwicklung eines positiven Images möchten die Unternehmen bewirken, dass deutlich mehr Bewerberinnen und Bewerber an einem Wechsel zu ihnen interessiert sind, generell mehr Bewerbungen eingehen und dadurch der Recruiting-Prozess maßgeblich verbessert wird.
Zudem kann sich Employer Branding auch positiv auf die Unternehmenskultur und die Mitarbeiterbindung auswirken. Es wird so eine positive Arbeitsatmosphäre im Unternehmen geschaffen. Indem sich die Mitarbeiter mit den Zielen des Arbeitgebers identifizieren, fühlen sie sich mit dem Unternehmen und der eigenen Aufgabe emotional verbunden. Ein Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber wird so unwahrscheinlicher.
[14]Doch jetzt noch einmal zurück zu Active Sourcing: Es ist als Methode zur Mitarbeitergewinnung nicht komplett neu. Diese Methode der aktiven Bewerbersuche und direkten Ansprache wird bereits seit mehreren Jahren erfolgreich von Personaldienstleistern und Headhuntern genutzt. Mit den beruflichen Netzwerken wie XING und LinkedIn wurde die Kontaktaufnahme für Unternehmen aus allen Branchen deutlich attraktiver, effizienter und rentabler. Für Personaler in Firmen ist es nun einfacher geworden, passendes Personal nicht nur für die Führungsebene, sondern für alle Hierarchieebenen und Aufgabenbereiche schnell und unkompliziert zu finden und anzusprechen.
Im Folgenden soll genauer auf die Unternehmen eingegangen werden, die Active Sourcing nutzen. Zudem werden Sie sehen, wie stark Active Sourcing in den unterschiedlichen Branchen genutzt wird.
Wer wendet Active Sourcing an?
Der Prozess, passende Bewerber selbst zu suchen, wird von Branchen und Unternehmen noch sehr unterschiedlich umgesetzt. In der IT-Branche und im Bereich Ingenieurwesen wird das Recruiting durch Active Sourcing am häufigsten verwendet. In der Studie »Social Recruiting and Active Sourcing« der Universität Bamberg aus dem Jahr 2019 gaben 38,7 Prozent der befragten IT-Unternehmen an, aktiv in Karrierenetzwerken nach Bewerbern zu suchen. Im Gegensatz dazu nutzen nur 20,1 Prozent der Top-1.000-Unternehmen aus diversen Branchen unterschiedliche Karrierenetzwerke, um Mitarbeiter zu rekrutieren.1 Die Zahl der Unternehmen in anderen Branchen, die Active Sourcing betreiben, steigt jedoch stetig an.
Durch die wachsende Popularität der Berufsnetzwerke und Social Media wird Active Sourcing auch für mittelständische Unternehmen immer relevanter. Auf der Suche nach geeigneten Fachkräften konkurrieren mittelständische Betriebe mit großen Konzernen, denen ein viel höheres Budget für die Personalrekrutierung zur Verfügung steht. Auch der Fachkräftemangel, verursacht durch den demografischen Wandel, hat schwerwiegende Auswirkungen auf den Mittelstand. Deswegen ist es hier besonders wichtig, neue Wege bei der aktiven Kandidatensuche zu gehen. Active Sourcing ist hier genau das richtige Mittel, um kompetente Fachkräfte schnell zu erreichen.
In der Zukunft wird die aktive Recherche nach potenziellen Mitarbeitern mithilfe von XING, LinkedIn oder großen Suchmaschinen wie StepStone, Monster oder Indeed, in die auch Bewerberinnen und Bewerber ihre Profile stellen können, zum Standardsuchprozess der Personaler in allen Branchen und Firmen gehören.
[15]Warum wird Active Sourcing angewendet?
Das Hauptziel der proaktiven Bewerberrekrutierung ist es, einen Arbeitnehmer zu finden, der einerseits die offene Stelle ideal besetzen kann und andererseits auch zum Team, dem Unternehmen und der Unternehmenskultur passen wird. Obwohl der Prozess der aktiven Bewerbersuche aufwendig ist, ist es dennoch lohnend für die Unternehmen, auf diese Weise an neue Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer heranzutreten. Das Verhältnis der aufgewendeten Kosten und des erzielten Ergebnisses durch Active Sourcing ist für Unternehmen positiv.
Die Vorteile von Active Sourcing für Personaler
Einer der wichtigsten Vorteile der aktiven Personalsuche ist das direkte Ansprechen von Bewerbern, die sich sonst mit großer Wahrscheinlichkeit nicht auf diese Stelle oder bei diesem Unternehmen bewerben würden. Insbesondere weniger bekannte, kleinere Unternehmen oder Firmen an weniger attraktiven Standorten wissen, dass sie selbst auf den Markt gehen müssen. In der Studie der Universität Bamberg gaben insgesamt 36,4 Prozent der Kandidatinnen und Kandidaten an, dass sie mit dem Unternehmen über dessen Direktansprache in Kontakt gekommen sind. Sie gaben an, dass sie sich selbst sicher nicht beworben hätten und sie sonst nicht für dieses Unternehmen tätig geworden wären.2
Durch das Speichern von Kandidaten in einem sogenannten »Talent Pool«, also in einer Datenbank mit interessanten und evtl. geeigneten Personen, verkürzt sich die Suchdauer nach neuen Bewerbern und Bewerberinnen deutlich. Vakanzen können schneller besetzt werden. In den Talent Pools wurde bereits eine Vorauswahl getroffen – somit kann bei Bedarf schneller auf Kandidaten zurückgegriffen werden.
Active Sourcing kann aber auch Nachteile für die Unternehmen mit sich bringen. Falls die Recherche auf den Lebenslaufplattformen oder in Karrierenetzwerken nicht gründlich durchgeführt wurde, kann dies negative Auswirkungen auf das Image des Unternehmens haben. Viele potenzielle Kandidaten fühlen sich belästigt und sind genervt, wenn sie Anfragen erhalten, die nicht zu ihren Qualifikationen, Fertigkeiten und vor allem Interessen passen. Auch wenn Nachrichten an den Bewerber nicht personalisiert werden, besteht die Möglichkeit, dass das Unternehmen negativ wahrgenommen wird – nicht personalisierte E-Mails vermitteln den Eindruck einer Massenabfertigung. Der Kandidat wird dann nicht aufgrund seines aussagekräftigen Profils und seiner individuellen Fähigkeiten ausgewählt, sondern eine oberflächliche Suche oder der Algorithmus einer Software haben ihn als geeignet erachtet und als Treffer identifiziert. Unternehmen präsentieren sich so nicht als gute Arbeitgeber und können ihrem Image sogar schaden. Die Folge kann sein, dass sich Jobsuchende auch bei [16]möglicherweise sehr gut passenden Stellen oder Angeboten bei diesen Unternehmen in der Zukunft nicht mehr bewerben werden.
Obwohl die Erstauswahl von Kandidaten mittels Active Sourcing schnell durchgeführt werden kann, ist die Recherche nach den tatsächlichen Fähigkeiten und Potenzialen zeitlich immer noch sehr aufwendig und bringt so oft sogar höhere Kosten mit sich.
Insgesamt überwiegen bei einer gewissenhaften Recherche und der professionellen Kontaktaufnahme mit Kandidaten jedoch die Vorteile. Der Aufwand für Unternehmen ist überschaubar, insbesondere da Stellenanzeigen in guten Printmedien und digitalen Jobportalen nicht gerade günstig sind.