Berliner Polizei von 1945 bis zur Gegenwart
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Berliner Polizei von 1945 bis zur Gegenwart

  1. 253 Seiten
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Berliner Polizei von 1945 bis zur Gegenwart

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Die Geschichte der Berliner Polizei seit Ende des Zweiten Weltkriegs – nicht nur für Krimi-Fans und Geschichtsinteressierte! Neben dem Fokus auf entscheidenden politischen Ereignissen in dieser wechselvollen Metropole, wie z.B. den Studentenunruhen der 1960er oder dem Mauerfall 1989, geht es selbstverständlich auch um Verbrechensbekämpfung. -

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Information

Jahr
2020
ISBN
9788726410495

Die Polizeireform von 1974

von Klaus Hübner

Zwischen 1969, als Hübner das Amt des Polizeipräsidenten übernahm, und 1987, als er nach anhaltenden Querelen vom Berliner Abgeordnetenhaus abberufen wurde, standen Berlin und seine Polizei immer wieder im Brennpunkt dramatischer Ereignisse und Entwicklungen. Stellvertretend seien hier nur genannt: die Studentenrevolte, gewalttätige Demonstrationen, die Lorenz-Entführung, der »Häuserkampf«. Neben diesen Ereignissen schildert Klaus Hübner in seinem Buch »Einsatz« aber auch den bedeutenden Strukturwandel, den er im Polizeiapparat durchsetzte.
Die folgenden zwei Kapitel sind leicht bearbeitete Auszüge aus dem 1997 im Jaron Verlag erschienenen Buch.
Die Führung der Polizei, verstanden als Managementaufgabe, hatte ich in den Griff bekommen. Den täglichen Herausforderungen, auf die eine Sicherheitsbehörde reagieren muß, waren meine Mitarbeiter und ich gewachsen. Das sowohl den Bürgern wie der Politik zugewandte Agieren funktionierte gut, auch wenn es ein natürliches Spannungsfeld zwischen dem Innen und dem Außen gab. Dennoch konnte es nicht befriedigen, ein aus der Summe der Überzeugungen entwickeltes Konzept nur in unzählbaren pragmatischen Einzelschritten umsetzen zu können. Mental hatte sich die Berliner Polizei gewandelt, zumindest war sie im Aufbruch. Die organisatorischen Strukturen genügten den wachsenden Anforderungen jedoch nicht mehr. Neue Inhalte bedurften auch einer neuen Form.

An der Grenze der Leistungsfähigkeit

Der nahezu ungestüme Wiederaufbau der vom Kriege verwüsteten Stadt hatte den organisatorischen Aufbau der Polizeibehörde weit überholt. Über 120 Polizeireviere zeigten, über die Stadt verteilt, zwar noch ihre Türschilder, doch die Polizisten waren, der rasanten Motorisierung der Einwohner folgend, inzwischen ebenfalls in Autos gestiegen, die von den Revieren aus längst nicht mehr übersichtlich zu führen und einzusetzen waren.
Allein vom Jahre 1955 bis zum Jahre 1972 wuchsen die registrierten Straftaten von 70 000 auf 180 000 an. Während sie sich mehr als verdoppelten, stiegen die Einsätze der Funkwagen um mehr als das Dreifache, von 113 000 auf 374 000. Das beruhte nicht zuletzt darauf, daß sich die Zahl der Verkehrsunfälle von 26 000 auf 65 000 erhöhte. Die Polizei, deren Personalstärke sogar zurückgegangen war, konnte den Anforderungen des Alltags nicht mehr genügen. Die Arbeitszeitverkürzungen der letzten Jahre waren nie durch Personalzuwachs ausgeglichen worden. Weil mit unveränderter Kopfzahl 24 Stunden Schichtdienst abzudecken waren, bedeutete jede wegfallende Arbeitsstunde die Verringerung der Personalkapazität um 300 Beamte. Zunehmend bemerkte nicht nur ich, wie sich im täglichen Dienst der Kriminal- und der Schutzpolizei Frustration breitmachte. Die Arbeit stieg schneller an, als sie unter den gegebenen Umständen bewältigt werden konnte. Es ist logisch, daß ganz besonders die Gutwilligen unter dieser Aussichtslosigkeit am meisten litten.
Gewerkschaften, Personalräte und durch wachsende Unruhe mobilisierte Abgeordnete drängten auf Änderungen. Dabei fixierten sich fast alle auf strukturelle Neuordnungen, während ich mich darauf konzentriert hatte, zunächst die Führungsspitzen dieser Polizei für Neuerungen zu gewinnen. Es sollte sich später herausstellen, daß alle Rufer nach Veränderungen an Reformen bei allen anderen gedacht hatten, nur nicht daran, ihre eigene Position in Frage zu stellen.

Wirtschaftlichkeit als Maßstab

Auch in Hamburg war man unterdessen an die Grenzen der Leistungsfähigkeit der bestehenden Organisationsform gelangt. Mit seinem Kollegen im Hamburger Senat, der die Amtsbezeichnung Staatsrat führte, hatte unser Senatsdirektor Peter Ulrich, als Vertreter des Senators für Inneres, verabredet, sich an Ort und Stelle vom Fortgang einer Organisationsuntersuchung der Polizei zu unterrichten. Er bat mich, ihn zu begleiten, und so reisten wir am 13. Mai 1971 in die Hansestadt.
Mit der Untersuchung hatte der Hamburger Senat die amerikanisch-schweizerische Firma Knight-Wegenstein beauftragt. Wir gewannen den Eindruck, daß dieses Unternehmen mit ausgeprägter Professionalität und mit rücksichtsloser Gründlichkeit ans Werk zu gehen schien. Arbeitsteams junger Betriebs- und Volkswirte legten einem Staatsbetrieb unbefangen die Meßlatte des Kosten-Nutzen-Prinzips an und bewerteten die Struktur einer Behörde, ihren Aufbau, ihre Abläufe und Führungslinien, nach der Vorgabe, ob dieser Apparat seine Ziele nach kaufmännischen Gesichtspunkten mit Rendite erreichen könne. Das ergab in diesem für uns sichtbaren Stadium so überraschende Perspektiven, daß wir uns einer gewissen Faszination nicht entziehen konnten. Ergebnisse des laufenden Vorhabens waren noch nicht zu erkennen.
Uns beeindruckte freilich die Rigorosität, mit der die Prüfer vorgingen. Pure Kameralisten, die ihr Handwerk nach den geltenden Regeln der Staats-, Finanz- und Verwaltungspolitik gelernt hatten, mußte eigentlich das Entsetzen packen. Sie haben haushaltsrechtlich mit dem zu leben, was das Parlament für das laufende Haushaltsjahr für ihre Arbeit bereitstellt. Eigene Einnahmen, zum Beispiel aus Gebühren, können nicht verrechnet werden, sie fallen in den allgemeinen Haushalt und sind weiterer Betrachtung und Wertung entzogen. Was im laufenden Jahr nicht ausgegeben wird, verfällt in der Regel. Für das nächste Haushaltsjahr gilt: Neues Spiel, neues Glück. Kostenbewußtes Denken und Planen kann dabei nicht gedeihen.
Den Rest des interessanten Tages nutzten wir zu einem Gespräch mit meinem Kollegen Dr. Günter Redding, der, vom Verfassungsschutz kommend, jetzt als Polizeipräsident amtierte. Zu meiner grenzenlosen Überraschung hatte er offenbar überhaupt keine Einstellung zu dem, was in der Untersuchung vor sich ging. Weder konnte ich eine Zustimmung zur Sache erkennen noch eine Ablehnung. Er vertrat den Standpunkt, man müsse abwarten, was die Prüfer vorlegen und was der Senat daraus für Schlüsse zöge. Erst dann könne man weitersehen. Diese Indifferenz verschlug mir die Sprache. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß ich so emotionslos wie ein Zuschauer reagieren könnte, wenn man »meine« Behörde derart auf den Prüfstand stellen würde.

»Untersuchung der Polizei«

Schon auf dem Rückflug nach Berlin war ich mit Peter Ulrich einig, daß wir ein solches Abenteuer ebenfalls wagen sollten. Allerdings unter anderen Voraussetzungen. Wir gingen davon aus, daß die bei uns überfällige Reorganisation, sollte sie grundlegend sein, nur die politischen Instanzen passieren würde, wenn außenstehende, renommierte Fachleute die Argumentation unterstützten oder gar empfehlen würden. Von dem modern gewordenen Abwälzen der Entscheidungskompetenz auf externe Gutachter waren wir zu der Zeit noch weit entfernt.
Mit Senator Kurt Neubauer war der Senatsdirektor schnell einig. Ehe drei Wochen vergangen waren, saßen wir in einer kleinen Runde beim Senator zusammen und schmiedeten das heiße Eisen, das den harmlosen Arbeitstitel »Untersuchung der Polizei« bekam. Da mir meine Empfindungen bei dem Gespräch mit Redding in Hamburg noch sehr gegenwärtig waren, setzte ich alles daran, Subjekt der Untersuchung, also das denkende Ich, und nicht Objekt, also Gegenstand des Erkennens und damit neutralisiert, zu sein. Senator Neubauer und Senatsdirektor Ulrich teilten meine Ansicht, denn auch ihnen war klar, daß ein großer Wurf nur gelingen konnte, wenn die Polizei selbst an ihrer notwendigen strukturellen Erneuerung mitwirkte und eine positive Haltung dazu einnahm.
In unzähligen Einzelgesprächen begann ich, die Mitarbeiter davon zu überzeugen, daß die von allen gewollte Änderung der erstarrten Organisation zwar der eigenen Kraft bedürfe, doch politisch nicht ohne den ausschlaggebenden Impuls des Sachverstandes »von außen« zu bewerkstelligen sei. Das war auch ohne Schwierigkeiten einsichtig zu machen. Allerdings weckte der Gedanke, daß der »fremde Sachverstand« nun ins eigene Haus kommen und vor keiner Tür Halt machen würde, bei nicht wenigen erhebliches Unbehagen. Dem konnte ich bei den Bereitwilligen mit meiner bedingungslosen Entschlossenheit entgegenwirken, die Untersuchung zur eigenen Sache zu machen.

Wegenstein präsentiert sein Konzept

Nach intensiven Gesprächen mit den Wegensteinern fanden wir einen Weg, die Theorie der aktiven Beteiligung in die Praxis umzusetzen: Wir gründeten ein »Projektteam Polizei«, in dem die Gutachter der Firma Knight-Wegenstein eng mit Fachleuten meines Hauses zusammenarbeiteten.
Als Vorläufer dieses Teams hatte ich bereits am 9. Juli 1971 eine Arbeitsgruppe »Reform« zusammengerufen, in der neben dem Kommandeur der Schutzpolizei hochrangige Vertreter der einzelnen Sparten zusammen wirkten.
Am 26. Oktober ließ ich die Abteilungsleiter der Polizei mit dem geplanten Ablauf der Untersuchung bekanntmachen, und am 8. November präsentierte W. O. Wegenstein persönlich sein endgültiges Konzept für den Prüfungsauftrag bei Senator Neubauer.
Im Senat und im Abgeordnetenhaus holte der Senator die Zustimmung für die Untersuchung ein, die nicht gerade billig war. Die amerikanisch-schweizerische Firma konnte immerhin mit der Referenz aufwarten, daß sie gerade die Sanierung von Blohm & Voß in Hamburg betrieben, die Entwicklung des neuesten Modells der Autofirma Saab betreut und die Reorganisation der Dresdner Bank begleitet hatte.
Mir fiel es zu, die Berufsorganisationen mit dem Vorhaben vertraut zu machen und die Personalräte der Polizei einzustimmen, die natürlich mit äußerster Reserve dem Ungewöhnlichen entgegensahen.
War es schon kein leichtes Unterfangen, Gewerkschaftler und Personalvertreter auf eine kritische Begleitung vorzubereiten, so war diplomatisch tastendes Vorgehen erforderlich, um den Alliierten nahezubringen, daß die Polizeiorganisation, die in ihre Hoheit fiel, untersucht und auf den Prüfstand gestellt werden sollte. Den Public Safety Officers konnte ich das mit fachlichen Begründungen verständlich machen. Der Brite, Oberst »Tiny« Miles, und der Franzose, André Vagneux, waren von Hause aus Polizisten. Die Amerikaner holten ihre Sicherheitsberater immer aus dem diplomatischen Korps. Meist ließen sich diese vom Sachverstand ihrer beiden alliierten Kollegen überzeugen. Zu jener Zeit hatten wir in Don Harris allerdings einen hervorragenden Kopf, der die Notwendigkeiten erkannte.
Schwer hatten es diese drei, die das Public Safety Committee der Alliierten Kommandantur bildeten, indessen oft in ihren eigenen Militärregierungen, an deren Spitze stets ein Soldat stand. Die unauflösliche Verknüpfung von innerer und äußerer Sicherheit ließ Generäle oft den gravierenden Unterschied verkennen, der darin liegt, daß man äußere Sicherheit gegen potentielle Feinde organisiert, während innere Sicherheit immer für alle Bürger garantiert werden muß. Selbst der Normabweicher darf nicht ausgegrenzt, sondern nur mit den Mitteln des Rechtsstaates in seine Schranken verwiesen werden.
Während die Untersuchung vonstatten ging, hielt ich meine drei Partner auf dem laufenden. Ihre Reaktionen konnte ich bei der Behandlung der wechselnden Themen auswerten. Wie erwartet zeigten sie stets besondere Empfindlichkeiten, wenn es um Organisation und Personalstärken der Geschlossenen Einheiten ging. Obwohl wir offiziell übereingekommen waren, daß die Polizei völkerrechtlich nicht unter den Kombattantenstatus fällt, mußte dies jedem neuen Stadtkommandanten neu vermittelt werden, wobei ich mir stets der Unterstützung durch die Public Safety Officers sicher sein konnte. Bewaffnete Einheiten üben nun einmal einen verführerischen Reiz auf Militärs aus, wenn sie ihre Strategien entwickeln.
Vom Senator für Inneres wurde der Projektbeauftragte des Teams eingesetzt. Auf meinen Vorschlag berief er Gerhard Kleineidam, der als Jurist zur Polizei gekommen war, aktives Mitglied der CDU war und lange bei mir im Präsidialbüro gearbeitet hatte. Er war einer meiner engsten Berater, wenn es um Menschenführung und Kommunikation innerhalb der Behörde ging. In der politischen Bewertung von Situationen und Wirkungen hatten wir nicht die geringsten Verständigungsschwierigkeiten, was selbst bei guten Beamten zur Hürde werden konnte, wenn Regeln und Konventionen an Grenzen stießen. Die Reform machte es möglich, daß er als Landespolizeidirektor zum Chef der gesamten Exekutive aufsteigen konnte.
Das Projektteam ging sofort ans Werk und verschaffte sich mit mehr als 600 Interviews bei Arbeitern, Angestellten und Beamten der Behörde ein Bild vom Zustand der Organisation. Damit füllte es die auf dem Papier ablesbaren Organisationsstrukturen mit Leben und konnte ermitteln, wie diejenigen, die die tägliche Arbeit zu verrichten hatten, ihre Rolle dabei selbst erlebten und reflektierten. Nicht nur die Leute von Wegenstein erfuhren auf diese Weise viel über das Neuland, das sie betreten wollten. Auch meine Mitarbeiter kamen gelegentlich aus dem Staunen nicht heraus über auch für sie neue und oft überraschende »Einsichten« in das Uhrwerk des ihnen scheinbar vertrauten Apparates Polizei.
Als ich am 13. Dezember 1971 die Reformer mit einigen Leuten aus der Behördenspitze zu einem vorweihnachtlichen Beisammensein in das Gästehaus der Polizei in Schulzendorf einlud, konnte ich feststellen, daß die Mitglieder der Behörde den anfänglichen Schock, den sie erlebt hatten, als die Wegensteiner damit begonnen hatten, zunächst einmal alles in Frage zu stellen, längst verarbeitet hatten. Der bewußt gewollte Zusammenprall der unterschiedlichen, oft gegensätzlichen Auffassungen wirbelte reichlich Aktenstaub auf. Als die Sicht danach wieder klar war, hatten die Mitglieder des Projektteams ihr gemeinsames Ziel erkannt. Man zog in gleicher Richtung am Tau. Am anderen Ende war noch das Beharrungsvermögen einer Masse von 22 000 Mitarbeitern verankert, die zwar unisono nach Veränderungen riefen, aber äußerst scheu reagierten, wenn es um liebgewordene Gewohnheiten ging.
Der Teamgeist in der Projektgruppe verwischte keineswegs das notwendige Rollenverständnis des einzelnen. Wo die Unternehmensprüfer Organisation und Betriebsabläufe nach ökonomischen Einsichten optimieren wollten, stießen sie auf Polizeileute, die den politischen Sicherheitsauftrag bisher nicht nach Gewinn und Verlust zu werten gelernt hatten. Aber die Betriebswirte mußten auch die polizeilichen Argumente zur Kenntnis nehmen und begannen zu akzeptieren, daß innere Sicherheit ein besonderes Produkt ist und sich meßbarer Statistik zumeist entzieht.
Mit dem Senator war vereinbart, daß mit der Entwicklung einer neuen Behördenstruktur eine Schwachstellenanalyse einhergehen sollte, die schon während des Prüfungsablaufes zu Erörterungen und Entscheidungen Anlaß geben könnte.
Ich erinnere mich nicht, daß wesentliche Veränderungen aufgrund einzelner Hinweise vorgenommen wurden. Sie wurden vielmehr in die Argumentationskette für die Schlußvorlage aufgenommen, die dann aus einem Guß sein sollte. Detailänderungen im Vorgriff auf ein einheitliches Untersuchungsergebnis hätten angesichts der Mitwirkungsrechte der Personalvertretung auch unvertretbaren Kräfteaufwand gekostet, wobei der erhebliche Zeitaufwand noch außer acht gelassen werden kann.

Politische Entscheidungen

Alsbald ergab sich Entscheidungsbedarf durch den Senator. Wie beabsichtigt und vorhergesehen, kamen die beiden »Parteien« im Projektausschuß schnell an Streitpunkte, bei denen unüberbrückbar unterschiedliche Ansichten nicht durch Kompromisse zu lösen waren. Für diese Fälle gab es Gesprächsrunden beim Senator, in denen »politische« Entscheidungen getroffen wurden. An einigen Beispielen läßt sich das verdeutlichen.
Die kühl kalkulierenden Wegensteiner hatten errechnet, daß es wesentlich billiger sei, Waldgebiete nicht mehr durch Polizeireiter, sondern durch Motorradfahrer »bestreifen« zu lassen. Desgleichen vermochten sie nicht einzusehen, weshalb die Polizei Musik machen müsse. Also rieten sie, sowohl die Reiterstaffel als auch das Polizeiorchester abzuschaffen.
In der Beurteilung der berittenen Polizei lagen sie übrigens auf der gleichen Welle wie mein späterer Vizepräsident, Martin Lippok, damals noch in der Innenverwaltung als Senatsrat und Unterabteilungsleiter für Haushalt und Technik zuständig. Er hatte mir einmal in einer Besprechung die dankbar ergriffene Gelegenheit zum Widerspruch gegeben, als er bemerkte: »Die Polizeireiter vermitteln ja nur das Gefühl von Sicherheit.« In diese Kerbe konnte ich lustvoll einschlagen: »Wenn ich nur recht viele Möglichkeiten hätte, der Bevölkerung das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, wäre das schon die halbe Gewährleistung tatsächlicher Sicherheit, denn Angst ist der sichere Boden für jegliche Art der Verunsicherung und zieht Kriminalität magnetisch an.«
Doch auch was den eigentlichen Sachverhalt anging, schossen die Betriebsprüfer über das Ziel hinaus. Man brauchte nur die Förster zu fragen, was sie von knatternden Motorrädern in ihren Gehegen hielten. Außerdem wurden unsere Reiter auch von den Spaziergängern in den Wäldern – immerhin umfaßt ein Fünftel des Berliner Stadtgebietes Wald- und Wasserflächen – freundlich und mit Zuspruch gegrüßt. Davon konnte der zu Fuß streifende und erst recht der Beamte im Funkwagen nur träumen. Der mit einem Motorrad knatternde Polizist fände im Wald kaum Zustimmung.
Auch nach unseren sch...

Inhaltsverzeichnis

  1. decken
  2. Titel
  3. Kolophon
  4. Vorwort
  5. Staat und Stadt
  6. Zwischen Neubeginn und Spaltung
  7. Persönliche Erinnerungen an die ersten Jahre
  8. Das Ende der einheitlichen Polizei
  9. 13. August 1961
  10. 90 Tote und 272 Verletzte bei Munitionsunfällen
  11. Vom Kalten Krieg zur Entspannungspolitik
  12. Die Polizeireform von 1974
  13. Die Entführung von Peter Lorenz
  14. Not macht erfinderisch
  15. Von der »Großen Polizeischau« zum »Tag der offenen Tür«
  16. Vom Stadtjubiläum zum Fall der Mauer
  17. Die Öffnung der Mauer
  18. Auf dem Weg zu einer einheitlichen Polizei (1990 – 92)
  19. Die Volkspolizei
  20. Die Bereitschaftspolizei
  21. Die Wasserschutzpolizei
  22. Kriminaltechnik und Kriminalistik
  23. Die Bekämpfung des organisierten Verbrechens in der kriminalgeographischen Situation Berlins
  24. Das »Berliner Modell«
  25. Die Stellung des Polizeipräsidenten in Berlin im Wandel der Zeit
  26. Anhang
  27. Die Autoren
  28. Literaturhinweise
  29. Über Berliner Polizei von 1945 bis zur Gegenwart
  30. Anmerkungen