Don Quixote
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Don Quixote

  1. 493 Seiten
  2. German
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Über dieses Buch

Nicht umsonst wurde "Don Quixote" 2002 vom Osloer Nobelpreis-Institut zum "besten Buch der Welt" gekürt: Don Quixote, der Ritter von der traurigen Gestalt, ist eigentlich ein Landjunker, der zu viele Ritterromane gelesen hat und nun selber einer werden will. Zusammen mit seinem treuen Gefährten Sancho Pansa macht er sich auf den Weg, um seiner Verehrten zu imponieren. Dank seiner blühenden Phantasie erlebt er so manche Abendteuer auf seinen Fahrten.-

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Information

Jahr
2020
ISBN
9788726642919

VIERTES BUCH

Von einer Weisung, auf welche Art die herrliche Dulzinea von Toboso entzaubert werden könne

Sehr groß war das Ergötzen, welches der Herzog und die Herzogin aus der Unterhaltung des Don Quixote und des Sancho Pansa schöpften, und nachdem sie sich in dem Vorsatze bestärkt hatten, ihnen einige Possen zu spielen, die das Ansehn und den Schein von Abenteuern hätten, nahmen sie die Veranlassung von dem, was ihnen Don Quixote schon von der Höhle des Montesinos erzählt hatte, um einen Scherz mit ihm zu treiben, der ausgezeichnet war. Worüber sich aber die Herzogin am meisten verwunderte, war, daß sie die Einfalt des Sancho so groß fand, daß er selbst zu dem Glauben gekommen, es wäre ausgemachte Wahrheit, Dulzinea von Toboso sei bezaubert, da er doch selbst der Zauberer und der Erfinder dieser Geschichte gewesen war. Nachdem also allen Dienern die Befehle erteilt waren, wie sie sich zu verhalten hatten, führten sie ihn nach sechs Tagen auf eine Schweinsjagd, mit einem solchen Zuge von Jägern und Förstern, wie ihn nur immer ein gekrönter König mit sich führen kann. Man gab dem Don Quixote ein Jagdkleid, und ein andres dem Sancho, vom feinsten grünen Tuche. Don Quixote aber wollte das seinige nicht anlegen, indem er sagte, er müsse doch ehestens zur beschwerlichen Waffenübung zurückkehren, und könne auch weder Garderoben noch Magazine mit sich führen. Sancho aber nahm das, was sie ihm gaben, mit der Absicht, es bei der ersten guten Gelegenheit zu verkaufen.
Da nun der bestimmte Tag gekommen war, rüstete sich Don Quixote, Sancho kleidete sich an und auf seinem Grauen, den er nicht verlassen wollte, ob man ihm gleich ein Pferd anbot, begab er sich unter den Trupp der Jäger. Die Herzogin war prächtig geschmückt, und Don Quixote nahm aus übergroßer Artigkeit den Zaum ihres Zelters, sowenig es auch der Herzog zugeben wollte. So kamen sie endlich in einen Wald, der zwischen zwei hohen Bergen lag, wo sie ihren Stand nahmen und jeder seinen Posten faßte, die Leute sich nach ihren verschiedenen Örtern verteilten, und nun die Jagd mit großem Toben, Schreien und Lärmen ihren Anfang nahm, so daß vor dem Bellen der Hunde, wie vor dem Klange der Hifthörner keiner den andern hören konnte. Die Herzogin stieg ab und eilte mit einem scharfen Jagdspieß in der Hand nach einem Ort, wo sie wußte, daß gewöhnlich einige Eber herauszukommen pflegten. Gleichfalls stiegen der Herzog und Don Quixote ab und stellten sich ihr zur Seite; Sancho begab sich hinter alle, ohne vom Grauen zu steigen, den er nicht zu verlassen dachte, damit ihm kein Unglück zustoßen möchte. Kaum hatten sie Fuß gefaßt und sich mit einigen ihrer Diener in eine Reihe gestellt, als, von Hunden gehetzt und von Jägern verfolgt, sie einen ungeheuern Eber auf sich zukommen sahn, der mit den Zähnen und Hauern knirschte und Schaum aus dem Maule warf; sowie er ihn sah, faßte Don Quixote den Schild, ergriff das Schwert und sprang vor, um ihn zu empfangen, das nämliche tat der Herzog mit seinem Spieße, aber die Herzogin wäre allen zuvorgekommen, wenn der Herzog sie nicht zurückgehalten hätte. Nur Sancho, als er des gewaltigen Tieres ansichtig wurde, sprang vom Grauen und lief, so schnell er nur konnte, indem er sich bemühte, eine hohe Eiche zu erklettern, was ihm aber nicht gelang; sondern, da er sie halb erklettert, und sich, um zum Gipfel zu klimmen, an einem Zweige hielt, verließen ihn Heil und Glück so sehr, daß der Zweig abbrach, und er im Herunterstürzen an einem Ast der Eiche in der Luft hängen blieb, ohne den Boden erreichen zu können; wie er sich so schweben sah, sein grünes Tuch zerrissen, und ihm schien, daß, wenn jenes wilde Tier dorthin käme, es ihn erreichen könne, fing er dermaßen an zu schreien, und mit solcher Gewalt um Hilfe zu rufen, daß alle, die ihn hörten und nicht sahen, glaubten, er befinde sich schon zwischen den Zähnen eines wilden Tieres, Der hauende Eber erlag endlich den Stichen der vielen Jagdspieße, die auf ihn eingedrungen waren, und Don Quixote wandte nun das Haupt nach dem Geschrei des Sancho um, woran er ihn schon erkannt hatte, und sah ihn die Eiche herabhängen, mit dem Kopfe unten und seinen Grauen dicht neben ihm, der ihn in seinem Unglücke nicht verließ.
Don Quixote ging hin und machte Sancho los, der, als er sich frei und wieder auf der Erde sah, den Riß in seinem Jagdkleide beschaute und sich innig betrübte, weil er in diesem Kleide ein Landgut zu besitzen glaubte. Indessen packten sie den großen Eber auf ein Lasttier, bedeckten ihn mit Rosmarin und Myrtenzweigen, und brachten ihn so als Zeichen eines rühmlichen Sieges zu einigen großen Zelten, die mitten im Walde aufgeschlagen waren, wo sie die Tische geordnet und die Mahlzeit bereitet fanden, so groß und kostbar, daß man daraus wohl die Größe und Pracht dessen erkennen konnte, welcher sie gab. Sancho zeigte der Herzogin die Löcher in seinem zerrissenen Kleide und sagte: „Wäre das eine Hasen- oder eine Vogeljagd gewesen, so hätte mein Kleid gewiß nicht dieses Leiden erfahren; ich weiß doch nicht, welche Lust dabei ist, einem Tiere aufzulauern, das, wenn es einen mit den Hauern trifft, den Menschen umbringen kann: ich besinne mich, eine alte Romanze gehört zu haben, worin es heißt:
Von den Bären sei gefressen
Wie Fabila der bekannte.“
„Dieser war ein gotischer König“, sagte Don Quixote, „der auf der Jagd von einem Bären gefressen wurde.“
„Das ist ja, was ich sage“, antwortete Sancho, „ich magʼs nicht, daß Fürsten und Könige sich solcher Gefahr aussetzen, eines Vergnügens wegen, das mir unbegreiflich ist, denn es besteht darin, ein Tier umzubringen, das keinem was zuleide getan hat.“
„Ihr irrt hierin, Sancho“, antwortete der Herzog, „die Übung einer solchen Jagd ist für Fürsten und Könige schicklicher und notwendiger als die einer jeden andern. Die Jagd ist ein Bild des Krieges, sie veranlaßt Listen, Feinheiten, Nachstellungen, um mit eigner Sicherheit den Feind zu überwinden; man lernt auf ihr den heftigsten Frost und unerträgliche Hitze erdulden, Müßiggang und Schlaf wird verringert, die Kräfte werden gestärkt, die Glieder geschmeidigt, das beste aber ist, daß sie nicht für alle ist, so wie die übrigen Arten zu jagen, kurz, es ist eine Lust, die sich ohne jemandes Schaden und zum Vergnügen vieler ausüben läßt, ausgenommen die Reiherbeize, die auch nur Könige und vornehme Herren für sich haben. Darum müßt Ihr, Sancho, Eure Meinung ändern, und wenn Ihr Statthalter seid, Euch mit der Jagd beschäftigen, und Ihr werdet dann erfahren, daß Ihr Euer Schulgeld nicht umsonst ausgebt.“
„Nicht so“, antwortete Sancho, „der gute Statthalter bleibe daheim, züchtig und fein. Das wäre schön, wenn sie mit Geschäften müde herbeigelaufen kämen und er triebe sich unterdes im Walde herum; da würde es um die Statthalterei erbärmlich stehn. Wahrlich, gnädiger Herr, Jagd und Zeitvertreib sind mehr für Müßiggänger als für Statthalter; woran ich mich vergnügen will, ist ein Kartenspielchen auf Ostern, und sonntags und an den Festen das Kugelwerfen, denn diese Schweinshetze oder Beize ist nicht für mein Temperament und paßt nicht für mein Gewissen.“
„Gebe Gott, Sancho, daß es so sei, denn zum Tun vom Sprechen tut noch viel gebrechen.“
„Komme es, wie es komme“, versetzte Sancho, „dem guten Zahler gereut kein Pfand, besser wer mit Gottes Hilfe geht, als wer noch so früh aufsteht, der Bauch trägt die Beine und nicht die Beine den Bauch, ich meine, daß, wenn Gott mir beisteht und ich meine Schuldigkeit mit gutem Willen tue, ich gewiß regieren werde wie ein Engel: steckt mir nur den Finger ins Maul, und seht zu, ob ich beiße oder nicht.“
„Verflucht seist du von Gott und allen seinen Heiligen, verfluchter Sancho“, sprach Don Quixote. „Ha! wann wird doch der Tag erscheinen, wie ich schon so vielmals gefragt habe, an welchem ich dich ohne Sprichwörter vernünftig und anständig sprechen höre? Lassen Eure Hoheiten diesen Narren, denn er wird Euch zermalmen, nicht zwischen zweien, sondern zwischen zweitausend Sprichwörtern, die so schicklich und passend herbeigeführt sind, wie Gott ihm Wohlsein schenken möge, oder mir, wenn ich sie anhören möchte.“
„Die Sprichwörter des Sancho Pansa“, sagte die Herzogin, „wenn ihrer auch mehr sind als die des griechischen Komturs, sind deshalb, wegen der Kürze ihrer Sentenzen, nicht weniger schätzbar. Ich muß gestehn, daß sie mich mehr als andre vergnügen, die vielleicht schicklicher und mehr zur rechten Zeit angeführt werden.“
Nach diesen und andern unterhaltenden Gesprächen verließen sie das Zelt und gingen in den Wald, und indem sie einige Anstände besuchten, verging ihnen der Tag und die Nacht kam herbei, doch nicht so heiter und ruhig, als man es von der Jahreszeit erwarten konnte, denn es war mitten im Sommer; sondern eine gewisse Halbdunkelheit, die sich verbreitete, kam der Absicht des Herzogs sehr zustatten. Wie es daher anfing Nacht zu werden, eine kurze Zeit vor der Dämmerung, schien es plötzlich, als wenn der Wald an allen vier Enden brenne, und zugleich hörte man hier und dort, hüben und drüben unendlich viele Trompeten und andre Kriegsinstrumente, wie von vielen Reitergeschwadern, die durch den Wald zogen. Der Glanz des Feuers, der Klang der kriegerischen Instrumente verblendeten und betäubten beinah die Augen und Ohren der Umstehenden, und selbst aller derer, die sich im Walde befanden. Alsbald vernahm man tausendfaches Feldgeschrei, nach Art der Mohren, wenn sie zur Schlacht ausrücken. Trompeten und Hörner ertönten, Trommeln lärmten, Pfeifen erklangen, alles fast zu gleicher Zeit und alles so zu gleicher Zeit und plötzlich, daß der ohne Sinn gewesen wäre, der ihn nicht bei dem verworrnen Getöse so mannigfaltiger Instrumente verloren hätte. Der Herzog erschrak, die Herzogin erstaunte, Don Quixote war verwundert, Sancho Pansa zitterte, und alle, selbst diejenigen, die um die Ursache wußten, waren voll Entsetzens. Mit dem Schreck überraschte ein Stillschweigen alle und zugleich ein Postreuter, der in Teufelstracht dahersprengte, und statt in die Trompete in ein ungeheures Horn stieß, welches einen rauhen und furchtbaren Ton von sich gab. „Holla! Freund Kurier“, sagte der Herzog, „wer seid Ihr? Wohin geht Ihr? Und was ist das für Kriegsvolk, das in diesem Walde zu streifen scheint?“
Worauf der Kurier mit grauenvoller und entsetzlicher Stimme antwortete: „Ich bin der Teufel. Ich suche den Don Quixote von la Mancha. Das Volk, das von dorten kommt, besteht aus sechs Truppen von Zauberern, die auf einem Triumphwagen die unvergleichliche Dulzinea von Toboso führen. Sie kommt bezaubert mit dem braven Franzosen Montesinos, um dem Don Quixote Befehle zu erteilen, wie die Dame entzaubert werden soll.“
„Wärt Ihr der Teufel, wie Ihr sagt und wie Eure Gestalt ausweist, so müßtet Ihr schon diesen Ritter Don Quixote von la Mancha erkannt haben, denn er steht vor Euch.“
„Bei Gott und meinem Gewissen“, antwortete der Teufel, „es war mir entfallen, denn ich habe so viele Dinge im Kopfe, daß ich die Hauptsache vergaß, weshalb ich gekommen bin.“
„Ohne Zweifel“, sagte Sancho, „muß dieser Teufel ein braver Mann und guter Christ sein, denn sonst würde er nicht bei Gott und seinem Gewissen schwören. Jetzt halte ich dafür, daß es auch selber in der Hölle noch brave Leute geben muß.“
Der Teufel, ohne abzusteigen, wandte sich alsbald gegen Don Quixote und sagte: „Zu dir, dem Ritter von dem Löwen (in deren Klauen ich dich schon sehn möchte) sendet mich der unglückliche aber tapfere Ritter Montesinos, mit dem Auftrage, dir von ihm zu sagen, daß du ihn dort erwarten mögest, wo ich dich treffe, weil er die genannte Dulzinea von Toboso mit sich führt, in der Absicht, dir das anzugeben, was zu ihrer Entzauberung notwendig ist. Mehr habe ich nicht auszurichten, mehr will ich nicht verziehn. Die Teufel, wie ich, seien mit dir und die guten Engel mit jenen Herrschaften.“ Mit diesen Worten stieß er wieder in sein ungeheures Horn und lenkte um, ohne irgendeine Antwort abzuwarten.
Alle waren von neuem verwundert, vorzüglich aber Sancho und Don Quixote: Sancho, weil er sah, daß man der Wahrheit zum Trotz haben wolle, Dulzinea sei bezaubert: Don Quixote, weil er sich nicht versichern konnte, ob das Wahrheit sei, oder nicht, was ihm in der Höhle des Montesinos begegnet war. Indem er noch mit diesen Gedanken kämpfte, fragte ihn der Herzog: „Denkt Ihr zu warten, mein Herr Don Quixote?“
„Etwa nicht?“ antwortete jener, „allhier will ich warten, unerschrokken und voll Muts, und käme auch die ganze Hölle, mich anzugreifen.“
„Wenn ich aber wieder solchen Teufel sehe, und wieder ein Horn höre, wie das vorige, so will ich allhier so warten, wie ich ein Türke bin“, sagte Sancho.
Indes wurde die Nacht finsterer, und viele Lichter fingen an durch den Wald zu schweifen, ganz so wie die trocknen Dünste der Erde durch den Himmel zu schweifen pflegen, die unsern Augen als schießende Sterne erscheinen. Zugleich hörte man ein fürchterliches Geräusch, dem gleich, welches von den Rädern aus einem Stück verursacht wird, auf denen die Ochsenwagen laufen, vor deren kreischendem ununterbrochenem Gerassel Wölfe und Bären, wenn sich in der Gegend dergleichen befinden, entfliehen sollen. Zu diesem Ungetüm kam noch ein andres hinzu, welches jenes Toben vermehrte: es schien nämlich in der Tat, daß in allen vier Teilen des Waldes vier Scharmützel oder Schlachten zugleich vorfielen, denn dort tobte der laute Donner einer furchtbaren Artillerie, hier wurden unzählige Musketen abgefeuert, ganz nahe tönte das Geschrei der Streitenden, in der Ferne erhob sich wieder das barbarische Feldgeschrei. Kurz, die Trompeten, Hörner, Pfeifen, Klarinetten, Hoboen, Trommeln, die Kanonen, Musketen, vorzüglich aber das entsetzliche Kreischen der Karren, bildeten zusammen ein so verworrenes und fürchterliches Getöse, daß Don Quixote sich seines ganzen Herzens bemeistern mußte, um es auszuhalten: das des Sancho aber entfiel und warf ihn ohnmächtig auf die Schleppe der Herzogin, die ihn in derselben auffing und eiligst befahl, ihm Wasser in das Gesicht zu spritzen. Es geschah, und er kam wieder zu sich, als schon einer von den Wagen mit den knarrenden Rädern ihnen nahe gekommen war. Dieser wurde von vier langsamen Ochsen gezogen, die ganz in schwarze Decken verhüllt waren. Auf jedem Horne war ihnen eine große brennende Fackel von Wachs befestigt, auf dem Wagen selbst aber befand sich ein erhabener Sitz, welchen ein ehrwürdiger Greis einnahm, dessen Bart so weiß wie Schnee und so lang war, daß er ihm über den Gürtel reichte: seine Kleidung war ein weiter Rock von schwarzem Tuch, denn da der Wagen selbst mit unzähligen Lichtern besteckt war, so konnte man auf ihm alles sehn und gut unterscheiden. Ihn begleiteten zwei häßliche Teufel, mit dem nämlichen Tuch bekleidet, die so scheußliche Gesichter hatten, daß Sancho, da er sie einmal gesehn hatte, die Augen zudrückte, um sie nicht zum zweiten Male zu erblicken. Als ihnen der Wagen nun gegenüberstand, richtete sich von seinem erhabenen Sitze der ehrwürdige Greis auf und sagte aufrecht stehend mit lauter Stimme: „Ich bin der weise Lirgandeo!“ und hiemit fuhr der Wagen weiter, ohne daß man noch ein andres Wort vernahm. Nach diesem kam ein andrer Wagen von derselben Art, mit einem andern thronenden Greise, der den Wagen anhalten ließ und mit ebenso ernster Stimme rief wie jener: „Ich bin der weise Alquife, der vertraute Freund der Urganda der Unbekannten!“ und so fuhr er weiter. Ihm folgte unmittelbar ein andrer Wagen; aber der auf dem Throne saß, war kein Greis, wie die übrigen, sondern ein starker, widerwärtiger Kerl, der sich, als er herbeigekommen, aufrichtete, wie die andern, und mit einer mehr rauhen und teufelmäßigen Stimme sagte: „Ich bin Arcalaus der Zauberer, Todfeind des Amadis von Gallia und seiner ganzen Verwandtschaft!“ und so fuhr er weiter. Nicht weit davon machten diese drei Wagen halt, wodurch das widrige Knarren ihrer Räder aufhörte. Nun vernahm man kein andres Getöse als den Klang einer süßen und zusammenstimmenden Musik, worüber sich Sancho freute und es für ein gutes Zeichen hielt, und dieses auch der Herzogin sagte, von der er sich durchaus nicht einen Schritt weit entfernte: „Gnädige Frau, wo Musik ist, da kann auch nichts Böses sein.“
„Ebensowenig als wo Licht und Helligkeit ist“, antwortete die Herzogin.
Worauf Sancho versetzte: „Das Feuer gibt Licht, und Brände verbreiten Helligkeit, wie wir es hier um uns an denen gewahr werden, die uns wohl noch verbrennen können; aber die Musik ist immer ein Zeichen von Jubel und Fröhlichkeit.“
„Es wird sich zeigen“, sagte Don Quixote, der alles gehört hatte, und er sprach richtig.
Nach dem Takte der anmutigen Musik sahen sie einen sogenannten Triumphwagen näherkommen, von sechs grauen Maultieren gezogen, die mit weißen Leinendecken-behängt waren. Auf jedem Tiere saß ein Büßender, ebenfalls in Weiß gekleidet, mit einer großen brennenden Wachsfackel in der Hand. Der Wagen war zwei-, ja dreimal größer als die vorigen, und auf den Seiten, wie oben, befanden sich noch zwölf Büßende, so weiß wie der Schnee, alle mit ihren brennenden Fackeln, ein Anblick, der zugleich verwunderte und erschreckte. Auf einem erhabenen Thron saß eine Nymphe, die in viele Schleier von Silberstoff gehüllt war, durch welche unendlich viele goldne Folioblättchen blinkten, wodurch ihre Kleidung, wenn nicht kostbar, doch glänzend erschien; das Gesicht war mit einem feinen und durchsichtigen Zindel verhängt, so daß, ohne ihr Antlitz zu verbergen, man das Gesicht einer sehr schönen Jungfrau wahrnehmen konnte, ja die vielen Lichter machten es möglich, ihre Anmut sowie ihr Alter zu unterscheiden, welches dem Anschein nach die Zwanzig noch nicht erreicht, aber auch nicht unter siebzehn stand. Neben ihr befand sich eine Figur, in einen weiten Talar gewickelt, der ihr bis zu den Füßen reichte, den Kopf in einem schwarzen Schleier verhüllt. Als dieser Wagen der Herzogin und Don Quixote gegenüberstand, verstummte sogleich die Musik der Flöten, Harfen und Lauten, die auf dem Wagen gespielt wurden, die Gestalt mit dem Gewande erhob sich, schlug es von beiden Seiten zurück und nahm den Schleier vom Angesichte hinweg, worauf man deutlich sah, daß es die Gestalt des Todes selbst war, entfleischt und entsetzlich, worüber Don Quixote zusammenfuhr und Sancho erschrak, auch die Herzöge einen Ausdruck von Grauen zeigten. Als sich dieser lebende Tod aufrecht gestellt hatte, sprach er mit schläfriger Stimm:
Ich bin Merlin, von welchem die Geschichten
Erzählen, daß der Teufel mich erzeugte,
Fürst und Beherrscher jeglicher Magie,
Ein Kämpfer mit den Jahren und den Zeiten,
Die sich bemühn die Taten auszulöschen
Von jenen fahrenden hochherzʼgen Rittern,
zu denen ich Freundschaft und Liebe trage.
Und obwohl sonst der andern Zauberer,
Der andern Mager, oder Magier
Gesinnung pflegt hart, rauh und wild zu sein,
So ist die meine sanft und zart und lieblich,
Und wünscht nur Gutes aller Welt zu tun.
In Ditis dunkelvollen Höhlungen,
Wo meine Seele Unterhaltung fand
Gewisse Kreisʼ und Linien zu entwerfen,
Traf mich die Klagestimme von der schönen
Und hohen Dulzinea von Toboso.
Ich sah ihr Unglück, die Bezauberung,
Und die Verwandelung aus feiner Dame
In Bauerndirne: dieses ging mir nah,
Und schließend meinen Geist ein in die Leere
Von diesem furchtbarn scheußlichen Gerippe,
Nachdem ich aufschlug hunderttausend Bücher
Von meiner niederträchtʼgen Teufelskunst,
Kommʼ ich zu künden, was vermitteln kann
Dies große Leiden, Unheil übergroß.
O Glorie du, Ruhm aller, die sich kleiden
Mit stählernem und diamantnem Rock,
Leuchtturm und Licht, Wegweiser, Stern und Führer
Von allen, die verlassend trägen Schlaf
Und müßʼge Federn, auszuüben sich
Bereiten jenes äußerst harte Handwerk
Der Blut bedeckten schweren Last der Waffen:
Dir sagʼ ich, Held, dir nimmermehr genug
Gepriesen nach Verdienst: dir, tapferer
Und minder nicht verständʼger Don Quixote,
Du Glanz la Manchas, du Gestirn Hispaniens:
Daß in den vorʼgen Zustand zu versetzen
Die hohe Dulzinea von Toboso,
Es nötig tut, daß dein Stallmeister Sancho
Sich gebʼ dreitausend und dreihundert Streiche
Auf seine beiden mächtʼgen Hinterteile
Der Luft entblößt, und zwar auf solche Weise,
Daß sie ihn schmerzen, kränken und verdrießen.
Nur dadurch kann man sie des Leidens, stimmen
Die Stifter alle überein, entledʼgen,
Und dies war meine Botschaft, meine Gnädʼgen.
„So soll mich!“ rief jetzt Sancho, „kein Gedanke an die dreitausend Hiebe, ja nicht drei will ich mir geben, so wenig wie drei Dolchstiche. Holʼ doch der Teufel d...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Kolophon
  3. PROLOG
  4. ERSTES BUCH
  5. ZWEITES BUCH
  6. DRITTES BUCH
  7. VIERTES BUCH
  8. Über Don Quixote