Ich spüre dich in meinem Blut
eBook - ePub

Ich spüre dich in meinem Blut

  1. 158 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Ich spüre dich in meinem Blut

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Oda war stolz auf ihre selbsterkämpfte Freiheit. Ein Mann, davon war sie überzeugt, konnte in ihrem streng eingeteilten Leben nur hinderlich sein. Doch da lernt sie Christian kennen, der so ganz anders als sie ist und der sich wenig zartfühlend in ihrer kleinen heilen Welt breitmacht und ihre Pläne in Unordnung zu bringen droht. Zwei Fronten prallen aufeinander, jeder verteidigt seine Überzeugungen, die Dinge eskalieren, denn so einfach gibt Oda ihre Freiheit nicht auf. Doch manchmal greift das Leben in ein solches Ringen ein. Und so nimmt alles eine sehr natürliche, wenn auch kaum erwartete Wendung.-

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Ich spüre dich in meinem Blut von Marie Louise Fischer im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Literatur & Literatur Allgemein. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2017
ISBN
9788711718926
Die matte Wintersonne stand kaum eine Handbreit über den Dächern der Altstadt und blinzelte aus einem hell verhangenen Himmel auf das blendende Weiß, das sich hier über Nacht ausgebreitet hatte.
Noch im Morgenrock trat Oda Schmidt an das offene Fenster ihrer Atelierwohnung, das üppige kupferrote Haar fiel ihr in einer wilden Locke in die helle Stirn, floß ungebändigt und ungebärdig über die schmalen Schultern.
Für Sekunden mußte sie die Augen schließen, dann erst nahm sie das Bild in sich auf; schimmernder Schnee auf bizarren Giebeln, sanftblaue Schatten auf den Schrägen. Sie liebte diesen Ausblick in jeder Stimmung und in jeder Jahreszeit, aber heute erschien er ihr zauberhafter denn je.
»O du liebe, liebe Zeit«, murmelte sie vor sich hin, »o wie hat’s geschneit … geschneit!« Sie lächelte, weil ihr dieser Reim aus der Kinderzeit einfiel. »Rings herum, wohin ich seh’, nichts als Schnee und lauter Schnee …«
Ah, wie die Luft nach Schnee roch! Oda warf mit einer raschen Kopfbewegung die leuchtenden Locken zurück, breitete weit die Arme, dehnte und reckte sich, atmete tief die frische Kälte in die Lungen.
Ein prächtiger Tag, ein herrliches Leben; die Weihnachtsfeiertage waren überstanden, Silvester war verrauscht, ein neues Jahr hatte begonnen, weiß und rein und unberührt lag es vor ihr wie dieser schimmernde Schnee. Jetzt kam es darauf an, was man daraus machte, und sie würde etwas daraus machen, das war sicher.
Sie schloß das Fenster und wandte sich ins Zimmer zurück, in ihr intimes bezauberndes kleines Schlafzimmer, ganz in Weiß und Altrosa gehalten. Mit ein paar raschen geschickten Griffen brachte sie in dem eingebauten Bett Laken und Kissen in Ordnung, zog den Vorhang zu. Dann ging sie ins Atelier hinüber.
Einen Augenblick blieb sie in der Tür stehen und weidete sich an dem Anblick des hellen großen Raumes, der ihr ganzer Stolz war. Solange sie denken konnte, hatte sie sich einen solchen Raum erträumt, sie hatte dafür gearbeitet, gekämpft und gespart, und sie hatte es geschafft, aus eigener Kraft. Na ja, vielleicht nicht ganz aus eigener Kraft, Beziehungen waren da mit im Spiel gewesen, aber immerhin, die Traumzimmer gehörten ihr, ihr ganz allein.
Es wirkte noch geräumiger, als es in Wirklichkeit war, weil nur wenige, aber auserlesene Möbelstücke großzügig und gefällig darin verteilt waren; ein mit rotem Leder überzogener Sessel und ein massiver Schreibtisch mit einer Lampe und einem elfenbeinfarbenen Telefon gleich unter dem riesigen Atelierfenster, eine moderne Couch, ein Rauchtisch, Radio, niedrige Sessel und eine Stehlampe in der Sitzecke, ein breites Regal mit Büchern, deren Rücken auf Farbwirkung hin geordnet waren, an der einen Wand, eine schlanke, kupferrote Vase mit Tannenzweigen auf einem Hocker, eine echte niederländische Barocktruhe und darüber ein Barockspiegel. Die Wände waren mit leicht getöntem Rauhputz überzogen, der Boden mit einem dicken, leuchtendblauen Teppich ausgelegt.
Sie durchquerte das Atelier, ging in die Küche und stellte Kaffeewasser auf, dann öffnete sie die Wohnungstür, nahm die Morgenpost und die Tageszeitung aus dem Briefkasten, hob die Tüte mit den Brötchen auf, brachte alles in die Küche und legte es auf das Frühstückstablett. Sie ging ins Badezimmer, wusch sich Gesicht und Hände, hörte den Wasserkessel pfeifen und eilte zurück, goß zwei Tassen Kaffee auf, legte das Brötchen auf den Frühstücksteller, stellte Butter und Marmelade dazu und trug das Tablett ins Atelier. Sie legte eine weiße Serviette auf den Rauchtisch, deckte sorgfältig, trug das leere Tablett wieder in die Küche und setzte sich zum Frühstück.
Sie bestrich ihr Brötchen mit Butter und Marmelade, goß sich Kaffee ein, und während sie den ersten Bissen in den Mund steckte, öffnete sie die Post. Es war nichts Interessantes dabei, das sah sie gleich, verspätete Weihnachts- und Neujahrsglückwünsche, ein belangloser Brief von einer ehemaligen Schulkameradin, nichts von Bedeutung. Nun ja, das Jahr hatte eben erst begonnen, man durfte nicht sogleich allzuviel verlangen, besser keine Nachrichten als schlechte. Sie schlug die Morgenzeitung auf, überflog flüchtig die Schlagzeilen, faltete sie wieder zusammen und legte sie fort. Sie spülte den letzten Brötchenbissen mit einem Schluck Kaffee hinunter, goß sich die zweite Tasse ein und zündete sich eine Zigarette an.
Nächstes Jahr würde sie die Feiertage nicht wieder hier in der Großstadt verbringen, sie würde hinausfahren in die Berge, irgendwohin. Sie würde in einem schicken Hotel wohnen oder in einer Skihütte, ganz gleich, aber sie würde draußen sein, in der Freiheit, in der Welt. Sie wollte sich nicht wieder das Hirn von stickiger Familienluft einnebeln lassen. So nett es auch bei ihrer Schwester Ada, Georg und den Kindern gewesen war, für sie war so etwas nichts. Was die Leute bloß mit Weihnachten hatten. Was war schon daran. Ein Reklameschlagwort für Firmen und Geschäfte, nichts weiter, und dafür natürlich ganz brauchbar.
Vielleicht verstehe ich nichts davon, dachte Oda, vielleicht geht mir da etwas ab, ich habe eben keinen Familiensinn, daran wird es liegen.
Sie drückte die Zigarette aus, stand auf und räumte den Frühstückstisch ab. Dann ging sie ins Schlafzimmer, zog Morgenrock und Schlafanzug aus, schlüpfte in ihren weißen Kittel, knöpfte ihn zu und band sich ein Tuch über das Haar. Sie sah auf die Uhr; in einer guten Stunde mußte die Wohnung in Ordnung sein, sie mußte heute morgen noch zur Presse-Korrespondenz.
Sie machte sich an die Arbeit, rasch, geschickt und umsichtig, mit System. Sie brauchte dabei nicht zu denken, jeder Handgriff war im vorhinein bedacht, ausgetüftelt und rationalisiert, jeder Gang lag fest, alles erfolgte in einer ganz bestimmten Reihenfolge. Ihre Gedanken durften dabei eigene Wege gehen.
Weihnachten, geweihte Nacht, Nacht der Weihe – das war es, daß sie daran nicht gedacht hatte. Weihnachten war gar kein Familienfest oder doch erst in zweiter Linie, Weihnachten war ein religiöses Fest, ein Kirchenfest. Gott hatte in der Weihnachtsnacht seinen eingeborenen Sohn zur Erde gesandt, um die Menschheit zu erlösen. Gezeugt vom Heiligen Geist, empfangen und geboren von der Jungfrau Maria, so lag er nun in der Krippe zwischen Heu und Stroh, ein winziges Menschenkindlein. Und die Hirten kamen vom Felde und die drei Könige aus dem Morgenland, um den Fleisch gewordenen Gott zu verehren. Freue dich, o freue dich, du Christenheit!
Ja, wenn man das glauben konnte, dann war Weihnachten wirklich ein schönes Fest, ein beglückendes Fest. Aber wer dachte heute noch daran, wer konnte es wirklich aus tiefstem Herzen und mit dem letzten Winkel des Verstandes glauben?
Ich nicht, dachte Oda, ich wirklich nicht. Für mich ist dies nichts weiter als ein sehr schönes Märchen, ich weiß ja nicht einmal, ob es einen Gott gibt.
Ob ein Gott existierte? Wer konnte das wissen. Jedenfalls war er sehr weit, sehr fern, sehr unnahbar. Er kümmerte sich nicht um die Menschen, seine Ohren waren taub für ihr Flehen, er ließ sie planen und sich plagen, und sie planten und plagten sich nach Leibeskräften, ohne daß er seinen Segen dazu gab. Wieviel heiße Bitten, verzweifelte Hilferufe mochten wohl zum Himmel gestiegen sein, aber nie hatte Gott einen Menschen erhört, er ließ den Dingen ihren Lauf. Gott hilft dem Seemann in der Not, aber steuern muß er selber. Nein, sie, Oda, wollte sich lieber nur auf sich selber verlassen, einzig und allein auf sich selber. Sie glaubte nicht, daß es einen Gott überhaupt gab, wahrscheinlich war er nur eine Erfindung der Menschen, geboren aus Hilflosigkeit und schlechtem Gewissen. Gott war nicht existenter als der Weihnachtsmann.
Mit welch abwegigen Gedanken beginne ich das neue Jahr, dachte Oda, mir scheint, ich spinne. Ich sollte mich lieber auf meine nächste Arbeit konzentrieren, zwölf Inserate für Zahnpasta müssen in diesen Tagen entworfen werden, sechs will ich mindestens heute noch hinkriegen.
Während sie das Schlafzimmer putzte, hatte sie schon im Bad die Hahne aufgedreht, und das heiße Wasser rauschte in die Wanne. Jetzt war sie fertig, die Hausarbeit war für heute getan, sie brachte Schaufel, Besen, Staubsauger und Staubtuch in den Abstellschrank in der Küche, ging ins Badezimmer hinüber und drehte das Wasser ab.
Aber auch als sie ihre weißen Glieder von dem klaren Wasser umspülen ließ, dachte sie nicht an die Zahnpastainserate. Sie dachte an gar nichts und gab sich voll dem Genuß des Badens hin. Das Köstlichste war immer der erste Moment, wenn man in die Wanne stieg und die Haut vor Wärme erschauerte, wenn man sich dehnte und streckte und eins wurde mit dem fremden Element. Aber wundervoll war es auch, sich mit einem dicken duftenden guten Stück Seife einzuschäumen, und herrlich war das letzte, die Zähne zusammenzubeißen und sich eiskalt abzuspülen.
Sie stieg aus der Wanne und rubbelte sich mit einem weichen Frottiertuch ab. Während das Wasser ablief, cremte sie sich sorgfältig ein, dann spülte sie die Wanne aus und ging im Bademantel hinüber ins Schlafzimmer.
Sie nahm frische Wäsche aus dem eingebauten Schrank, einfache Baumwollunterwäsche, an einer Stelle sehr sorgfältig gestopft. Elegantere Unterwäsche könnte ich brauchen, dachte sie wie schon oft, aber irgend etwas in ihr widersetzte sich dem Wunsch, Geld für Dinge hinauszuwerfen, die man doch nicht sah.
Weil sie sich entschlossen hatte, ihre Pelzstiefel anzuziehen, wählte sie hauchdünne Perlonstrümpfe, mit denen sie einmal hängengeblieben war und die auf dem Spann eine gestopfte Stelle hatten. Dann zog sie ein sportliches, elegantes Kleid aus englischer Wolle über, das, wie alle ihre Kleider, sehr eng um die Hüften saß, aber ein weites Oberteil hatte, um ihren Busen zu kaschieren. Ihr Busen war ihr großer Kummer, sie empfand ihn einfach als peinlich. Sie hatte eine zierliche grazile Figur, zarte Gelenke und gutgeformte Arme und Beine, aber ihr Busen war groß und rund und fest. Oda mißfiel er zutiefst, lieber hätte sie gar keinen besessen.
Sie zog den Frisiermantel über das Kleid und setzte sich vor den Toilettentisch. Sie erschrak vor der Röte ihres Haares, es erschien ihr auffallender und aufreizender denn je. Eigentlich hatte sie ja fünfundzwanzig Jahre Zeit und Gelegenheit genug gehabt, sich an diese kupferrote sprühende Fülle zu gewöhnen, aber sie erschrak immer wieder. Sie war nicht blind und nicht verbohrt, sie wußte natürlich, daß dieses Haar schön war, daß es prächtig war, an sich und für sich gesehen. Aber es fraß sie auf, es beherrschte und überschattete ihre ganze Erscheinung. Nichts kam neben diesem Haar zur Geltung, nicht die grauen Augen mit den dunkelroten Wimpern und Brauen, nicht die klare Stirn, nicht der sensible Mund. Ihr ganzes Gesicht wirkte indifferent, farblos, verwaschen unter dem Glanz dieses Haares. Vielleicht hätte man dem mit Puder, Lippenstift und Schminke abhelfen können, Oda hatte es versucht, sie versuchte es von Zeit zu Zeit immer wieder, aber sie fand sich dann immer zu gewöhnlich, und nichts war schlimmer als das.
Mit zornigen Bürstenstrichen bearbeitete Oda dies sprühende, knisternde, funkelnde...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Kolophon
  3. Ich spüre dich in meinem Blut
  4. Über Ich spüre dich in meinem Blut