Grenze der Erfüllung
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Grenze der Erfüllung

  1. 70 Seiten
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Grenze der Erfüllung

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Über dieses Buch

Der Band versammelt die fünf Novellen "Sterbende Unendlichkeit", "Die Flöte", "Die Flucht", "Die ewige Wanderschaft" und "Gespenstischer September". In diesen frühen Erzähltexten Hollanders schwingt eine eigene Melodie, ein expressionistisches Pathos, eine lyrische Musikalität, die das Lesen zu einem in doppeltem Sinne "unheimlichen" Genuss, die Lektüre zu einem ganz besonderen Erlebnis macht. "Sterbende Unendlichkeit" berichtet im Rückblick von Krankheit und Sterben der Geliebten und lässt die Stationen dieser Amour fou noch einmal Revue passieren: "In einer Nacht, als die Schweigsamkeit unserer rastlosen Vereinigungen uns die Kehlen verschnürte, hieben wir – da keine Worte mehr von unseren Zungen kamen – einander die Zähne ins Fleisch und erwachten ungetrennt am andern Morgen vom Schmerz der Wundmale." "Die ewige Wanderschaft" berichtet die Geschichte von Michael, einem "Abenteurer aus leidenstollem Ungenügen an der eignen verflachenden Seele", der die schöne Angelika kennen und lieben lernt, ihr ein Kind schenkt, sie aber zuletzt aus der inneren Unruhe des ahasverischen Wanderers heraus verlassen muss: "Ich aber muß zu den Feuern des Ostens, meine Flammen schlagen der aufgehenden Morgenröte entgegen, die mich verbrennen wird." Von ähnlicher rätselhaft-beklemmender und zugleich verstörend fesselnder Eindringlichkeit sind auch die drei anderen Novellen dieses sich unerbittlich drehenden Novellenkreises.-

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Information

Jahr
2017
ISBN
9788711474600

Die ewige Wanderschaft

Sterbender flammte ich niemals!
Nicht mehr gerötet vom Blut,
Das meinem Herz entsprang.
Nicht mehr gequält vom Blasserwerden
Der Sterne vor Deinem Haus.
O Horizont, du!
Masslos von Wolken vergittert
Schmerzlich gezäunt von brennendem Untergang.
Wo fände ich Heimat, die nicht mein taumelndes Herz
Anspränge
Tötend die ewige Wieöerkehr.
Erhebt euch Bäume mit mir!
Ihr Heimatgehefteten.
Wandelnd zu langsam dem härteren Takt meiner Füsse!
Wandelt mit mir im Staube der ewigen Strasse,
Die Deinen Namen
So schweren Muts
Ins Dunkle trägt.
Michael, ein Abenteurer aus leidenstollem Ungenügen an der eignen verflachenden Seele, die als ein nüchterner Spiegel beissend und klar die hetzende Fahrt bilderweise in sich aufnahm und von sich warf, liess an der Biegung zum dreissigsten Jahr sein Leben mit scharfer Wendung in dem Sand einer gesättigten Verzweiflung festlaufen. Es erschien ihm, als zerfalle hinter seinem schaudernden Rücken eine ausgelohte Welt zu kläglichen Aschen und es müsste beginnen der Aufbau auf der Zertrümmerung des gehirnlich und genusslich Erdachten.
Als er aber aus den heissen Feuern der Besinnung und Stockung den Kopf zurückwandte, sah er, dass die Welt inzwischen seinen Weg verfolgend am Abgrund der ziellosen Wirklichkeit angelangt war und mit dem Blutschrei aus Millionen Kehlen sich in den Krieg stürzte. Verbissen erkannte er, dass er jetzt mit zu leiden habe, ein Mitschuldiger er, ein Auchbesessener. Er zögerte nicht einzugestehen, dass nun in der Riesenarena von einer getriebenen Menge schlechtbezahlter Gladiatoren das irrsinnige Drama aufgeführt würde, das er in seinen Sinnen vielfach, blutiger und absoluter erdacht und inszeniert hatte.
Trotz der begründeten Einsicht, dass für ihn bereits der Kampf ausgekämpft und die Niederlage einer entgötterten Welt längst schmerzlich und sinnreich besiegelt war, versuchte er nicht, sich irgendwie seinen Gläubigern zu entziehen. Er wurde Soldat und diente in ungezählten qualvollen Nächten, in Opfern der Haut, der Seele und der Nerven seine Sünden des Mitschwimmens, der Duldung des unduldbaren Hasses, des Mithasses und des Schweigens über die verborgenen Schreie der Geknechteten ab. Grausig verzerrt lebte er sein vergangenes und schon abgetanes Leben der Jagd, des Geplänkels und des mörderischen ziellosen Kampfes noch einmal. Ihm, dem ein Spiel mit dem Tode nur eines der vielen Abenteuer gewesen war, wurde nun mählich ganz klar, wie lächerlich es ist, nah am Tode zu sein, ehe der Schmiedehammer des Willens das Werk vollendet. Unter den Herzen, die ungeformt in die Erde gestampft wurden, auch sein Herz faulen zu lassen, sein Herz, in das der Griffel Gottes die ersten ungeschickten Bilder geritzt hatte, — das schien ihm unmöglich. So hielt er sich hoch über allem Geschehen fest, blieb aufrecht, wo Andere sanken und kehrte am Ende der Qualen mit zerrüttetem Körper und aufrechter Seele zurück. Ziellos und umhergetrieben, erwachend aus dem tollen, lärmenden Traum blieb ihm ein Schleier über die Welt gebreitet, eine Tür verschlossen vor jedem Eingang.
Zu einem welkenden Strauss bunter wahlloser Blumen zusammengebunden, hielt er sein Leben in den Händen, ein Freier, ein Werbender aus Verzweiflung. Nur von einer Frau noch erhoffte er Rettung aus dem verzerrenden Taumel in das Nichts des täglich verrauschenden Lebens und den endlichen Einblick in die Mystik der Vollendung, von einer Frau selten gemischt aus Hingabe und Trieb.

An dem Abend, da Michael auf Angelika traf, erschien es seinem wandersüchtigen Herzen unheimlich und verlockend in diesem empfängnisdurstigem Herzen zu wurzeln. In heissen Wogen brandete sein Blut um den Gedanken, Frucht zu bringen. Glanz sah er aus dem verzehrenden Blau der Augen Angelikas brechen und auf seinen Scheitel fallen, der schon in den Einsamkeitsschnee des ewigen Alters ragte. Erinnerung nutzloser Wege stand auf und befahl, nicht mehr zu zögern, Griff und Schritt zu beschleunigen, diesen Meteor aus seiner silbernen Bahn an die unerfüllte Brust zu reissen.
Noch scheute er, der Werbung nachzugeben, die stürmisch hinter seinen Lippen stand und lenkte seinen Blick, indes sie wortlos miteinander gingen, in das sinnlose Gewühl der steinumgrenzten Stadtstrasse, horchte gequält den überflüssigen Worten der Vorübergehenden nach und spann aus den abgerissenen Fetzen der Gespräche, Blicke und Gebärden den gleichgültigen Verlauf gleichgültiger Schicksale zusammen. Aufflammen, Brennen und Verzischen, Begehren, Trinken, Sättigung und Hass ergriff er gleichermassen. Er lächelte des nie enttäuschten Mutes der Strassenwanderer und sah, betroffen von Schönheit, dem gespannten Profil einer Frau nach, die festlich weiss in einem erleuchteten Wagen in die Ferne fuhr. Endlich erwachend aus dem Spuk der fremden Schicksale fühlte er, dass sein Herz durch die zerstörenden, erzwungenen Wanderungen dieses Krieges doch aus der Ferne vertrieben sei und stiess inmitten der Strasse mit Hammerworten nach Angelika. Er liess die erstaunt Lächelnde nicht mehr zu ihren Gedanken zurückfliehen, sperrte Vergangenheit und Gegenwart mit lodernden Wortfeuern von ihr ab und riss die noch zögernde mit der Wucht steiler Männlichkeit über seine Schwelle.
Angelika aber, ganz eingehüllt in das Lächeln des Untergangs, stürzte mit dem leisen Schrei eines jungen Vogels in den Vulkan der brennenden Nacht. Verloren an die Wunder ihres erwachenden Leibes fühlte sie sich bald wieder hinausgeschleudert aus den brennenden Schächten in den Flug der heiligen Einigung. Mit rasenden Schlägen hefteten die Herzen immer fester die im Fluge sich dehnenden Leiber aneinander und auf den dünnen Spiralen der Lust bis weit über die Wolken erhoben empfing Angelika den zuckenden Samen wie feurigen Sternregen.

Michael schlief nicht in der ersten Nacht. Andächtig über die Schlafende gelehnt, fühlte er wie die schmiegsame Haut der Geliebten unter dem zärtlichen Winde der genossenen Wollust erschauerte, wie die zur Frau Gewandelte sorglos sich dehnte unter dem Schatten seines Gesichts. Schicksal — endlich! — hatte ihn ergriffen, Gesetz ihn, den immer Ungehemmten, Demut vor der unverwölkten Stirn dieser Frau.
Später erinnerte er sich wohl, dass der Morgen ein unfassbares Wunder gewesen war. Wortlos gespendet und empfangen aus Herzen, deren schutterbaute Wände plötzlich in ihrer Morschheit zerrissen jedem Wort und jeder Gebärde offen standen. Dass die leeren Herzscheuern, sonst klaffend nur als Tor vor Schlünden, sich füllten mir goldnen Strömen der Heiterkeit.
Wirklich war, dass beide erschreckt, vom Lärm der Strasse, sich zuerst nicht sinden konnten, dass das Getrapp fremder Hacken auf dem Pflaster, die kühlen Stimmen der Morgenmenschen, das Schrillen der elektrischen Bahnen und das Kreischen der Asphaltkinder sie fremd und nackt vor einander machte. Dass Scham aufbrannte in Angelika, mit Lächeln unter fremden Augen stilliegen zu müssen, Freund zu sein, wo vielleicht nur Flamme und Holzscheit sich vermählt hatten.
Verschwommen und schmutzig wie abgestandnes Waschwasser lauerten die Morgenwolken hinter den schmalen Fensterscheiben und beide ersehnten, von einander abgewandten Gesichts, kaum anderes, als in diese Wolken hinein zu tauchen, dass wieder die Maske der kühlen Gleichförmigkeit ihre geöffneten Gesichter zuschlösse. Michael blieb ganz versunken bis ihn Angelikas Leid aus der Ernüchterung hob und er ihr aus zärtlichen Worten eine Brücke in ihr neues Leben baute, einen Steg der Zuneigung: „Geduld! Unser ist nicht das Brennen, aber das Leuchten weithin!“ Da barg Angelika ihr wieder aufflammendes Gesicht an Michaels Herzen, das allzu schnell springend und ungläubig das Ende des Weges schon erreicht hatte, nun aber überflammt von der plötzlichen Hingabe dem Morgenrot sich nicht mehr wehrte.
Auszulöschen nun alles, beschloss Michael, noch einmal auszulöschen die verwirrenden Lichter früherer Erkenntnis. Auszuschalten Flamme um Flamme, die den schon toten Götzen seiner Jugend noch brannte. Noch einmal Beginn! Noch einmal die Seele aus allen Nebeln heraus nackt in die Sonne der anbetenden Ehrfurcht gestellt! Wie er Angelikas Welt mit kurzem Worten und wenigen Griffen zerbrochen hatte, so dass ihr sein mächtiger Leib auf leerem Feld riesenhaft gegen den gottlosen grauen Himmel sich hob und sie einen Augenblick unsicher schwankend in der klaren durchsichtigen Einsamkeit scharf nach seinen dargebotenen Händen griff, so verlangte er für sich nicht grösseren Halt, als die schmale hartkantige Schulter und den leise gebeugten Nacken Angelikas, über dem golden die Mittagssonne des glatten schweren Haares schien.
Umhüllt vom Taumel ihres dienenden Blutes, der Fülle einer begehrenden Demut, erschien es ihm nicht mehr erschreckend, den Lärm der Stadt von sich abzutun. Das Gewirr der ziellos umeinanderlaufenden Menschen zu verlassen, das Geschrei der Gassen in die schweigende Ferne zu rücken und dem Zerfall der instinktlosen Menschenhaufen auszuweichen. Sein an Abenteuern des waghalsigen Geistes geschärfter Blick erkannte den Untergang so hart in das fahle Gesicht der Stadt geschrieben, dass es gleichgültig für ihn sein konnte, nicht nötig abzuwarten, wann dieser beschlossene Zerfall sich vollzöge. Nachdem er Angelika gefunden, aus Kühle und scharfsinniger Inbrunst seltsam gemischt, lüstete ihn nicht mehr sich von den Trümmern der sturzbereiten Stadt zerschlagen, begraben zu lassen. Es erschien ihm nicht mehr würdig, länger zu bleiben da der Geruch seltsamer Genüsse nicht mehr den Kloakengestank der Fäulnis überwehte. So beschloss er, vor den neugierigen Fensteraugen der Häuser zu fliehen; sich zu bergen irgendwo in einer Ebene, zu wurzeln nah am Wald mit ihr der Erdnaheren und sie zu sich heranwachsen zu sehen. Vielleicht, dass doch Sonne und Himmel sich mit Angelika und seinem Herzen verschwisterten, vergatteten oder dem Schoss der Geliebten in einer fruchtschweren Nacht der Stern entspränge: Frucht Michaels und seiner Ewigkeit in einen neuen Menschen gebannt, in das Leuchten, das seinen Fingern grausam und spöttisch entglitten war.

Eine Landschaft fanden sie, ganz ohne die gebärdenreiche Leidenschaft hoher Berge oder stürmischer Flüsse, eine Ebene, zartfarbig aus hellen Feldern und dem dunklen Blau weniger Waldstücke zusammengefügt. Dort nahmen sie ein weisses, winziges Haus mit drei gewinkelten Zimmern, abseit des stillen dunkeldachigen Dorfes. Sie stellten die wenigen Möbel hinein, die Michaels Wanderfahrten überdauert hatten. Mit ein paar bunten Teppichen verdeckten sie die schadhaften Fussböden, hinter Reihen von Büchern, den seltsam untüchtigen Gesellschaftern aller Einsamen, versteckten sie die nackten Wände und nun nach einer merkwürdig leeren Pause des Atemholens auf so viel äussere Geschäftigkeit galt es, das Leben zu zweit aus dem leeren, ganz Abgetrennten heraus zu beginnen.
Damals stand Sommer über dem wirren Gebüsch des kleinen Gartens. Sonne zog Tag um Tag, ungewohnt für die noch lichtscheuen Herzen, ihren glühenden Halbbogen durch das matte Blau des deutschen Himmels, bleichend den Himmel, über den sie sich schwang, aufleuchtend zum satten L...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Kolophon
  3. Sterbende Unendlichkeit
  4. Die Flöte
  5. Die Flucht
  6. Die ewige Wanderschaft
  7. Gespenstischer September