Max und Anny
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Max und Anny

  1. 209 Seiten
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Max und Anny

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Als der bekannte Hamburger Schriftsteller Hans Leip dieses Buch über Anny Ondra und Max Schmeling schrieb, waren beide auf dem Höhepunkt ihrer schauspielerischen und sportlichen Karriere angelangt. Und sie waren spätestens seit zwei Jahren, seit ihrer Hochzeit 1933, das deutsche Traumpaar schlechthin. Während beide noch über 50 Jahre, Max Schmeling sogar noch 70 Jahre, leben sollten, sind es doch ihr Kinderjahre und ihr Weg zum Ruhm und zueinander, die es zu entdecken gilt. In bekannt liebevoller Art bebildert Hans Leip ihre Lebenswege. So bewundert der kleine Max von der Hamburger Lombardsbrücke einen Eiskunstläufer und möchte "mehr, mehr" davon. Selbst muss er noch eine weite Wegstrecke zurücklegen, bis er andere Jungen zu solchen Begeisterungsstürmen veranlassen kann.-

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Information

Jahr
2016
ISBN
9788711467503

Der Neuselkampf

Ex-Weltmeister Max Schmeling gedachte, den nächsten Kampf in Deutschland auszufechten. Der Hamburger Manager Rothenburg hatte ihm einen solchen Vorschlag öfters gemacht, jetzt fand Max es an der Zeit, darauf einzugehen. Ein neuer Deutscher drohte gefährlich aufzuwachsen, der Mann war ihm bekannt. Er hatte ihn zu Hamburg im Ring gesehen. Es waren noch keine drei Jahre her. Nun war der Junge schon so weit, in Amerika beliebt zu werden, nachdem er dort gute Erfolge erzielt hatte.
Aber Max hatte wenig Lust zu warten, bis dieser Walter Neusel an Carnera oder Baer gerate und sich gegebenenfalls den Weltmeistertitel hole. Er hatte Lust, den strebsamen Jüngling vorher abzufangen.
Inzwischen war der Paolino-Kampf in Barcelona gewesen. Schon lange vorher, am 8. März, hatte Schmeling ein Telegramm an Rothenburg geschickt, dass er die Absicht habe, mit Neusel zu boxen. Nun zeigte sich, dass die Daumenverletzung durch den Kampf nicht gerade besser geworden war. Max behauptete auf einmal, vor 1935 nicht an einen Kampf denken zu können.
Rothenburg hatte schon einen Haufen Drahtbriefe nach allen dienlichen Richtungen hin verpfeffert. Die französischen und amerikanischen Manager Neusels lachten ihn aus. Neusel hatte die glatte Aussicht, in einen Weltmeisterschaftskampf zu kommen. Vor Baer oder Carnera noch Schmeling zu legen, schien ihm und seinen Freunden ein ungebührlicher und undienlicher Umweg. So weit also war Rothenburg. Der eine konnte nicht, der andere wollte nicht.
Aber der frühere Hamburger Seemann war einer der zähesten Veranstalter, die es je im Boxsport gegeben hat. Er bot Schmeling eine sehr hohe Börse. Er machte auch Neusel lecker, denn so üppig wie einst waren drüben die Rosen nicht mehr zu pflücken, zumal der Dollar klein geworden war. Inzwischen legte Baer den Riesen Carnera um. Schon munkelte man von einem Treffen Baer — Neusel. Aber da hörte Rothenburg, dass Neusel nach Europa komme. Er funkte an den Hapagdampfer, er kabelte nach London, nach Berlin. Aber Neusel zog vor, nicht zu antworten.
Rothenburg gab trotzdem die Hoffnung nicht auf. Und siehe da, eines Tages stand der blonde Schwergewichtler im Punchingbüro der Hamburger Rathausstrasse. Da er sowieso vorgehabt habe, persönlich zu erscheinen, seien ihm schriftliche Antworten überflüssig vorgekommen.
Rothenburg bot ihm alsbald eine Kampfbörse, die das Fünffache der letzten amerikanischen Einnahme Neusels betrug. Mit sichtlichem Bedauern zog da der Westfale einen Vertrag hervor, der ihn dem Madison Square Garden verpflichtete und besagte, er dürfe keinesfalls vor dem 14. September, dem Tag des Kampfes mit Baer, bei Vermeidung einer Strafe von 5000 Dollar anderweitig kämpfen.
Rothenburg schluckte einmal und zögerte dann nicht eine Sekunde länger, auch diese fünftausend Dollar zu garantieren. Er überzeugte Neusel, er schob ihm den Vertrag für Deutschland hin, und wirklich, Neusel unterschrieb. Sein Lächeln drückte allerdings Ungläubigkeit aus. Wie wollte der Hamburger in den unwirtschaftlichen Zeiten so ungewöhnlich viel Geld aufbringen können?
Aber immerhin, der Westfale hing jetzt an der Angel. Sein Manager in Paris sträubte sich. Wieder gingen erkleckliche Spesen an Telephongebühren und Telegrammen dahin. Rothenburg fuhr nach Paris, er verhandelte vier Tage. Er erreichte sein Ziel. Neusel durfte den endgültigen Vertrag unterschreiben. Der Kampf sollte zwischen dem 8. Juli und dem 5. August stattfinden.
Nun fuhr Rothenburg triumphierend zu Max Schmeling. Max aber hatte, inzwischen gewarnt durch das Missgeschick dreier Kämpfe, Vertrauen zu den Deutungen der Sterne gefunden. Die Sterne sagten: Nicht vor dem 26. August.
Ich fühle mich noch nicht auf dem Draht, erklärte er.
„Sind es die Sterne?“, fragte der Hamburger Promoter misstrauisch.
„Nicht vor dem 26. August, Mister!“ betonte Max noch einmal nachdrücklich.
Rothenburg dachte an Bülow, dem die Fische weggeschwommen waren. Jetzt, oder es ist alles vorbei, sagte er sich. Er lächelte hanseatisch, er schlug Max mit gewiegter Seemannspranke auf die Schulter.
„Kloar Kuddl!“ sagte er: „Mokt wi, dot wi!“
Und damit schlossen sie den Vertrag für den 26. August 1934.
Nun kam noch die letzte Klippe, Paul, Neusels Manager, schrie wutentbrannt ins Pariser Telephon zurück: „Ausgeschlossen! Nicht eine Sekunde später als den 5. August.“
Nur mit einem Bleistift als Gepäck flog Rothenburg sofort nach Paris. Neun Stunden lang kämpfte er. Alles schien vergebens. Paul ging zu Bett. Rothenburg redete weiter. Paul schlief schnarchend ein. Rothenburg weckte ihn vom Nebenzimmer durchs Telephon. Schon dämmerte der Morgen. Da endlich war Pauls Widerstand erschöpft und Rothenburg hatte den Vertrag, den er brauchte, den Vertrag um den Ausscheidungskampf zur Weltmeisterschaft im Schwergewicht auf deutschem Boden, Deutscher gegen Deutscher, eine Zusammenstellung, wie sie der deutsche Boxsport noch kaum erlebt hatte.
Aber die neun Stunden waren wie neun schwere Ringrunden gewesen. Es hatte Nerven und Blut gekostet. Doch Rothenburg hatte den Gegner so mit Prozenten zugedeckt und hatte so auf ihn eingehagelt, dass er schliesslich aufgab und er ein technisches Knockout buchen konnte.
Der Kampf selber sollte zeigen, dass diese neun Stunden wie eine vorausschauende Gleichung stimmten. Neun Stunden — neun Runden. Zu Anfang der neunten Runde gab Neusel auf, und Max wurde Sieger durch technischen Knockout.

Neusel bereitete sich zu Paris in aller Stille auf den grossen Boxkampf vor. Schmeling aber bezog sein Trainingskamp bei Travemünde. Vom Badestrand, von Lübeck, von Hamburg, von Berlin, von Kiel, Schleswig-Holstein und Dänemark kamen die Leute in Scharen, um ihn zu sehen. Seine Sparringspartner waren diesmal Hans und Jakob Schönrath, der junge schnelle Hintemann und der wuchtige Holländer De Bor.
Anny hatte ihn bis Hamburg begleitet. Er hatte sie durch Hagenbecks Tierpark geführt und ihr seine Jungenstreiche erzählt, die alle sinnvoller und zweckmässiger gewesen waren, als sie bei durchschnittlichen Typen zu sein pflegen.
Es war ein stiller Tag in Hamburg. Ganz St. Pauli war ohne Musik. Die Fahnen wehten überall auf Halbmast. Und nicht nur in Hamburg. Das allverehrte Oberhaupt des deutschen Volkes, der betagte Reichspräsident Generalfeldmarschall v. Hindenburg, hatte die Augen zur ewigen Ruhe geschlossen. Das Heldenehrenmal zu Tannenberg öffnete sich dem toten Sieger. Ein grosses Volk trauerte, und die Welt nahm Anteil daran. Und da sich die Tore der Gruft schlossen, war es, als schlössen sie sich auch ernst und langsam hinter der deutschen Vergangenheit. Ungewiss im freien Felde lag die Zukunft. Aber viele mutige Herzen waren bereit, an neue Saat und neue Ernte zu glauben.
Ungerührt ging die Zeit ihren Gang, spielend mit Leben und Tod. Weiter wuchs der Lorbeer, der dazu dient, immer neue Sieger zu krönen. Deutsche Werkarbeit siegte im Autorennen zu Pescara, auf dem der deutsche Rennfahrer Moll den Tod fand.
Einen Tag später besuchte der Reichskanzler die gute alte Hansestadt Hamburg, die so schwer unter der Weltkrise litt. Der Hafen ertönte von begeistertem Getöse. Das Leben siegte. Hoch wehten wieder die Flaggen, entfaltet im unruhigen Wind, der von der See kam.
Zwei Tage später bekundete das deutsche Volk in grosser Mehrheit dem einstigen unbekannten Soldaten, dass er emporgestiegen sei zum höchsten Führer des Reiches.
Wiederum zwei Tage später vernahm man von dem unglücklichen Ausgang der deutschen Expedition am Nangar-Parbat.
Am 24. August sprach Mussolini von der Plattform eines Tanks drohende Worte in das undurchsichtige Europa, das seit der Ermordung des österreichischen Bundeskanzlers Dollfuss böse Träume hatte. Er sagte: „Niemand in Europa wünscht den Krieg, aber der Gedanke an den Krieg liegt in der Luft. Der Krieg kann von einem Augenblick zum andern ausbrechen.“
Ein grosser Schreck ging durch die diplomatischen Kontore.
Belgische Wissenschaftler erhoben sich mit einem Stratosphären-Ballon an achtzehntausend Meter über das brodelnde Festland. Der Reichsbankpräsident Dr. Schacht erklärte ausländischen Vertretern: Wie sich auch der Dollar gebärde, eine neue Inflation in Deutschland sei undenkbar. In Österreich wurde der Bundeskanzlermord gesühnt. Die Leipziger Herbstmesse wurde hoffnungsfreudig eröffnet, und bei den Frauen-Sportkämpfen zu London errangen die deutschen Teilnehmerinnen in ungewöhnlichen Leistungen neun Weltmeisterschaften. In Hamburg aber war Boxgrosskampftag.

Walter Rothenburg hatte eine ausgezeichnete Freiluftarena zur Verfügung, die Dirt-Track. Für Boxkämpfe war sie schon erprobt, als nach dem ersten Kampf gegen Sharkey Max in Hamburg landete. Damals hatte der junge Held den schönen silbernen Weltmeisterpokal empfangen. Es war dort auf der grossen Aschenbahn, auf der vor Jahren die Motorräder geknattert hatten und todesmutige Kämpfe um den „Goldenen Helm“ ausgefochten wurden, ganz nahe bei Hagenbecks Tierpark zu Stellingen, auf preussischem Gebiet. In der Nähe also hatte Max schon einmal Geld verdient, aber er gedachte, nicht noch einmal Senge zu beziehen.
Fünfzigtausend Sitzplätze wurden um das Ringpodium gebaut, und es wurde für sechzigtausend Stehplätze gesorgt; damit besass man die grösste Boxarena, die es in Europa bislang gegeben hatte.
Der Kartenverkauf war über Erwarten gut. Wie üblich, gingen zuerst die teuersten und die billigsten Plätze weg. Doch stellte sich bald heraus, dass gefälschte Stehplatzkarten im Handel seien. Die Polizei hatte zu tun, und auf dem Hamburger Adolf-Hitler-Platz musste ein Umtauschpavillon errichtet werden.
Die Aufmerksamkeit im In- und Ausland war von Anfang an erregt. Der Name Schmeling hatte an Zugkraft nicht eingebüsst. Seine Niederlagen schienen vergessen, man dachte nur an seine Weltmeisterschaft. Er war der Stolz der Vaterstadt, der Stolz des Vaterlandes. Seit 1928 hatte man ihn nicht mehr in Deutschland kämpfen sehen. Die Erwartung wurde gesteigert durch so manche hübsche Legende über seine beneidenswerte Ehe mit Anny, über seinen Reichtum, über die Pracht seines Hauses zu Saarow, über seine Jagdländereien und Zinshausfluchten und über seine angenehmen Beziehungen zu höchsten Kreisen.
Mit einem Schlage war es wieder klar: Max war unglaublich beliebt.
Neidhammel gibt es überall, und überall gibt es Zweifler, die glauben, grosse Leistung nähre sich nur von trockenem Brot und wachse nur in Dachkammern und Armseligkeit. Solche Leute gönnten dem Seemannssohn natürlich eine gehörige Abreibung, zumal der Gegner Walter Neusel so wunderschön blond war.
Gerade war auch die Neigung wieder aufgekommen, sich mit Frankreich in gutes Einvernehmen zu setzen, man wollte unnötige Reibereien vor der Saarabstimmung vermeiden, ja, man hörte sogar französische Schallplattenmusik auf deutschen Sendern, und so mussten die allzu patriotischen Zungen schweigen, denen das Pariser Training des Westfalen nicht genehm schien. Walter Neusel, in Sportkreisen längst als kommender Mann bekannt, war den meisten Zeitungslesern und Rundfunkhörern ein gänzlich neuer Name, hatte doch auch er seine grössten Lorbeeren auswärts gepflückt, und das in einer Zeit, deren Ohr fast ganz auf die Heimat gerichtet war.
Walter Rothenburg sorgte für ausgezeichnete Rahmenkämpfe. Er wollte die Würde der Angelegenheit nicht durch Kleinkram herabmindern. So sicherte er sich den Kampf um die Schwergewichts-Meisterschaft zwischen dem Kieler Witt und dem Kölner Heuser, was bei anderer Gelegenheit durchaus ein Hauptkampf gewesen wäre, hier jedoch auch nicht etwa in den Schatten der Titanen abfiel, wie einige Nörgler meinten, sondern die Vorteile einer vielfachen Zuschauerzahl und einer ungewöhnlichen Presse genoss.
Schmeling oder Neusel? Das war das Frage- und Antwortspiel, das in den Sportkreisen aller Welt wiedertönte, in Hamburg aber jedes andere Gespräch schon Tage vor dem Kampf zuzudecken begann. Max oder Walter? Man hörte die Namen in den Vorortbahnen, in den Elektrischen, in den Speichern und Kontoren, an den Landungsstegen, auf den Schiffen und vor allem in den Hamburger Zigarrenläden, die von alters her mit dem Vorverkauf für artistische und athletische Veranstaltungen betraut sind. Lebhaft wurden die körperlichen Vorzüge der beiden Helden besprochen, und kein sportbegeisterter Halbstarker war zwischen Alster und Elbe, der nicht die Tabelle des Lieblings mit seinen eigenen Körpermassen verglichen hätte, denn die beiden Helden waren gewogen und gemessen, sorgfältiger als jede Schönheitskönigin, und ihre Zahlen waren wie folgt:
Schmeling Nusel
Alter 28 Jahre 26 Jahre
Gewicht 176 Pfund 180 Pfund
Grösse 1,855 Meter 1,91 Meter
Reichweite 1,90 Meter 1,98 Meter
Hals 44,5 Zentimeter 44,5 Zentimeter
Oberarm 38 Zentimeter 39,5 Zentimeter
Unterarm 32 Zentimeter 33 Zentimeter
Schmeling Nusel
Handgelenk 20 Zentimeter 22,5 Zentimeter
Brust, eingeatmet 1,15 Meter 1,17 Meter
Brust, ausgeatmet 1,07 Meter 1,07 Meter
Taille 84 Zentimeter 89 Zentimeter
Oberschenkel 59 Zentimeter 61 Zentimeter
Wade 38 Zentimeter 38 Zentimeter
Fellel 24,5 Zentimeter 23 Zentimeter
Neusel war jünger, grösser und kräftiger. Die Damen setzten auf ihn. Aber Max war dafür ein kalter und erfahrener Kämpfer, und er war Hamburger, zumindest war er hier aufgewachsen. Sein Vater hatte bei der Hapag gefahren. Und wenn in Hamburg wie anderswo das Sprichwort vom Propheten im Vaterlande gilt, zu Hamburgs Ehre muss gesagt werden, fast der ganze Hamburger Hafen vom kleinsten Hamburger Fährjungen bis zum Hafenkommandanten, vom Schauermann bis zum Reedereidirektor setzte auf Max.
Das Nicht-Hafenpublikum jedoch, Sport wie Laie, hatte sich ziemlich von Max abgewandt. Der Grund war weniger in seinen Niederlagen zu suchen. Die kaufmännisch erzogene Stadt wusste, dass es ein Leben ohne Rückschläge nur im Himmel gibt. Vielmehr war es seine Filmheirat. Galt derzeit in Prag ein „Preisboxer“ nicht viel, so galt in Hamburg eine „Filmdiva“ wenig. Damals noch. Inzwischen hat der aufsteigende Ruhm von Hans Albers langsam die Ansichten geändert, und die Begeisterung für diesen St. Georger Schlachtersohn, für den „blonden Hans“, kommt der einstigen für den „blonden Hans“ Breitensträter ganz nahe und strahlt allmählich auch auf weibliche Filmsterne über. Die hansische Filmsternfremdheit ist erklärbar. Hamburg hat bald nach dem Kriege einmal die Gründung einer Filmgesellschaft nebst Atelier erlebt. Es war die „Vera“. Sie erwies sich als unkaufmännisch. „Unsolide“ sagt der Hamburger. Nie hat er die bedeutenden Erfahrungen Berlins gekostet. Die zweitgrösste Stadt Deutschlands, der grösste Welthafen des Kontinents scheint kein Boden für eine bedeutende Filmindustrie zu sein. Vielleicht liegt es nur am Klima. Übrigens war der einzige grossgedachte Spielfilm, den die „Vera“ einst in Angriff nahm, ein „Boxerfilm“; ein gewisser Fred Marcussen spielte die Hauptrolle, und der Höhepunkt der Handlung war sein Boxkampf mit einem lebenden Bären.
Gegen Berlin gesehen war Hamburg filmisch Provinz. Berlin aber war in die kleine liebreizende Anny Ondra seit langem verliebt. War sie doch, genau wie Max, sozusagen längst Berlinerin geworden. Kein grosses gesellschaftliches oder öffentliches Ereignis war dort denkbar ohne die beiden, ohne dieses so berühmte als malerische Paar. Und ganz anders beschäftigt sich die Presse der Reichshauptstadt und, von ihr bestimmt, das Publikum mit allem, was so weit gediehen ist, „Liebling“ zu sein. Hamburg ist von Natur zurückhaltender. Auch Berühmtheiten vermögen in Hamburg ungestört zu bleiben. Und vielleicht nur noch in London vermag man so privat zu leben wie in Hamburg.
Die ganze Berliner Presse und mit ihr die Berliner tippten bei der Begegnung Schmeling — Neusel auf Max. Das Ausland, vor allem Frankreich und Amerika, entschied sich hingegen durchweg für den neuen Mann Neusel.

Am Sonnabendmittag kam Neusel in einem Sonderflugzeug zeitig aus Paris. Auf dem Flugplatz zu Fuhlsbüttel hatte sich eine M...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Kolophon
  3. Lütt Mackie
  4. Klein Ānny
  5. Mackie verdient Geld
  6. Ānnys erstes Theater
  7. „Klopfet an, so wird euch aufgetan“
  8. Es wird ernst mit dem Theater
  9. Max geht auf Wanderschaft
  10. Der grosse Bauernfilm
  11. Neue Sterne
  12. Erste Erfolge
  13. Ānny blickt über den Horizont
  14. Der erste Titel
  15. Prag, Berlin, London
  16. Europameister
  17. Ānny in London
  18. Über den Ozean
  19. Es liegt ein Ton in der Luft
  20. Erste Kämpfe in Āmerika
  21. Sündig und süss
  22. Paolino
  23. Ānny wird beliebt
  24. Berliner Tonfilmentscheid
  25. Zwischen Film und Weltmeister
  26. Ānnys Herz erfährt einen Hauch
  27. Der Weltmeisterkampf
  28. Sterne, die einander begegnen
  29. Young Stribling
  30. Wiedersehen
  31. Verliebtheit
  32. Wieder Sharkey
  33. „Kiki“ und „Baby“
  34. Der Bärenkampf
  35. Hochzeit
  36. Steve Hamas
  37. Barcelona
  38. Sterntakel Max Schmeling
  39. Sterntakel Ānny Ondra
  40. Neue Filme
  41. Der Neuselkampf
  42. Klein-Dorrit
  43. Ābklang 1934
  44. Und wieder Hamas
  45. Haus und Film und Ring