Seekadett Jack Freimut
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Seekadett Jack Freimut

  1. 249 Seiten
  2. German
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Seekadett Jack Freimut

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Das Buch (Originaltitel: "Mr Midshipman Easy") erzählt die abenteuerliche Geschichte Jack Freimuts, der als Jugendlicher zur See geht, dort viele Abenteuer erlebt und so allmählich zu einem gereiften Erwachsenen heranwächst. Auf diversen britischen Kriegsschiffen erlebt der junge Seekadett Seegefechte und andere gefährliche Szenen hautnah mit, kann sich aber stets mit viel Glück, Witz und Geschick aus noch der aussichtslos erscheinenden Situation retten. Neben der Schilderung der Abenteuer wird viel Wert auf eine liebevolle und einfühlsame Beschreibung der sehr originellen Charaktere gelegt, die dieses Buch bevölkern. Marryat hat hier ein spannendes und vergnügliches, oft mit einem Augenzwinkern erzähltes Buch geschrieben, das Jung und Alt eine höchst unterhaltsame Lektüre garantiert.-

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Information

Jahr
2017
ISBN
9788711447666

Erstes Kapitel.

Jugendzeit.

Nikodemus Freimut war ein vornehmer Mann, der in Hampshire in recht guten Verhältnissen lebte. Er würde auch überall beliebt gewesen sein, wenn er nicht immer seinen Kopf hätte durchsetzen und seinen Ansichten bis aufs Tüpfelchen über dem i Geltung verschaffen wollen. Dadurch kam er oft mit anderen Leuten, die nicht mit ihm übereinstimmten, in Streit. Am meisten lag er mit anderen deshalb in Fehde, weil er seine Meinung von den Menschenrechten und von der Gleichheit derselben mit Heftigkeit verfocht. Da die Männer, welche Herrn Freimut besuchten, durch Fleiss zu Vermögen gekommen waren und das Erworbene nicht mit denen teilen wollten, die durch eigene Schuld und Unfähigkeit arm blieben, so hielten sie es mehr mit dem guten Portwein des Herrn Freimut, als mit seinen Beweisgründen. Sie dachten aber wie viele andere: man muss das Leben eben nehmen, wie es ist, nicht, wie es sein könnte.
Leider übertrug Vater Freimut seine mitunter recht bedenklichen Ansichten auch auf seinen einzigen Sohn Jack. Und das war für den Knaben, der die Folgen noch nicht beurteilen konnte, schädlich, weil der durch seine Mutter verzogene Sohn die Worte des Vaters falsch auslegte und dadurch seinen Eltern und anderen Leuten viel Ärger bereitete. Das erkannte auch Dr. Middleton, ein feinfühlender Mann, der die Familie Freimut öfters besuchte. Deshalb richtete Dr. Middleton eines Tages an Herrn Freimut die Frage:
„Haben Sie nicht die Absicht, den Jungen in die Schule zu schicken?“
Herr Freimut schlug seine Beine übereinander und faltete die Hände auf den Knieen, wie er das immer that, wenn er einen Gegenstand zu verhandeln, oder „einen Punkt zu beleuchten“ begann; dann sagte er:
„Ich will ihn alles selbst lehren!“
„Ich zweifle keineswegs an Ihrer Fähigkeit, Mr. Freimut“, antwortete Dr. Middleton, „aber unglücklicherweise werden Sie dabei auf Schwierigkeiten stossen, die Sie nimmermehr beseitigen können. Entschuldigen Sie, ich weiss, was Sie zu leisten im stande sind, und der Junge würde in der That mit einem solchen Lehrmeister gute Fortschritte machen, aber um offen zu reden, Sie müssen ebensowohl als ich bedenken, dass die mütterliche Zärtlichkeit stets ein Hindernis für Ihre Pläne wird. Jack ist jetzt schon so verzogen durch sie, dass er nicht mehr gehorchen mag; ohne Gehorsam können Sie ihm aber nichts einprägen!“
„Ich gebe zu, mein lieber Sir, dass allerdings in diesem Punkte eine Schwierigkeit liegt; aber dann muss eben väterlicher Ernst über mütterliche Schwäche den Sieg davontragen.“
„Dürfte ich fragen, wie? Mr. Freimut; denn das scheint mir unmöglich.“
„Unmöglich? Warum?“ fragte Mr. Freimut.
„Dass Sie ein Mittel finden würden, durch welches Sie die nötige Gewalt über den Knaben erlangen könnten, bezweifle ich nicht, aber“ — so fuhr Dr. Middleton fort — „was kann die Folge davon sein? Der Junge wird seine Mutter als seine Beschützerin und Sie als seinen Tyrannen betrachten; er wird eine Abneigung gegen Sie hegen und bei dieser Abneigung weder Achtung noch Aufmerksamkeit für Ihre Lehren an den Tag legen, wenn er einmal in das Alter kommt, dieselben zu verstehen.“
„Mir scheint“, antwortete Mr. Freimut nach einer kurzen Pause, „was Sie sagen, verdiente alle Beachtung. Ich gebe zu, dass infolge der unverständigen Nachgiebigkeit der Mutter Jack widerspenstig ist und mir jetzt schon nicht gehorchen will.“
Die Folge dieser Unterredung war, dass Jack einem Freunde Middletons, dem Schulmann Bonnycastle, zur Ausbildung übergeben wurde. Herr Bonnycastle war zwar ein strenger, aber auch ein sehr einsichtsvoller Mann. Er erkannte alsbald die Fähigkeiten seiner Zöglinge und strengte sie danach an; nur der Faulenzer, der „singen konnt’ und wollt’ nicht singen“, fand keine Gnade. So kam es, dass er wohl von seinen Schülern gefürchtet wurde, solange sie unter seiner Zucht standen, dass sie ihn aber auch unwandelbar liebten und später fortwährend seine Freunde blieben. Herr Bonnycastle bemerkte mit einem Blicke, dass es nutzlos sein würde, unserem Helden gute Worte zu geben, und dass Furcht das einzige Mittel sei, ihn im Zaume zu halten. Hier konnte nur Strenge und Entschiedenheit zum Ziel führen!
Herr Bonnycastle sah, dass er den widerspenstigen Jack durch eine einzige Stunde wohlangebrachter Strenge gebändigt hatte; er übergab ihn deshalb den Unterlehrern der Schule, und da diese gleichfalls die Macht hatten, den nötigen Sporn anzuwenden, so wurde unser Hänschen bald ein ganz folgsamer Junge. Er machte grosse Fortschritte, wobei ihm seine guten, natürlichen Anlagen zu statten kamen. Herr Freimut rieb sich allemal die Hände, wenn er den Doktor sah, und freute sich über den Jungen. Jede Ferienzeit benutzte der Vater dazu, seinem Sohne die Lehre von der Gleichheit der Menschenrechte einzuprägen. Hänschen schien zwar den Vorträgen seines Vaters wenig Aufmerksamkeit zu schenken, aber er bewies augenscheinlich, dass sie bei ihm nicht gerade weggeworfen waren.
So wurde unser Jack erzogen, bis er sechzehn Jahre alt war, um welche Zeit er als ein starker, gut aussehender Bursche mit einem tüchtigen Mundwerke auftrat; in der That, wenn es ihm gerade behagte und seinen Absichten entsprach, so konnte er seinen Vater, wie man so sagt, zum Zimmer hinausschwatzen. Und wenn es dazu kam, einen „Punkt zu beleuchten“, so konnte er es mit jedermann aufnehmen. Mit seinem „Punktbeleuchten“ fand er gar kein Ende, obgleich seine Beweisgründe selten Stich hielten. Er machte oft die Erfahrung, dass die Anwendung seiner Gleichheitsgrundsätze im praktischen Leben ihm Nachteile brachten, deshalb sagte er eines Tages zu seinem Vater:
„Bei Befolgung Ihrer Philosophie durch Wort und Beispiel bin ich während des kurzen Zeitraumes von zwei Tagen der Fische, die ich fing, meiner Angelrute und der Schnur beraubt, in einen Fischteich hineingestürzt, durch einen Bulldogg vor Schrecken ganz ausser mir gebracht, von einem Stier beinahe durchbohrt, von den Bienen bis zum Tode gestochen worden und zweimal in einen Brunnen gestürzt. Wenn sich nun dieses alles in zwei Tagen ereignete, welche Leiden habe ich von einem ganzen Jahre zu erwarten? Es kommt mir deshalb sehr unklug vor, fernere Versuche zur Belehrung zu machen, da die Leute vom Lande durchaus entschlossen zu sein scheinen, keinerlei Vernunft- und Beweisgründe anzuhören. Dagegen ist mir eingefallen, dass, wenn auch die ganze Erde unter wenige verteilt wurde, doch wenigstens das Wasser das Gemeingut aller ist. Ich habe demnach nur auf dem Ozean einige Aussicht, jene Grundsätze von Gleichheit und Menschenrechten zu finden, und habe deshalb den Entschluss gefasst, zur See zu gehen und so viel als möglich unsere Ansichten zu verbreiten.“
Der Vater wollte zwar nichts davon wissen; endlich gab er aber doch seine Zustimmung und sagte: „Jack, du sollst, wenn du es wünschest, zur See gehen.“
„Ganz natürlich, und so ist’s in Ordnung, Vater“, entgegnete Jack mit der Miene eines Siegers; „es ist aber die Frage: mit wem? Dabei fällt mir nun ein, dass Kapitän Wilson jetzt ein Schiff erhalten hat, ich wünsche sehr, mit ihm zu segeln.“
„Ich will ihm schreiben“, sagte Freimut tiefbetrübt.
Damit war die Sache abgemacht.
Die Antwort des Kapitäns Wilson lautete zustimmend; er versprach Jack wie seinen eigenen Sohn zu behandeln.
Unser Held bestieg seines Vaters Pferd und ritt zu Herrn Bonnycastle.
„Ich will zur See gehen, Herr Bonnycastle.“
„Das ist das Rechte für Sie“, erwiderte dieser.
Unser Held begab sich zu Dr. Middleton.
„Ich will zur See gehen, Doktor Middleton.“
„Das ist das Rechte für Sie“, sagte auch dieser.
Mutter Freimut wollte zwar nicht ihre Zustimmung geben. Nachdem es ihr aber überzeugend dargelegt war, dass es für ihren Sohn wirklich das Rechte sei, zur See zu gehen, fügte sie sich dem Unabänderlichen: Jack ging zur See!

Zweites Kapitel.

Eintritt als Seekadett.

Da keine Zeit zu verlieren war, sagte Jack der Schule und seinem väterlichen Hause bald lebewohl und begab sich nach Portsmouth, dorthin war er von Kapitän Wilson beschieden. Jack hatte Geld genug und grosse Freude daran, sich als sein eigener Herr zu sehen, deshalb beeilte er sich nicht sehr, auf das Schiff zu gehen. Fünf oder sechs nicht gerade sehr achtbare Gesellen, von denen er aufgefischt worden war, rieten ihm, das Leben erst auf dem Lande zu geniessen und den Eintritt auf das Schiff bis zum allerletzten Augenblicke zu verschieben. Da dieser Rat zufälligerweise mit Jacks Absicht übereinstimmte, befand sich unser Held drei Wochen in Portsmouth, ehe nur jemand etwas von seiner Ankunft daselbst wusste; mittlerweile erhielt jedoch Kapitän Wilson von Herrn Freimut ein Schreiben, aus dem er ersah, dass Jack zu der erwähnten Zeit von Hause abgegangen sei: der Kapitän beauftragte daher seinen ersten Leutnant, Nachforschungen anzustellen, denn er befürchtete, es möchte dem jungen, unerfahrenen Jack ein Unfall zugestossen sein. Da Herr Sawbridge, der erste Leutnant, gerade am Abend vor dem Tage der Abfahrt des Schiffes noch einmal ans Land ging, begab er sich nach dem Gasthofe „Georg“, in die „blauen Pfosten“, sowie in den „Springbrunnen“, um nachzufragen, ob nicht ein solches Individuum, wie Master Freimut, dort eingetroffen sei.
„O ja“, erwiderte der Kellner im ‚Springbrunnen‘, „Herr Freimut wohnt schon seit drei Wochen hier.“
„Den Teufel noch einmal“, rief Herr Sawbridge mit der ganzen Entrüstung eines ersten Leutnants, der drei Wochen lang um die Erziehung eines jungen Seekadetten betrogen wurde, „wo ist er? Im Gastzimmer?“
„O nicht doch, Sir“, antwortete der Kellner, „Herr Freimut hat im ersten Stock die Zimmer vorn heraus.“
„Nun, so führt mich hinauf.“
„Dürfte ich Sie um Ihren werten Namen bitten?“
„Ein erster Leutnant lässt sich bei einem Kadetten nicht melden; er soll bald erfahren, wer ich bin.“
Der Kellner stieg, gefolgt von Herrn Sawbridge, die Treppe hinauf und öffnete die Thür zu Herrn Freimuts Zimmer.
„Ein vornehmer Herr wünscht Sie zu sprechen, Sir“, meldete er.
„Lasst ihn hereinkommen“, sagte Jack, „und merkt’s Euch, Bursche, dass der Punsch diesmal besser sein muss, als gestern. Ich habe noch zwei Herren zum Essen eingeladen.“
Unterdessen war Herr Cambridge, der keine Uniform trug, hereingetreten; er fand Jack allein im Zimmer, aber einen für acht Personen elegant gedeckten Mittagstisch, als sei die Tafel eher für einen Oberbefehlshaber, als für den Kadetten einer Korvette ausgerüstet.
„Darf ich mir erlauben, Sie zu fragen“, fing Jack an, der stets äusserst höflich und artig in seinen Anreden war, „womit ich Ihnen dienen kann?“
„Ja, das können Sie, junger Mann, dadurch, dass Sie augenblicklich auf Ihr Schiff gehen. Und dürfte ich meinerseits mir erlauben, Sie zu fragen, weshalb Sie drei Wochen am Land bleiben, ohne auf Ihr Schiff zu kommen?“
Jack, dem der entschiedene Ton des Herrn Sawbridge nicht sehr behagte, nahm einen Stuhl, kreuzte seine Beine, spielte mit der goldenen Kette, an welcher seine Uhr befestigt war, und fragte nach einer kleinen Pause ganz kaltblütig:
„Und darf ich fragen, wer Sie sind?“
„Wer ich bin, Sir?“ entgegnete Sawbridge, von seinem Stuhle aufspringend, „mein Name ist Sawbridge, Sir, und ich bin der erste Leutnant auf der ‚Harpy‘.“
Sawbridge, der sich einbildete, der Name des ersten Leutnants würde einem strafbaren Kadetten Schrecken einjagen, warf sich wieder auf einen Stuhl und nahm eine wichtige Miene an.
„In der That, Sir“, erwiderte Jack, „meine Unkenntnis des Dienstes lässt mich durchaus nicht erraten, was Ihre Stellung an Bord sein mag, aber aus Ihrem Benehmen darf ich wohl den Schluss ziehen, dass Sie keine geringe Meinung von sich selbst haben.“
„Hören Sie mich wohl an, mein junger Mann; Sie mögen allerdings nicht wissen, was ein erster Leutnant ist, und nach Ihrem Benehmen zu urteilen, will ich das auch gern glauben; aber verlassen Sie sich darauf, Sie sollen es sehr bald erfahren. Einstweilen bestehe ich übrigens darauf, Sir, dass Sie sofort an Bord gehen.“
„Ich bedaure sehr, dass ich Ihrem äusserst bescheidenen Verlangen nicht entsprechen kann“, erwiderte Jack kaltblütig. „Ich werde an Bord gehen, wann es mir beliebt, und bitte Sie, in betreff meiner sich durchaus nicht weiter zu bemühen.“
Jack zog die Klingel; der Kellner, der aussen gehorcht hatte, erschien sogleich, und ehe noch Herr Sawbridge zu einer Antwort Zeit fand, antwortete Jack:
„Kellner zeigt diesem Herrn den Weg die Treppe hinunter.“
„Beim Gott des Krieges!“ rief der erste Leutnant, „warten Sie nur, ich will Ihnen bald den Weg zum Boot hinunter zeigen, Sie junger Bengel. Wenn ich Sie nur einmal an Bord habe, will ich Sie schon den Unterschied zwischen einem Kadetten und einem ersten Leutnant kennen lehren.“
„Ich kann bloss Gleichheit gelten lassen, Sir“, entgegnete Jack; „wir sind alle gleich geboren, das werden Sie hoffentlich zugeben.“
„Gleichheit! Man sollte fast meinen, Sie übernehmen den Befehl des Schiffes. Übrigens, Sir, wird Ihre Unwissenheit nach und nach verschwinden. Ich werde mich jetzt auf die Korvette begeben und Ihr Benehmen dem Kapitän Wilson melden; und das sage ich Ihnen, wenn Sie bis heute abend nicht an Bord sind, so werde ich morgen in aller Frühe einen Sergeanten nebst einigen Marinesoldaten schicken, um Sie zu holen.“
„Verlassen Sie sich darauf, Sir“, antwortete Jack, „auch ich meinerseits werde nicht ermangeln, dem Kapitän Wilson zu sagen, dass ich Sie für einen höchst streitsüchtigen impertinenten Gesellen halte, und ihm deshalb dringend anempfehlen, Sie ja nicht länger an Bord zu lassen.“
„Er muss verrückt sein — ganz verrückt“, rief Sawbridge, bei dem die Verwunderung über den Zorn Meister wurde. „Toll, wie ein Märzhase!“ —
„Nicht doch, Sir“, entgegnete Jack, „ich bin nicht toll, aber ein Philosoph.“
„Ein — was?“ schrie Sawbridge, „und was noch mehr? Gut, mein Spassmacher, um so besser für Sie, ich werde Ihre Philosophie auf die Probe stellen.“
„Gerade aus diesem Grunde, Sir“, antwortete Jack, „habe ich den Entschluss gefasst, zur See zu gehen; und wenn Sie an Bord bleiben, so hoffe ich, Ihnen den Punkt zu beleuchten und Sie zur wahren Lehre der Gleichheit und Menschenrechte zu bekehren.“
„Beim Gott, der uns beide erschaffen hat, ich will Sie bald zu den sechsunddreissig Kriegsartikeln bekehren — das heisst, wenn Sie an Bord bleiben. Jetzt will ich übrigens zum Kapitän gehen und Ihr Benehmen melden, Sie selbst aber dem Essen überlassen, zu dem Sie Appetit, soviel Sie nur wollen, haben mögen.“
„Ich bin Ihnen unendlich verbunden, Sir. Wegen meines Appetites brauchen Sie jedoch keine Sorge zu haben: ich bedaure nur, dass ich Sie, obwohl Sie zu demselben Schiffe gehören, aus schuldiger Rücksicht gegen die gebildeten jungen Leute, die ich erwarte, nicht wohl einladen kann mitzuspeisen.“
„Er ist toll; offenbar ganz toll“, mit diesen Worten stürzte der erste Leutnant zum Zimmer hinaus.
Jack war selbst ein wenig verwundert. Wäre Herr Sawbridge in Uniform erschienen, so würde es vielleicht anders gegangen sein; aber dass ein schlicht aussehender Mann mit schwarzem Backenbart, einem alten blauen Frack und einer gelben Kasimirweste es wagen sollte, ihn so anzureden, war ihm ganz unerklärlich. Er nennt mich toll, dachte Jack, aber ich will dem Kapitän Wilson meine Meinung über seinen Leutnant sagen.
Unterdessen hatte sich Sawbridge nach des Kapitäns Wohnung begeben und diesem einen getreuen Bericht über das Vorgefallene erstattet, den er in grosser Wut mit dem Verlangen schloss, unseren Helden Jack entweder sofort zu entlassen oder aber vor ein Kriegsgericht zu stellen.
„Warten Sie einmal“, erwiderte Kapitän Wilson, „setzen Sie sich; wie Herr Freimut sagt, müssen wir diesen Punkt beleuchten. Was das Stellen vor ein Kriegsgericht anbelangt, so wird das nicht wohl gehen, denn erstens war Herr Freimut noch nicht auf dem Schiffe eingetroffen, und zweitens konnte man, da Sie nicht in Uniform kamen, nicht voraussetzen, dass er in Ihnen den ersten Leutnant oder überhaupt einen Offizier erkannte.“
„Ganz richtig, Sir“, entgegnete Sawbridge, „das habe ich ganz vergessen.“
„Was sodann seine Entlassung, oder vielmehr die Versagung des Eintritts betrifft, so bitte ich Sie, zu beachten, dass Herr Freimut auf dem Lande auferzogen wurde und vielleicht in seinem Leben vom Wasser nie mehr gesehen hat, als einen Fischteich. Was ferner den Dienst und dessen Wesen anbelangt, so glaube ich, dass er davon so wenig weiss, als ein Kind von einem Jahre — ich zweifle sogar, ob er nur den Rang eines Leutnants kennt.“
„Das meine ich auch“, antwortete Sawbridge trocken.
„Ich bin deshalb nicht der Ansicht, dass eine aus Unwissenheit hervorgegangene That so streng bestraft werden soll. — Herr Sawbridge, ich wende mich an Ihr eigenes Urteil.“
„Nun ja, Sir, Sie haben vielleicht recht — aber er sagte doch zu mir, er sei ein Philosoph, und sprach von Gleichheit und Menschenrechten. Er sagte mir ferner, er könne bloss Gleichheit zwischen uns gelten lassen, und verlangte, diesen Punkt mit mir zu beleuchten. Wenn nun ein Kadett jedesmal, so oft ihm ein Befehl erteilt wird, den Punkt beleuchten will, so wird es mit dem Dienste schlecht vo...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. 1. Kapitel: Jugendzeit
  3. 2. Kapitel: Eintritt als Seekadett
  4. 3. Kapitel: An Bord der „Harpy“
  5. 4. Kapitel: Jacks erster Erfolg
  6. 5. Kapitel: Die Kriegsartikel
  7. 6. Kapitel: Ein Kreuzzug und seine Folgen
  8. 7. Kapitel: Gefährliche Lage
  9. 8. Kapitel: Wieder an Bord
  10. 9. Kapitel: Ein Dreimännerduell
  11. 10. Kapitel: Neue Kreuzfahrt
  12. 11. Kapitel: Merkwürdige Abenteuer
  13. 12. Kapitel: Glückliche Rückkehr
  14. 13. Kapitel: Beim Gouverneur
  15. 14. Kapitel: Übertritt zur „Aurora“
  16. 15. Kapitel: Heisse Stunden
  17. 16. Kapitel: Wieder in Malta
  18. 17. Kapitel: Folgen eines Maskenballs
  19. 18. Kapitel: Ein heisses Gefecht
  20. 19. Kapitel: Treue Freunde
  21. 20. Kapitel: Von Gefahren umringt
  22. 21. Kapitel: Ein toller Streich
  23. 22. Kapitel: Jack gibt den Dienst auf
  24. 23. Kapitel: Heimkehr ins Vaterhaus
  25. 24. Kapitel: Jack macht reine Wirtschaft
  26. 25. Kapitel: Auf eigenem Schiffe
  27. 26. Kapitel: Alte Bekannte
  28. 27. Kapitel: Der letzte Kreuzzug
  29. 28. Kapitel: Eine gefährliche Fahrt
  30. 29. Kapitel: Ende gut, alles gut
  31. Über "Seekadett Jack Freimut"
  32. Kolophon