Recht auf Sterben – Recht auf Leben
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Recht auf Sterben – Recht auf Leben

Was das neue Gesetz zur Sterbehilfe regeln muss

  1. 144 Seiten
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Recht auf Sterben – Recht auf Leben

Was das neue Gesetz zur Sterbehilfe regeln muss

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Über dieses Buch

Wer entscheidet über meinen Tod?Wer entscheidet über meinen Tod? Das ist die zentrale Frage, nachdem der österreichische Verfassungsgerichtshof und ganz ähnlich das deutsche Bundesverfassungsgericht die Beihilfe zum Suizid straffrei gestellt haben. Jetzt ist der Gesetzgeber gefordert, Regelungen zu erlassen, die den Missbrauch verhindern. Denn die Gefahr ist groß, dass Menschen, die sehr alt sind, vielleicht bettlägerig, dement oder behindert, in den Tod gedrängt, ja schlicht von ihren Angehörigen "gestorben" werden.Rechtsanwalt Dr. Ivo Greiter wirf in diesem Buch einen kritischen Blick auf die Entwicklungen in jenen europäischen Ländern, in denen Formen von Sterbehilfe erlaubt sind, und plädiert für strenge Rahmenbedingungen: Die Tötung eines Menschen dürfe nur dann erlaubt werden, wenn der Sterbewillige seinen Entschluss frei und unbeeinflusst geäußert hat und wenn seine Entscheidung eindeutig dokumentiert ist.

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Information

Verlag
Tyrolia
Jahr
2021
ISBN
9783702240127

Kapitel 1

DAS URTEIL DES VERFASSUNGSGERICHTSHOFS

Strafdrohung der Hilfe beim Selbstmord aufgehoben

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hob am 11. Dezember 2020 die Strafbarkeit der Hilfe beim Selbstmord auf.
Nun wird es in Österreich also bald möglich sein, sich mit Hilfe eines Dritten (nicht durch einen Dritten) selbst zu töten. Dieser Schritt stellt einen Paradigmenwechsel in Österreich dar. Zuvor wurde heftig darum gestritten, ob die Beihilfe zum Selbstmord unter Strafe gestellt bleiben solle oder nicht. Hitzige Debatten wurden geführt, viele Für und Wider ins Treffen geführt, die Bevölkerung schien gespalten.
Schließlich musste der Verfassungsgerichtshof eine Entscheidung treffen. In seinem Erkenntnis hob er die bisherige Bestimmung zur Mithilfe beim Tod eines Sterbewilligen im Text des § 78 des österreichischen Strafgesetzes („wer ihm am Selbstmord Hilfe leistet, ist … zu bestrafen“) als verfassungswidrig auf.
Bis zu diesem Erkenntnis des VfGH lauteten die Bestimmungen des Strafgesetzbuches wie folgt:
„Mitwirkung am Selbstmord
§ 78. Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“
Die Wortfolge „oder ihm dazu Hilfe leistet“ wurde demnach aufgehoben.
Der Gesetzgeber hat nun bis 31. Dezember 2021 Zeit, Gesetze zu erlassen, die die Voraussetzungen für die straffreie Hilfe genau formulieren.
Die Verfassungsrichter haben es sich nicht leicht gemacht, hat doch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bereits seit Jahren das Recht auf Beendigung des eigenen Lebens als Menschenrecht anerkannt:
Der EGMR hat abermals [2011] in einem Streit um Beihilfe zum Suizid entschieden, dass ein Staat nicht zu Selbstmord-Beihilfe verpflichtet ist. Die Straßburger Richter wiesen dabei die Klage eines Schweizers ab, der wegen einer psychischen Erkrankung seinem Leben ein Ende setzen wollte … Die Ärzte hätten sich jedoch geweigert, ihm das dafür notwendige Mittel P. zu verschreiben. Auch die Behörden und schließlich das Schweizer Bundesgericht wiesen seine Klage zurück. Daraufhin legte er Beschwerde beim EGMR ein … Der EGMR entschied, dass ein Mensch frei über die Art und den Zeitpunkt seines Todes selbst entscheiden könne. Allerdings gebe es keine ‚positive Verpflichtung‘ eines Staates, eine tödliche Medikamentendosis zur Verfügung zu stellen … Das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Recht auf Leben bedeute für die Staaten auch die Pflicht, Regelungen dafür zu treffen, dass die Entscheidung, das Leben zu beenden, wirklich dem freien Willen des Betroffenen entspreche.1
Doch was ist eigentlich „Beihilfe zum Selbstmord“ im Sinne des Urteils des Verfassungsgerichtshofes? Ein konkretes Beispiel soll dies veranschaulichen: Ein Dritter durfte jetzt und früher nicht selbst Hand anlegen, um eine tödliche Spritze zu verabreichen. Er darf künftig aber eine tödliche Spritze vorbereiten. Die Spritze muss sich der Sterbewillige aber selber geben, die Tötung muss er selbst vollziehen. Der Dritte darf auch eine tödliche Tablette besorgen. Aber die Tablette einnehmen muss der Sterbewillige selbst.
Im Rahmen der Sterbehilfe gibt es vier unterschiedliche Ausgangsfälle:
a. Aktive Sterbehilfe: Das ist die absichtliche Herbeiführung oder Beschleunigung des Todes durch den Begleiter. Beispiel: Der Begleiter verabreicht dem Sterbewilligen eine tödliche Spritze. Also der Begleiter tötet. Das bleibt nach wie vor strafbar. Daran ändert auch das Urteil des Verfassungsgerichtshofs nichts.
b. Sterbehilfe als Beihilfe zum Selbstmord: Der Begleiter leistet Hilfe zur Selbsttötung. Beispiel: Bereitstellung des tödlichen Medikaments in einem Glas Wasser. Der Sterbewillige trinkt selbst und bewusst das tödliche Wasser. Ausschließlich solche Fälle wurden durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs ab 1. Jänner 2022 straffrei gestellt.
c. Indirekte Sterbehilfe: Der Arzt oder der Begleiter verabreicht schmerzlindernde Mittel unter Inkaufnahme der Lebensverkürzung. Beispiel: Verabreichung von Morphium zur Schmerzlinderung oder Schmerzunterdrückung. Das Leben kann dadurch auch verkürzt werden.
d. Passive Sterbehilfe: Diese geschieht durch Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen. Beispiel: Verzicht auf künstliche Ernährung, Verzicht auf künstliche Beatmung, Verzicht auf einen Herzschrittmacher. Wenn der Sterbewillige diesen Verzicht will, sind sowohl der Arzt als auch der Begleiter des Sterbewilligen daran gebunden. Diese Wünsche werden oft durch eine Patientenverfügung des Sterbewilligen nachgewiesen und sind unbedingt zu erfüllen.
Das Erkenntnis des VfGH bezieht sich nur auf die Beihilfe zum Selbstmord (Punkt b). Alle anderen Punkte (a, c und d) bleiben davon unberührt.
Ausschließlich die Strafe für die Hilfeleistung beim Selbstmord wurde beseitigt. Eine Verleitung zum Selbstmord im Sinne des § 78 des Strafgesetzbuches bleibt jedoch weiterhin strafbar. Denn die Entscheidung, sich selbst zu töten, genießt nur dann Grundrechtsschutz, wenn diese Entscheidung auf einer freien und unbeeinflussten Entscheidung fußt. Diese Voraussetzung ist bei einer Verleitung zum Selbstmord nicht gegeben. Ebenso bleibt § 77 StGB („Tötung auf Verlangen“) von der Entscheidung des VfGH unbeeinflusst und damit weiterhin strafbar. In seinem Erkenntnis (den gesamten Text der Entscheidung finden Sie im Anhang des Buches) geht der österreichische Verfassungsgerichtshof unter den Ziffern II und III ausführlich darauf ein, warum die Tatbestände „Verleitung zum Selbstmord“ und der „Tötung auf Verlangen“ weiter strafbar bleiben sollen.
Eine Klarstellung: In diesem Buch bedeuten die Worte Selbstmord, Suizid und Selbsttötung alle dasselbe. Auch die Bezeichnungen Sterbehilfe, assistierter Selbstmord, assistierter Suizid und assistierte Selbsttötung bedeuten dasselbe. Und auch Beihilfe, Mithilfe und Mitwirkung bedeuten dasselbe.

Reaktionen auf das Urteil

Persönlich habe ich große Bedenken bei der Beseitigung der Strafbarkeit an der Hilfeleistung am Selbstmord. Dies vor allem wegen der vielfältigen Möglichkeiten des Missbrauchs. Der Missbrauch ist eines der wesentlichsten Argumente für jene, die die straflose Beihilfe ablehnen. Viele befürchten auch, dass der Weg vom „freiwilligen“ Suizidentschluss zur organisierten Tötung nur ein kurzer ist, der kaum kontrolliert werden kann. Wegen dieser Unsicherheit hätten sich viele die Beibehaltung der Bestimmung über die Strafbarkeit der Beihilfe gewünscht.
Zudem wurde durch diese Entscheidung ein Tabu beseitigt, wonach kein Mensch über das Leben eines anderen entscheiden darf. Es wird jetzt wesentlich von den zu erwartenden Gesetzen abhängen, ob der von vielen befürchtete Missbrauch bei der Beihilfe ausgeschlossen werden kann.

Was für das Urteil spricht

Es gibt durchaus Punkte, die für eine erlaubte Hilfe beim Selbstmord sprechen. Es geht dabei um Situationen, in denen der Wunsch zu sterben, und zwar meist möglichst schnell zu sterben, verständlich ist:
Wenn das Leben nur mehr auf eine hoffnungslose Verlängerung des Sterbevorganges hinausläuft,
wenn die Angst wächst, sich selbst nicht mehr töten zu können und auf Dritte angewiesen zu sein,
wenn der körperliche oder psychische Schmerz so groß ist, dass er nicht mehr bewältigbar scheint, wenn als einziger Ausweg nur mehr der Tod gesehen wird.
Viele, die sich für den Tod auf Verlangen einsetzen, sind von bestem Willen und besten Absichten getragen. Sie können das eigene schmerzvolle Leben oder das eines Angehörigen nicht mehr ertragen und wünschen ihm einen schnellen erlösenden Tod, unabhängig davon, ob der Angehörige das tatsächlich will.
Besonders erfreut über das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs sind naturgemäß alle, die dazu eine Beschwerde eingebracht hatten. Ebenso erfreut waren die, die sich bei den Meinungsumfragen für eine „Liberalisierung“ des Sterbens ausgesprochen hatten. Ich nehme an, dass den meisten zum Zeitpunkt der Befragung die Möglichkeiten des Missbrauchs kaum bewusst waren. Im Vordergrund stand in der öffentlichen Diskussion meist die Möglichkeit, sich für einen schnellen und schmerzlosen Tod zu entscheiden und diesen sodann nach eigenen Wünschen abzuwickeln.

Ablehnende Stimmen

Sehr enttäuscht äußerten sich etliche Vertreter von Glaubensgemeinschaften. Von christlichen Kirchen kamen zur neuen Gesetzeslage sehr kritische Stellungnahmen. Man befürchtete, dass die Zahl der Selbstmorde durch die Straflosigkeit der Beihilfe ansteigen wird. Ob und wieweit diese Befürchtungen gerechtfertigt sind, wird sich nach Veröffentlichung der nun zu beschließenden Gesetze zeigen.
Abgelehnt wurde die Liberalisierung des assistierten Suizids beispielsweise von Kardinal Christoph Schönborn. Katholische Stimmen sprachen gar von einem „Kulturbruch“ und warnten vor einer Abkehr vom prägenden Bild Kardinal Königs, wonach Menschen „an der Hand und nicht durch die Hand“ eines anderen Menschen sterben sollten.
Ausführlich reagierte der Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler im Live-Chat der Tiroler Tageszeitung, nach dessen Meinung der Wunsch, sterben zu wollen, meist aus einer Ausweglosigkeit und Verzweiflung heraus entstehe. In einem solchen Moment brauche es menschlichen Beistand und nicht Hilfestellung zur Selbsttötung. Zudem hätten drastisch geschilderte Extremsituationen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs nahezu erzwungen. „Wir dürfen den konkreten Menschen nicht aufgeben, auch wenn er sich selbst aufgegeben hat.“2
In einem Gastkommentar in der Tiroler Tageszeitung führte er näher aus:
„Ziemlich beste Freunde. Es ist ein Film, der an Humor und sozialer Anstiftung zum Guten kaum zu überbieten ist. Der querschnittgelähmte Philippe Pozzo di Borgo, auf den sich der Film bezieht, äußerte sich nun in der aktuellen Euthanasie-Debatte: ‚Nach meinem Unfall, als ich keinen Sinn im Leiden sah, hätte ich Euthanasie gefordert, wenn sie angeboten worden wäre. Ich hätte mich freiwillig der Verzweiflung hingegeben, wenn ich nicht in den Augen meiner Betreuer und meiner Verwandten einen tiefen Respekt vor meinem Leben gesehen hätte. Ihre Rücksichtnahme war das Licht, das mich davon überzeugte, dass meine eigene Würde intakt ist.‘
Dieses Licht ist entscheidend, auch wenn in extremen Leidsituationen der Wunsch zu sterben verständlich ist. Die Antwort darauf fordert ein Plus an menschlicher Zuwendung und nicht eine kalte ‚Lösung‘. Nicht nur Pozzo di Borgo, unzählige Betroffene sind ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Widmung
  5. INHALT
  6. Vorwort
  7. Einleitung
  8. Kapitel 1 Das Urteil des Verfassungsgerichtshofs
  9. Kapitel 2 Ein neues Gesetz muss her
  10. Kapitel 3 Vom Wert des Lebens
  11. Kapitel 4 Warnende Beispiele aus anderen Ländern
  12. Kapitel 5 Wohin geht die Reise?
  13. Kapitel 6 Ergebnis – Forderungen an den Gesetzgeber
  14. Nachwort
  15. Dank
  16. Anhang