Wanderungen durch die Mark Brandenburg - Das Oderland
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Wanderungen durch die Mark Brandenburg - Das Oderland

  1. 349 Seiten
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Wanderungen durch die Mark Brandenburg - Das Oderland

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Über dieses Buch

Im zweiten Band der "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" steht das Oderland im Fokus. Theodor Fontanes malerische Beschreibungen der Landschaft rund um den Oderbruch wechseln sich ab mit spannenden Geschichten über die umliegenden Orte und die dort ansässigen Familien. Die märkische Schweiz und ihre Sehenswürdigkeiten, so etwa das Städtchen Buckow, erwachen durch Fontanes einzigartigen Erzählstil zum Leben – von der ersten Seite an. -

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Information

Jahr
2021
ISBN
9788726997453

Schloß Friedersdorf

Ich kenne die Türme, die Zinnen,
Die steinerne Brücke, das Tor.
In der Nähe von Gusow liegt Friedersdorf, seit Ende des siebzehnten Jahrhunderts im Besitze der Familie von der Marwitz.
Vom Städtchen Seelow aus erreicht man es in einer Viertelstunde. Die Landschaft ist reizlos, im wesentlichen auch das Dorf, und erst in der Mitte desselben, wo wir die Parkbäume, die bis dahin den Hintergrund des Bildes bildeten, in einem flachen, weit gedehnten Teiche sich spiegeln und die weißgrauen Wände des Schlosses durch das ziemlich dichte Laubwerk hindurchschimmern sehen, wird es uns leichter ums Herz. Und jetzt noch eine Biegung, und durch eine von zwei Obelisken gebildete Einfahrt hin führt uns unser Weg bis vor die gastlich geöffnete Tür.
Das Friedersdorfer Herrenhaus ist so recht das, was unsere Phantasie sich auszumalen liebt, wenn wir von »alten Schlössern« hören. Die Frage nach dem Maß der Schönheit wird gar nicht laut; alles ist charaktervoll und pittoresk, und das genügt. Auch hier. Die Front- und Seitengiebel sind staffelförmig mit Türmchen besetzt, und die hohen und deshalb schmal erscheinenden Fenster mit ihren desto breiteren Pfeilern dazwischen steigern nur den Eindruck des Eigentümlichen und geben ein Ansehen von Halt und Festigkeit. Rosenbäume wachsen über die Glastür hinaus, die von der Halle her in Park und Garten führt, vor der Front des Hauses aber, inmitten eines von Kieswegen umzirkten und von mächtigen alten Kastanien überschatteten Grasplatzes, stehen ein paar gußeiserne Böller und mahnen an den kriegerischen Geist, der hier durch viele Generationen hin lebendig war.
Wir betreten das Haus und verwundern uns über seine Raumfülle. Das macht, es stammt noch aus jener vornehmen Zeit her, wo man die vorhandene Gesamträumlichkeit in wenige imposante Gemächer teilte, statt sie wie jetzt in zahllose Stuben und Stübchen hotelartig zu verzetteln. Die Baumeister waren damals noch bei keinen Hauswirten in die Schule gegangen und hatten noch nicht gelernt, der trivialsten Ökonomie die Schönheit und Stattlichkeit der Verhältnisse zu opfern. Es war noch die Epoche der Treppen und Korridore, die Zeit der Renaissance.
Die Halle des Hauses nimmt uns auf, und zahlreiche Familienportraits blicken auf uns nieder, als stattlichstes unter ihnen ein Portrait über dem Kamin. Es ist das überlebensgroße Bildnis des alten Generallieutenants von Görtzke, des sogenannten »Paladins des Großen Kurfürsten«, der im Jahr 1652 Schloß Friedersdorf erstand, es renovieren ließ und in ihm verstarb. Wie derselbe lebenslang neben Derfflinger gestanden und den Ruhm des alten Feldmarschalls geteilt hatte, so fand er sich auch schließlich wieder auf nachbarlicher Scholle mit ihm zusammen.
Dieses Bildnis über dem Kamin interessiert uns aus mehr als einem Grunde. Ganz geharnischt, den Kommandostab in der Rechten, die leichte Feldbinde um den Hals, so steht der Alte da. Sein Helm ruht neben ihm auf einem Felsenvorsprung, und das lange Haar fällt dunkel und beinah lockig herab. Finsterer Ernst und kalte Bestimmtheit sprechen aus seinen Zügen. Es knüpft sich ein anekdotischer Hergang an dieses Bild, charakteristisch für den Mann und die Zeit und vielleicht auch für die Stellung, die die schönen Künste damals in brandenburgischen Landen einnahmen. Görtzke war bei Lützen schwer verwundet worden und hinkte seitdem; sein linker Fuß war zu kurz geheilt, und eine dicke, handhohe Holzsohle mußte wiedergutmachen, was das Unglück oder das Ungeschick des Arztes verschuldet hatte. Es scheint, daß er sich an diesen Holzfuß nicht gern erinnern ließ oder eine Vorstellung von der Pflicht des Idealisierens hatte, die dem romantischsten Vertreter der ehemaligen Düsseldorfer Schule Ehre gemacht haben würde. Als der Maler ihm das Bild brachte, fiel Görtzkes Auge zuerst auf die Holzsohle, die natürlich nicht fehlte, und im Unmut über den gewissenhaften Realisten warf er ihn die Treppe hinunter. Eine kaum minder empfindliche Strafe folgte: Görtzke behielt das Bild und verweigerte die Zahlung.
Das lebhafte Interesse, das wir zeigen, führt zu der Mitteilung, daß noch ein zweites Bild des alten Paladin, ein Grabsteinbild, vorhanden sei, und diesem zweiten Bildnisse durch die Kiesgänge des Parkes hin nachgehend, blicken wir alsbald in eine Dorfkirche hinein, die sehr wahrscheinlich in märkischen Landen nicht ihresgleichen hat. Ein Zusammenwirken von Umständen war nötig, um eine Ausschmückung wie diese zu schaffen: lang andauernder Besitz und ein Herz für Kunst und Kirche. Saubere Pfeiler von braunem Eichenholz tragen die weit vorspringenden Emporen, und allerhand Bilder und Inschriften umziehen die Brüstung derselben. Überall treten aus dem alten Mauerwerke Grabmonumente hervor, und Portraits, Sarkophage, Büsten und symbolische Figuren leihen diesem Kircheninneren etwas von dem Schönheitlichen und beinah heiter Anregenden eines Museums. Was den Eindruck dieser künstlerischen Heiterkeit noch steigert, ist das Vorherrschen der Farbe oder doch ihr glückliches Sichvermählen mit dem Weiß des Marmors. Steinerne Grabmonumente wecken oft mehr Schauer als Erhebung, hier aber werden die weißen Marmorgruppen zu bloßen Umrahmungen für die Bilder, die nun den Sieg über den kalten Marmor und die noch kältere Symbolik davontragen. Der Saturn wird zum gemütlichen Alten, wenn er ein Medaillonbild in Händen hält, das in allen Farben des Lebens lacht.
Unter solchen Betrachtungen sind wir das Mittelschiff hinaufgeschritten und werden nunmehr, unmittelbar zur Linken des Altars, jenes Görtzkeschen Steinbildes gewahr, das zunächst Veranlassung zu unserem Kirchenbesuche gab. Neben ihm, in gleicher Höh und Größe, ist das Reliefbild seiner Gemahlin, einer geborenen von Schlieben, in den Wandpfeiler eingelassen. Beide Grabsteine lagen früher an anderer Stelle, unmittelbar über der Gruft, und erst bei Renovierung der Kirche hat man sie aufgerichtet und ihnen den Ehrenplatz neben dem Altar gegeben. Vergleicht man dieses Steinbild des alten Görtzke mit seinem Ölportrait in der Halle, so bemerkt man allerdings Verschiedenheiten. Der Klumpfuß und die Krücke zeigen sich auch hier; ebenso tritt einem etwas typisch Märkisches im Ausdruck des Kopfes entgegen. Aber hiermit sind auch die Ähnlichkeiten erschöpft, und Wohlwollen, Heiterkeit und Bonhommie präsentieren sich anstelle des Herb-Martialischen, das unverkennbar aus dem Ölbilde spricht.
Ein kurzer Lebensabriß des »Paladin« möge zunächst hier seine Stelle finden.

Joachim Ernst von Görtzke,

ein Sohn Joachims von Görtzke und der Elisabeth von Wichmannsdorf, wurde den 11. April 1611 zu Bollersdorf in der Mittelmark geboren. Er war Page bei der Prinzessin Marie Eleonore, Schwester des Kurfürsten Georg Wilhelm, und folgte dieser, bei Gelegenheit ihrer Vermählung mit Gustav Adolf, in gleicher Eigenschaft nach Schweden hinüber. Das war 1620. Drei Jahre später ward er Page beim König selbst und machte von 1626 bis 1628 den Feldzug in Preußen mit, zu welchem Behuf er als Soldat in die königliche Leibwache trat. In dieser stand er noch, als Gustav Adolf im Sommer 1630 an der pommerschen Küste landete. Bald nach der Leipziger Schlacht (1631) avancierte Görtzke zum Offizier, focht im folgenden Jahre mit bei Lützen und empfing jene schwere Verwundung, deren ich, bei Besprechung seines Portraits über dem Kamin der Friedersdorfer Halle, bereits erwähnt habe. Kaum wiederhergestellt, ward ihm, in dem Reiterregimente des schwedischen Generalmajors Adam von Pfuel, eine Rittmeisterstellung angeboten. Görtzke nahm an, machte den »Pfuelschen Zug« mit und stieg bald danach zum Oberstwachtmeister, zum Oberstlieutenant auf, nachdem er sich 1636 bei Wittstock gegen General Hatzfeld und 1642 in der zweiten Schlacht bei Leipzig gegen Piccolomini ausgezeichnet hatte.
Bis hierher fehlt es an Einzelheiten. Aber von 1644 an wird seiner im besonderen und gelegentlich mit einer gewissen Ausführlichkeit erwähnt. Torstenson, als er nach Jütland aufbrach, hatte den erst Dreiunddreißigjährigen zur Verteidigung Schlesiens und Mährens zurückgelassen und ihn mit dem Oberbefehl über elf feste Plätze betraut. In dieser Stellung bewies er sich als einen würdigen Schüler Gustav Adolfs und zeigte neben dem Mute des Soldaten zugleich auch die Klugheit und Gesinnung eines protestantischen Feldherrn. Er rief die von ihren Kanzeln vertriebenen Geistlichen wieder zurück, besetzte die vakant gewordenen Stellen und stellte, soweit seine Macht reichte, den lutherischen Gottesdienst wieder her. In allem fand er so sehr die Zustimmung des Stockholmer Hofes, daß ihm – auch wohl, um sich seiner ferneren Dienste zu versichern – der Befehl über eins der schwedischen Reiterregimenter übertragen wurde. Diesem Regimente stand er während der letzten Kriegsjahre vor. Aber unmittelbar nach der Friedensunterzeichnung nahm er den Abschied und zog sich auf seine märkischen Güter zurück. Erst 1656, zwei Jahre nach seiner Vermählung mit Lucia von Schlieben, trat er wieder in Dienst, diesmal in kurbrandenburgischen, und beteiligte sich im selbigen Jahre noch an dem Kriege gegen Polen (dreitägige Schlacht bei Warschau), dann aber, in hervorragender Weise, an den durch fast drei Jahrzehnte sich hinziehenden Kämpfen mit Schweden und Frankreich.
1672, mittlerweile zum General aufgerückt, stand er als Chef und Inhaber an der Spitze dreier Regimenter des brandenburgischen Heeres. Dieses selbst aber hatte zu genannter Zeit, nach Paulis Angaben, folgende Zusammensetzung:

Fußvolk

Feldzeugmeister von der Goltz
1600
Mann
Generallieutenant der Infanterie Graf Dohna
1400
"
Generallieutenant der Kavallerie von Kannenberg
800
"
Generallieutenant der Infanterie Prinz von Holstein
1500
"
Generallieutenant der Infanterie von Götz
1000
"
Generalmajor der Leibgarde von Pöllnitz
3000
"
Generalmajor von Görtzke
500
"
Generalmajor von Spaan
1000
"
Generalmajor von Eller
300
"
Generalmajor von Pfuel
500
"
Generalmajor von Schwerin
1000
"
Generalmajor La Sare
1000
"
Oberst von Schöning
1400
"
Oberst Förgel
1400
"
Oberst von Pöllnitz
500
"
16900
Mann

Reiterei

Feldmarschall Fürst von Anhalt
600
Mann
Feldmarschall von Derfflinger
600
"
General der Reiterei Prinz von Homburg
600
"
General der Kavallerie von Kannenberg
600
"
Generalmajor von Görtzke
600
"
Generalmajor von Spaan
600
"
Generalmajor von Eller
600
"
Generalmajor von Pfuel
600
"
Generalmajor d'Espence
800
"
Oberst von Mörner
600
"
6200
Mann

Dragoner

Feldmarschall von Derfflinger
400
Mann
Generalmajor von Görtzke
200
"
Oberst von Kanitz
500
"
Oberst von Schlieben
500
"
1600
Mann
Total: über
24000
Mann.
1674 war Görtzke mit am Oberrhein, ward am folgenden Neujahrstage zum Generallieutenant erhoben und focht in allen Bataillen der nun folgenden Jahre. Nirgends glänzender als in Ostpreußen während des Winterfeldzuges von 1679. Er war, während der Kurfürst seine Streitkräfte sammelte, mit 3000 Mann vorausgeschickt worden, um das durch 16 000 Schweden unter General Horn bedrohte Königsberg zu decken. Dieser schwierigen Aufgabe scheint er sich mit besonderem Geschick unterzogen zu haben. Als er in Königsberg eintraf, waren die Schweden schon diesseits des Njemen. Ihnen eine Schlacht zu bieten, dazu war er numerisch zu schwach. Er vereinigte sich deshalb mit der etwa 4000 Mann starken ostpreußischen Landmiliz und nahm eine gute Stellung bei Wehlau, von der aus er durch einen unausgesetzten Scharmützelkrieg den Feind zu beschäftigen und an einem ernsten Vorgehn zu hindern trachtete. Er erreichte jedoch seinen Zweck nur halb. Die Wehlauer Stellung, weil alle Wässer mit Eis bedeckt waren, war auf die Dauer nicht zu halten, und Görtzke mußte sich auf Königsberg zurückziehen, zu dessen Entsatz der Kurfürst jeden Tag erscheinen konnte. Als dies geschah, ergriff Görtzke ungesäumt die Offensive wieder und leitete durch den Übergang über das zugefrorene Frische Haff jene berühmt gewordene Verfolgung ein, die mit der Vernichtung des schwedischen Heeres endigte. Über diese Verfolgung selbst hab ich in dem Kapitel » Tamsel« ausführlicher berichtet.
Der Friede von St-Germain machte diesen Kriegswirren ein Ende, und Görtzke zog sich nunmehr ruhebedürftig in seine Statthalterschaft Küstrin zurück. In nächster Nähe lagen seine Güter und gestatteten ihm Besuch und Aufenthalt. Um diese Zeit war es auch, daß er, lange vor seinem Hinscheiden, sich einen Sarg anfertigen ließ, den er mit der Standhaftigkeit eines hoffenden Christen zu betrachten liebte. Den 27. März 1682 starb er, seines Alters im zweiundsiebzigsten, und ward einen Monat später, am 27. April, von Küstrin aus nach Friedersdorf in seine Gruft übergeführt. Hans Otto von der Marwitz hat ihm die Standrede, Garnisonprediger Johann Heinrich Grunelius die Leichenrede gehalten.
Aus seiner Ehe mit der Lucie von Schlieben waren ihm drei Töchter: Maria Elisabeth, Barbara und Lucie Hedwig, geboren worden. Die mittlere (Barbara) starb jung, während sich die älteste mit dem anhalt-zerbstischen Hofmarschall Johann Georg von der Marwitz, die jüngste mit dem brandenburgischen Obersten und Kommandanten von Küstrin, Ulrich von Lüderitz, vermählte.
Der »alte Paladin« selbst aber muß im Rat und Herzen seines Kurfürsten in hohem und besonderem Ansehn gestanden haben.
Dennoch gebricht es an Erinnerungsstücken an ihn, auch die Tradition schweigt, und alles, was die Stätte seines Heimganges von ihm aufweist, ist das Schloß, das er sich schuf, und die beiden Bildnisse, die seine Züge der Nachwelt überliefert haben.
Soviel über den »Paladin«. Aber zurücktretend von seinem Bilde, werden wir bei weiterer Umschau gewahr, daß andere jetzt an dieser Stelle zu Hause sind. Den Marwitzen gehört das Feld. Und vor allem auch diese Kirche. Von rechts her Gestalten und Inschriften, die der Epoche vor dem Siebenjährigen Kriege zugehören, von links her die Namen und Bildnisse derer, die seitdem gekommen und gegangen sind.
Da sind zunächst (zur Rechten) die Bildnisse Hans Georgs und seiner zwei Frauen, Medaillonportraits, deren eines träumerisch und wehmutsvoll aus dem weißen Kopftuche hervorblickt. Da sind, an derselben Stelle, die Monumente seiner beiden Söhne, von denen der eine, voll Eifer für die Wissenschaften, jung und unvermählt verstarb, während der andere (August Gebhard) in die Armee trat und, als Gardecapitain den Dienst quittierend, seine Tage auf Friedersdorf beschloß.
Von diesem August Gebhard von der Marwitz, dem Urgroßvater des gegenwärtigen Besitzers, existieren noch ein paar Überlieferungen, die hier Platz finden mögen, weil sie ein anschauliches Bild von dem Leben geben, das ein märkischer Edelmann vor den Tagen des Siebenjährigen Krieges zu führen pflegte.
August Gebhard lebte noch völlig als Patriarch. Die Bauern fürchteten sein grimmiges Ansehen und vermieden ihn lieber, als daß sie ihn suchten. Er war etwa der »Soldatenkönig im kleinen«, und das bekannte »Lieben sollt ihr mich« ward auch hier mit dem spanischen Rohr auf die Rücken geschrieben. Von besonderer Wichtigkeit war der sonntägliche Kirchgang. In vollem Staat gefolgt von Frau und Kindern, erschien dann der alte Gardecapitain auf seinem Chor und teilte seine Aufmerksamkeit zwischen dem Prediger und der Gemeine. Sein kontrollierender Blick war über dem Ganzen. Ein eigens bestallter Kirchenvogt mußte aufmerken, wer von den Bauern ausgeblieben war, von denen jeder, der ohne triftige Ursache fehlte, an seinem Beutel oder seinem Leibe bestraft wurde. Dabei war August Gebhard ein Lebemann. Sein Haus stand gastlich offen, und in heiterer Gesellschaft vergingen die Tage. Man aß von silbernem Geschirr, und eine zahlreiche Dienerschaft wartete auf. Der Sommer gehörte dem Leben au...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Kolophon
  3. Vorwort zur dritten Auflage
  4. Das Oderbruch und seine Umgebungen Von Frankfurt bis Schwedt
  5. Das Oderbruch
  6. Freienwalde
  7. Der Schloßberg bei Freienwalde und die Uchtenhagens
  8. Buckow
  9. Der große und der kleine Tornow-See
  10. Möglin
  11. Quilitz oder Neu-Hardenberg
  12. Friedland
  13. Kunersdorf
  14. Gusow
  15. Schloß Friedersdorf
  16. Küstrin
  17. Tamsel
  18. Tamsel
  19. Zorndorf
  20. »Der Blumenthal«
  21. Prädikow
  22. Schloß Kossenblatt
  23. Steinhöfel
  24. Von Sparren-Land und Sparren-Glocken
  25. Am Werbellin
  26. Das Pfulen-Land
  27. Über Wanderungen durch die Mark Brandenburg - Das Oderland