Dürfen Lehrer ihre Meinung sagen?
eBook - ePub

Dürfen Lehrer ihre Meinung sagen?

Demokratische Bildung und die Kontroverse über Kontroversitätsgebote

  1. 252 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Dürfen Lehrer ihre Meinung sagen?

Demokratische Bildung und die Kontroverse über Kontroversitätsgebote

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Dürfen Lehrer ihre Meinung sagen? Inwieweit sind sie im Unterricht zu (partei-)politischer Neutralität verpflichtet? Wie sollen sie im Unterricht mit kontroversen und polarisierenden Themen, z.B. Migration, Klimawandel, COVID- 19 Pandemie etc. umgehen? Wie sollen sie sich zu extremistischen, illiberalen und antidemokratischen Äußerungen von Schülern verhalten? Diese Fragen sind nicht allein von akademischer Relevanz. Die Kontroverse über den angemessenen pädagogischen Umgang mit kontroversen Themen ist in den letzen Jahren wieder zu einem gesellschaftlich brisanten Topos der Auseinandersetzung geworden. Der Band beschäftigt sich mit der pädagogischen Kontroverse über Kontroversitätsgebote und den Folgerungen, die sich daraus für die Praxis des Unterrichtens in unterschiedlichen Fächern ziehen lassen.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Dürfen Lehrer ihre Meinung sagen? von Johannes Drerup, Miguel Zulaica y Mugica, Douglas Yacek, Johannes Drerup, Miguel Zulaica y Mugica, Douglas Yacek im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Education & Educational Policy. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2021
ISBN
9783170398849
II Kontroversen über Kontroversitätsgebote: Fach- und domänenspezifische Perspektiven

Kontroversität und Positionalität im konfessionellen Religionsunterricht. Religionspädagogische Perspektiven auf den Beutelsbacher Konsens29

Jan-Hendrik Herbst

Einleitung

Am 8. Oktober 2019 wurde ein »Brief an evangelische und katholische Religionslehrkräfte« veröffentlicht,30 in dem das Thema politische Neutralität aufgegriffen wird: Der Brief soll Religionslehrer*innen (in Niedersachsen) Rückhalt geben im Angesicht der Portale ›neutrale Schule‹31, »mit denen eine rechtspopulistische Partei im Internet zur ›Beschwerde‹ über Lehrkräfte auffordert« (Bölsker et al. 2019). Damit wird explizit auf die Diskussionspunkte eingegangen, die in diesem Sammelband verhandelt werden.
Im Brief wird dezidiert anerkannt, dass im Unterricht klar Position für humane und demokratische Werte bezogen werden müsse und sich daraus eine »aktive und kritische Auseinandersetzung von Schülerinnen und Schülern mit dem Nationalsozialismus oder auch verschiedenen Formen von Populismus und Fundamentalismus« (ebd.) ergeben könne. Der Brief will als »Ermutigung zur Positionalität« (ebd.) im Religionsunterricht gelesen werden:
»Diejenigen, die das Neutralitätsgebot zu einem Verbot der Vertretung humaner Werte umdeuten, gilt es an die pädagogische Pflicht zum aktiven Eintreten für die freiheitlichdemokratische [sic!] Grundordnung und ihre Erhaltung zu erinnern.« (Bölsker et al. 2019)
Im Folgenden wird dieser Brief zum Anlass genommen, die Orientierungskraft des Beutelsbacher Konsenses (BK) für den Religionsunterricht auszuloten. Dabei wird einerseits die Frage erörtert, welche Herausforderungen die Debatte um politische Neutralität für nichtgesellschaftswissenschaftliche Fächer evoziert. Andererseits werden die Chancen und Grenzen dieser Orientierungskraft im Angesicht der spezifischen Eigenlogik religiöser Bildung reflektiert. Die konfessionelle Ausrichtung des Religionsunterrichts impliziert dabei einen womöglich provokanten Impuls für die Debatte, insofern daraus eine spezifische Optionalität und Parteilichkeit resultiert.

1 Der Religionsunterricht als ein typisches Fallbeispiel? Religionspädagogische Rezeptionsmöglichkeiten des Beutelsbacher Konsenses

Die Frage, inwiefern schulischer Fachunterricht politisch neutral sein sollte, beschäftigt nicht nur die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer.32 Letztlich ist jedes Schulfach von dieser Debatte (in unterschiedlicher Intensität) betroffen. In diesem Zusammenhang lässt sich der Religionsunterricht als ein typisches Fallbeispiel deuten, an dem sichtbar wird, dass der Beutelsbacher Konsens (BK) sich aufgrund seiner Orientierungskraft zur Rezeption auch in anderen Fächern anbietet, dabei jedoch spezifische Fallstricke zu vermeiden sind. Dieses Spannungsfeld wird anhand des ›Kontroversitätsgebots‹ beispielhaft verdeutlicht.

1.1 Politische Bildung als Prinzip schulischen Unterrichts: Fachdidaktischer Orientierungsbedarf in Zeiten politischer Polarisierung

Schulische Unterrichtsfächer haben, in Zeiten politischer Polarisierung, einen zunehmenden Bedarf an fachdidaktischer Orientierung in Bezug auf Fragen der ›Demokratiebildung‹. Durch populistische Identitätspolitik, Verschwörungsmythen und ›Fake Facts‹ (z. B. Nocun/Lamberty 2020) wird etwa das schulische Wissen und dessen wissenschaftstheoretische Grundlegung zu einem Ort politischer Auseinandersetzung. Der Klassenraum ist, wie es in der Religionspädagogik heißt, »keine Blase, die gesellschaftlich politische Themen außen vorlässt. Ganz im Gegenteil […] ›kann man das Fieber gesellschaftlich politischer Diskurse im Klassenzimmer messen‹« (Kristina Augst zitiert nach Spichal/Reimann 2019). Der Umgang mit dieser gesellschaftspolitischen Gemengelage ist für die Lehrkräfte damit notwendig, jedoch nicht immer ganz leicht, er evoziert einen fachdidaktischen Orientierungsbedarf. In verschiedenen Schulfächern und Bildungskontexten hat dies »zu einiger Verunsicherung […] beigetragen« (Lösch 2020, S. 283). Während in der Lehrer*innenausbildung in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern zumindest gewisse Orientierungskriterien wie der BK vermittelt werden, scheint diesbezügliches Grundwissen in den anderen Fächern häufig zu fehlen.33
Dies wird beispielsweise daran deutlich, dass in der neueren Forschung zur Thematik der mögliche Beitrag verschiedener Schulfächer genauer vermessen wird (Ammerer/Geelhaar/Palmstorfer 2020). Dass die Fachdidaktik schulischer Unterrichtsfächer von der derzeitigen politischen Großwetterlage34 betroffen ist, zeigt exemplarisch zudem ein Sammelband zum Thema ›Populismus‹ (vgl. Höffer-Mehlmer/Pohl 2021), in dem schulische Umgangsmöglichkeiten mit der Thematik herausgearbeitet werden. Neben gesellschaftswissenschaftlichen Fächern werden in diesen Sammelbänden auch der Fremdsprachen-, Sport-, Religions- und Philosophieunterricht, aber ebenso die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer hinsichtlich ihrer demokratiepolitischen Potenziale diskutiert. Veranschaulichen lässt sich dies zudem an der gegenwärtigen Bedeutung von ›Globalem Lernen‹ (z. B. Benk 2019) und ›Bildung für nachhaltige Entwicklung‹ (z. B. Hemmer 2016), die ebenfalls in den unterschiedlichen fachdidaktischen Perspektiven diskutiert werden.
»So soll in Geschichte verstärkt auch über Kolonialismus und die Entstehung von Rassismus gearbeitet werden, die neuen Fremdsprachen nehmen die globale Perspektive des mit ihnen jeweils verbundenen Kontextes auf und auch Kunst, Sport, Mathematik und die Naturwissenschaften leisten einen Beitrag zum Verständnis globaler Strukturen und Mechanismen.« (Overwien 2016, S. 263)
Der systematische Zusammenhang zwischen politischer Bildung und nichtgesellschaftswissenschaftlichen Fächern wird politikdidaktisch mit dem Begriff ›Unterrichtsprinzip35 bezeichnet: Politische Bildung ist nicht nur einem Fach zugeordnet, sie stellt eine Querschnittsdimension aller Unterrichtsfächer dar. Hintergrund dafür ist die Annahme, »dass die Themenfelder des Politikunterrichts Überschneidungen mit nahezu allen anderen schulischen Fächern aufweisen« (Lechner-Amante 2014, S. 203). Im konfessionellen Religionsunterricht werden etwa ethische Schlüsselthemen wie ›Migration‹, ›Klimaschutz‹, ›Religionsfreiheit‹ oder ›Erinnerungskultur‹ thematisiert. Solche Überschneidungen mit gesellschaftswissenschaftlichen Fächern lassen sich nicht als »zufällig« bezeichnen, sie »resultieren aus dem Umstand, dass das Politische ›ein Konstituens, ein Definitionsmoment‹ jeder ›Sache‹ und damit der Bildungsinhalte sämtlicher Fächer darstellt« (ebd.). Ein Verzicht darauf, diese Dimension der verschiedenen Lerngegenstände deutlich zu machen, sei aufgrund einer »Gefahr […] der Affirmation« (ebd.) problematisch. »Das Politische einer Sache werde dann ›hingenommen, wie es vorgefunden wird, [die Sache] erscheint als selbstverständlich, womöglich als ›überzeitlich‹, als prinzipiell, als kategorial, und es bleibt verborgen, was umständegebunden ist‹« (Fischer nach ebd., S. 204).

1.2 Fachdidaktische Orientierungskraft des Beutelsbacher Konsenses

Im Horizont dieses fachdidaktischen Orientierungsbedarfs ist es nachvollziehbar, dass man sich auch seitens der Religionspädagogik mit dem Beutelsbacher Konsens befasst. Dieser ist historisch wirkmächtig und international erfolgreich (vgl. Gebauer 2016), er bietet eingängige didaktische Richtlinien, um politische Bildung (an der Schule) zu orientieren. Der BK gilt in der Politikdidaktik als eine »Art informelles Grundgesetz der politischen Bildung« (Grammes 2016a, S. 165), als »Metastandard« oder »ethischer Kern« (Geßner et al. 2016, S. 30) der Politikdidaktik. Zurückzuführen sind der BK und die in ihm formulierten Grundsätze auf eine Tagung in Beutelsbach (vgl. Mambour 2014). Im Grunde handelt es sich um einen Protokollabschnitt von Hans-Georg Wehling, der die wichtigsten Ergebnisse in drei Leitlinien zusammenfasste (vgl. Schiele 2017, S. 23; Widmaier & Zorn 2016, S. 17). Diese drei Grundsätze des BK, das Überwältigungsverbot, das Kontroversitätsgebot und der Schülerinteressenbezug, bestimmen das zentrale Ziel politischer Bildung, politische Mündigkeit.
Das Überwältigungsverbot meint, dass es nicht erlaubt sei, »den Schüler – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der ›Gewinnung eines selbständigen Urteils‹ zu hindern« (Wehling, 2016, S. 24). Als positive Zielbestimmung politischer Bildung wird hier Mündigkeit von Indoktrination abgegrenzt und mit »der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesellschaft« (ebd.) begründet. Unter dem zweiten Grundsatz, dem Kontroversitätsgebot, wird gefasst, dass das, was »in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, […] auch im Unterricht kontrovers erscheinen« (ebd.) muss. Unter Umständen sollten die Lehrpersonen sogar eine »Korrekturfunktion« (ebd.) übernehmen und in der Klasse marginalisierte Positionen »besonders herausarbeiten« (ebd.). In diesem Prinzip geht es also darum, dass hegemoniale Standpunkte in ihrer Bedeutung relativiert werden. Zuletzt meint Schülerinteressenbezug, dass der oder die Schüler*in »in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine [bzw. ihre] eigene Interessenlage zu analysieren sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner [bzw. ihrer] Interessen zu beeinflussen« (ebd.). An dieser Stelle geht es also um »operationale Fähigkeiten« (ebd.), die es den Einzelnen ermöglichen, ihr Leben und dessen Umfeld mit den politischen und gesellschaftlichen Bedingungen in ein Verhältnis zu setzen. Im Zentrum steht hier das Lernen politischer Urteilsbildung und Kritikfähigkeit. Die drei Forderungen stehen dabei in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis untereinander. Dies wird beispielsweise deutlich daran, dass das Überwältigungsverbot nur durch das Kontroversitätsgebot umgesetzt werden kann, »denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten« (ebd.).
Die Formulierung dieser drei Grundsätze lässt sich als breit akzeptiert bezeichnen, ihre jeweilige Deutung ist allerdings umstritten. Diese Unklarheit führt zu Unsicherheiten auf Seiten der Lehrkräfte (vgl. Oberle, Ivens & Leunig 2018). Fordert der BK beispielsweise etwa doch eine ›politische Neutralität‹36 an der Schule ein? An dieser Stelle zeigt sich, dass der BK auch für andere Unterrichtsfächer eine Orientierungskraft bietet. So wird etwa religionspädagogisch eine demokratische Grundhaltung der Religionslehrkräfte mit dem BK begründet (z. B. Schweitzer 2015, S. 15) – und damit politische Neutralität abgelehnt. Auch der eingangs erwähnte Brief exemplifiziert die Orientierungskraft des BK, insofern er die Ausrichtung an demokratischer Kultur und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO)37 als positive Werteorientierung auch für den Religionsunterricht anmahnt und beispielsweise für eine rassismuskritische Grundausrichtung plädiert (vgl. Bölsker et al. 2019). Dies entspricht der politikdidaktischen eindeutigen Position, dass es sich bei der Forderung nach politischer Neutralität um eine »Fehlinterpretation« (Geßner et al. 2016, S. 31), ein »tradierte[s] Fehlkonzept« (Lösch 2020, S. 385) oder ein »Missverständnis« (Oberle 2017, S. 124) handelt.38 Diese Deutungsschwierigkeiten weisen bereits darauf hin, dass Probleme und Fallstricke bei der religionspädagogischen Rezeption näher in den Blick zu nehmen sind.

1.3 Fallstricke bei der religionspädagogischen Rezeption

Der Beutelsbacher Konsens scheint auf den ersten Blick nachvollziehbar und unproblematisch. Daher überrascht es nicht, dass die Formulierungen der drei Grundsätze heute eine breite fachdidaktische Akzeptanz erfahren, gerade auch außerhalb der Politikdidaktik. Allerdings werden durch diese (scheinbare) Klarheit mögliche Probleme unsichtbar, die es bei der Bezugnahme auf den BK zu beachten gilt. Anhand der religionspädagogischen Rezeption sollen exemplarisch die beiden wichtigsten Fallstricke in den Blick genommen werden.
Erstens ist der Geltungsstatus des BK anzuführen, häufig diffundiert die Unterscheidung zwischen didaktischen und rechtlichen Leitlinien. Beim BK handelt es sich um didaktische Prinzipien, die nicht unmittelbar rechtskräftig sind.39 Besonders gilt es eine fachspezifische Geltung zu berücksichtigen: »Der Beutelsbacher Konsens betrifft in der Schule vornehmlich die Fächer Politik, Geschichte oder Sozialwissenschaften. Ein Vergleich mit dem Religionsunterricht ist deshalb zunächst neben der Sache« (Holze & Pfister 2019, S. 32). Die religionspädagogisch auffindbare Annahme, dass der BK rechtlich bindend sei (z. B. Pohl-Patalong 2018, S. 22), lässt sich demnach als nicht zutreffend bezeichnen. Sie deutet exemplarisch darauf hin, dass der religionspädagogische Geltungsstatus des BK nicht präzise geklärt ist.
Zweitens ist die Deutungsoffenheit40 der drei Grundsätze in ihrer organischen Einheit anzumerken. Häufig findet sich eine unzulässig vereinseitigende Minimalrezeption, die allein das ›Überwältigungsverbot‹ und das ›Kontroversitätsgebot‹ anführt. Dabei werden weder die Schwierigkeiten transportiert, diese normativen Prinzipien angemessen zu interpretieren, noch wird der bedeutende dritte Grundsatz wahrgenommen (vgl. Herbst 2019). Vor dem Hintergrund der organischen Einheit aller drei Grundsätze impliziert das Weglassen eine problematische Bedeutungsverschiebung des gesamten BK. Nicht wahrgenommen wird damit die »normative Unterbestimmtheit« (Geßner et al. 2016, S. 28) und die Komplexität der Grundsätze, die besonders hinsichtlich kontextspezifischer Fallbeispiele sichtbar wird. Auch die historische Bedeutung der Grundsätze wird teilweise und womöglich unbewusst reduziert. Beispielsweise wurde der dritte Grundsatz als Subjektzentrierung und nicht – wie heute häufig – als Motivierungs- und Verständnishilfe verstanden (vgl. Hedtke 2011; May & Schattschneider 2014).
Insgesamt gilt es zu klären, ob die hier skizzierten Chancen und Schwierigkeiten, den BK für ein nichtgesellschaftswissenschaftliches Unterrichtsfach zu adaptieren, exemplarisch sind und auch in anderen Fachdidaktiken in ähnlicher Weise sichtbar werden. Die diesbezügliche Debatte steht wohl eher noch ganz am Anfang. Der BK eröffnet, so lassen sich die vorangegangenen Überlegungen zusammenfassen, zumindest für den konfessione...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Dürfen Lehrer ihre Meinung sagen? Einleitung
  6. I Kontroversen über Kontroversitätsgebote: Theoretische Grundlagen
  7. II Kontroversen über Kontroversitätsgebote: Fach- und domänenspezifische Perspektiven
  8. III Aktuelle Themen, Problemvorgaben und Herausforderungen
  9. Die Autorinnen und Autoren