20.000 Meilen unterm Meer
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20.000 Meilen unterm Meer

  1. 159 Seiten
  2. German
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20.000 Meilen unterm Meer

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Welches Seeungeheuer treibt 1866/67 sein Unwesen und bringt reihenweise Schiffe zum Kentern? Oder ist es womöglich ein Unterwasserfahrzeug? Professor Pierre Aronnax, ein versierter Meeresforscher, soll es herausfinden und sticht mit seinem Diener Conseil an Bord der US-Flotte "Abraham Lincoln" im Nordpazifik in See. Doch anstatt auf einen Narwal zu treffen, stellt sich das Ungeheuer als U-Boot heraus, und Aronnax und sein Begleiter werden von der Besatzung und dem geheimnisvollen Kapitän Nemo festgehalten... Eine Untersee-Weltreise beginnt!-

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Information

Jahr
2020
ISBN
9788726642865

Sechstes Kapitel

Im Indischen Ozean
So verlief also das Leben des Kapitän Nemo in der Tiefe des unermeßlichen Meeres sowie das Leben seiner Begleiter, von denen wir einen eben zu Grabe getragen in seine stille Bucht, wohin kein Ungeheuer des Ozeans drang, den letzten Schlummer der Genossen des „Nautilus“ zu stören.
„Auch kein Mensch sollte sie da stören“, hatte der Kapitän beteuert.
Es war stets dasselbe wilde, unversöhnliche Mißtrauen gegen die menschliche Gesellschaft!
Ich beruhigte mich nicht bei der Annahme, die Conseil befriedigte, der Kommandant des „Nautilus“ sei nur einer der verkannten Gelehrten, die die Gültigkeit der Menschen mit Verachtung erwidern. Er hielt ihn außerdem für ein unverstandenes Genie, das der Täuschungen der Erdenwelt müde, sich in dieses unzugängliche Gebiet hatte flüchten müssen, wo seinem Wollen freie Bahn gegeben war. Meiner Meinung nach aber erklärte diese Annahme nur eine der Seiten seines Charakters.
Es mußte so sein: Das Geheimnis dieser letzten Nacht, während der wir im Gefängnis und durch Schlaf ausgeschaltet waren, die so gewaltsame Vorsicht, mir das Fernrohr von den Augen wegzureißen, die tödliche Verwundung des Mannes, die von einem unerklärlichen Stoß des „Nautilus“ herrühren sollte — alles das drängte mich in eine neue Überlegung. Nein! Der Kapitän Nemo beschränkte sich nicht darauf, die Menschen zu fliehen! Sein furchtbares Fahrzeug diente nicht allein seinem Freiheitsbedürfnis, sondern vielleicht sogar fürchterlichen Repressalien.
Augenblicklich freilich ist mir noch nichts mit Gewißheit klar, ich sehe in diesem Dunkel nur einen unbestimmten Lichtschimmer, und ich muß mich darauf beschränken zu schreiben, was mir gewissermaßen die Ereignisse selbst diktieren.
Dabei sind wir durch nichts an den Kapitän Nemo gebunden. Er weiß, ein Entrinnen ist unmöglich. Wir sind nicht einmal auf Ehrenwort festgehalten. Wir sind nur Gefangene, die man mit einem Anschein von Höflichkeit als „Gäste“ bezeichnet. Demnach hat Ned-Land die Hoffnung nicht aufgeben, wieder die Freiheit zu erlangen. Zweifellos wird er die erste Gelegenheit, die ihm das Schicksal bietet, dazu benützen. Und ich werde es ebenso machen. Was uns von den Geheimnissen des „Nautilus“ durch das Vertrauen des Kapitäns mitgeteilt worden, werde ich aber nur mit einem gewissen Widerwillen mit mir nehmen. Muß man diesen Mann hassen oder bewundern? Ist er ein Opfer oder ein Henker? Offen gesagt, möchte ich gern, bevor ich ihn auf immer verließe, diese unterseeische Fahrt um die Welt, die so prächtig begonnen, erst vollenden. Ich möchte gern zuvor noch die in den Tiefen der Erdmeere vorhandenen Wunder vollständig erleben. Ich möchte sehen, was noch kein Mensch gesehen hat, und sollte ich dieses unersättliche Begehren mit meinem Leben bezahlen! Was habe ich denn bis jetzt entdeckt? Nichts, oder so gut wie nichts, denn wir haben erst sechstausend Meilen durch den Stillen Ozean zurückgelegt!
Doch ich weiß, daß sich der „Nautilus“ den bewohnten Ländern nähert und daß es grausam wäre, sofern sich eine Aussicht zur Rettung darbietet, meine Gefährten meiner Leidenschaft für das Unbekannte zu opfern. Ich muß mich ihnen anschließen, vielleicht sie sogar anführen. Aber wird sich eine solche Gelegenheit auch jemals ergeben? Der seiner Freiheit beraubte Mensch sehnt sich nach ihr, der Gelehrte aber in seinem Wissensdrang fürchtet sie.
An diesem Tage, dem 21. Januar 1868, nahm um Mittag der Schiffsleutnant den Höhenstand der Sohne auf. Ich begab mich auf die Plattform, zündete eine Zigarre an und sah ihm zu. Es schien mir klar, daß dieser Mann französisch nicht verstand, denn einige Male machte ich in dieser Sprache laut Bemerkungen, die ihm unwillkürlich die Beachtung abgewinnen mußten, sofern er sie verstanden; aber er blieb gleichgültig und stumm.
Während er mit dem Sextanten seine Beobachtungen anstellte, kam einer der Matrosen des „Nautilus“ — jener kräftige Mann, der uns bei unserem ersten unterseeischen Ausflug auf die Insel Crespo begleitet hatte — und reinigte die Fenster der Leuchte. Ich betrachtete diesen Apparat, dessen Leuchtkraft durch linsenförmige Ringe hundertfach verstärkt wurde. Die Graphitspitzen, zwischen denen die Lichtströmung sich entwickelte, waren um so wichtiger für Kapitän Nemo, da er sie nicht leicht hätte erneuern können. Aber ihre Abnutzung war fast unmerklich.
Während der „Nautilus“ sich vorbereitete, seine unterseeische Fahrt fortzusetzen, begab ich mich wieder in den Saal. Die Luken wurden wieder geschlossen, und es wurde westliche Richtung eingeschlagen.
Wir durdischnitten also die Wogen des Indischen Ozeans, eine Fläche von fünfhundertfünfzig Millionen Hektar Gehalt und von so durchsichtigem Wasser, daß einem schwindelt, wenn man sich darüber beugt. Der „Nautilus“ hielt sich in der Regel hundert bis zweihundert Meter tief. So ging es fünf Tage lang. Jedem anderen, der nicht so große Freude am Meer hatte wie ich, würden die Stunden gewiß langweilig und einförmig vorgekommen sein; aber dieser tägliche Spaziergang auf der Plattform, wo ich mich an der erfrischenden Seeluft erquickte, der Anblick der Gewässer durch die Fenster des Salons, die Lektüre in der Bibliothek, mein Tagebuch beschäftigten mich die ganze Zeit über und ließen mir nicht einen einzigen Augenblick Langeweile.
Unser Gesundheitszustand war befriedigend. Die tägliche Kost sagte uns recht zu, und ich hätte ganz die Abwechslung entbehren können, die Ned-Land, der geborene Widerspruchsgeist, forderte. Ferner war bei der gleichmäßigen Temperatur nicht einmal ein Katarrh zu befürchten. Dabei hätte das madreporische Gewächs, das in der Provence unter dem Namen Meerfenchel bekannt ist und wovon man einigen Vorrat an Bord genommen hatte, mit dem saftigen Fleisch der Polypen ein vortreffliches Mittel gegen den Husten gegeben.
Einige Tage lang bekamen wir eine große Menge Seevögel zu sehen, Plattfüßer, Meerschwalben oder Seemöven. Wir schossen einige, und gehörig zubereitet gaben sie ein vortreffliches Seewildbret ab. Unter den Weitseglern, die, aus weiter Ferne verschlagen, von ihrem ermüdenden Flug auf den Wellen ausruhen, bemerkte ich prächtige Albatros, die so disharmonisch schreien wie Esel; auch Fregatten, die in reißend schnellem Flug die Fische auf dem Meeresspiegel fangen, und zahlreiche Phaeton, unter ihnen den rotgesprengten, in Taubengröße, dessen weiße Flaumfedern mit rosa Tönen schattiert sind, und so die schwarze Färbung der Flügel hervorheben.
In den Netzen des „Nautilus“ fingen sich Seeschildkröten von der Kretgattung, mit gewölbtem Rücken und sehr geschätzter Schale. Sie tauchen leicht und können sich lange unter Wasser halten, indem sie die fleischige Klappe an der äußeren Mündung ihres Nasenkanals schließen. Ihr Fleisch freilich war meist nicht viel wert, aber ihre Eier waren eine treffliche Erfrischung.
Die Fische belauschten wir bei geöffneten Läden und bewunderten die Geheimnisse ihres Wasserlebens. Ich bemerkte einige Arten, die ich bisher noch nicht zu beobachten Gelegenheit hatte.
Ich erwähne nur die dem Roten und Indischen Meer eigentümlichen Beinfische. Sie sind gleich den Schildkröten, Gürteltieren, Meerigeln, Schaltieren mit einem Panzer geschirmt, der weder kreideartig noch steinartig, sondern von Knochenstoff ist. Er hat bald die Form eines dreieckigen, bald eines viereckigen Körpers. Von den dreieckigen waren manche einen halben Dezimeter lang, besaßen gesundes Fleisch von ausgezeichnetem Geschmack, braunen Schwanz und gelbe Flossen. Unter den viereckigen führe ich die mit vier Buckeln auf dem Rücken an; die Dromedare mit dicken kegelförmigen Höckern, sie haben ein hartes, zähes Fleisch; dann die Trigonen, die mit Stacheln versehen sind, die durch Verlängerung ihrer beinigen Schale entstehen, und die man ihres eigentümlichen Grunzens wegen „Meerschweine“ genannt hat.
Meister Conseil hatte in seinem Tagebuch eine sehr große Menge der schönsten und merkwürdigsten Fische verzeichnet; man könnte es zu Rate ziehen, doch würde die Aufzählung zu weit führen.
Vom 21. bis 23. Jänner fuhr der „Nautilus“ zweiundzwanzig. Meilen in der Stunde. Die Fische, die uns begleiteten, waren durch das elektrische Licht angelockt; die meisten freilich blieben bald zurück.
Am 24. früh bekamen wir, unter 12° 5’ südlicher Breite und 94° 33’ Länge, die Insel Keeling in Sicht; sie ist madreporischen Ursprungs, mit prachtvollen Kokosbäumen bepflanzt, aber unbewohnt und mit steilen Küsten, an denen der „Nautilus“ nahe vorbeifuhr. Darwin und der Kapitän Fitz-Roy hatten sie besucht. Sie versehwand rasch wieder am Horizont, und wir fuhren nordwestlich auf die Spitze der indischen Halbinsel zu.
„Zivilisierte Länder“, meinte Ned-Land zu mir, „besser als Papuasien, wo man mehr Wilde als Wildbret antrifft! Auf diesem indischen Land, Herr Professor, gibt’s Landstraßen, Eisenbahnen, englische, französische und Hindu-Städte. Da braucht es keine fünf Meilen, um auf einen Landsmann zu stoßen. Nun? Ist das nicht der rechte Zeitpunkt, dem Kapitän Nemo seine Höflichkeit zu vergelten?“
„Nein, Ned, nein“, erwiderte ich. „Der ‚Nautilus’ nähert sich bewohnten Landschaften. Er kommt nach Europa zurück, er soll uns erst dahin führen. Sind wir aber einmal in unserem heimatlichen Meer, wollen wir sehen, was die Klugheit uns rät. Außerdem nehme ich gar nicht an, daß Kapitän Nemo uns gestatten wird, an der Küste von Malabar oder Koromandel auf die Jagd zu gehen, wie er es in den Wäldern von Neu-Guinea erlaubt hat.“
„Hm! Herr, kann man es nicht ohne seine Erlaubnis tun?“
Ich gab dem Kanadier keine Antwort; ich wollte darüber nicht weiter debattieren. Im Grunde hatte ich mir vorgenommen, bis zum Ende mitzumachen, da ich nun einmal an Bord des „Nautilus“ verschlagen worden war.
Von der Insel Keeling an wurde unsere Fahrt langsamer. Sie war auch launenhafter und zog uns oft in große Tiefen hinab. Wir kamen so oft auf zwei bis drei Kilometer, aber ohne jemals die großen Tiefen dieses Indischen Meeres festzustellen. Auch bei der Messung der Temperatur der niederen Schichten zeigte das Thermometer unverändert vier Grad über Null. Ich beobachtete nur, daß in den oberen Lagen das Wasser unter der Oberfläche stets kälter war als seine Oberfläche.
Am 25. Januar, da der Ozean völlig leer war, brachte der „Nautilus“ den ganzen Tag auf der Oberfläche zu, und seine gewaltige Schraube warf bei ihren Schlägen die Wellen hoch empor. So konnte man ihn wohl für ein Riesenungeheuer ansehen. Ich brachte drei Viertel des Tages auf der Plattform zu. Mein Blick schweifte über das Meer. Nichts am Horizont, als gegen vier Uhr abends ein langes Dampfboot, das westlich uns entgegenfuhr. Seine Masten waren einen Augenblick sichtbar, aber der „Nautilus“ konnte nicht gesehen werden, weil er zu flach, über die Oberfläche des Wassers wenig hervorragt. Ich glaubte, dieses Boot gehörte der Linie an, die die Fahrten von Ceylon nach Sidney macht.
Um fünf Uhr abends, vor der Dämmerung, die in den Tropengegenden so kurz ist, wurden wir, Conseil und ich, durch einen merkwürdigen Anblick in Staunen versetzt.
Es gibt ein reizendes Tierchen, dessen Begegnung die Alten als ein glückliches Wahrzeichen ansahen. Sie nannten es Nautilus und Pompylius. Aber die neuere Wissenschaft hat ihm einen anderen Namen gegeben; die Molluske heißt jetzt Argonaut; das Tier gehört zur selben Familie wie der Kalmar und der Tintenfisch. Und einer solchen Truppe von Argonauten, die auf der Oberfläche des Ozeans wanderte und nach mehreren Hunderten zählte, begegneten wir gerade.
Diese zierlichen Mollusken bewegen sich mittels ihrer Fortbewegungsröhre, indem sie durch diese Röhre das eingesaugte Wasser ausstoßen. Von ihren acht Fühlfäden schwammen sechs lange und feine oben auf dem Wasser, während die beiden anderen blattförmig zusammengerollt wie ein leichtes Segel im Winde aufgespannt waren. Ich sah genau ihre spiralförmige gefältelte Muschel, die Cuvier richtig mit einer eleganten Schaluppe vergleicht. Es ist wirklich ein Boot, in dem Tier, das durch Absohderung dieses Boot geschaffen hat, fährt, ohne daß es ihm anhängt.
Etwa eine Stunde lang schwamm der „Nautilus“ mitten in dieser Molluskenschar. Plötzlich befiel sie ein heftiger Schrecken. Wie auf ein Signal verschwanden auf einmal alle Segel, die Arme zogen sich ein, die Körper schrumpften zusammen, die Muscheln änderten durch Umkehren ihren Schwerpunkt, und die ganze Flottille sank unter. Das geschah in einem einzigen Augenblick und mit einer Präzision, wie man es bei einem Schiffsgeschwader kaum gesehen hat.
Am folgenden Tage, dem 26. Januar, durchschnitten wir unter dem zweiundachtzigsten Meridian den Äquator und kamen wieder auf die nördliche Hemisphäre.
Während dieses Tages hatten wir eine fürchterliche Schar von Haifischen im Gefolge. Ungeheuer, die in diesen Meeren massenweise vorkommen und sie sehr gefährlich machen. Oft schossen diese mächtigen Tiere mit Ungestüm gegen die Fenster des Salons. Da war Ned-Land nicht länger zu halten, er wollte auf die Oberfläche des Wassers, um die Ungetüme mit seiner Harpune zu jagen. Aber der „Nautilus“ bekam durch Erhöhung seiner Schnelligkeit leicht einen Vorsprang vor diesen raschen Tieren.
Am 27. Januar, bei der Einfahrt in den ungeheuren Bengalischen Golf, stießen wir des öfteren auf Leichname, die auf der Meeresoberfläche schwammen. Es waren Leichen aus den indischen Städten, die der Ganges bis in das hohe Meer getrieben hatte, und die die Geier, die einzigen „Totengräber“ des Landes, nicht alle hatten verschlingen können. Die Haifische waren beflissen, sie in ihrem leidigen Geschäft zu unterstützen.
Gegen sieben Uhr abends fuhr der „Nautilus“, halb unter Wasser, mitten durch ein Milchmeer. So weit man sehen konnte, schien der Ozean aus Milch zu bestehen. War das etwa Wirkung des Mondlichtes? Nein, denn der Mond, erst seit zwei Tagen im Wachsen begriffen, befand sich noch unter dem Horizont. Der ganze Himmel, obgleich im vollen Licht der Sterne, schien schwarz im Gegensatz zu diesem weißen Gewässer.
Conseil wollte seinen Augen nicht trauen und fragte mich über die Ursachen dieser auffallenden Erscheinung. Glücklicherweise war ich imstande, ihm seine Frage zu beantworten:
„Man nennt das ein Milchmeer, weiße Meereswellen in weitem Umfang, wie man es häufig an den Küsten von Amboina und in diesen Gegenden zu sehen bekommt.“
„Kann mein Herr mich darüber belehren, welche Ursache diese Wirkung hervorbringt; denn das Wasser hat sich nicht in Milch umgewandelt, nehme ich an!“
„Nein, lieber Junge; diese weiße Farbe, die dir auffällt, rührt nur von Myriaden Infusorien her, einer Art Leuchtwürmchen, die farblos sind und wie Gallerte aussehen, haardünn und nicht länger als ein fünftel Millimeter sind. Diese Tierchen hängen meilenweit miteinander zusammen.“
„Meilenweit?“ Conseil konnte es gar nicht fassen.
„Ja, und gib dir nicht erst die Mühe, die Zahl dieser Tierchen auszurechnen! Du würdest es nicht fertigbringen, denn, irre ich nicht, so sind manche Seefahrer mehr als vierzig Meilen weit über solche Milchmeere gefahren.“
Ich weiß nicht, ob Conseil meiner Mahnung Rechnung trug, aber er schien in tiefes Nachdenken versunken und war ohne Zweifel bemüht, auszurechnen, wieviel Fünftel von Millimetern in vierzig Quadratmeilen enthalten sind. Ich aber beobachtete das Phänomen weiter. Einige Stunden lang fuhr der „Nautilus“ über die weißen Wogen, und ich bemerkte, daß er ganz geräuschlos durch dieses seifenartige Wasser glitt, als führe er durch die Schaumwirbel, die mitunter zwischen den Strömungen und Gegenströmungen der Baien entstehen.
Gegen Mitternacht nahm das Meer plötzlich wieder seine normale Farbe an, aber hinter uns bis zu den Grenzen des Horizonts schien der Himmel im Widerschein der weißen Wogen lange Zeit mit einem unbestimmten Nordlichtschimmer überzogen.
Am 28. Februar, als der „Nautilus“ zur Mittagszeit unter dem 9° 4’ nördlicher Breit...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Kolophon
  3. Erstes Kapitel
  4. Zweites Kapitel
  5. Drittes Kapitel
  6. Viertes Kapitel
  7. Fünftes Kapitel
  8. Sechstes Kapitel
  9. Siebentes Kapitel
  10. Achtes Kapitel
  11. Neuntes Kapitel
  12. Zehntes Kapitel
  13. Elftes Kapitel
  14. Zwölftes Kapitel
  15. Über 20.000 Meilen unterm Meer