Liebe im neuen Jahrtausend
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Liebe im neuen Jahrtausend

  1. 420 Seiten
  2. German
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Liebe im neuen Jahrtausend

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Wei Bo irrlichtert durch eine Welt ständiger erotischer Verfügbarkeit, in der er zum Spielball in einer geheimnisvoll matriarchal kontrollierten Gesellschaft wird. Vier Frauen dominieren seine Welt, in der sich alle in permanenter Überwachung befinden, in der Informanten in Blumenbeeten lauern und es vor falschen Berichten wimmelt. Verschwörungen wuchern an allen Ecken und Enden dieser Gesellschaft, die Paranoia und Misstrauen schürt. Manche versuchen zu fliehen – sei es in ein mysteriöses Wellnesshotel oder in die Häuser der Ahnen, die nur unterirdisch durch schlammige Höhlen, Abwasserkanäle und Tunnel erreicht werden können. Andere suchen die Zuflucht in einer Stadt namens Chao, wo traditionelle chinesische Heilpflanzen es ermöglichen, zu einem neuen Selbst zu finden, und versprechen, die Welt etwas glücklicher werden zu lassen. Jedes Leben wird hier von tief vergrabenen Geheimnissen und surrealen Trugbildern heimgesucht.Can Xues meisterhaft erzählte Liebesgeschichte ist eine düster-groteske Farce aus dem heutigen China. Sie zeigt die vielen Gesichter der Liebe – satirisch, tragisch, vergänglich, absurd und erfüllend – vor einer Kulisse aus Kommerz und Industrie, Betrug und Ausbeutung.

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Information

Jahr
2021
ISBN
9783751800549

Eins

Cuilan und Wei Bo

Die Witwe Niu Ciulan stand noch vor Tagesanbruch auf, um sich zu waschen und zurechtzumachen, denn sie erwartete an diesem Tag Besuch von ihrem Liebhaber Wei Bo. Sie war fünfunddreißig Jahre alt, ihrer Meinung nach das beste Alter für eine Frau. Ihr Mann war vor acht Jahren gestorben. Wei Bo war achtundvierzig und arbeitete in einer Seifenfabrik, war aber für einen einfachen Arbeiter ziemlich kultiviert.
Cuilan und Wei Bo hatten sich vor einem Jahr kennengelernt, in einem Wellnesshotel, in dem man auch sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen konnte. Cuilan war dort ausschließlich zum Besuch der Thermalbäder hingegangen. Nachdem sie sich genüsslich im Bad entspannt hatte, stieg sie gemächlich aus dem Becken und ging sich umziehen. Es war noch früh am Tag. Geisterhaft bewegten sich die Badegäste durch die wabernden Dampfschwaden, und immer wieder stießen Männer sie anzüglich mit dem Ellbogen an. Angewidert spuckte Cuilan hinter ihnen auf den Boden.
In diesem Augenblick erhaschte sie einen Blick auf Wei Bo, der ein fliederfarbenes Sporttrikot trug. Einer von diesen erbärmlichen Fremdgehern, dachte Cuilan. Es war offensichtlich, was er hier suchte. Verächtlich schnaubte sie durch die Nase und fragte sich, was dieser Kerl sich wohl dabei dachte, hier im Sporttrikot herumzulaufen.
Als sich dann ihre Schultern in dem engen Korridor berührten (er war auf dem Weg zum Bereich mit den speziellen Dienstleistungen), stieß sie ihm hart den Ellbogen in die Rippen, so hart, dass er aufschrie und gegen die Seitenwand taumelte.
Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet dieser Kerl, einer, der zu Prostituierten ging, Cuilans Liebhaber werden sollte? Später gestand ihr Wei Bo, dass er wegen Sex im Wellnesshotel gewesen sei, doch anders als sonst sei sein Verlangen hinterher noch nicht gestillt gewesen. Etwas habe ihn durcheinandergebracht, und es habe nicht lange gedauert, bis ihm klar geworden sei, was es gewesen war. Schnurstracks war er zur Rezeption gegangen, um Cuilans Adresse herauszufinden, und hatte sich bis zu ihrer Wohnung durchgefragt. Ohne Umschweife waren die beiden Experten übereinander hergefallen und hatten sich so lange vergnügt, bis sie erschöpft und schweißgebadet voneinander abgelassen hatten.
Wei Bo hatte Familie. Und er hatte nicht wenige zwielichtige Einkommensquellen, die ihm gelegentliche Ausflüge in gewisse Etablissements gestatteten. Er war ziemlich potent und in sexuellen Dingen erfreulich bewandert. Cuilan war mit dieser neuen Situation zunächst sehr zufrieden, so zufrieden, dass sie ihre anderen Liebhaber unverzüglich zum Teufel jagte und sich leidenschaftlich ihrer neuen Flamme hingab. Seine sonstigen Qualitäten waren zwar nicht unbedingt zum Verlieben, aber als Liebhaber genügte er ihr vollauf. Eine Frau hatte ihrer Ansicht nach ein Recht auf ein erfülltes Sexualleben. Üblicherweise stattete ihr Wei Bo zwei- bis dreimal im Monat einen Besuch ab.
Im Lauf der Zeit fing sie an, ihn als eine Art heimlichen Ehemann zu betrachten. Cuilan war eine ausgesprochen unabhängige Frau, ein heimlicher Ehemann ließ sich bestens mit ihren Vorstellungen vereinbaren. Was war schon dabei, sich ein bisschen Vergnügen zu gönnen?
Eigentlich hieß er Wei Siqiang – Herr Wei mit den vier Stärken – ein ungewöhnlicher und ungewöhnlich vulgärer Vorname. Genauso ungewöhnlich war sein Verhalten, das schon immer eher das eines alten als das eines jungen Mannes gewesen war, daher hatte ihn jeder bereits mit dreißig nur noch »Bo« genannt, Onkel. Cuilan mochte es, ihn ebenso zu nennen. Wei Bo.
Sie schlang ihr Frühstück hinunter und machte sich daran, ihre Dreizimmerwohnung zu putzen, bis die beiden Schlafzimmer und das Wohnzimmer auf Hochglanz poliert waren. Dann zog sie noch einmal den Lidstrich nach. Ohne ersichtlichen Grund war sie unruhig und schreckte auf, sobald sie auf dem Flur Schritte hörte. Doch jedes Mal waren es nur die Nachbarn. Sie schämte sich für ihre Nervosität, das war eigentlich unter ihrer Würde. Schließlich war sie nie der Typ Frau gewesen, der sich albern wie ein kleines Mädchen bei Männern anbiederte. Sie ging zum Kühlschrank und nahm ein paar Mangos heraus, wusch sie, schälte sie und aß sie, bis ihre Hände und ihr Gesicht völlig verschmiert und ihr sorgfältig aufgetragenes Make-up ruiniert waren. Was sprach schon dagegen, Wei Bo die wahre Cuilan zu zeigen?
Erst gegen Mittag klopfte es zaghaft an ihrer Tür. Er war es. Argwöhnisch fragte sie sich, warum sie gar keine Schritte gehört hatte. Ob Wei Bo sie zum Narren halten wollte? Sie musterte ihn, dachte an die höllischen Qualen, die sie den ganzen Vormittag über erlitten hatte, und brachte kein Wort heraus.
»Hallo Cuilan, ich wollte dir nur sagen, dass ich gleich wieder wegmuss. Bei mir zu Hause ist etwas nicht in Ordnung.«
Er wirkte vollkommen ehrlich.
»Das hättest du mir doch auch am Telefon sagen können«, bemerkte Cuilan verwirrt.
»Am Telefon?« Er schien nicht weniger verwirrt. »Wie denn das? Das wäre respektlos. Wir sind doch schließlich ein Paar. Ich liebe dich!«
Er hatte gesagt, dass er gleich wieder gehen müsse. Und er ging.
Wie in einem Traum saß Cuilan reglos am Tisch. Seit dem frühen Morgen war sie ein einziges Nervenbündel gewesen. Ihr Verhalten gab ihr selbst Rätsel auf. Immer wieder hatte sie in den Spiegel gesehen, gleich zweimal hatte sie sich hastig eine neue Frisur gemacht und ihr Make-up komplett wieder abgewischt und neu aufgetragen. Und das alles für eine zweiminütige Stippvisite dieses Mannes. Er hatte ziemlich durcheinander gewirkt, ihr nicht einmal in die Augen gesehen. Etwas wirklich Gravierendes musste passiert sein. Aber Cuilan hatte keine Lust, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, sie hielt sich jeden Ärger so weit wie möglich vom Hals. So ein verdammtes Pech. Ein ganzer freier Tag vergeudet, für nichts und wieder nichts. Morgen musste sie wieder in die Messinstrumentefabrik, wo sie als Lageristin arbeitete.
Am darauffolgenden Tag machte Cuilan Überstunden und kam erst spät von der Arbeit nach Hause, weshalb sie, statt zu kochen, lieber in einem kleinen Nudelladen namens Himmel auf Erden zu Abend aß. Er lag gleich bei ihr um die Ecke. Nur wenige Kunden waren um diese Uhrzeit im Himmel auf Erden, und die verließen schon bald nach ihrem Eintreten das Lokal. Sie saß allein in einer Ecke, was ihr nur recht war. Doch schnell war es mit ihrer Ruhe vorbei.
Scheppernd wurde die Glastür des Lokals aufgestoßen und herein trat ein geschniegelter Beau. Cuilan kannte ihn, er war ein namhafter Gutachter für Antiquitäten und Wertgegenstände, jemand, der sich sonst nicht so ungehobelt benimmt. Der Mann, sein Familienname war You, nahm ungefragt ihr gegenüber Platz. Cuilan starrte an ihm vorbei zum Fenster hinaus, ihr war nicht nach Gesellschaft. Sie war müde und nicht in bester Laune.
»Waren Sie mal wieder im Wellnesshotel? Die haben ein neues Premiumangebot namens ›Fischbad‹. Ein Schwarm winziger Fische nibbelt einem den Dreck von der Haut. Ziemlich originell, finden Sie nicht?«
Beim Sprechen entblößte Herr You zwei Reihen blendend weißer Zähne, die Cuilan an einen Schäferhund erinnerten. Statt einer Antwort schnaubte sie nur durch die Nase. Wollte er sie provozieren?
»Ich saß dort gestern zusammen mit einem Herrn im Becken, den Sie ziemlich gut kennen.«
Die Nudelsuppe mit Pilzen und Gemüse wurde serviert und Cuilan widmete sich ganz ihrem Essen.
»Interessiert Sie denn gar nicht, was ich Ihnen zu erzählen habe?« Herr You ließ seinen Blick keine Sekunde von ihr ab. »Nein. Nicht im Geringsten!«
Cuilan stand auf und ging zum Tresen, um zu zahlen. Sie hörte Herrn You hinter sich theatralisch seufzen. Eisern bezwang sie ihre Neugier und drehte sich nicht nach ihm um. Wie Nadelstiche spürte sie seinen Blick in ihrem Rücken.
Niu Cuilan war entschlossen, ihr Leben wieder in geordnete Bahnen zu bringen. Und das hieß für sie, zu dem relativ ruhigen Dasein zurückzukehren, das sie geführt hatte, bevor Wei Bo zu ihrem festen Liebhaber geworden war. Affären hatte sie immer wieder gehabt, aber die waren meist so schnell vorbei, wie sie begonnen hatten. Cuilan war stets überzeugt gewesen, nicht der Typ Frau zu sein, der keinen deutlichen Schlussstrich zu ziehen vermochte. Sicher, Wei Bo war auf seine Art ziemlich gut gewesen, aber satt wurde man davon nicht – und das musste man schließlich auch, ganz abgesehen von dem, was das Leben sonst noch zu bieten hatte. Genauer betrachtet war zwischen ihnen auch nichts weiter gewesen, von Verbindlichkeit konnte keine Rede sein. Cuilans Ideal war noch immer die Liebe, die so flüchtig war wie Morgentau.
Zwei Monate waren vergangen seit jenem freien Tag, an dem Wei Bo sich auf Nimmerwiedersehen verabschiedet hatte. Cuilan kam sich sehr ruhig vor. So ruhig, dass es sie beunruhigte.
Ihre Arbeit in der Messinstrumentefabrik war monoton, aber wenig anstrengend, nichts, was Cuilan als der Rede wert erachtete. Auch das Verhältnis zu den Kollegen war weder besonders kühl noch besonders herzlich. Heiße Thermalbäder waren Cuilans bevorzugte Abwechslung, aber das einzige Wellnesshotel ihrer Stadt war gleichzeitig ein Stundenhotel. Ihr Wunsch nach Entspannung siegte am Ende über ihre Abneigung gegen solche Etablissements, und so ging sie eines Sonntags wieder hin. Solange sie nicht ausgerechnet diesem Herrn You begegnete, wäre alles in Ordnung, befand sie.
Samstagnacht hatte Cuilan einen Traum. Sie macht im Thermalbecken Schwimmzüge, als sie plötzlich jemandes Fuß berührt. Erschrocken richtet sie sich auf und blickt sich um, doch sie sieht nur dichte Dampfschwaden. Dann dringt aus dem künstlichen Bambuswald auf der anderen Seite eine Stimme, die ruft: »Niu Cuilan! Niu Cuilan!« Sie eilt zu den Umkleidekabinen, zieht sich an und sieht auf die Uhr. Zwei Uhr morgens. Warum ist sie hier? Als sie zum Ausgang läuft, findet sie die Tür verschlossen. Ihr Herz klopft wie wild, kalter Schweiß rinnt ihr über die Stirn. Da tauchen die Umrisse eines Mannes auf, und erstaunt stellt Cuilan fest, dass es sich um Wei Bo handelt. Sie zwingt sich zu einem Lächeln, bringt aber nur eine Grimasse zustande. »Hier, um es dir besorgen zu lassen?«, fragt sie ihn. »Bestens! Sag mir, wo ich jemanden finde, der mir die Tür aufschließt.« Wei Bo verspricht, jemanden aufzutreiben, dreht sich um und verschwindet im Hauptgebäude. Cuilan setzt sich auf einen Stuhl neben dem Wandelgang, wo sie wartet und wartet, bis ihr die Augen zuzufallen drohen. Plötzlich packt sie jemand von hinten an der Hüfte und hält sie fest. Sie strampelt verzweifelt und schreit um Hilfe. Dann wachte sie auf.
Beinahe wäre sie wegen des verstörenden Traums nicht ins Wellnesshotel gegangen. Sie ließ sich noch ein wenig Zeit, aber um neun Uhr vormittags machte sie sich schließlich auf den Weg.
Im Frauenbereich des Thermalbeckens war nicht viel los, nur drei andere Besucherinnen ließen sich dort auf dem Rücken liegend treiben wie Tote. Momentan hatte Cuilan tatsächlich den Eindruck, eine davon wäre eine Leiche. Die Frau trieb vollkommen reglos, mit aufgeblähtem Bauch und hervortretenden Augäpfeln auf dem Wasser. Cuilan wollte gerade vor Schreck aufschreien, als die drei Frauen anfingen, laut miteinander zu plaudern; sie schienen eng befreundet zu sein. Erleichtert lehnte sich Cuilan an den Beckenrand und genoss mit halb geschlossenen Augen die Wärme. Das Thermalbecken war makellos sauber, das Wasser sprudelte angenehm aus den Düsen, der Boden bestand aus einer dicken Schicht feinen, weißen Sands und den Beckenrand zierten schöne alte Schnurbäume.
Während sich ihr Körper entspannte, drang das Gespräch der Frauen an ihr Ohr. Anfangs rauschten die Stimmen an ihr vorbei, doch allmählich hörte sie heraus, worum es ging. Sie redeten über eine Prostituierte, die im Begriff war, ihren Beruf aufzugeben und zu heiraten. Alle drei hatten einen echten Knochenjob in einer Baumwollfabrik und beneideten die ehemalige Kollegin, die die anstrengende Stelle vor vier Jahren gekündigt hatte, um als Prostituierte im Wellnesshotel zu arbeiten. Und jetzt verabschiedete sie sich sogar ganz aus dem Arbeitsleben. Angeblich hätten mehrere Männer sie finanziell dabei unterstützt, sich eine Wohnung in einem neuen Apartmentkomplex zu kaufen.
Cuilan war beim Zuhören eingenickt, schreckte aber schnell wieder aus dem Halbschlaf auf, als der Name Wei Bo fiel. Sie öffnete die Augen und sah, wie die drei Frauen aus dem Becken stiegen und zu den Umkleiden gingen. Hatten sie tatsächlich gerade über Wei Bo gesprochen? War er einer der Männer, die der Prostituierten zu einer eigenen Wohnung verholfen hatten? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er finanziell dazu in der Lage war, doch sie meinte sich dunkel daran zu erinnern, wie er einmal von »einträglichen Nebeneinkünften« gesprochen hatte. Ihrer Meinung nach hatte er damals nur geblufft, um sie zu beeindrucken. Heutzutage hatte doch jeder irgendein »Nebeneinkommen«, und in ihrer Beziehung zu Wei Bo hatte Geld keine Rolle gespielt. Cuilan war finanziell unabhängig.
Ein Gefühl von Niedergeschlagenheit überwältigte sie. Sie war hergekommen, um sich zu entspannen und nicht, um Geschichten über Wei Bo zu hören. Noch dazu dieser seltsame Traum der vergangenen Nacht. Als ob dieses ganze verdammte Wellnesshotel Wei Bo gehörte. Das Thermalbad füllte sich zunehmend mit Badegästen. Bedrückt stieg Cuilan aus dem Becken.
Als sie sich auf den Ausgang zubewegte, nahm sie die Tür genauer in Augenschein und versuchte sich an Einzelheiten ihres Traums zu erinnern. Das war nicht die Tür, die sie gesehen hatte. Dann hörte sie hinter sich eine Stimme.
»Ich bin ganz sicher, dass seine Gefühle echt sind. Die anderen wollen einfach nicht glauben, dass es so etwas gibt.«
Es war eine der Textilarbeiterinnen, die Frau, die wie eine Tote mit aufgeblähtem Bauch im Becken getrieben war.
Cuilan drehte sich zu ihr um und lächelte si...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Inhalt
  4. Eins: Cuilan und Wei Bo
  5. Zwei: Wei Bos Affäre mit Ah Si
  6. Drei: Long Sixiangs Suche nach sich selbst
  7. Vier: Wei Bos Frau Xiao Yuan
  8. Fünf: Der Antiquitätengutachter
  9. Sechs: Die Welt aus der Sicht des Doktors
  10. Sieben: Wei Bo im Gefängnis
  11. Acht: Polizist Xiao Hes unerwiderte Liebe
  12. Neun: Lehrjahre der Gefühle
  13. Zehn: In Chao
  14. Elf: Die tapfere Ah Si
  15. Eileen Myles: Inside Can Xue
  16. Impressum