Die Ordre des Grafen von Guise
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Die Ordre des Grafen von Guise

  1. 86 Seiten
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Die Ordre des Grafen von Guise

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Über dieses Buch

Diese eindrucksvolle Geschichte lĂ€sst die Autorin in der Völkerschlacht von Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 spielen. Verzweifelt sucht Napoleon nach VerbĂŒndeten. Einer seiner Offiziere ist mit einem Brief unterwegs zu Napoleons Schwiegervater Franz I. von Österreich. Um sicherzugehen, möchte sich Napoleon aber auch an seinen alten WaffengefĂ€hrten, den Marschall Bernadotte, wenden, der als schwedischer Kronprinz vor Leipzig liegt. FĂŒr diese gefĂ€hrliche Aktion wĂ€hlt der Kaiser den jungen Offizier Graf Guise aus. Es ist ein Ritt auf Leben und Tod. In der Dunkelheit verirrt sich der Graf. Als er ein Gutshaus erreicht, ist ihm nicht klar, ob sich in ihm Freund oder Feind verschanzt haben. Wie unsagbar groß ist aber seine Überraschung, als er dort anstelle von Soldaten die GrĂ€fin Gabriele antrifft, die er einst in Paris kennengelernt hatte. Kaum dass sie sich ausgesprochen haben, erreichen feindliche Soldaten das Schloss. Jetzt geht es um alles.-

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Information

Jahr
2016
ISBN
9788711469910

I.

Der Himmel hatte sich schaudernd verhĂŒllt, um die Greuel nicht mit anzusehen, unter welchen die Erde drunten erzitterte.
Ströme dampfenden Blutes schrieen zu ihm empor, brechende Augen flehten ihn an, Angstgeschrei und das Wimmern namenloser Qualen drangen zu ihm hinauf, und dazwischen gellten die Sturmglocken, dröhnten die Donner der Kanonen, knatterte, klirrte, rasselte und tobte es, wenn die Furie des Krieges stets neue Massen daherbrausen liess, die zuckenden Glieder der Verwundeten und Sterbenden, die getĂŒrmten Leichen in den schlammigen Boden zu stampfen.
Der Mann mit dem dreieckigen Hut auf dem Haupt, welcher mit untergeschlagenen Armen und finster drĂ€uendem Blick neben Murat auf den DĂ€mmen der alten Teiche bei Meusdorf auf und niederschritt, war es, welcher einst Rechenschaft ĂŒber die vielen Tausende ablegen sollte, die seine Ruhmesgier, sein unersĂ€ttliches Verlangen, seine wahnwitzige Selbstvergötterung, auf dem Schlachtfelde von Leipzig dahingeschlachtet.
Der Sturm heulte ĂŒber die Ebene und zerrte den grauen Mantel des Imperators, gleichwie die Krone der zu hoch gewachsenen Pappel neben ihm, deren Zeit gekommen, da sie zurĂŒck in den Staub geschmettert werden sollte, aus welchem sie aufgewachsen.
Auch die Sonne, welche lange Zeit geduldig die Ungerechten bescheint, verhĂŒllt endlich ihr Angesicht und ĂŒberlĂ€sst es den vernichtenden Wettern, Rache zu ĂŒben und zu vergelten.
Der kleine, grosse Kaiser bleibt hochatmend stehen und hebt das Glas an die Augen, die Umgegend sorgsam zu durchspĂ€hen. Sein Antlitz zuckt unter der Aufregung, welche sich mehr und mehr des Mannes bemĂ€chtigt, welcher mit frivoler Hand ganz Europa die Gesetze geschrieben, und nun auf einsamer, sturmumtobter Höhe voll zitternder Erregung eines Federzuges harrt, durch welchen ein anderer, jĂŒngst noch so spöttisch und ĂŒbermĂŒtig BelĂ€chelter sein Schicksal bestimmen soll.
Murat neben ihm ist verstummt.
Er hat umsonst versucht, den grossen Feldherrn durch lebhafte ErzĂ€hlungen von ungeheuren Verlusten, welche die VerbĂŒndeten erlitten, zu erheitern.
Napoleon glaubt es nicht mehr, sah er doch mit zusammengebissenen ZĂ€hnen, wie die Reiterei des Herzogs von Padua von Pfaffendorf her in wilder Flucht und grösster Unordnung teils nach Schönefeld, teils nach Leipzig zurĂŒckfloh. Husaren und Kosaken verfolgten sie — so war auch Eutritzsch in russischen HĂ€nden.
Und immer, immer noch keine Nachricht von seinem Schwiegervater. — Schwiegervater!
LĂ€cherlich, dass ein Mann wie Napoleon sich plötzlich der verwandtschaftlichen Beziehungen mit Kaiser Franz so lebhaft entsann und sogar an dieselben appellierte. Er war ihm niemals ein besonders zĂ€rtlicher Schwiegersohn gewesen und hatte es selber mit ironischem LĂ€cheln betont, dass Politik und Verwandtschaft durch eine himmelweite Kluft getrennt, ja dass erstere gleich einem Moloch sei, welcher selbst die eigenen Kinder als Opfer verschlingen wĂŒrde.
Sollte Kaiser Franz von ihm gelernt und diese Ansicht gar zu seiner eigenen gemacht haben?
Nimmermehr! Der Übermut und die Verblendung eines Napoleon mussten erst den Beweis dafĂŒr in HĂ€nden halten, ehe sie solch Undenkbares glaubten.
General Merveldt musste schon lĂ€ngst bei Kaiser Franz angelangt — ja er musste eigentlich schon lĂ€ngst wieder mit der Antwort zu ihm zurĂŒckgekehrt sein. — Wo bleibt er?
Napoleon war ihm besonders freundlich begegnet, und ebenso, wie er sich ehemals mit dem österreichischen UnterhÀndler wegen des Waffenstillstandes von Leoben verstÀndigt hatte, ebenso musste sich Kaiser Franz diesmal von ihm verstÀndigen lassen, da Napoleon nun bei ihm um einen Waffenstillstand bat.
Sollten die VerbĂŒndeten in der That so klug sein, sich ihre schwer erkĂ€mpften Vorteile durch solch erheuchelte Friedensliebe nicht aus der Hand winden zu lassen? — Sie dachten vielleicht an Austerlitz und Tilsit. — Oder deuchten ihnen die Zusagen, welche er als Preis des Waffenstillstandes wegen Hannover, den HansestĂ€dten und Polen gemacht, zu allgemein?
Immer grösser wird die Ungeduld und Aufregung des Imperators. Das Glas, welches er an die Augen hebt, erzittert. — Nichts, nichts Erfreuliches und Ersehntes spiegelt sich darin, nur die wĂŒsten FeuerbrĂ€nde der Dörfer, die entsetzliche grauenvolle Zerstörung ringsum. Er hat einen eigenhĂ€ndigen Brief an den „lieben Schwiegerpapa“ geschrieben, einen Brief, welchen Merveldt zu besorgen hatte, und welcher trotz aller verwandtschaftlichen Vertraulichkeit immerhin so vorsichtig und politisch abgefasst war, dass er vor sĂ€mtlichen Alliierten verlesen werden konnte.
War das wirksam genug? Der Kaiser Franz befand sich zur Zeit in Rötha, die anderen FĂŒrsten in seiner nĂ€chsten NĂ€he — die Antwort musste bereits zurĂŒck sein, wenn Merveldt das gewĂŒnschte Resultat erzielt. — Aber es kam keine Antwort, weder durch den Österreicher noch — durch den Grafen Guise.
Warum blieb auch Graf Guise so unerklÀrlich lange aus?
Als Napoleon in der Nacht, da Merveldt mit seinem Brief davongesprengt war, allein und finster sinnend in seinem Zelte sass, welches bei der Ziegelscheune aufgeschlagen und von dem grossen Wachtfeuer beleuchtet ward, kam ihm jÀhlings der Gedanke, ob dieser offizielle Brief wohl das rechte Mittel sei, auf den Sinn des Kaisers zu wirken?
Wer kannte dessen tiefinnerste HerzenswĂŒnsche besser wie Napoleon, und welche Hand war so mĂ€chtig wie die des kleinen Korsen, sie, wenn auch ungern — zu erfĂŒllen? Den 4. Dezember von 1805 konnte Kaiser Franz nicht vergessen, er krankte an seinem verlorenen Einfluss auf Italien und Deutschland. — Er sollte ihn wieder gewinnen — wenn heute, in dieser Stunde der Vernichtung, eine Hand die andere wusch. Ein Waffenstillstand allein konnte Napoleon vor vollstĂ€ndiger Niederlage retten; setzte Kaiser Franz denselben in seinem eigenen Interesse durch, wollte er es ihm alsdann auch seinerseits grossmĂŒtig vergelten.
Sein kaltes, unbewegliches Bronzegesicht erglĂ€nzte zum erstenmal unter feucht perlendem Schweiss, den ihm die zitternde Angst um seine Existenz, um die Gloire der grossen Nation auspresste. Kurz entschlossen griff er zu Feder und Papier und schrieb bei dem Schein der Kerze, deren Flamme der Sturm jeden Augenblick zu löschen drohte, einen Brief an seinen Schwiegervater, welcher fĂŒr ihn wohl die sauerste Arbeit der Leipziger Tage war.
Sekret — ganz sekret. Kein anderes Auge durfte diese Zeilen lesen, als wie nur der, an welchen sie gerichtet waren.
Als Napoleon geendet, sprang er jach empor und schritt unruhig in dem beschrÀnkten Zeltraum auf und nieder.
Der Regen klatschte auf die triefende Leinwand, und das Feuer draussen zischte und qualmte im Verlöschen.
Kein Stern am Himmel! — Ist Napoleons Hand in dieser Stunde zu schwach gewesen, selber einen neuen GlĂŒcksstern ĂŒber sich aufzurichten, droht ihn die Nacht zu verschlingen, welche alle Siegesfackeln vergangener Tage nicht wieder erhellen können?
Noch einmal wĂ€gt sein kĂŒhler Verstand alle Vorteile und Nachteile ab, welche dieser geheime Brief ihm bringen kann, und da die Vorteile grösser sind, wie sie es stets sein mĂŒssen, wenn ein Napoleon grossmĂŒtig sein will, rĂŒhrt er kurz entschlossen die kleine silberne Klingel, welche auf dem Tisch neben dem Schreibzeug steht.
Sein persönlicher Adjutant steht vor ihm.
„Den KapitĂ€n a cheval Graf Guise!“ herrscht ihn der Korse an, ohne den finstern Blick zu heben, und wenige Augenblicke spĂ€ter verneigt sich der junge Reiteroffizier vor seinem Kaiser.
Napoleon bleibt vor ihm stehen, sein Adlerblick flammt sekundenlang wie in scharfer PrĂŒfung zu dem blassen, geistvollen Gesicht des KapitĂ€ns aus dem Reiterkorps von Sebastiani auf.
„Sie sind mir als besonders zuverlĂ€ssig empfohlen, Graf“, stösst er kurz yervor, „darum möchte ich Ihnen eine Mission anvertrauen, welche ebenso viel Bravour wie Verschwiegenheit und Aufopferung verlangt!“
Das Antlitz des Genannten fÀrbt sich in stolzer und dennoch bescheidener Freude rot.
„Sire“, antwortet er stramm, „möge Gott mir helfen, dieses ehrende Vertrauen zu rechtfertigen!“
Eine Minute tiefes Schweigen; die Blicke der beiden MĂ€nner senken sich tief in einander. Dann wendet sich Napoleon, schaut hinaus durch die ZeltthĂŒr, sich zu ĂŒberzeugen, dass sie unbelauscht sind, und tritt dann dicht neben den jungen Offizier. Graf Guise muss sein Haupt herab neigen, um den Worten zu lauschen, welche der kleine Parvenu im Purpur ihm hastig, zischend beinahe, in das Ohr flĂŒstert.
Die Zukunft Frankreichs, die Ehre der ganzen Nation in seiner Hand! — Wie ein Schwindel braust es durch das Haupt des jungen KapitĂ€ns. Seine Brust hebt sich unter einem Atemzug unbeschreiblicher, beseligender Genugthuung.
„Ich schwöre Eurer MajestĂ€t, mir meines Auftrags in seiner ganzen, furchtbaren Bedeutung bewusst zu sein!“ sagt er mit bebenden Lippen.
Der Kaiser wendet sich zu dem Tisch, auf welchem ein Degen liegt. Er ist schlicht und einfach, nur eine kleine Kaiserkrone ziert als kaum bemerkbarer Schmuck den sehr derben, festen Griff.
Abermals flĂŒstert er ein paar hastige Worte — ein kurz erklĂ€render Handgriff — und er reicht dem Reiteroffizier die Waffe.
Mit stolz flammendem Auge nimmt sie Guise in Empfang und legt sie sogleich vor den Augen seines Monarchen an.
„Lecoq begleitet Euch. Er wird die Uniform eines Majors tragen, die Aufmerksamkeit des Feindes bei einem eventuellen Zusammenstoss mehr auf sich wie auf Euch zu lenken. Und somit Gott befohlen, mein wackrer KapitĂ€n — Sie tragen die Grösse und den Ruhm von Frankreich — tragen Sie dieselbe mit Ehren an ihr Ziel!“
Wenige Minuten — ein hastig Herundhin — und dann klingt Hufschlag durch die stille Nacht, zwei Reiter sprengen voll wilder Hast einem unbestimmten Schicksal entgegen. Gehen sie unter in den Wogen des Verderbens, welches als grauenvolles Gespenst die Dunkelheit durchstreift, so sinkt mit ihnen die stolze Siegespalme des grossen Kaisers in den Staub.
Lange steht Napolon und starrt schweigend in die Nacht hinaus — das Jammergeschrei der Verwundeten schrillt durch die Stille, Feuergarben lohen zum Himmel, wenn HĂ€user und Scheunen in den brennenden Dörfern ĂŒber ihren unglĂŒcklichen Opfern zusammenbrechen.
Eine in einen Mantel gehĂŒllte Gestalt stand in einiger Entfernung und blickte gleichfalls schweigend in die Nacht hinaus.
Napoleon erkannte den sÀchsischen General Brause, welchen er wegen der Neuzusammenstellung seiner Division zu sich beschieden. Er trat neben ihn.
„Was ĂŒberlegen Sie, General?“ fragte er kurz.
Brause wandte ihm sein ernstes, erregtes Gesicht zu:
„Ich ĂŒberlege, Sire, wie man dem Elend auf den Schlachtfeldern zu Hilfe kommen könnte, die Angst- und Schmerzensschreie der Blessierten gellen bis hierher. Man könnte ihnen vielleicht so weit es angeht —“
Napoleon zuckte ungeduldig die Achseln und wandte sich brĂŒsk ab.
„Wir haben mehr zu thun!“
„Es sind auch die Unsern, Sire, welche dort verbluten und verschmachten.“
Da zeigte ihm der Korse sein starres, erbarmungsloses Gesicht.
„C’est la guerre!“ erwiderte er kalt und zog sich in sein Zelt zurĂŒck, sich zu kurzem Schlafe nieder zu legen.
Brause aber stand regungslos und presste die zitternde Hand auf das Herz. Ihm war es, als blute dieses Herz weher als all jene Todeswunden auf dem Schlachtfelde drunten, als mĂŒsse es verbluten an dem bittern Schmerz, fĂŒr diesen ehr- und gewissenlosen Tyrannen, fĂŒr den schmĂ€hlichen UnterdrĂŒcker seines Vaterlandes, fĂŒr den Henker und SchlĂ€chter seiner BrĂŒder die Waffe in der Faust zu halten! Da schĂ€umte es wild ĂŒber in der Brust des Generals, und die FeuersĂ€ulen, welche die Dörfer seines Heimatlandes in Asche legten, brannten ihm so grell und furchtbar in die Augen, dass sie auch in seiner Brust eine Flamme entzĂŒndeten, die grosse, heilige Flamme gerechten Zornes und einer Empörung, welche die Ketten der Knechtschaft zerbrechen und den UnterdrĂŒcker zu Boden schlagen will!
Brause stand an der Spitze seiner sĂ€chsischen BrĂŒder, an der Spitze von MĂ€nnern, welche nur die Gewalt gezwungen, fĂŒr Napoleon zu kĂ€mpfen, welche, im Herzen treu und deutsch gesonnen, voll bittern Ingrimms solche Schmach ertrugen. SchĂŒrte es schon ihren Groll, mit ansehen zu mĂŒssen, wie ĂŒbermĂŒtig und verĂ€chtlich der Korse und seine MarschĂ€lle das SachsenhĂ€uflein behandelten, wie viel Roheit, WillkĂŒr und Gemeinheit ihren Landsleuten widerfuhr, wie Sachsen durch diesen eigenen Alliierten verwĂŒstet und ausgeplĂŒndert wurde, so lief das Mass vollends ĂŒber durch den schmĂ€hlichen Schimpf, welchen Ney den wackern Soldaten angethan, indem er den Sachsen die Schuld an der verlorenen Schlacht von Dennewitz zuschrieb, um durch solchen lĂŒgenhaften und verleumderischen Bericht die Ehre der französischen Armee auf Kosten der sĂ€chsischen zu retten.
Das nagte unvergessen an den Herzen der braven, heldenhaften MĂ€nner, und auch General Brause gedachte in diesem Augenblick mehr denn je dieser Schmach.
Er ballte die Faust ĂŒber dem Herzen und starrte voll brennender Sehnsucht hinab in die Ebene, wo fern die preussischen Wachtfeuer brannten, und ein schwaches, windverwehtes Echo KlĂ€nge zu ihm herĂŒbertrug, welche nicht anders lauten konnten als: „Ein’ feste Burg ist unser Gott.“
Heisse ThrĂ€nen brannten in den Augen des alten Mannes. Ja, ein’ feste Burg ist unser Gott! — Er, der Lenker der Schlachten, der Richter jeder fluchwĂŒrdigen Gewaltthat, wird auch ihn nicht verlassen, wenn er einen Plan zur AusfĂŒhrung bringt, welcher immer dringender, immer gewaltiger sein Herz bewegt. Darf er es? Darf er? Noch schwankt er zwischen seiner Vaterlandsliebe, der Begeisterung fĂŒr die deutsche Sache und dem Gehorsam gegen seinen armen, verblendeten König! Diese einsame Nachtstunde aber reift die Entscheidung. Er hatte mit General Ryssel einen eventuellen Übergang zu der Armee der deutschen VerbĂŒndeten bereits erwogen, doch hielt sie die unbestimmte Antwort ihres Königs, an welchen sie sich um Erlaubnis gewandt, noch in quĂ€lender Ungewissheit.
Auch jetzt noch zogen Zweifel aller Art marternd durch seine Brust, und doch war der Zeitpunkt der Entscheidung da und ein Entschluss dringend geboten. — Darf er es aber? — Darf er?
Napoleon plante eine Hinterlist, irgend einen Bubenstreich, welcher den Alliierten ihre so schwer erkĂ€mpften Siege noch im letzten Augenblick streitig machen sollte. Brause hatte beobachtet, dass der Kaiser in gang besonders heimlicher und wichtiger Angelegenheit zwei junge Reiteroffiziere soeben mit einem Befehl, oder, wie wohl eher anzunehmen, mit einem Handschreiben abgeschickt. — Wohin sonst, als zu Bernadotte, dessen krumme Wege und schleichende WinkelzĂŒge lĂ€ngst verrieten, dass ihn nur die Berechnung auf Seite der Alliierten gestellt, er selber und seine volle Sympathie jedoch zu Napoleon hinneigten, jeden Augenblick bereit, um seinet- und der von ihm gebotenen Vorteile willen, seine VerbĂŒndeten schmĂ€hlich zu hintergehen.
Sollten all jene Todeswunden auf dem Schlachtfelde rings vergeblich bluten? Sollte so manch liebe HeimatstĂ€tte seines Vaterlandes vergeblich zum rauchenden Schutthaufen zusammensinken? Nein! Tausendmal nein! Der König soll und muss sich fĂŒgen! Komme, was da wolle — deutsch und deutsch! Ein einig Volk von BrĂŒdern wollen sie sein, Brust an Brust, gemeinsam den RĂ€uber ihrer Ehre und ihrer Freiheit zu zermalmen!
Brause wandte sich flammenden Auges zu dem Zelt ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Kolophon
  3. Die Ordre des Grafen von Guise
  4. – I. Kapitel
  5. Symone
  6. – Symone