Abschnitt E
Der Bau hölzerner Boote und Schiffe
48. Vorbereitungen. Spantenplan. Helling
Die Bauweise eines hölzernen Bootes (oder Schiffes) hängt nicht allein von dessen Größe, Typ und Baustoff, sondern noch von vielen anderen Faktoren ab. Gerade bei kleineren Fahrzeugen ist es wichtig zu wissen, wieviel Boote vom gleichen oder nahezu gleichen Typ zu gleicher Zeit oder unmittelbar nacheinander gebaut werden sollen. Wenn man zum Beispiel 100 gleiche Boote bauen soll, kann man ganz andere Arbeitsmethoden anwenden und die Herstellungskosten erheblich senken. – Die Art der Werft, ihre Größe, ihr Maschinenpark, ihre Transportmöglichkeiten im Inneren, ihre Hallen und so weiter können andererseits die Möglichkeiten, ein Boot zu bauen, einengen und bestimmen. – Schließlich sei noch das personelle Moment erwähnt, die Einstellung der Werftleitung, die Fähigkeiten und die Gewandtheit der Belegschaft sowie die Tradition der Werft. So wird man verstehen, wenn heute die verschiedenartigsten Baumethoden nebeneinander bestehen.
Außer einem flachbodigen Handkahn dürfte wohl kaum ein Boot ohne eine Zeichnung mit den genauen Aufmaßen für die einzelnen Querschnitte (die Spanten) gebaut werden. Die Anfertigung dieser Konstruktions- und Bauzeichnungen wird im 2. Band genauer beschrieben. Die Aufgabe der Werft ist es, den Spantenriß und zumeist auch den Längsriß nach den vorliegenden Konstruktionsunterlagen in natürlicher Größe aufzuzeichnen. Nach diesem Riß wird dann der Bau ausgeführt.
Mannigfaltig sind die Möglichkeiten, einen Spantenplan aufzuzeichnen. Auf größeren Werften dient hierzu der Schnürboden, eine ebene Fläche in einem besonderen Arbeitsraum, auf die der Spantenriß und auch der Längsriß aufgezeichnet werden. Soll das Schiff oder Boot hinsichtlich der Länge in einem Riß gezeichnet werden, so muß der Schnürboden länger sein als die größte Länge des zu erbauenden Schiffes oder Bootes.
Ist bei kleineren Fahrzeugen der Konstruktionsriß bereits in einem größeren Maßstab und zudem recht genau ausgearbeitet worden, so begnügt man sich vielfach nur mit dem eigentlichen Kernstück der Konstruktionszeichnungen, dem Spantenriß. Hieraus ergibt sich dann auch die Möglichkeit, die lästige räumliche Trennung von Spantenplan (auf dem Schnürboden) und Bauplatz des Bootes (in einer Werkhalle) zu vermeiden.
Wichtig ist es, daß sich weder der Baustoff des Spantenplanes noch des ganzen Schnürbodens durch wechselnde Luftfeuchtigkeit verzieht. Bei dem früher üblichen und einzig möglichen Massivholz war dies leider der Fall. Die an sich kleinere Fläche des Spantenplanes zeichnet man daher heute auf eine entsprechend große Sperrholz- oder Hartfaserplatte. Bei größeren Spantenrissen kann man sich den Plan auch aus mehreren derartigen Tafeln zusammensetzen. Man hat jetzt die Möglichkeit, den Plan dorthin zu legen, wo er gebraucht wird. Ist das Fahrzeug fertig gebaut, so kann der Plan so lange auf Lager genommen werden, bis man sicher ist, daß er für einen Nachbau nicht mehr benötigt werden wird. Wäre der Spantenriß auf dem Schnürboden, also einer nicht transportablen Fläche, aufgemalt, so müßte er bei Vorbereitung des nächsten Baues dem neuen Riß Platz machen. Er wird dann mit Ölfarbe übermalt.
Auch der Schnürboden ist aus den gleichen Gründen schon vollkommen mit Sperrholzplatten ausgelegt worden. Heute würde man auf eine Beton-Konstruktion einen Belag aus Litosilo, Steinholz oder Kunststoff legen. Diese Fläche „steht“ bei jedem Witterungswechsel. Sie wird wie Holz mit heller Ölfarbe behandelt. Allerdings wird es hier nicht möglich sein, die Straklatten durch kleine Stifte, die in den Plan eingeschlagen werden, festzuhalten, und man wird zur Schonung der Plan-Oherfläche ganz auf Strakgewichte angewiesen sein.
Die Helling für normal kielunten gebaute Boote besteht meist aus einer hochkant stehenden Bohle, deren Oberkante (die spätere Unterkante Kiel) etwa einen halben Meter über Flur liegt. Bei sehr kleinen Booten oder Booten mit breitem und flachem Boden legt man die Helling auch höher, um bequem daran arbeiten zu können (vergleiche Zeichnung 65). Zweckmäßig ist die Anordnung einer Art „Gegenhelling“ etwa 2 m (mehr oder weniger, je nach Boots- und Schuppengröße) über der Helling. Sie kann leichter als die Helling sein; an ihr werden später Mallen oder Spanten (provisorisch) befestigt.
Solange die Boote klein beziehungsweise so leicht sind, daß es möglich ist, sie von der Bauhelling herunterzunehmen und zu transportieren, kann diese waagerecht an jedem beliebigen Ort stehen. Dagegen müssen größere Fahrzeuge, die nicht mehr beliebig verfahren werden können, wie im Großschiffbau auf einer geneigten Helling gebaut werden. Hier können sie später durch ihr eigenes Gewicht von selbst zu Wasser gleiten. Diese Helgen stehen meist im Freien. Der Fall- oder Neigungswinkel solcher Helgen beträgt etwa 4 bis 5 Grad; dies entspricht einem Tangens von 1:14 bis 1:12. Bei sehr kleinen Schiffen baut man sie auch steiler.
Die kleineren, waagerecht gebauten Boote werden mit Hilfe eines Slipwagens zu Wasser gelassen, der auch zum Anlandnehmen der Boote für Reparaturen oder Winterlager dient.
Bei kleinen Booten hat es sich immer mehr eingebürgert, den Bau der Außenhaut kieloben auszuführen, weil sich diese Arbeit bequemer ausführen läßt. Anschließend werden die Boote gedreht, um den Innenausbau auszuführen. Dieses Verfahren ist seit langem bei Ruderbooten in Gebrauch, die man leicht von Hand umdrehen kann. Größere Boote kann man nur drehen, wenn entsprechende Vorrichtungen und der dazu notwendige Platz vorhanden sind. Bei Anlage einer neuen Werft oder neuen Bootsbauhalle sollte man diesen Umstand bedenken und derartige Hebe- oder Drehvorrichtungen vorsehen oder zumindest deren Einbau für später möglich machen.
49. Der Kiel
Nach alter Vorstellung bildet der Kiel eines hölzernen Schiffes oder Bootes das Rückgrat des ganzen Fahrzeuges. Hiermit sollte wohl ausgedrückt werden, daß von ihm hauptsächlich die Längsfestigkeit des Fahrzeuges abhängt. Dies stimmt nun nach unseren heutigen Kenntnissen der Mechanik nicht ganz. Man kann diese Einschränkung leicht daran erkennen, daß Boote und Kähne mit vollkommen flachem Boden sehr wohl auch ohne Kiel und nur durch ihren Boden eine gute Längsfestigkeit besitzen können.
Mit der Längsfestigkeit eines Schiffes meint man im allgemeinen seine Biegefestigkeit (die Festigkeit gegen Durchbiegen), die vorhanden sein muß, wenn zum Beispiel ein Boot im Winterlager ungünstig aufgestellt ist und sich infolge des Eigen- und des Motorengewichtes in der Mitte nach unten durchbiegen will, weil die unterstützende Aufpallung zu weit an den Enden untergesetzt ist (Zeichnung 66). In diesem Fall werden die (durchlaufenden!) Bauteile des Bodens und des Kiels auf Zug, das Deck, der Balkweger und die obersten Plankengänge der Außenhaut hingegen auf Druck beansprucht. Für die Festigkeit des Bootskörpers sind in diesem Falle allein die längs durchlaufenden Bauteile ganz oben und ganz unten wichtig. Hierbei ist es am günstigsten, wenn die Querschnittsflächen dieser durchlaufenden Bauteile oben und unten etwa gleich sind. Bei einem offenen oder nur mit einem schmalen Deck versehenen Fahrzeug ist aber der Querschnitt oben bedeutend kleiner. Die Folge ist, daß die oben liegenden Bauteile („der Obergurt“) viel stärker beansprucht werden als die unten liegenden. Würde man in diesem Fall das Boot hinsichtlich seiner Längsfestigkeit dadurch verstärken, daß man einen stärkeren Kiel oder zusätzlich Kielschwein sowie im Boden oder in der Kimm liegende Stringer einbaut, so würde die Ungleichheit nur noch verstärkt werden. Die oben liegenden Teile würden dann noch mehr überbeansprucht, und das Boot wäre nicht stärker, sondern schwächer geworden. Lediglich die örtliche Festigkeit am Boden mag etwas vergrößert worden sein.
Dem Laien wird dieser Umstand merkwürdig erscheinen. Man kann ihn leicht durch das Tieferlegen der neutralen Zone und die hierdurch verursachte ungünstigere Spannungsverteilung erklären (vergleiche Zeichnung 67). Ähnlich schädlich können sich lang durchlaufende Maschinenträger auswirken, wenn man nicht zum Ausgleich eine Verstärkung der Decksstringer und Balkweger vornimmt.
Der Kiel hat vornehmlich eine andere Funktion. Er soll vor allem die untersten Gänge der Außenhaut bei Grundberührungen oder beim Trockenstellen schützen und durch seine aus dem eigentlichen Rumpf herausragende Form dem Boot Kursstetigkeit verleihen oder (besonders bei Segelbooten und -schiffen) das seitliche Abtreiben („die Abdrift“) vermindern. Für diesen Zweck muß der Kiel allerdings weit aus dem Schiffsrumpf herausragen und dafür durch entsprechende äußere Anbauten nach unten hin vergrößert werden. Auch spielt hierbei die äußere Kontur des auf diese Weise künstlich vergrößerten Lateralplanes eine Rolle (vergleiche hierzu die Abschnitte 125, 126 und 149 in Band II).
Der Kiel nimmt die untere Kante der untersten Planke (des Kielganges) in einer zugepaßten Nut (Sponung) auf. Ein größerer, gerade durchlaufender Kiel (Zeichnung 68) ist dabei mit der Kielplanke nicht unmittelbar durch Verbolzung oder Verschraubung verbunden. Dazu ist seine Sponung zu klein, und eine hierfür ausreichende Sponung, wie man sie bei kleineren Kielen anbringt (Zeichnung 69), läßt sich bei größeren Holzschiffen nicht herstellen. So ist also die Kielplanke (außer beim Verleimen) nur mittelbar über die Bodenwrange mit dem Kiel verbunden. Bislang hat man bei größeren Holzfahrzeugen mit Leim noch keine Erfahrungen. Schwierig dürfte es sein, der – infolge der Größe der einzelnen Bauteile – großen Schrumpfwerte Herr zu werden. Gerade deshalb verwendet man auch bei großen Kielen kein durchgetrocknetes Holz, das sich nach heutigen Anschauungen auch nicht für das Verleimen eignet.
Die Bodenwrangen müssen also die Verbindung herstellen, und man wird verstehen, daß sie wegen der ihnen zufallenden Doppelaufgabe besonders kräftig sein und sehr dicht stehen müssen.
Bis zu einer gewissen Bootsgröße kann man die Kielsponung so ausarbeiten (Zeichnung 69), daß der Kiel mit der Kielplanke unmittelbar verbunden wird. Er ist dann innen im Schiff bedeutend breiter als außen. Die Verbindung kann mit Hilfe durchgehender Verbolzung oder Vernietung oder mit Holzschrauben erfolgen. Letztere erfüllen ihren Zweck aber nur dann, wenn sie sehr sorgfältig eingeschraubt werden. Die Vorbohrung muß hinsichtlich Tiefe und Durchmesser sehr genau sowohl den Holzschrauben als auch ...