Dorothea Angermann
eBook - ePub

Dorothea Angermann

  1. 140 Seiten
  2. German
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Dorothea Angermann

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

"Dorothea Angermann" ist ein Schauspiel in fünf Akten, in welchem der Leser oder die Leserin von der tragischen Protagonistin ganz und gar eingenommen wird. Nachdem ihr Ausbilder Mario sie schwängert, findet Dorothea sich in einer durch ihren Vater forcierten Zwangsehe wieder, die sich zu einem Martyrium entwickelt. Hat Dorotheas Vater ihr Schicksal ein für alle Mal besiegelt oder findet sie doch noch einen Weg, ihr Leben zum Guten zu wenden?-

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Information

Jahr
2021
ISBN
9788726956481

Zweiter Akt

Liegnitz. Dienstwohnung des Pastors Angermann. Das Studierzimmer des Pastors. Bücherwand rechts. Im Hintergrund Tür nach dem Speisezimmer. Sie ist geschlossen. Links ein breites Fenster mit Fensterbrett voller Blumen.
Es ist gegen zwei Uhr mittags im Monat Dezember. Helle Wintersonne scheint herein.
Auf einem Ritschchen sitzt lesend der Zuchthaussträfling Weiß und schiebt einen nagelneuen Kinderwagen, in dem ein Säugling ruht, leise hin und her. Er ist ein Mann in den mittleren Jahren und trägt eine Hornbrille.
Im Speisezimmer sitzt man noch bei Tisch. Es geht lebhaft und heiter zu.
Durch eine Tür der Linkswand, die vom sogenannten Entree hereinführt, tritt, wirtschaftlich gekleidet, Dorothea.
Dorothea. Hat er sich noch nicht gemeldet, Weiß? Sie tritt an den Kinderwagen.
Weiß. Nein.
Dorothea. Ich habe mich schon gewundert, bei dem Lärm, den wir nebenan machen.
Weiß. Sie machen aber doch keinen Lärm.
Dorothea. Mag sein, vielleicht bin ich nicht grade die lauteste.
Weiß. Ein stilles, tiefes, tiefes Wasser sind Sie, Fräulein Dorothee.
Dorothea, schmerzlich lächelnd. Durchsichtig oder undurchsichtig?
Weiß. Höchstens vorübergehend getrübt, Fräulein Dorothee.
Dorothea. Und doch sehen Sie, wie Sie glauben, durch Ihre große Eulenbrille bis auf den Grund in einen hinein.
Weiß. Nein, aber ich kann von Stirnen und Mundwinkeln manches ablesen.
Dorothea. Lesen Sie laut, man hat vielleicht etwas davon.
Weiß. Sie hören ja doch nicht auf den Rat eines Zuchthäuslers, Fräulein Dorothee!
Dorothea. Sie wissen genau, das trifft mich nicht.
Weiß. Man ist heiter, man trinkt sogar Wein dadrin. Der ehrenwerte Herr Pfannschmidt ist von Breslau herübergekommen, zum erstenmal mit dem Titel Professor. Ihr Vater ist heilsvergnügt über das, was nun kommt. Sie aber sind nicht so heilsvergnügt darüber, Fräulein Dorothee.
Dorothea. Wenn es aber so wäre, was es nicht ist: wie sollte man diesen Dingen ausweichen?
Weiß. Durch tiefstes, durch unverbrüchliches Stillschweigen!
Dorotheawird rot. Ich habe nichts zu verschweigen.
Weiß. Und doch! – Meine Strafzeit ist am fünfzehnten Februar verbüßt. Das ist in etwa zwei Monaten. Ich bin der einzige Sohn meiner Mutter. Sie wissen, meine Mutter ist Witwe und wohlhabend. Zwei Tage nach meiner Entlassung bin ich, wieder als Dr. Weiß, auf dem Wege zu treuen Freunden und Verwandten in Amerika. Könnten Sie in mein Herze sehen, Fräulein Dorothee, wie ich Ihr Schicksal durchblicken kann, Sie würden keinen Augenblick zögern, um diesen Ausweg zu ergreifen.
Dorotheaerrötet noch tiefer. Ausweg? wozu brauche ich Auswege?
Weiß, unbeirrt. Jeder andere Ausweg, glauben Sie mir, wird schlimmer sein.
Dorothea. Sie wollen mich doch nicht etwa heiraten?
Weiß. Sie würden jedenfalls an meiner Seite für immer geborgen sein!
Dorotheasieht ihn starr an. Wenn ich nur wüßte, wie es kommt, daß man bei jemand, der selbst nicht gerade auf Rosen gebettet ist, solches Mitleid erregen kann?
Pastor Angermann und Dr. Pfannschmidt treten ein.
Pastor, laut und aufgeräumt. Erbarm' sich! Das wird Tote geben bei dem Monstreprozeß, der drüben auf dem Kriminalgericht im Gange ist. Aber fort damit. Fort mit der vermaledeiten Politik! Weiß, steig mal auf das Regal hinauf, hol mir mal die Zigarren herunter. Weiß klettert auf das Regal hinauf und tut es. Weiß macht sich nämlich im Hause nützlich. Fluchtverdächtig ist er nicht, da er binnen kurzem seine zwei Jahre hinter sich hat. Wie Sie wissen, sind wir hier in die Hofmauer des Gefängnisses eingebaut. Empfängt die Zigarrenkiste. Danke, Weiß. Nun kannst du den Kinderwagen hinausschieben.
Dorothea, zu Weiß. Danke, danke, ich tue es schon.
Der Säugling beginnt zu schreien.
Die hübsche neunzehnjährige Pastorin tritt ein.
Pastor. Liebe Cläre, du hörst, es ist Zeit! Der Herrscher des Hauses wünscht zu trinken. Tu deine Pflicht. Wir haben auch einst nach den Mutterbrüsten nicht vergeblich verlangt.
Pastorinerrötet über und über, stottert. Aber Liebling ... was sind das – was sind das für Worte, guter Paul?!
Pastor. Nun, du verleugnest doch nicht deine beiden Milchquellen?! Die Mutter Maria hat den Heiland der Welt doch auch nicht mit Mehlsuppe aufgepäppelt. Die junge Pastorin schüttelt den Kopf. Das schreiende Baby wird von ihr, Weiß und Dorothea hinausgeschoben. Der Pastor und Dr. Pfannschmidt allein. So vergnügt war ich lange nicht! Aber das mußte natürlich gefeiert werden. Es ist eben ein Lebensabschnitt, wenn man Professor geworden ist. – Trinken wir erst mal noch einen Schnaps, und dann quetschen wir uns in aller Gemütsruhe eine von diesen Havannas zwischen die Zähne! Ein braver Christenmensch, dessen Sohn ich getauft habe, hat mir dafür dies unbezahlbare Giftkistchen dediziert.
Der Likör ist eingeschenkt, die Zigarren sind angezündet. Die Herren haben in bequemen Stühlen Platz genommen. Dr. Pfannschmidt ist sehr blaß, offenbart Zeichen von Erregung, verschluckt sich am Rauch, hustet usw.
Pastor, nach längerer Pause. Wir wollen uns etwas die Westen aufknöpfen. Königsberger Klops war von jeher mein Leibgericht. Aber eine Boa constrictor, die ungestraft einen lebenden Ochsen verschlingt und verdaut, ist man ja schließlich nicht. Nach abermaligem Stillschweigen. Ja, dieser Weiß, dieser Sträfling, den Sie gesehen haben, hat Wechsel gefälscht. Er hat höchst überflüssigerweise einen Wechsel gefälscht: den Namen seines reichen Schwagers darunter geschrieben. Hätte er ihm oder seiner begüterten Mutter ein Wort gesagt ... Ein kluger Mensch, ein Doktor, ein Kunsthistoriker, der solche riesige Dummheit macht! Aber, nun, Doktor: Sie wollten mich unter vier Augen sprechen. Prosit! Er stürzt den Likör. Ungeniert! Ich bin ganz Ohr.
Dr. Pfannschmidt. Ich bitte um die Hand Ihrer Tochter Dorothea.
Pastor, nach kurzer Pause. Das überrascht mich nicht, lieber Doktor!
Dr. Pfannschmidt. Nein, ganz und gar überraschen kann es Sie nicht. Seltsam und scheinbar zufällig berühren und verweben sich Schicksale. Was soll man weiter darüber sagen?! Durch Zufall habe ich Sie und habe ich Ihre Tochter kennengelernt. Interesse faßt' ich für Dorothea, sobald ich ihrer ansichtig wurde. In meinem Vaterhause habe ich dann ihr tiefes, goldreines Gemüt kennen, schätzen und lieben gelernt. Ich ging mit der Wahrheit nicht heraus. Ich wollte mir diesen Schatz gleichsam erst verdienen. So habe ich mir die Erreichung eines bestimmten akademischen Grades und Titels vorgesetzt, um damit – aus einem gewissen ethischen Eigensinn tat ich das! – ... um damit, nach meinen Begriffen, ihrer mehr würdig zu sein. Mag sein, Herr Pastor, ich bin darin altmodisch, ich ... Nun, was ich wollte, ist heut erreicht.
Gotthold, mit Schulbüchern unterm Arm, platzt heftig durch die Tür herein.
Pastor. Was willst du denn, Gotthold?
Gotthold. Ich komme zur Stunde, Herr Pastor.
Pastor. Wieso, Gotthold, welche Zeit ist es denn?
Gotthold. Halb drei, Sie haben die Zeit bestimmt zur Lateinstunde.
Pastor. Richtig. Dann will ich dir etwas sagen: Wirf heut mal deinen Ranzen weg, und mache dich augenblicklich fort auf die Schlittschuhbahn.
Gotthold. Ach danke, danke, danke, Herr Pastor! Er stürzt hinaus.
Pastor. Dieser frische Bengel hat uns ja eigentlich zusammengebracht. Es fällt mir ein, weil Sie vom Zufall sprachen: allmächtig hat ihn der große Preußenkönig genannt. In einem Biergarten fiel mir der Junge auf. Und da er mit Ihrem Vater war – ich hatte am selben Tische Platz gefunden –, machte die Anfreundung keine Schwierigkeit. Ihr Vater liebte den Burschen sehr.
Dr. Pfannschmidt. Ja, weil er eigentlich auch meinen verschollenen Bruder mehr als mich liebte.
Pastor. Ja, um auf besagten Hammel zurückzukommen: ein Engel ist Dorchen nun eben nicht. Es dürfte jedenfalls besser sein, wenn Sie von vornherein bei ihr mit einer hübschen Anzahl von, sagen wir gelinde – Seltsamkeiten rechnen wollten.
Dr. Pfannschmidt. Es ist die Frau, die ich brauche, Herr Pastor. Ich habe mich da sehr gewissenhaft ... ich habe mich immer wieder geprüft. Es ist die Frau, die ich immer gesucht habe. Es gibt auf der ganzen Welt eben nur diese eine Frau für mich.
Pastorerhebt sich. Das scheint einem so ... Aber immerhin ... Bliebe mir also nur zu fragen, ob Sie mit Dorothea einig sind?
Dr. Pfannschmidt. Das walte Gott! Wir sind einig geworden.
Pastor. Womit meine überflüssige Frage noch als besonders dumm und überflüssig gebrandmarkt ist. Wenn du nun also erwarten solltest, mein geliebter Sohn, ich würde mich lange zieren, dein Vater zu werden oder, nach Art meiner Berufstätigkeit als Gefängnisgeistlicher, eine peinliche Inquisition mit dem Motiv anstellen: »Bist du imstande, meine Tochter glücklich zu machen?«, irrst du dich. Ich wünsche mir keinen besseren Schwiegersohn! Beide Männer umarmen und küssen einander. So, nun wollen wir noch einen Schnaps trinken. Seine Hand zittert beim Eingießen des Likörs, er versucht vergeblich, seine Bewegung zu meistern. Man trinkt schweigend und schüttelt dann einander kräftig und bewegt die Hand. Item! Nun hat man auch das erlebt! Obgleich ich nun, der schwierigen Lage wegen, die sich aus meiner zweiten Ehe ergeben würde, nicht gerade wünschen kann, daß meine liebe erste, selige Frau wiederkäme, so wollte ich doch, daß sie herabsehen und sich mit mir am Glück ihrer Tochter freuen könnte! Sie hat Dorothea immer besonders liebgehabt. Nun will ich erst mal dein Mädchen zu dir hereinschicken. Um dies zu tun, wohl auch, um seiner Bewegung Herr zu werden, geht er hinaus.
Dr. Pfannschmidt macht eine kleine nervöse Verbeugung hinter dem Pastor her und geht dann, allein geblieben, erregt auf und ab. Als nach einiger Zeit niemand gekommen ist, bleibt er stehen und horcht. Erregt nimmt er dann seinen Gang wieder auf. Seine Erregung wächst dermaßen, daß er sich den Schweiß von der Stirn wischen muß. Da immer noch niemand kommt, tritt er ans Fenster und trommelt an den Scheiben.
Unbemerkt von Dr. Pfannschmidt, tritt Dorothea leise ein, steht und gibt kein Lebenszeichen. Es dämmert im Zimmer. Die Wintersonne ist am Untergehen.
Dr. Pfannschmidtwendet sich, erschrickt, da er Dorothea erkennt, und sagt. Dorothea! –
Dorotheasieht auf ihre gefalteten Hände und antwortet nicht.
Dr. Pfannschmidt, indem er ihr beide Hände entgegenstreckt, wiederholt. Dorothea! – Erhält aber wiederum keine Antwort. Dorothea! –? ruft er nochmals und mit leisem Erschrecken und Befremden im Ton.
Dorothea, sehr leise und dringend. Ich hatte Sie gebeten, lieber Herbert ... ich hatte Sie so inständig gebeten, mit dem zu warten, was Sie nun doch wohl getan haben: sonst hätte mich ja wohl mein Vater nicht zu Ihnen hereingeschickt.
Dr. Pfannschmidt, innig erregt. Ich habe getan, was geschehen mußte, liebe Dorothee. Ich habe das mit Bewußtsein getan, nachdem ich die Gewißheit erlangt hatte, daß Ihr Zögern nicht auf einen Mangel an Liebe zu mir, sondern viel eher auf einen Kleinmutswahn, einen Mangel an Selbstvertrauen zurückzuführen ist. Ich liebe Sie, liebe, liebe Dorothee! Und weil ich Sie liebe, liebe, liebe, liebe Dorothee, so mag ich keine Zeit mehr verlieren...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Kolophon
  3. Dramatis Personae
  4. Erster Akt
  5. Zweiter Akt
  6. Dritter Akt
  7. Vierter Akt
  8. Fünfter Akt
  9. Über Dorothea Angermann