1Wie
du am meisten von diesem Buch profitierst
Dieses Buch ist keine Urlaubslektüre, die du zum Zeitvertreib lesen und dann für
immer beiseite legen solltest. Du wirst von meinem Ratgeber nur profitieren, wenn du immer wieder in ihm
liest, die Übungen machst und beherzigst, was ich dir vorschlage.
Ich weiß, das klingt nach Arbeit, aber das ist es auch. Dein Kritiker – diese
Stimme in dir, die dir das Gefühl gibt, unvollkommen und nicht liebenswert zu sein – ist so sehr
ein Teil von dir geworden, er ist vermutlich so mächtig, dass er sich nicht einfach vor die Tür
setzen lässt. So leicht gibt er nicht auf. Sollte es dir tatsächlich an einem Tag gelingen, ihn
vor die Tür zu setzen, dann kannst du sicher sein, dass er irgendwann durch die Hintertür
zurückkommt.
Alte und eingefahrene Denk- und Verhaltensweisen zu verändern braucht Zeit. Machen
wir uns nichts vor. Es liegt ein ganz schönes Stück Arbeit vor dir, wenn du lernen möchtest,
dich anzunehmen und dein Selbstvertrauen zu stärken.
Du kannst dir jedoch Frust und Umwege ersparen, wenn du den folgenden Empfehlungen
folgst.
Anleitung für das Lesen meines Selbsthilferatgebers
1.Nimm dir für die nächsten drei Monate täglich
mindestens 30 Minuten Zeit, um in diesem Buch zu lesen und zu arbeiten. Höre ich dich gerade
stöhnen? Höre ich dich gerade sagen, das sei zu viel verlangt? Dann möchte ich dich etwas
fragen: Wie viel Zeit bist du dir wert? Dies ist ein erster Test, der dir zeigt, wie ernst es dir ist, mit
dir selbst Freundschaft zu schließen. Wenn du nicht bereit bist, diese Zeit für dich aufzubringen,
dann schenke dieses Buch einem Freund.
2.Wenn du dich entschieden hast, dir die Zeit zu nehmen, dann
gratuliere ich dir zu dieser Entscheidung. Du wirst es nicht bereuen. Mach dieses Buch in den nächsten
Wochen zu deinem ständigen Begleiter. Es genügt nicht, dass du die einzelnen Kapitel ein- oder
zweimal liest. Auch wenn du glaubst, den Inhalt bereits auswendig zu kennen, lies darin immer wieder. Du
wirst stets neue Textstellen entdecken, die du zuvor überlesen hast oder die dir nicht so wichtig
schienen. Wiederholung ist die beste Straße zum Erfolg. Es genügt nicht, etwas zu wissen. Es muss
dir auch einfallen, wenn du es benötigst – dann, wenn dein Kritiker zuschlägt und dir das
Leben schwer macht. Dies wird dir jedoch nur gelingen, wenn dir meine Hilfestellungen zur Aneignung einer
positiven Selbstachtung in Fleisch und Blut übergegangen sind.
3.Lies das Buch zunächst einmal im Schnelldurchlauf, um dich
auf das Thema einzustimmen. Danach lies es in aller Ruhe. Am Ende mancher Kapitel findest du Übungen.
Diese sollen dir einerseits helfen, das Gelesene zu vertiefen. Andererseits sollen sie dich Schritt für
Schritt zu mehr Selbstachtung führen. Lass keine der Übungen aus, bitte! Es
sind wichtige und notwendige Übungen auf dem Weg zu einem Leben mit mehr Selbstachtung und
Selbstvertrauen. Versprochen?
4.Hab beim Lesen immer einen Bleistift oder Textmarker zur Hand.
Streiche Textstellen an, die dir wichtig erscheinen. Auf diese Weise vermeidest du unnötiges Suchen,
wenn du etwas noch einmal nachlesen möchtest. Andererseits bleibt dir das Gelesene besser
haften.
5.Kauf dir ein kleines Notizbuch – eines, das du immer bei dir
tragen kannst. Notiere darin wichtige Gedanken aus diesem Buch, und mach darin die schriftlichen
Übungen. Kauf dir ein richtig schönes, eines, das wertvoll aussieht – und es vielleicht auch
ist. Vielleicht mit einem schicken Ledereinband. Goldprägung? Wichtig ist, dass du bei seinem Anblick
ein gutes Gefühl hast und dich freust, es aufzuschlagen und darin Notizen zu machen.
6.Am Ende mancher Kapitel findest du die Überschrift Was
möchte ich mir merken? Notiere hier bitte, welche Feststellungen in diesem Kapitel für
dich persönlich wichtig waren. Wenn du mit deinen Worten das für dich Wichtige zusammenfasst, dann
wirst du es besser in Erinnerung behalten.
Außerdem ist es für dich eine Überprüfung des Gelernten, wenn du dich
nach dem Lesen fragst: „Was habe ich behalten und was war für mich wichtig?“ Mach bitte
diese kleine „Hausaufgabe“.
7.Im Kapitel „Tipps für mehr Selbstliebe“ findest
du 26 Übungen. Diejenigen, die dir schwerfallen, solltest du so lange und so oft
machen, bis du ein gutes Gefühl bei ihnen hast. Die Strategien für den Umgang mit deinem Kritiker
solltest du so oft und so lange benutzen, bis sie dir in Fleisch und Blut übergegangen sind und du
merkst, dass sie Wirkung zeigen.
Von all meinen Büchern ist dieses das wichtigste. Alle seelischen und viele
körperliche Probleme haben nur eine einzige Ursache: Selbstablehnung.
Sich annehmen und akzeptieren können ist die Voraussetzung für ein
zufriedenes und erfülltes Leben.
Bist du bereit, den wichtigsten Schritt in deinem Leben zu wagen – dich selbst
anzunehmen?
Habe ich dich gerade „ja“ sagen hören? Dann lass uns keine Zeit
verlieren und beginnen. Schauen wir uns zunächst an, welche Folgen es haben kann, wenn du dich ablehnst
oder gar hasst.
2Die Folgen einer geringen Selbstachtung
In tausenden von Gesprächen mit meinen Patienten habe ich die Erfahrung gemacht, dass Selbstablehnung oder gar Selbsthass vielfältige negative Auswirkungen auf unsere Gefühle, unser Verhalten, unser körperliches Befinden und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen haben.
Nicht alle der folgenden Auswirkungen finden sich bei allen Menschen mit Selbstwertproblemen. Je nach Stärke der Selbstablehnung sind die Auswirkungen vielfältiger und/oder stärker oder weniger ausgeprägt.
Die Auswirkungen einer geringen Selbstachtung auf die Gefühle
Angst- und Panikgefühle
Menschen, die sich ablehnen, können vielfältige Ängste verspüren. Die häufigsten sind: Angst vor Ablehnung, Angst vor Kritik, Angst vor Nähe, Angst zu versagen, Angst, Fehler zu machen, Angst vor Misserfolg, Angst vor Erfolg, soziale Ängste, Angst, (falsche) Entscheidungen zu treffen, Angst, sich lächerlich zu machen, Angst, die Beherrschung zu verlieren, Angst, seine wahren Gefühle zu zeigen, Angst, andere könnten das wahre – vermeintlich – Schlechte in einem entdecken, Angst, nicht gut genug zu sein, Angst vor Neuem, Verlustangst. Hast du solche Ängste?
Depressionen, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Scham- und Schuldgefühle, Selbstmitleid, Ärger über sich und andere
Selbstzweifel und erst Recht Selbsthass führen zwangsläufig zu Depressionen. Wenn man sich für Fehler verurteilt und denkt, man sei wertlos, und sieht keine Chance, sich zu ändern, dann fühlt man sich hilflos, dann bemitleidet man sich vielleicht, dann macht man sich Schuldgefühle und Vorwürfe, dass man so wenig aus sich macht, dann ärgert man sich über sich selbst, dass man so schwach ist. Die Folge: Depressionen.
Und je deprimierter man ist, umso weniger man auf die Reihe kriegt, umso wertloser fühlt man sich, umso mehr geht die Selbstachtung in den Keller und umso tiefer fällt man in ein schwarzes Loch, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt.
Torsten hat immer wieder depressive Phasen. Er sagt: „Mein Problem ist meine ständige Unzufriedenheit mit mir selbst. Ich genüge meinen eigenen Ansprüchen nicht. Wenn ich im Urlaub nur rumhänge und nichts unternehme, dann ärgere ich mich hinterher, dass ich so wenig auf die Reihe gekriegt und so wenig erledigt habe. Ich denke immer, ich müsste noch mehr schaffen, was mich gleichzeitig aber auch wieder lähmt, weil ich es blöd finde, immer nur zu arbeiten. Man sollte doch auch mal nichts tun dürfen, ohne gleich ein schlechtes Gewissen zu haben und sich nutzlos zu fühlen. Ich kann es mir einfach nicht recht machen.“
Überempfindlichkeit, sich verletzt, beleidigt, angegriffen und gekränkt fühlen
Menschen, die schlecht von sich denken, fassen vieles, was andere tun oder sagen, als Ablehnung und Kritik auf, weil sie ihren Mitmenschen unterstellen, dass diese auch negativ über sie denken. Wieso – so denkt man – sollen andere das Nicht-Liebenswerte und das Nicht-Perfekte lieben? Das hat zur Folge, dass Menschen, die sich ablehnen, sich ständig bedroht, in Gefahr, angegriffen und verletzt fühlen. Dadurch, dass sie sich schnell persönlich angegriffen und verletzt fühlen, sind sie schnell beleidigt und gekränkt. Ihr Nervenkostüm ist sehr labil.
Die Arbeitskollegen und Freunde von Vanessa sagen, sie verstehe überhaupt keinen Spaß und sie sei empfindlich wie eine Mimose. Was andere auch immer in ihrer Gegenwart sagen, bezieht sie sofort auf sich und fühlt sich verletzt oder auf den Arm genommen. Dann reagiert sie entweder sehr aggressiv oder ist deprimiert.
Tina könnte sich manchmal selbst eine runterhauen. Wenn sie vergisst, die Kaffeemaschine auszumachen, dann ärgert sie sich maßlos über sich und denkt: „Nie kannst du etwas richtig machen, du blöde Kuh.“ Wenn andere sie auf einen Fehler aufmerksam machen, dann reagiert sie sehr aufgebracht und denkt sich: „Er sagt das nur, um mich zu demütigen. Er will mich als dumme Gans hinstellen.“
Markus ist sehr abhängig von der Meinung seiner Mitmenschen. Wenn ihn ein Arbeitskollege kritisiert, nimmt er sich dessen Urteil sehr zu Herzen. Er fühlt sich dann persönlich angegriffen und ärgert sich über sich selbst, dass er so ein „Trottel“ ist, den die Worte der anderen nicht kalt lassen, und der es nicht schafft, über der Kritik zu stehen. Und eine einzige Kritik raubt ihm oft viele Nächte den Schlaf, da er lange darüber nachgrübelt. Warum nimmt er sich die Worte anderer so zu Herzen und ist so abhängig vom Urteil der anderen? Weil er selbst von sich und seiner Arbeit geringschätzig denkt. Er glaubt selbst, keine gute Arbeit zu leisten, und ist von sich und seinen Fähigkeiten nicht überzeugt. Deshalb hat er ständig Angst, andere könnten über ihn genauso denken und ihn ebenso ablehnen, wie er sich selbst ablehnt.
Simone legt die Worte anderer immer auf eine Goldwaage. Ständig hat sie das Gefühl, andere würden sie aufziehen und lächerlich machen. Auf die vermeintlichen Angriffe der anderen reagiert sie mit spitzen Bemerkungen oder sie wendet sich schroff ab. Dieses Verhalten führt dazu, dass die anderen sie für zickig halten und ihr vorwerfen, sie verstehe keinen Spaß.
Mangel an Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, Schüchternheit
Menschen mit geringer Selbstachtung haben Angst, andere könnten sie ablehnen, wenn sie selbstbewusst auftreten, Nein sagen oder ausdrücken, was sie möchten. Deshalb sind sie eher schüchtern und halten sich im Hintergrund. Sie schlucken ihren Ärger über sich und andere hinunter, bis sich so viel Ärger in ihnen angestaut hat, dass sie vor Wut platzen und sie aggressiv, sarkastisch oder gewalttätig reagieren, was sie dann natürlich wieder an sich verurteilen und was in ihnen noch mehr das Gefühl erzeugt, nicht in Ordnung zu sein.
Manche Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl reagieren passiv-aggressiv, das heißt drücken ihren Ärger nicht direkt aus, sondern eher indirekt. Sie reden schlecht über andere, sie manipulieren andere, machen anderen Schuldgefühle. Es gibt aber auch Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl, die betont selbstsicher, ja geradezu aggressiv auftreten und so den Eindruck erwecken, eine starke Persönlichkeit zu sein. Ihr Motto lautet: Angriff ist die beste Verteidigung.
Jan ist in Gegenwart anderer sehr gehemmt. Er weiß nicht so recht, wie er sich verhalten und was er sagen soll. Er kommt sich in Gesellschaft immer isoliert und überflüssig vor. Bei Gesprächen ist er sehr angespannt und verkrampft, da er Angst hat, es könnte eine Gesprächspause eintreten. Das wäre ihm ziemlich peinlich. Also hört er kaum hin, was der andere erzählt, sondern überlegt ständig krampfhaft, was er als Nächstes sagen könnte, um das Ge...