‚Mit Gott‘ stand früher auf dem Kontorbuch.1 Ökonomie mit Gott oder als Gott, durch oder von Gott? Eine Transformation religiöser Verheißungen in ökonomische Angebote und die Aufladung von Waren in das Versprechen von käuflichen Identitäten lässt sich an vielen Beispielen aufzeigen. Wird aber auch das ‚Buch des Lebens‘2 in den Händen des Marktes zu einem Katalog? Ein spezifisch ökonomischer Glaube lässt sich entdecken und dabei gehört es nicht nur für christliche Ökonomen zur intellektuellen Schizophrenieprävention, eine gewisse Konsistenz zwischen ökonomischem und theologischem Glauben herzustellen.3 Dieser Versuch wird hier aus einer theologischen Perspektive vorgelegt.
Religiöser Glauben ist kein wirtschaftsethisches Zaubermittel,4 zur Frage steht jedoch, ob der christliche Glaube ökonomische Auswirkungen zeigt, die jenseits einer theologischen Ethik liegen könnten. Das Potential und die Grenzen einer ‚theologischen Ökonomie‘ sind für den lutherischen Bereich weitgehend unerforscht.5
Unter der offenen Leitfrage nach einer lutherischen theologischen Ökonomie werden folgende Schritte unternommen:
Zunächst sind für das Themenfeld die ökonomischen Grundlagen eine Voraussetzung. Hier stehen das homo oeconomicus-Modell, die Neue Institutionenökonomik und Marktkonzeptionen im Fokus anhand ökonomischer Standardliteratur zum Thema, um eine ökonomische Anschlussfähigkeit zu ermöglichen.6 Angereichert wird die Darstellung durch soziologische Konzeptionen und erweitert durch plurale Akteursrationalitäten und deren kommunikative Bedingungen. Auf diese Weise wird ein ökonomischer Grundkonsens dargestellt und theologische Anschlussstellen identifiziert.
Dass es sich in der Auswahl um Standards und Grundlagen der Ökonomie handelt, zeigt sich in der jeweiligen Anwendung selbiger Methoden in den Verhältnisbestimmungen von Theologie und Ökonomie. Das Forschungsfeld ist geprägt von wechselseitigen Perspektiven und Anwendungsfällen, die es zu systematisieren gilt. Dabei zeigen die wirtschaftsethischen Verhältnisbestimmungen Zuordnungsmuster von Theologie und Ökonomie mit unterschiedlichen Argumentationen. Zur Disposition steht dabei immer die Frage, wie von einer theologischen Ethik her Ökonomie beraten und verändert werden kann. Ethik ist dabei ein Feld, mit dem sowohl in der Ökonomie als auch in der Theologie operiert wird, und das – je nach Argumentationsmuster – deutliche Grenzen hat. Eine Perspektive von Ökonomie auf Religion ist mit der Anwendung ökonomischer Methoden im Rahmen der Religionsökonomie gegeben. Dieses religionswissenschaftliche Forschungsfeld untersucht vom Ort der Ökonomie aus Religion. Hier wird eine ökonomische Außenperspektive angezeigt, die wertvolle Ergebnisse beiträgt, jedoch durch das methodischen Inventar zugleich die Innenperspektive nicht erfassen kann.
Ökonomische Methoden in der Kirche verändern wiederum die theologische Innenperspektive, wie sich anhand eines Fallbeispiels zeigen wird. Dass Ökonomie in der Anwendung eine eigene Logik durchsetzt wird hier problematisiert.
Klassisch muss noch auf Ökonomie als Religion hingewiesen werden, um die Verhältnisbestimmungen möglichst breit darzustellen. Diese Erarbeitung unterschiedlicher Konstellationen und Anwendungsfelder ist die Voraussetzung für eine instruktive Unterscheidung. Unter dem Stichwort economic theology werden die Glaubensstrukturen der Ökonomie in Genese und Geltung untersucht. Identifiziert wird ein Glaube am Ort der Ökonomie, der u. a über Theorieeffekte wirkmächtig ist. Kann mit economic theology am Ort der Ökonomie eine Theologie im weitesten Sinne aufgezeigt werden, hilft das einerseits der Aufklärung der Ökonomie über sich selbst,7 und andererseits ist damit zugleich nach einer Ökonomie am Ort der Theologie gefragt. Ist neben einer economic theology auch eine theological economy denkbar?
Die Unterscheidung und der Forschungsbereich sind kaum untersucht, und was als theologische Ökonomie gelten könnte strittig. Auch begrifflich gibt es keinen Konsens, sondern nur die Nutzung unterschiedlicher Begriffe für einen kaum definierten Forschungsbereich. Die Klärung dieser diffusen Lage führt zu dem Ergebnis, dass nur aus den jeweiligen Konstruktionsbedingungen einer theologischen Ökonomie erschlossen werden kann, was als ökonomisches Denken am Ort der Theologie gelten kann. Die theologischen Vorentscheidungen und konfessionellen Prägungen bestimmen maßgeblich die jeweiligen Argumentationen, und damit zugleich Aufgabe und Ziel der theologischen Ökonomie.
Aufgrund dieser Sachlage werden unterschiedliche Ansätze untersucht, die sich implizit oder explizit im Rahmen einer theologischen Ökonomie verstehen lassen. Die Ansätze wurden so ausgewählt, dass sich unterschiedliche Argumentationsmuster identifizieren lassen, die exemplarisch einen Überblick vermitteln und die Konstruktionsbedingungen von theologischen Ökonomien darstellen. Ausgangspunkte sind dabei die ursprüngliche Bedeutung von Ökonomie bzw. die Metapher ‚Gott als Ökonom‘; Gnade als Grundprinzip einer theological economy; der biblische Bundesgedanke und das Begehren in theologischer und ökonomischer Dimension. Erweitert wird das durch eine alttestamentliche Ökonomie im Zeichen der Ethik und eine Position aus lutherischer Perspektive zur Marktwirtschaft.
Dabei wird deutlich, dass es zwar konfessionell geprägte Ansätze und unterschiedliche theologische Zugänge zum Thema gibt, allerdings keine spezifisch lutherische Ökonomie, die von den konfessionellen Charakteristika her argumentiert. Damit steht zugleich zur Frage, ob das Nachdenken über Ökonomie in lutherischer Prägung allein in einem ethischen Rahmen möglich ist, oder ob die theologischen Ressourcen eine lutherische Ökonomie ermöglichen.
Ein möglicher Zugang zu diesem Thema wird mit einem exegetischen, historischen und systematischen Dreischritt erarbeitet. Neutestamentlich steht dabei die paulinische Kollekte Pate, um ein biblisches Fundament auszuweisen, bei dem eine theologische Prägung von Ökonomie ersichtlich wird. Die Perspektive auf die Reformation als Dekommerzialisierung benennt und deutet die ökonomischen Kontexte der lutherischen Theologie, und die systematische Weiterführung von der Rechtfertigungslehre sowie dem simul iustus et peccator her entwirft eine konfessionell geprägte Perspektive auf das Themenfeld Theologie und Ökonomie. In einer abschließenden Integration wird diese Theorie konkretisiert und in einen homiletischen Kontext gesetzt. Letzteres schließt den Kreis, indem es die Schnittstellen und neuen Verhältnisbestimmungen von Theologie und Ökonomie verdeutlicht.
Auf diese Weise entsteht eine konkrete lutherische Perspektive, die am Ort der Theologie entworfen ist und die Ökonomie integriert.