Die Frau Professorin. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte
eBook - ePub

Die Frau Professorin. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte

  1. 128 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Die Frau Professorin. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Eine Geschichte über ein grundverschiedenes Paar: Reinhard ist Professor an der Kunstakademie und verliebt sich in die vom Dorf stammende Lorle. Das Ehepaar zieht in eine Residenzstadt, doch schon bald zeigt sich, dass Lorle sich in der Stadt nicht wohlfühlt und Reinhard zunehmend davon genervt ist, seine Frau in die städtischen Kreise einführen zu müssen. Als auch ein Versuch der Vereinbarkeit misslingt, zieht Lorle zurück in ihr Dorf...Die "Schwarzwälder Dorfgeschichten" bestehen aus 27 Erzählungen, die Berthold Auerbach zwischen 1843 und 1880 verfasste und mit denen er die literarische Gattung der Dorfgeschichte maßgeblich prägte. Sie spielen alle im ländlichen Raum des Schwarzwalds und charakterisieren das Dorfleben und seine Bewohner.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Die Frau Professorin. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte von Berthold Auerbach im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Literatur & Altertumswissenschaften. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2020
ISBN
9788726614527

Das war ein Sonntagsleben.

Am andern Morgen stand der Collaborator ganz früh vor dem Bette Reinhards und sang mit wohlgebildeter, kräftiger Stimme, die man ihm nicht zugemuthet hätte, das Lied aus Preciosa: ,,Die Sonn’ erwacht“ mit Webers thaufrischer Melodie. Reinhard schlug murrend um sich.
„Ein Mann wie du,“ sang der Collaborator recitando, ,,der das herrliche Bild Sonntagsfrühe abconterfeit, darf einen Morgen nicht verschlafen, wie der heut, bum, bum.“
Reinhard war still und der Collaborator fuhr sprechend fort: „Was fangen wir heut’ an? Es ist Sonntagmorgen, es hat heut’ Nacht geregnet, als ob wir’s bestellt hätten; Alles glitzert und flimmert draussen. Was treiben wir nun? Giebt’s keine Kirchweihe in der Nähe? Kein Volksfest?“
„Vrat’ dir ein Volksfest,“ entgegnete Reinhard, ,,trommle dir die Massen zusammen, die du brauchst, und sattle dein Gesicht mit einem Operngucker; wirf Geld unter die Kinder, dass sie sich raufen und übereinander purzeln, dann hast du ein Volksfest mit ipse fecit.“
„Du warst gestern Abend so lustig und bist heute so mürrisch.“
„Ich war nicht lustig und bin nicht mürrisch; ich bin nur ein Kerl, der eigentlich allein sein sollte und verdammterweise doch keinen Tag allein sein kann. Pass auf, wie ich’s meine. Es ist mir lieb, wenn du bei mir bist; ein Freund wie du, der’s so treu meint, ist wie wenn man Geld im Schrank hat; braucht man’s auch nicht, es unterstützt doch, weil man weiss, man kann’s holen, wenn Noth an Mann geht. Also bleib’ die noch übrigen Tage deiner Ferien da, aber lass mich auch ein bischen mir.“
„Ich begreife dich wohl. Hier empfängst du den Kuss der Muse und da darf kein fremdes, betrachtendes Auge dabei sein. Ich will dich gewiss ganz dir überlassen, stets zurücktreten, wo sich dir irgend ein Motiv zu einem Bilde bieten könnte; da darf man nicht mit Fingern hindeuten, nicht einmal profanen Auges hinschauen. Die Wurzel, die schaffende Triebkraft alles Lebens, ruht im Dunkel, wo kein Sonnenblick, wo kein Auge hindringt.“
,,Das, auch,“ sagte Reinhard, „und für dich selber merke dir: will nicht von jedem Augenblicke etwas, ein Resultat, einen Gedanken und dergleichen; lebe und du hast Alles. Wir stecken in der Gedankenhetzjagd, die uns gar nicht mehr in Ruhe das Leben geniessen lässt, du vor Allen, aber ich kann auch sagen wie jener Pfarrer in seiner Strafpredigt: Meine lieben Zuhörer, ich predige nicht nur für euch, ich predige auch für mich. — Lass und leben! leben! Der Hollunder blüht, er blüht und nicht blos damit ihr Euch einen Thee daraus abbrüht, wenn ihr euch erkältet habt.“
,,Entschuldige, wenn ich dir sage,“ bemerkte der Collaborator in zaghaft rücksichtsvollem Tone, ,,es steckt mehr Romantik in dir als du glaubst, das war ja auch die blaue Blume der Romantiker: ohne alle Reflexion zu sein, im Volgenuss des Nichtwissens.“
„Bin nicht ganz einverstanden, aber meinetwegen heiss’ es Romantik, wenn das Kind einen Namen haben muss.“
Reinhard stand halb angekleidet am Fenster und sog die Morgenluft in vollen Zügen ein; plötzlich prallte er zurück, der Collaborator sprang schnell an das leere Fenster und sah hinaus. Das Wirthstöchterlein ging über den Hof, luftig gekleidet, ohne Jacke und barfuss. Eine Schaar junger Enten umdrängte sie schnatternd.
„Ihr Fresserle,“ schalt sie und verzog Damit trotzig den Mund, ,,könnet’s nicht verwarten, bis eure Kröpfle vollgestopft sind? Euch solltʼ man alle Viertelstund’ anrichten, nicht wahr? Nur stet, ich hol’s ja, nur Geduld, ihr müsset halt auch Geduld lernen; aus dem Weg! ich tret’ euch ja.“
Die jungen Entchen hielten an, als ob sie die Worte verständen, das Mädchen ging nach der Scheune und kam mit Gerste in der Schürze wieder. „Da,“ sagte sie, eine Handvoll ausstreuend, „g’segn’ euch’s Gott! Gunnet’s euch doch, ihr Neidteufel und purzelt nicht über einander weg, scht!“ scheuchte sie und warf eine Handvoll Gerste weiter abseits, „ihr Hühner, bleibt da drüben.“ Der Hahn stand auf der Leiter an der Scheune und krähte in die Welt hinein. „Kannst’s, noch, accurat wie gestern,“ sagte das Mädchen sich verbeugend, „komm’ jetzt nur ’runter; bist halt grad wie die Mannsleut’, die lassen immer auf sich warten, wenn das Essen auf dem Tisch steht.“
Der Hahn kam auch herabgeflogen und liess sich’s wohl schmecken, plauderte aber viel dabei; wahrscheinlich hatte er eben etwas Geistreiches oder Possiges gesagt, denn eine gelbe Henne, die gerade ein Korn aufgepickt hatte, schüttelte den Kopf und verlor das Korn. Der Galante sprang behende herzu, holte das Verlorene und brachte es mit einem Kratzfusse, einige verbindliche Worte murmelnd.
„Guten Morgen, Jungferle,“ rief jetzt der Collaborator in den Hof hinab; das Mädchen antwortete nicht, sondern sprang wie ein Wiesel davon und ins Haus; die jungen Enten und die Hühner schauten bedeutsam nach dem Fenster hinauf, sie mochten wol ahnen, dass von dorther die Störung gekommen war, die ihnen die fernere Nahrung entzog.
„Das ist ein Mädchen! ach, das ist ein Mädchen!“ rief der Colaborator in die Stube gewendet und ballte beide Fäuste zum Himmel; er durchmass hierauf zweimal ohne zu reden die Stube, stellte sich dann vor Reinhard und begann wieder:
,,Da hast du’s, ich kann weiter nichts sagen als: das ist ein Mädchen. Kein Epitheton genügt mir, keines. Hier haben wir ein Gesetz der Volkspoesie, sie gibt den vollsten Ausdruck, macht die tiefste Wirkung oft blos durch das einfache Substantiv, ohne Epitheton; meiner Sprache steht jetzt in solcher Entzückung nicht mehr zu Gebote, als der eines Bauernburschen.“
„Was hältst du davon, wenn wir uns mit dem Epitheton „göttlich“ begnügten?“
„Spotte jetzt nicht, das Mädchen musst du malen, wie es dastand, eins mit der Natur, zu ihr redend und von ihr begriffen, die vollendete Harmonie.“
„Es wäre allerdings etwas nie Dagwesenes: ein Mädchen im Hühnerhofe.“
„Nun, wenn auch nicht so, das Mädchen musst du malen, hier ist dir ein süsses Naturgeheimniss nahegestellt, du“ —
„Ins Teufels Namen, so schweig doch still, wenn es ein Geheimniss ist. Du schwatzest schon am frühen Morgen, dass man nicht mehr weiss, wo Einem der Kopf steht.“
Die beiden Freunde sassen eine Weile lautlos bei einander; endlich sagte der Collaborator aufstehend:
,,Du hast Recht, der Morgen ist wie die stille Jugendzeit, da muss man den Menschen allein lassen, für sich, bis er nach und nach aus sich erwacht; man soll ihn nicht aufrütteln. Ich gehe in den Wald, du gehst doch nicht mit?“
„Nein.“
Der Collaborator ging und Reinhard sass lange still, das viele Reden und Rütteln des Collaborators hinterliess ihm die Empfindung, als ob er von einer geräuschvollen Reise käme; die ruhige Spiegelglätte des Morgenlebens war ihm zu hastigen Wellen aufgehetzt. Reinhard war verstimmt und nervengereizt, er legte sich nochmals auf das Bett und verfiel in leisen Schlummer. Die Glocken des Kirchthurms weckten ihn, es läutete zum Erstenmal zur Kirche. Reinhard ging hinab in die Küche; die Bärbel, seine alte Gönnerin, die sonst so freundlich mit ihm geplaudert hatte, war unwirsch, sie sagte, er solle nur in die Stube gehen, sie hielte ihm schon seit drei Stunden den Kaffee bereit und man könne ja das Feuer nicht ausgehen lassen von seinetwegen. Reinhard war eben im Begriffe ihr eine barsche Antwort zu gehen, er hatte es genug, sich über den gestrigen Scherz hart behandeln zu lassen, da hörte er die Stimme Lorle’s von der Laube:
„Bärbel, komm ause, guck ob’s so recht ist.“
„Komm’ du ’rein, ist grad so weit; mach nur fort, es wird schon recht sein.“
Ohne eine Antwort gegeben zu haben, verliess Reinhard die Küche, er ging aber nicht in die Stube, sondern fast unhörbar nach der Laube. Ungesehen von dem Mädchen konnte er dasselbe eine Weile beobachten; er stand betroffen beim ersten Anblick. Das war ein Antlitz voll seligen, ungetrübten Friedens, eine süsse Ruhe war auf den runden Wangen ausgebreitet; diese Züge hatte noch nie eine Leidenschaft durchtobt oder ein wilder Schmerz, ein Reuegefühl verzerrt, dieser feine Mund konnte nichts Heftiges, nichts Niedriges aussprechen, eine fast gleichmässige zarte Röthe durchhauchte Wange, Stirn und Kinn, und wie das Mädchen jetzt mit niedergeschlagenen Augen das Bügeleisen still auf der Halskrause hielt, war’s wie der Anblick eines schlafenden Kindes; als es jetzt die Krause emporhob, die grossen blauen Augen aufschlug und den Mund spitzte, trat Reinhard unwillkürlich mit Geräusch einen Schritt vor.
„Guten Morgen, oder bald Mittag,“ nickte ihm Lorle zu.
„Schön Dank, seid Ihr wieder gut?“
„Ich bin nicht bös gewesen, ich wüsst’ nicht warum. Habt Ihr gut geschlafen?“
„Nicht so völlig.“
„Warum? Habt Ihr was träumt? Ihr wisset ja, was man in der ersten Nacht in einem fremden Bett träumt, das trifft ein.“
,,Aber mein Traum nicht.“
„Nun, was ist’s denn gewesen? Dürfet Ihr’s nicht sagen?“
,,Ganz wohl, und Euch besonders, ich hab’ von Euch träumt.“
„Ach, von mir, das kann nicht sein. Gucket, machet mir keine Flatusen; es hat mich verdrossen, wenn Ihr mich früher Grundel geheissen habt, aber es wär’ mir noch lieber, wenn Ihr so saget, als wenn Ihr mir so was Gaukliches vormachet.“
„Ich kann ja auch was träumt haben, das gar kein’ Flatuse ist. Machet aber nur kein Gesicht, es ist nichts Böses, es ist blos dumm. Mir hat’s träumt, ich sei mit Euch auf dem Bernerwägele gesessen und Euer Rapp war angespannt, und hat eine grossmächtige Schelle um den Hals gehabt, die hat geläutet wie die Kirchenglock’, und der Kapp ist nur so durch die Luft dahingeflogen, seine Mähne ist hoch aufgestanden und man hat kein Rad gehört und wir sind doch immer fort und fort. Ich hab’ den Rapp halten wollen, er hat mir aber schier die Arme aus dem Leib gerissen und Ihr seid immer ganz ohne Angst neben mir gesessen und so immer fort; plötzlich legt sich der Wagen ganz sanft um und wir sind auf dem Boden gelegen, da ist mein Kamerad kommen und hat mich geweckt.“
„Das ist ein wunderlicher Traum, aber in den nächsten vier Wochen fahr’ ich nicht mit Euch. Was ich hab’ sagen wollen, Euer Kamerad ist ein wunderlicher Heiliger, mein Vater sagt, er sei stolz und hochmüthig, ich mein’ eher, er sei zimpfer und ungeschickt.“
„Ihr habt ihm doch seine Störung verziehen?“
„Ja. Seid Ihr auch schon auf gewesen?“
„Nicht ganz. Mit meinem Kameraden habt Ihr Recht, er ist nicht stolz, im Gegentheil scheuch und furchtsam.“
„Ja, das hab’ ich auch denkt, und grad weil er scheuch und furchtsam ist, da geht er so auf die Leut’ ’nein und thut wie wenn er sie zu Boden schwätzen wollt’. Wie ich vorlängst bei der Vroni auf der Hohlmühle gewesen bin, Ihr wisset ja, sie ist mit meinem Stephan versprochen, sie heirathen bis zum Herbst und er übernimmt die Mühle; Ihr seid doch auch noch da zur Hochzeit?“
„Kann sein, aber Ihr habt mir was erzählen wollen?“
„Ja, das ist Recht, dass Ihr Einen beim Wort behaltet, ich schwätz’ sonst in den Tag ’nein. Nun wie ich drunten in der Hohlmühle bin, da wird’s Nacht und da haben sie mir das Geleit geben wollen, ich hab’s aber nicht zugeben und es wär’ mir doch recht gewesen. Ich bin halt jetzt allein fort, im Wald da ist mir’s aber katzhimmelmäuslesangst worden, und weil ich mich so gefürcht’t hab’, da hab’ ich allfort pfiffen, wie wenn ich mir aus der ganzen Welt nichts machen thät. Ja, wie komm ich denn aber jetzt da drauf, dass ich Euch das erzähl’?“ schloss Lorle, die Lippen zusammenpressend und die Augen nachdenklich einziehend.
„Wir haben von meinem Kameraden gesprochen und“ —
„Ja, Ihr bringet mich wieder drauf; der pfeift auch so lustig, weil er Angst hat, nicht wahr?“
,,Vollkommen getroffen. Ihr müsst nun aber recht freundlich gegen ihn sein, er ist ein herzguter Mensch, der’s verdient, und es wird ihn ganz glücklich machen.“
,,Was ich thun kann, das soll geschehen. Ist er noch ledig?“
,,Er ist noch zu haben, wenn er Euch gefällt.“
„Wenn Ihr noch einmal so was saget,“ unterbrach Lorle, das Bügeleisen aufhebend, „so brenn’ ich Euch da den Bart ab. Ja, dass ich’s nicht vergess’, lasset Euch Euern Bart nicht abschwätzen, er steht Euch ganz gut.“
,,Wenn er Euch gefällt, wird er sich um die ganze Welt nichts scheeren.“
,,Was gefällt? Was ist da von gefallen die Red’?“ ertönte eine kräftige Weiberstimme, es war die der Bärbel.
,,Das Lorle ist in meinen Kameraden verschossen,“ sagte Reinhard.
,,Glaub’ ihm nichts, er ist ein Spottvogel,“ rief das Mädchen und Bärbel entgegnete:
,,Herr Reinhard, ganget ’nein und trinket Guern Kaffee; Ich g’wärm ihn Euch nimmer.“
,,Geht Euer Goller da in die Kirch’?“ wendete sich Reinhard an Lorle und erhielt die Antwort:
„Nein, das gehört der Bärbel, die geht, ich bleib’ daheim; Ihr geht doch auch?“
,,Ja,“ schloss Reinhard und trat in die Stube. Er hatte eigentlich nicht die Absicht gehabt, in die Kirche zu gehen, aber er musste und wollte jetzt; er musste, weil er’s versprochen, und wollte, weil Lorle allein zu Hause blieb. Und wie wir unsern Handlungen gern einen allgemeinen Charakter gehen, so redete er sich auch ein, er gewinne durch die Theilnahme an dem Kirchengange auf’s Neue die Grundlage zur Gemeinsamkeit des Dorflebens und ein Recht darauf.
Während Reinhard in der Stube dies überdachte, sagte Lorle draussen auf der Laube: ,,Denk nur, Bärbel, er hat heut Nacht von mir träumt.“
,,Wer denn?“
„Nu, der Herr Reinhard.“ Lorle verfehlte nie, auch wenn sie von dem Abwesenden sprach, das Wort ,,Herr“ zu seinem Namen zu setzen.
„Lass dir von dem Fuchsbart nichts aufbinden,“ entgegnete Bärbel.
„Und der Bart ist gar nicht fuchsig,“ sagte Lorle voll Zorn, „er ist ganz schön kästenbraun und der Herr Reinhard ist noch grad so herzig wie er gewesen ist, und du hast doch früher, wo er nicht dagewesen ist, immer so gut von ihm gered’t und du hast Unrecht, dass du jetzund so über ihn losziehst. Wenn er auch den Spass mit dem Ausschellen gemacht hat, er ist doch nicht stolz, er red’t so gemein und so getreu.“ —
„Ich kann nichts sagen als: nimm dich vor ihm in Acht, und du bist kein Kind mehr.“
,,Ja das mein’ ich auch, ich weiss doch auch wie Einer ist, ich . . .“
,,Gib mir mein Goller, du zerdrückst’s ja wieder,“ sagte Bärbel und ging davon.
Reinhard wandelte sonntäglich gekleidet mit Stephan und Martin nach der Kirche. Alles nickte ihm freundlich zu, Manche lachten noch über die seltsame Bartzier, aber der Träger derselben war ihnen doch heimisch; sie fühlten es dunkel, dass er zu ihnen gehörte, da er nach demselben Heiligthume, zu derselben Geistesnahrung mit ihnen wallfahrtete.
Auf dem Wege fragte Martin: „Nun was saget Ihr aber zu unserm Lorle? ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Kolophon
  3. Es kamen zwei fremde Gesellen.
  4. Das war ein Sonntagsleben.
  5. Bergaus und bergein.
  6. Hoch zum Himmel hinan!
  7. Nur stet.
  8. Sie ziehen in die weite Welt.
  9. Zwischen hohen Mauern.
  10. Fürnehmes Leben, fürstliches Brod.
  11. Die Flügel ausgebreitet!
  12. Und dann?
  13. Über Die Frau Professorin. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte
  14. Anmerkungen