Goethe medial
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Goethe medial

Aspekte einer vieldeutigen Beziehung

  1. 389 Seiten
  2. German
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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Die fiktionalen und die wissenschaftlichen Schriften Goethes geben breite Auskunft ĂŒber die Medienpraxis des Autors; Goethe war, modern gesprochen, ein medienbewusster Autor. Wer sich fĂŒr die Verbindung von historischer und gegenwĂ€rtiger MedialitĂ€t interessiert, wird im Werk Goethes reiches Material finden. Sein Mediengebrauch und Goethes PrĂ€senz in modernen und zeitgenössischen Medien – diese Doppelperspektive bestimmt das Erkenntnisinteresse des Bandes "Goethe medial". Als Medien werden in diesem Band im Wortsinne Mittel, nĂ€mlich Mittel der Kommunikation, ReprĂ€sentation, Dokumentation und der Ă€sthetischen Wirkung verstanden. Von heute aus nimmt der Band zugleich die Digitalisierung in den Blick, mit deren Einsatz Goethes Hinterlassenschaften aufbewahrt, verwaltet, immer noch erschlossen und der Forschung und Öffentlichkeit zugĂ€nglich gemacht werden. Fragen des Mediengebrauchs und Fragen der Überlieferung bzw. Rezeption werden in einem Zusammenhang beleuchtet. In folgenden fĂŒnf Themenschwerpunkten umkreisen die BeitrĂ€ge des Bandes das Feld von Goethe medial: Goethes Umgang mit Medien, Mediale Aspekte in Goethes Werk, Text und Bild: IntermedialitĂ€t bei Goethe, Goethe-Rezeption als mediale Spiegelung, und schließlich: Goethe digital – Editionen im Netz.

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Information

Jahr
2021
ISBN
9783110732931

Teil III: Text und Bild: IntermedialitÀt bei Goethe

Zur MedialitÀt der Literatur

‚Goethe‘ als Beispiel und Modell
Anke Bosse

1 MedialitÀt, Medien

FĂŒr ‚MedialitĂ€t‘ hatte bereits Goethe ein ausgeprĂ€gtes Bewusstsein, denn er war ĂŒberzeugt, „dass jede Beobachtung in Kunst und Natur symbolisch verfasst und mithin unhintergehbar in Vermittlungs- und Übertragungsprozesse eingebunden“ sei (Naumann et al. 2018). In heutige Diktion ĂŒbertragen bedeutet dies: Alles, was wir Menschen beobachten, wahrnehmen, denken, kommunizieren ist unhintergehbar medial vermittelt und „wird stets mit Hilfe von und in Medien wahrgenommen, kommuniziert und gedacht“ (KrĂ€mer 2004, 22). Wir produzieren und deuten permanent Zeichen, weshalb Ernst Cassirer den Menschen als „animal symbolicum“ bezeichnete (Cassirer 1944/2007, 51). MedialitĂ€t ist unausweichlich omniprĂ€sent in unserer Existenz als Menschen: FĂŒr uns gibt es „kein Außerhalb von Medien“ (KrĂ€mer 2004, 2223). Das Ă€lteste menschliche Medium ist unser eigener Körper. Mit unseren fĂŒnf Sinnesorganen nehmen wir die Welt wahr, deuten sie und ‚docken‘ sie an uns an. Mit der Gestik, Mimik und Stimme unseres Körpers haben wir als Urmenschen kommuniziert und unser wichtigstes audio-visuelles Archimedium und Weltdeutungsinstrument entworfen: Sprache (JĂ€ger 2011, 19 – 42). Diese Medien nutzen wir bis heute. Sprache wiederum ist das Material von Literatur.
Insofern es fĂŒr uns Menschen „kein Außerhalb von Medien“ gibt, sind Medien fĂŒr uns „unbeobachtbar“.1 Wie sollen wir sie dann beschreiben? Wie sollen wir ‚Medien an sich‘ wahrnehmen, wenn wir immer schon in ihnen sind? Das ginge doch nur von einer Position außerhalb oder zumindest von den RĂ€ndern her. Wie sollen wir erklĂ€ren, was ‚MedialitĂ€t‘ ist? Was hat das mit jener Kunst zu tun, deren Material Sprache ist: Literatur?
Der erste Schritt zur Lösung ist, sich von der Frage zu lösen, was ein Medium sei, denn wir können sie nicht beantworten. Wenn wir aber einer pragmatisch-performativen Bestimmung von MedialitÀt folgen, stellt sich uns die Frage, wie ein Medium funktioniert und wie es sich im Gebrauch transformiert.2 Diesen Zugang wiederum fokussiere ich hier auf die:

2 MedialitÀt der Literatur

Wie funktioniert Literatur als Medium? Wie transformiert sie sich im Gebrauch? Ich möchte dazu hier drei VorschlÀge machen und an Beispielen erlÀutern.
Literatur als Medium lÀsst sich von ihren RÀndern her beobachten und in ihrer Funktion beschreiben.
Zu diesen RĂ€ndern gehört die konkrete MaterialitĂ€t von Literatur, weshalb ich hier an das Konzept der ‚ParatextualitĂ€t‘ anknĂŒpfen möchte, das GĂ©rard Genette entworfen hat. ‚ParatextualitĂ€t‘ zielt just auf die RĂ€nder des Textes und auf die leserlenkende Funktion und Macht von Paratexten wie Autorname, Titel, Untertitel, Waschzettel, Widmung, Motto, Vorwort, Nachwort etc. Doch Paratexte können auch nicht-textuelle ‚Materialien‘ sein wie BuchumschlĂ€ge, Illustrationen, Fotos etc.3 Mit einem intermedialen, ĂŒber Genette hinausgehenden Konzept von Paratext, das ‚Schrift‘ und ‚Bild‘ umfasst, lĂ€sst sich die MedialitĂ€t von Literatur als konkrete MaterialitĂ€t genauer beobachten. Die leserlenkende Macht von Paratexten (Genette 1993, 12) bietet uns die Möglichkeit, zur manipulativen Funktion von Medien vorzudringen. Paratexte setzen den Text in Szene, sie generieren beim Leser Vorannahmen und einen Erwartungshorizont.4 Sie spuren den Gebrauch von Literatur vor (Bosse 2010).
Literatur als Medium lÀsst sich da beobachten und in ihrer Funktion beschreiben, wo sie intramedial autoreferentiell agiert.
Dass wir Medien nicht ‚an sich‘ wahrnehmen können, hat zu der Ansicht gefĂŒhrt, Medien könnten niemals selbst ĂŒber ihre eigene MedialitĂ€t Auskunft geben. Mit Bartz, JĂ€ger et al. halte ich dagegen, dass sie durchaus auch ‚von innen heraus‘ erfasst werden können, nĂ€mlich da, wo sie sich „intramedial in rekursiven Schleifen“ auf sich selbst beziehen (Bartz et al. 2012, 10). Es handelt sich um intramediale ‚SchlĂŒsselstellen‘ im Text, die sich autoreferentiell auf den Text selbst beziehen. Sie sind genau zu analysieren und auf ihre Funktion zu befragen – etwa als lesersteuernde Selbstinszenierungen des Textes.
Literatur als Medium lĂ€sst sich da beobachten und in ihrer Funktion beschreiben, wo sie ihre RĂ€nder ĂŒbertritt und zu anderen Medien in Beziehung tritt, z. B. durch intermediale BezĂŒge oder durch Medienwechsel.
Dies setzt voraus, dass die RĂ€nder zwischen Medien erkennbar sind. Allerdings sind Medien meist schon gemischt, insofern sie sich verschiedener semiotischer Systeme bedienen. Literatur z. B. nutzt die semiotischen Systeme der Schrift, des Bilds und des Tons. Zwischen Medien zu unterscheiden, ist eine bloße Konvention, die wir als Hilfsmittel brauchen, um IntermedialitĂ€t und Medienwechsel beschreiben zu können. Hier ist zu fragen, wie und zu welchem Zweck in einem Medium BezĂŒge auf andere Medien hergestellt, inszeniert werden, und welche lesersteuernde Funktion diese BezĂŒge haben. Und welche Konsequenzen hat in dieser Hinsicht ein Medienwechsel? Die fĂŒr Literatur und ihr Material Sprache wichtigste Unterscheidung verlĂ€uft zwischen Schriftlichkeit und MĂŒndlichkeit.5
Diese drei VorschlÀge werde ich im Folgenden an konkreten Beispielen veranschaulichen: an Goethe und an seinem West-östlichen Divan.

3 ‚Goethe‘ als Beispiel: West-östlicher Divan

3.1 MaterialitÀt und ParatextualitÀt

Mit 241 Gedichten ist der West-östliche Divan das weitaus grĂ¶ĂŸte Gedichtensemble in Goethes Gesamtwerk. Der Name ‚Divan‘ ist von arabisch-persisch dÄ«wān = ‚Versammlung von Gedichten‘ abgeleitet. Goethes Divan verdankt sich einer beispiellosen ProduktivitĂ€t, ausgelöst durch ein Buch: Im Mai 1814 erhielt der 64-JĂ€hrige von seinem Verleger Cotta den Diwan von Mohammed Schemsed-din Hafis, eine umfĂ€ngliche Sammlung persischer Gedichte, die der Wiener Orientalist Joseph von Hammer erstmals vollstĂ€ndig ins Deutsche ĂŒbersetzt hatte (Der Diwan 
 1812/1813). Goethe war begeistert, trat mit HÌŁÄfizÌŁ in einen produktiven Wettstreit und dichtete in wenigen Wochen ĂŒber 50 herausragende Gedichte. Ende 1814 begann er, ĂŒber HÌŁÄfizÌŁ' Diwan hinauszugehen und intensive Studien zu orientalischen Literaturen und Kulturen zu betreiben. Er ließ sich inspirieren von ĂŒber hundert BĂŒchern in deutscher, lateinischer, französischer, englischer Übersetzung. Es handelte sich um poetische Werke, Epen, Beschreibungen von Reisen in den Orient, EnzyklopĂ€dien, wissenschaftliche AufsĂ€tze u.v.m. (Bosse 1999, 167 – 588) Goethes Orient ist also ein ‚Buch‘-Orient, ein in Übersetzungen ‚erlesener‘ Orient – mit undurchdringlicher Demarkation gegenĂŒber den originalen orientalischen Sprachen, Literaturen und Kulturen. Diese fĂŒr ihn unhintergehbare mediale Vermitteltheit hat Goethe daher versucht fĂŒr seinen Divan zu ‚durchstoßen‘. Er entsann sich eines Mittels, das er zeitlebens erfolgreich angewandt hatte – in seinen literarischen Werken, in seinen naturwissenschaftlichen Experimenten, in seinem Alltag. Dieses Mittel ist die sinnliche Anschauung.
Nun ist zur Goethezeit das Buch das erfolgreichste, aber auch entindividualisierteste Schriftmedium ĂŒberhaupt. Das gedruckte, immer wieder reproduzierbare Buch ist dem Autor und seiner individuellen Handschrift ent-fremdet. Der Buchdruck ist eine Technik der Entsinnlichung – doch unumgĂ€nglich. Denn erst mit der Buchpublikation wird eine literarische Schöpfung ĂŒberhaupt ‚Werk‘ und tritt vor eine Leserschaft. Es ist daher bemerkenswert, welchen Aufwand Goethe betrieb, um den Lesern seines Divan-Buchs eine sinnliche Anschauung zu vermitteln, und zwar durch sinnliche MaterialitĂ€t.
Als er 1818/1819 den Erstdruck seines Divans vorbereitete, entsann er sich der originalen orientalischen Handschriften, die er fĂŒr die Weimarer Hofbibliothek hatte anschaffen lassen, weil sie ihn begeisterten.6 So schrieb er an Christian Gottlob Voigt im Januar 1815: „[M]an muß dergleichen Handschriften wenigstens sehen, wenn man sie auch nicht lesen kann, um sich einen Begriff von der orientalischen Poesie und Literatur zu machen.“(WA IV 25, 141; meine Hervorhebungen, A.B.) Der rein visuelle Zugang („sehen“) ist der primĂ€re und bleibende, denn Goethe konnte die arabische Schrift „nicht lesen“. Die Unmöglichkeit einer LektĂŒre war aber gerade Voraussetzung dafĂŒr, eine unmittelbare Ă€sthetische Wahrnehmung zu ermöglichen. Die arabischen Schriftzeichen waren fĂŒr Goethe keine Zeichen, die auf einen Inhalt verweisen, sondern pure Zeichnung und damit Teil der wundervollen orientalischen Ornamentik. Nur so konnte ihn die pure Sinnlichkeit der Schrift betören. Dies wollte Goethe an die Leser seines West-östlichen Divans weitergeben.7 Im Erstdruck des Divans, der 1819 bei ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Siglenverzeichnis der zitierten Goethe-Ausgaben
  5. Einleitung
  6. Teil I: Goethes Umgang mit Medien
  7. Teil II: Mediale Aspekte in Goethes Werk
  8. Teil III: Text und Bild: IntermedialitĂ€t bei Goethe
  9. Teil IV: Goethe-Rezeption als mediale Spiegelung
  10. Teil V: Goethe digital: Editionen im Netz
  11. Verzeichnis der Autorinnen und Autoren