Haus der gefangenen Herzen
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Haus der gefangenen Herzen

  1. 140 Seiten
  2. German
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Haus der gefangenen Herzen

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

BĂŒffeln fĂŒrs Abitur – nichts ist Yvonne, Helga und Kicki mehr zuwider. WĂ€re es nicht das Geschickteste, sich einfach einen reichen Mann zu angeln und die FĂŒĂŸe hochzulegen? Alle drei haben sich fĂŒr diesen Plan unglĂŒcklicherweise denselben ausgesucht, und nicht nur sie: Dr. Herbert Jung, der neue Deutschlehrer, wird gleich an seinem ersten Tag an der Schule zum Schwarm aller MĂ€dchen, und jede von ihnen lĂ€sst sich etwas anderes einfallen, um ihn um den Finger zu wickeln und fĂŒr sich zu gewinnen. Yvonne schreckt nicht einmal davor zurĂŒck, die Behauptung in die Welt zu setzen, dass Dr. Jung sie vergewaltigt habe, wohingegen Helga, die VertrĂ€umte, die Sache ganz anders angeht. Viel kussechter Lippenstift, Intrigen und Ellbogen kommen zum Einsatz, doch Jungs Einfallsreichtum haben alle unterschĂ€tzt... -

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Information

Jahr
2017
ISBN
9788711718889

1.

„Hurra, das wĂ€re geschafft!” rief Yvonne und warf ihren Koffer mit Schwung auf eines der beiden Betten. „Moralpredigten, Standpauken und Familienzeremonien bis zu den nĂ€chsten Ferien mal wieder heil ĂŒberstanden. Nie hĂ€tte ich gedacht, daß ich mich auf den ersten Schultag freuen könnte.”
„War’s so schlimm?” erkundigte sich ihre Freundin Helga mitfĂŒhlend. „Aber ich muß schon sagen, in der Prachtbude, die wir fĂŒrs neue Schuljahr ergattert haben, kann ich dem Internatsleben neue Reize abgewinnen.”
Helga öffnete eines der Fenster ihres im renovierten OstflĂŒgels des Schloßinternates Hohenwartau gelegenen Zimmers und genoß den freien Blick ĂŒber den Schloßpark, die TennisplĂ€tze, das Schwimmbad bis zu den Alpengipfeln. „Die Aussicht ist einfach umwerfend!”
Yvonne betrachtete ihr hĂŒbsches, braungebranntes Gesicht mit den hellblauen Augen und dem weichfallenden blonden Haar wohlgefĂ€llig in dem kleinen Taschenspiegel. „Aber Penne bleibt Penne, und bei der BĂŒffelei wird uns das Lachen schon noch vergehen”, gab sie zu bedenken. „Möchte bloß wissen, wozu das alles gut sein soll. Na ja, wenn’s brenzlig wird, kann ich ja immer noch heiraten. Mit einem reichen, schikken Knaben wĂ€r ich ein fĂŒr allemal die Sorgen los.”
Beide mußten lachen.
„Du, hier habe ich was fĂŒr dich. Als ich die Sachen im Schaufenster sah, bin ich drauf geflogen. Hinterher merkte ich aber leider, daß sie zu meinem blonden Haar unmöglich aussehen.”
Yvonne zog einen knallgelben Schal und eine passende BaskenmĂŒtze aus dem Koffer und warf beides der Freundin zu.
Helgas braune Augen strahlten vor Freude. „Du, die sind ja wirklich rasant!” staunte sie. Sie setzte die MĂŒtze auf ihr braunes Haar, schlang den Schal um den Hals und rannte in den Waschraum, um sich im Spiegel zu bewundern.
„Wenn ich dich nicht hĂ€tte, Yvonne”, sagte sie, als sie zurĂŒckkam, „wĂŒĂŸte ich wahrhaftig nicht, womit ich meine alten Klamotten aufmöbeln könnte. Aber was will ich bei fĂŒnf Geschwistern schon groß verlangen von meinem Vater.”
Zehn Minuten spĂ€ter – Helga und Yvonne waren gerade beim Überziehen der Betten – stĂŒrmte Barbara Miller, genannt Babsy, zu ihnen herein, eine langbeinige, ebenholzschwarze Schönheit.
„Kinder, eine Sensation!” rief sie aufgeregt. „Kommt rasch! Ein neuer Pauker ist da!” Und schon war sie wieder draußen.
Helga und Yvonne stĂŒrzten ihr nach in das große Wohnzimmer, dessen Fenster zum Hof hinaus blickten. Ellen, ein sportliches MĂ€dchen mit honigblondem Haar, deren Vater als Botschafter in Afrika lebte, lehnte weit ĂŒber die BrĂŒstung und starrte hinunter. Babsy hatte sich neben sie gequetscht, und die rothaarige Uschi öffnete gerade das zweite Fenster und spĂ€hte hinab.
„Wo? Wo? Wo?” rief sie aufgeregt.
Aber ohne ihre Brille, die sie aus Eitelkeit nur selten auf der Nase hatte, war sie auf Ellens Beschreibung angewiesen:
„Peil das knallrote kleine Auto genau gegenĂŒber an! Der junge Mann mit der Tweedjacke, der ist es!”
Uschi konnte nichts als einen verschwommenen roten Fleck erkennen und raffte sich nun doch auf, ihre Brille zu holen.
Yvonne hatte sich auf die BrĂŒstung geschwungen. „Eine tolle Type”, stellte sie sachkundig fest, „wie der seinen Regenmantel ĂŒber der Schulter trĂ€gt – einfach lĂ€ssig.”
„Sieht nicht schlecht aus’’, gab Helga zu, „aber woher wollt ihr ĂŒberhaupt wissen, daß er Pauker ist?”
„Das kannst du dir doch an allen fĂŒnf Fingern abzĂ€hlen!” erklĂ€rte Babsy. „Er ist zu jung, um Vater einer SchĂŒlerin zu sein, und außerdem ist er ganz allein gekommen 
”
„Ist doch sonnenklar”, unterbrach sie Ellen. „Dr. Hansemann ist pensioniert worden, und Tweedy ist unser neuer Lehrer fĂŒr Deutsch und Englisch.”
Und schon hatte der junge Mann in der Tweedjacke seinen Spitznamen weg.
„Fast zu schön, um wahr zu sein”, sagte Yvonne, „ein klasse Lehrer, das wĂ€re endlich mal ein Lichtblick in unserem trĂŒben Dasein!”
„SĂŒĂŸ!” hauchte Uschi, die nun endlich ihre Brille aufhatte und die Sensation erspĂ€hen konnte.
Unten tat sich etwas Neues. FrĂ€ulein Gertrud Pförtner, Turn- und Handarbeitslehrerin des Internates, außerdem Tochter des Direktors, trat auf den Ankömmling zu und begrĂŒĂŸte ihn mit Handschlag.
Drei weitere SchĂŒlerinnen der zwölften Klasse, Margot, Hannelore und Ilse, polterten mit ihrem GepĂ€ck in das Wohnzimmer. „Wir haben einen neuen Lehrer!” riefen sie gleichzeitig. „Doktor Herbert Jung heißt er! – unterrichtet Deutsch und Englisch! – Trudchen begrĂŒĂŸt ihn gerade!”
„Was ihr nicht sagt!” piepste Babsy zurĂŒck. „Wir beobachten Tweedys ersten Auftritt schon seit fĂŒnf Minuten von unseren LogenplĂ€tzen aus.” Babsys Eltern waren berĂŒhmte OpernsĂ€nger, ihre Mutter war in Mailand, ihr Vater in MĂŒnchen engagiert, und so lag ihr der Theatervergleich nahe.
„Jedenfalls ist er genau mein Typ”, stellte Yvonne fest, „wenn das nichts mit uns wird, schluck ich ‘nen Besen quer.”
„Dann erstick mal schön. Wetten, daß ich grĂ¶ĂŸere Chancen habe”, erklĂ€rte Hannelore. Sie war schon 19 Jahre alt, sehr damenhaft, mit kastanienrot getöntem Haar und Erfahrungen.
„Nur zu eurer Information: Macht euch auf meine Konkurrenz gefaßt!” verkĂŒndete Margot.
„Das ist doch die Höhe!” rief Yvonne. „Ich denke, du bist glĂŒcklich verlobt?”
„Drum prĂŒfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht doch was Besseres findet!” lachte Margot.
„Wenn eine von uns ĂŒberhaupt eine Chance hat, dann bin ich es”, behauptete die strohblonde, sommersprossige Ilse.
Helga wurde es zu bunt. „Leutchen, mir scheint, ihr seid komplett verrĂŒckt! Bildet ihr euch denn wirklich ein, daß Tweedy mit einer von uns anbĂ€ndeln wĂŒrde? So bekloppt ist er bestimmt nicht, es wĂŒrde ihn ja seine Stellung kosten! Ganz davon abgesehen finde ich, daß ihr doch ein bißchen zu alt sein solltet fĂŒr so eine blödsinnige SchwĂ€rmerei!”
„Das ist keine SchwĂ€rmerei, das ist Liebe auf den ersten Blick!” schrie Yvonne.
In diesem Augenblick brauste FrĂ€ulein von Zirpitz, die Erzieherin der zwölften Klasse, in das Wohnzimmer. „Meine Damen, meine Damen!” rief sie und klatschte affektiert in die HĂ€nde. „Ich bin empört. Ich sehe mich gezwungen, dieses unqualifizierte Betragen dem Herrn Direktor zu melden.”
Die MĂ€dchen verließen eilig ihre FensterplĂ€tze und bestĂŒrmten FrĂ€ulein von Zirpitz, genannt die Zirpe, mit Bitten um Gnade.
„Nein, nein, nein!” wehrte sie ab. „Machen Sie sich lieber sofort daran, Ihre Sachen auszupacken und die Betten zu ĂŒberziehen. In einer halben Stunde werde ich die Zimmer inspizieren.” Sie rauschte davon.
Alle beeilten sich, daß sie in ihre Zimmer kamen, und begannen in rasender Eile ihre Sachen zu verstauen. Die Zirpe verstand es, ihnen das Internatsleben zu vermiesen.

Gleich am ersten Schultag hatte die zwölfte Klasse in der dritten Stunde Deutschunterricht. Als der neue Lehrer den Raum betrat, hielten die MĂ€dchen den Atem an. WĂŒrde er aus der NĂ€he auch so attraktiv wirken, wie er ihnen auf den ersten Blick vom Schloßfenster herab erschienen war?
Sie hatten sich nicht getĂ€uscht. Tweedy oder Dr. Herbert Jung, wie er sich vorstellte, war ein ungeheuer sympathischer junger Mann, zwar keine Schönheit, aber mĂ€nnlich und interessant. Seine Nase war ein wenig zu groß, seine Stirn breit und ausdrucksvoll, und die hellen grauen Augen, die einen auffallenden Kontrast zu seinem braungebrannten Gesicht bildeten, waren von hellen LachfĂ€ltchen umgeben.
Den SchĂŒlerinnen der zwölften Klasse wurde es ganz anders zumute, als sie sich von diesen durchdringenden grauen Augen gemustert sahen. Selbst Helga wurde es ziemlich mulmig, als er sie, wie alle anderen, nach ihrem Namen fragte.
Alle hatten sich fĂŒr diese erste Begegnung herausgeputzt, trugen ihre kĂŒrzesten Röcke, die engsten Pullis und hatten soviel Make-up aufgelegt, daß sie FrĂ€ulein von Zirpitz’ Kontrolle nur im Halbschatten zu passieren wagten.
Dr. Herbert Jung schien gegenĂŒber all diesen Reizen völlig unempfĂ€nglich zu sein. Er stĂŒrzte sich sofort auf das Pensum und ließ seine Blicke nie tiefer als bis zur Augenhöhe seiner SchĂŒlerinnen gleiten, so daß es gar keinen Zweck hatte, sich in Positur zu werfen.
Aber gerade diese GleichgĂŒltigkeit machte ihn noch anziehender. Tweedy war der einzige gut aussehende Mann in jĂŒngeren Jahren im Schloßinternat, und die anfĂ€ngliche Begeisterung der MĂ€dchen steigerte sich bald in SchwĂ€rmerei.
Margot knipste ihn heimlich und trug sein Foto Tag und Nacht in einem goldenen Medaillon auf der Brust. Kicki, die pummelige Chinesin, tÀtowierte sich seinen Spitznamen mit einem Tintenstift auf den Unterarm. Uschi gelang es, ihm einen Faden aus der Tweedjacke zu ziehen, den sie wie eine Relique aufbewahrte.
Vier Wochen spĂ€ter wurde der erste Aufsatz geschrieben. Dr. Herbert Jung stellte ein Thema zur eigenen Wahl frei, als zweites die Beschreibung eines Kupferstiches und als drittes ein Zitat aus Goethes, Faust’. Die MĂ€dchen versuchten, so weit sie sich in Tweedys verwirrender Gegenwart konzentrieren konnten, mit ihrem Geist zu glĂ€nzen.
Danach, in der großen Pause, sagte Helga zu ihrer Freundin: „Gott, bin ich froh! Mir ist eine Menge eingefallen. Was fĂŒr ein Thema hast du denn gewĂ€hlt?”
„Ich habe Tweedy einen Liebesbrief geschrieben”, erklĂ€rte Yvonne mit grĂ¶ĂŸter SelbstverstĂ€ndlichkeit.
Yvonne war ĂŒberzeugt, mit ihrem Liebesbrief in Aufsatzform alle Rivalinnen bravourös aus dem Feld geschlagen zu haben.
Aber in der Nacht sah die Sache auf einmal ganz anders aus. In der Dunkelheit ihres Zimmers wurde jeder Satz des fatalen Aufsatzes zu einem Alpdruck. War sie nicht doch zu weit gegangen?
Ruhelos warf sie sich hin und her und bemĂŒhte sich verzweifelt, endlich Schlaf zu finden.
Helga war dadurch wach geworden. „Denkst du 
 an den Aufsatz?” fragte sie endlich.
„Du hast es erfaßt”, gab Yvonne zu, mit einem Anflug ihrer gewohnten Keßheit, „was mache ich bloß, wenn Tweedy meine LiebeserklĂ€rung in den falschen Hals kriegt?”
„Soviel Humor wird er schon noch auf Lager haben, deinen verrĂŒckten Einfall nicht krumm zu nehmen.”
Doch Yvonne war nicht so leicht zu beruhigen. „Und wenn er nun meine Eltern antanzen lĂ€ĂŸt?”
„Ich bitte dich! Erstens tut er das nicht, denn es wĂ€re eine BankkrotterklĂ€rung seiner pĂ€dagogischen FĂ€higkeiten, und zweitens 
 du kannst doch einfach so tun, als wenn du ihn hĂ€ttest hochnehmen wollen!”
Statt einer Antwort seufzte Yvonne tief.

Dr. Herbert Jung ließ sich Zeit mit dem Korrigieren der AufsĂ€tze.
Helga lebte in stĂ€ndiger Sorge, daß der umschwĂ€rmte Lehrer Yvonne tatsĂ€chlich einen schweren Verweis erteilen könnte.
Yvonne dagegen, deren Optimismus mit dem hellen Tag wieder erwacht war, hoffte und wartete darauf, daß er sie beiseite nehmen und in einem privaten GesprĂ€ch auf ihr GestĂ€ndnis eingehen wĂŒrde.
Dann, an einem Montagmorgen – Deutsch war in der letzten Stunde –, betrat Tweedy mit dem Packen Aufsatzhefte die Klasse und legte sie schweigend auf den Lehrertisch. Er schien die NervositĂ€t der MĂ€dchen gar nicht zu bemerken und forderte sie ruhig auf, ihren,Faust’ an der Stelle aufzuschlagen, wo sie das letzte Mal stehengeblieben waren.
Erst fĂŒnf Minuten vor Unterrrichtsschluß warf er einen Blick auf seine Armbanduhr und bat Babsy, die Hefte auszuteilen.
WĂ€hrend sie von Tisch zu Tisch ging, erklĂ€rte Dr. Jung beilĂ€ufig: „Die Arbeiten sind im großen ganzen recht nett ausgefallen. Ich bin zufrieden, meine Damen.”

2.

Ein paar Tage lang regnete es, erst gegen Ende der Woche riß die Wolkendecke auf. Yvonne, Babsy und Ellen beschlossen, in der nachmittĂ€glichen Freizeit auszureiten. Sie forderten Helga auf, mitzukommen. Aber da sie, wie meistens, ziemlich knapp bei Kasse war, konnte sie sich den Spaß nicht leisten und gab vor, keine Lust zu haben.
Sie zog sich mit einem Buch in den Park zurĂŒck, und vertiefte sich in ihre LektĂŒre, Sciencefiction, so packend geschrieben, daß sie sich eifrig auch durch allzu wissenschaftliche Passagen kĂ€mpfte. Sie brĂŒtete gerade ĂŒber einer physikalischen Beschreibung, als sie durch eine vertraute mĂ€nnliche Stimme aufgeschreckt wurde.
„Na, Helga, ist es nicht ein bißchen zu kĂŒhl fĂŒr ein Nickerchen im Freien?” fragte Dr. Herbert Jung.
Das Herz klopfte Helga bis zum Halse, als sie langsam aufsah und antwortete: „Ich schlafe nicht, Herr Doktor, ich denke nach.”
„TatsĂ€chlich?”
Sie klappte das Buch zu und ließ ihn den Umschlag sehen. „Ich kann’s nicht so einfach herunterlesen. Manches ist ziemlich hoch.”
Er nahm ihr das Buch aus der Hand und blĂ€tterte darin. „Sie interessieren sich fĂŒr so etwas? Alle Achtung!”
„Ich interessiere mich eigentlich fĂŒr alles”, behauptete Helga. Obwohl er sie nicht ansah, hatte sie das GefĂŒhl, daß er sich ĂŒber sie amĂŒsierte, und sie fĂŒgte hastig hinzu: „Sie lachen. Es klingt so entsetzlich ĂŒberheblich. Aber ich fĂŒhle mich von allem, was in der Welt vorgeht, betroffen, und finde es faszinierend und spannend.”
„Ich lache Sie keineswegs aus, Helga”, erwiderte er mit seltsam sanfter Stimme. „Ich habe schon öfter bemerkt, daß Sie ungewöhnlich wach und intelligent sind, und das gefĂ€llt mir an Ihnen.” Sein Lob berauschte sie und machte sie gleichzeitig verlegen. „Alle in unserer Klasse sind so”, behauptete sie, „wir diskutieren ĂŒber die unmöglichsten Themen.” Sie stand auf. „Aber ich muß jetzt gehen.”
„Schon?”
Helga traute ihren Ohren nicht. Sie hatte sich immer fĂŒr ein nĂŒchtern denkendes MĂ€dchen gehalten. Aber jetzt kam es ihr tatsĂ€chlich so vor, als ob Dr. Jung sich fĂŒr sie interessierte. Oder hatte Yvonnes ĂŒberspannte Phantasie sie angesteckt?
Er gab ihr das Buch zurĂŒck. „Ich hĂ€tte gerne mit Ihnen ĂŒber Ihren Aufsatz gesprochen. Kommen Sie, machen Sie mit mir einen kleinen Bummel durch den Park, soviel Zeit werden Sie schon noch haben.”
„Doch, gerne”, antwortete sie nach kurzem Zögern glĂŒcklich.
Sie gingen ein paar Schritte nebeneinander her, und da sie immer nur ihn anschauen mußte – sein mĂ€nnliches Profil mit der markanten Nase und der breiten Stirn –, stolperte sie plötzlich ĂŒber eine Baumw...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Kolophon
  3. Haus der gefangen herzen
  4. – 1.
  5. – 2.
  6. – 3.
  7. – 4.
  8. – 5.
  9. – 6.
  10. – 7.
  11. – 8.
  12. – 9.
  13. – 10.
  14. – 11.
  15. – Kapitel 12
  16. Flotte reisesekretÀrin gesucht 

  17. – 1.
  18. – 2.
  19. – 3.
  20. – 4.
  21. – 5.
  22. – 6.
  23. – 7.
  24. – 8.
  25. – 9.
  26. – 10.
  27. – 11.
  28. – 12.
  29. – 13.
  30. – 14.
  31. Über Haus der gefangenen Herzen