Mein Papa und die Jungfrau von Orléans, nebst anderen Grotesken
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Mein Papa und die Jungfrau von Orléans, nebst anderen Grotesken

  1. 79 Seiten
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Mein Papa und die Jungfrau von Orléans, nebst anderen Grotesken

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Die Sammlung enthält außer der Titelgeschichte die Grotesken "Der Nachtkübel als Lebensretter", "Die Kunst, sich selber einzubalsamieren", "Die Jungfrau als Zahnpulver", "Beschreibung meiner Braut", "Der Greis in der Versammlung", "Warum ich immer so traurig bin", "Deine Unterhosen sind schön", "Der Sonnenmissionar", "Der verliebte Leichnam", "Greis und Mädchen", "Das Unglück im Winkel". Mynonas Grotesken verbinden das Heitere und Ernste, das Komische und das Grausige, das Tiefsinninge und Banale in paradoxem, humoristisch-ironischem Spiel. Schrankenlose Fantasie verbindet sich mit scharfer, spöttischer Zeitkritik.-

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Information

Jahr
2016
ISBN
9788711489321

Der Sonnenmissionar.

Es erging nun von der Sonne aus jener einzige Strom, jene unendlich wundersame Einwirkung. Sie war garnicht mißzuverstehn. Haben Sie die Sonne erlebt, gefühlt, ... gewollt? Die Wirkung der Sonne ist gut, sie ist göttlich, sie ist nicht mißzuverstehen. Und doch!
Und doch wird sie mißverstanden. Sie wird, sofort wie sie sich äußert, mißverstanden. Der Planet macht Tag und Nacht, Aufgang und Untergang daraus. Die einzige Sonne wird zwitterhaft in dieser Wirkung verschielt. Erde, kleines Dorf der Sonne! Welches Wunder, das du nicht spürst, weil du irdisch und nicht sonnig lebst, durchdringt deine Ängste, deine schrecklichen Quälereien! Ist Bildung, Gelehrtheit, Wissenschaft nötig, um Sonne in sich aufzunehmen? Nein, sie ist das Leben selber; wer nicht tot ist, erlebt sie. Dieser sonnige Äther, kraftströmende Duft, energischste Zartheit, göttlicher Anhauch! In welche Teufeleien wirst du von armen irdischen Teufeln, Menschen genannt, hineinverlebt! — Sie ist erhaben über Tag und Nacht, und Tag nur ihre andere Finsternis — sie, beide erleuchtend. —
Wir sind in den Gassen einer Erdstadt, einer Residenz. Goldner Abendsonnenschein fiutet in das Fenster Nikanors, eines jungen Mannes, der die Sonne gern bis in sein Innerstes dringen ließ. Seine Seele schwelgte unaufhörlich in Sonnenbädern, sein Leib nicht minder. Schließlich hatte er sich ganz in diese Heliomanie verloren. Den Gesichtspunkt für alles, was er dachte. fühlte, wollte, in der Sonne nehmend, empfand er sogar seinen eigenen Menschen als unterhalb seines Sonnenselbstes, als bloßen Satelliten. —
Er schlug die blaßblaue Gardine zurück und stellte sich in die rote Sonnenglorie, Ein Geriesel lichter Flocken schien sich vor ihm zu verdichten; es nahm Gestalt an. Vor ihm stand in einem matten Schimmern ein Greis, durchsichtig wie aus Licht geronnen. Der Rumpf zeigte undeutliche Konturen, aber das Haupt strahlte in leuchtender Deutlichkeit, erhaben weise mit beredten Lippen, und die Lippen öffneten sich zu folgender Ansprache:
„Endlich! Nikanor, endlich ist es uns gelungen, einen Menschen ganz für uns zu gewinnen. Endlich ein Mensch, der den Kopernikus nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch erlebt und sich, zur Führung seines irdischen Wandels, ganz und gar der Sonne überantwortet.“
Nikanor, voller Freude, sich so wunderbar bestätigt zu finden, wollte begeistert sprechen. „Sprich noch nicht“, bat ihn der Greis. „Besucheuns diese Nacht, und du sollst erfahren, was wir mit dir beabsichtigen: um zehn Uhr erwartet dich ein Gefährt gegenüber deinem Hause. Du wirst kommen?“ Kaum hatte Nikanor bejaht, als sich die Erscheinung in lichten Dunst auflöste. Die Sonne sank. Nikanor kleidete sich zum Ausgehen an. Also ein Signal, eine Verheißung der Sonne selber! Diese Obmacht aller irdischen Mächte wollte sich endlich mit der Ohnmacht des Geistes verbinden, der brutalen anscheinenden Übergewalt der geistlosen Mächte die echte Oberhoheit entgegenstellen. Gelang es, dem Geiste Tatkraft, der Tatkraft Geist zu geben: — gelang es, die Sonne des Geistes unmittelbar auf die materiellen Energien einwirken zu lassen, so hatte alle irdische Not ein Ende. Der Geist, mit der Sonne im Bunde, ist reich genug, um ein verschwenderisches Leben über die Erde auszugießen.
Gegenüber dem Hause sah Nikanor, als die Uhren zehn Schläge taten, einen Wagen halten. Er begab sich hinunter. Der gewöhnlich aussehende Kutscher, ihn kommen sehend, zog, vom Kutschbocke aus, die Tür mit einem Griffe auf und ließ die beiden braunen Pferde sofort anziehen, als wollte er Nikanorn jedes Wort abschneiden. Nikanor schwang sich in den Wagen. Es ging, etwa zwanzig Minuten lang, durch ein Gewirr von Gassen, der Peripherie der Stadt auf ein besseres Villenviertel zu. Der Kutscher hielt vor einem kleinen Hause mit grünlicher Holztür. Nikanor stieg aus; der Kutscher fuhr wortlos ab, und sofort öffnete sich die Tür. Ein junger Mann empfing Nikanorn. Er führte ihn, über eine Art Diele, nach einem Raum, in dem sechs oder sieben Männer auf Sesseln Platz genommen hatten. Beim Eintreten Nikanors erhoben sie sich von ihren Sitzen und begrüßten ihn stumm; der junge Mann hatte sich entfernt.
Gegen elf Uhr öffnete sich eine bis dahin unbemerkte Tapetentür, und herein schritt jener Greis, jetzt vollkommen sichtbar, ein weiser Alter, gekleidet wie ein zivilisierter Mensch in Schwarz mit weißer Wäsche. Auf Nikanorn zuschreitend, begrüßte er ihn lebhaft und drückte ihm die Hand; seine Augen von allwissender Klarheit leuchteten erfreut: „Es ist schön, daß Sie gekommen sind! — Meine Herren,“ wandte er sich an die andern, „ich möchte jetzt nicht länger zögern, Ihnen den Plan vorzulegen. Es handelt sich dieses Mal um einen Eingriff, der vielleicht trotz allem einiges Aufsehen erregen könnte. Wir werden zwar keine eigentliche Katastrophe herbeiführen; sie würde ja, wie Sie wohl wissen, zwecklos sein, da wir ja nicht verwirren und hetäuben, sondern ordnen und erwecken wollen. Aber immerhin! Leicht vergreift man sich hier in der Wahl des Mittels. Ich beabsichtige jetzt eine vorsichtige Neuregulierung.
Wie Sie wissen, haben wir diese Leute zu lange schon sich selbst überlassen. Die Sache hier schlottert und schielt bedenklich. Man könnte ja natürlich katastrophal eingreifen. Vielleicht gelingt es aber doch, indem man die Zügel straff anzieht, die Leutchen zur Raison zu bringen; das scheint mir eines Versuches wert!“
„Wie meinen Sie das?“ fragte Nikanor.
„Meine Herren! Ich habe unseren Nikanor herkommen lassen, weil wir ja längst schon auf ihn aufmerksam gewesen sind. Es ist nicht mehr möglich, diese sogenannten Oberen hier in unseren Rat, ob auch noch so geheim, einzuweihen. Diese Menschen sind wackere Dorfschulzen, nichts weiter. Wir haben ja auch seit Immanuel Kant unser Augenmerk auf diejenigen gerichtet, welche mehr sonnig als irdisch sind und ihre irdischen Angelegenheiten strikt von der Sonne aus betreiben. Sie wissen aber, wie schwer es uns geworden ist, nach und nach mit Nikanor ins Einvernehmen zu gelangen: er scheint auch jetzt noch nicht einzusehen, was ich meine. Nikanor, Sie wissen, daß die Sonne nie irrt?“
„Gewiß!“ bestätigte Nikanor.
„Die Sonne ist unfehlbar, sie ist richtig, sie lügt nicht im geringsten. Und gerade darum führt die Äußerung eines so erlauchten Wesens in ein Labyrinth von Mißdeutungen, z. B. von Menschen. Denken Sie, Nikanor, was einem Kreis geschehen müßte, wenn dieser eines schönen Tages sein Zentrum — zwar nicht verlöre, aber vergäße. Wie würde er sich verzerren, sich selber karikieren. Kurzum, wir beschließen, den Kreis der verfahrenen menschlich-irdischen Angelegenheiten aus seiner Verschrobenheit rein wiederherzustellen, indem wir die Erinnerung ans Zentrum, an die Sonne, wieder wachrufen. Wir werden Sternheilkunde, Sternorthopädie betreiben müssen, wir Ärzte der Erde, und Sie, mein lieber Nikanor, sollen hierbei eine gewisse Vermittlerrolle zwischen uns und den Menschen übernehmen — Sie sind bereit?“ „Soweit ich irgend kann.“
„Gut denn.
Folgen Sie mir!“ — Man begab sich in einen riesigen weißen Raum von elliptischer Form. Er war fensterlos und auf eine unerkennbare Weise künstlich beleuchtet. In der Mitte schwebte vollkommen frei eine Art Gestänge mit Hebelwerk. Aus einer metallenen Kapsel, welche darin hing, zuckten von Zeit zu Zeit feuerfarbene Radien von unregelmäßiger Form. Zuweilen spaltete sich die Kapsel auseinander, wobei die Strahlen sich noch krauser verzerrten. Es befand sich in diesem Raum nicht das allergeringste Möbel. Aber man erfreute sich einer sonderbaren Leichtigkeit der Glieder; man hatte das Gefühl zu schweben, das eine Müdigkeit garnicht aufkommen ließ. „Nikanor,“ sagte der Greis, „treten Sie näher. Sie lernen hier, wie man durch das Kleine das Große regiert. Diese Kapsel steht mit dem Erdzentrum in einer so genauen Funktionsbeziehung. daß, wenn ich die Kapsel willkürlich varüere, die Erde automatisch in einer proportionalen Entsprechung folgen muß.“ „Aber auf diese Weise,“ sagte Nikanor, „könnten Sie ja mit einer verhängnisvollen Leichtigkeit — und ich wundre mich, daß noch kein Unfug geschehen ist — alles Irdische über den Haufen werfen, wie es Ihnen beliebt?“ „Nein,“ erwiderte der Greis, während die übrige Gesellschaft lächelte, „Sie sind aus mehr als einem Grunde im Irrtum. Erstens kann hier nur die sonnenreinste Hand etwas ausrichten, der allerbeste Wille, der natürlich im Gegenteil auf die regelrechteste Ordnung aller Dinge gerichtet ist. Zweitens kann sogar dieser allerreinste Wille nichts ausrichten, wenn er sich nicht eines menschlich irdischen als Vermittlers bedient — wir hoffen hierbei auf Sie, lieber Nikanor. Drittens wird es auch diesem Vermittler durchaus nicht leicht, sondern entsetzlich schwer werden und erst nach vielen Übungen und enschlossenster Befestigung im innersten Sonnenselbstvertrauen gelingen, durch diese kleine Kapsel die Erde zu konzentrieren und aufrecht zu stellen.“ „Was verstehen Sie unter Aufrechtstellen?“ — „Die Erdachse, also die Erde, steht nicht lotrecht, sondern schief zur Ebene ihrer Bahn. Und genau, gleichnisweise gesprochen, um den Winkel, in welchem sie gegen die Sonne geneigt ist, gehen alle Erdangelegenheiten schief.“ „Das leuchtet mir intuitiv ein,“ sagte Nikanor, „obgleich es schwer sein möchte, es begreiflich zu machen.“ „Es ist nicht so schwer, doch führt es uns zu weitab. Wir werden es lieber zu praktizieren versuchen. Ich frage Sie nochmals im Namen aller Anwesenden: wissen, fühlen Sie, daß kein irdischer Wille, ohne den vorangängigen sonnigen, etwas Rechtes ausrichten kann; daß alle rein irdische Betriebsamkeit von Grund aus verfehlt und vergeblich ist? Wenn Sie dies wissen und fühlen, so wollen wir dann danach zu handeln versuchen.“ „Ich weiß und fühle es,“ erklärte Nikanor einfach. Alle Anwesenden gaben ihm die Hand; der Alte umarmte ihn gerührt.
„So wenig“, sagte er, „der irdische Wille allein etwas ausrichten kann, so wenig kann es der sonnige allein; sondern der irdische muß ihn vermitteln, ihm helfen. Das ist aber sehr selten. Wir hoffen, Nikanor, Sie können zwischen Sonne und Erde vermitteln.“ „Ich möchte mir das gerne zutrauen,“ versprach Nikanor. „Sie würden erreichen, was noch kein Mensch erreicht hat: Sie würden die gesamte Erde zum Paradies machen. Studieren Sie nun die Kapsel. In diesem elliptischen Saal k...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Der Nachtkübel als Lebensretter
  3. Die Kunst, sich selber einzubalsamieren
  4. Die Jungfrau als Zahnpulver
  5. Beschreibung meiner Braut
  6. Der Greis in der Versammlung
  7. Warum ich immer so traurig bin?
  8. Deine Unterhosen sind schön
  9. Der Sonnenmissionar
  10. Der verliebte Leichnam
  11. Greis und Mädchen
  12. Das Unglück im Winkel
  13. Mein Papa und die Jungfrau von Orléans
  14. Über "Mein Papa und die Jungfrau von Orléans"
  15. Kolophon