Gesetz über die Organisation und die Zuständigkeit der Polizei im Lande Nordrhein-Westfalen
– Polizeiorganisationsgesetz (POG NRW) –
in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Juli 2002 (GV. NRW. S. 308,
ber. S. 629), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Oktober 2020
(GV. NRW. S. 1008)
Erster Abschnitt
Organisation der Polizei
§ 1 Träger der Polizei
Die Polizei ist Angelegenheit des Landes.
Erläuterungen:
1 Gesetzgebungskompetenz des Landes
Die Bestimmung war wortgleich im ersten Gesetz über die Organisation und Zuständigkeit der Polizei im Lande Nordrhein-Westfalen vom 11. August 1953 (GV. NRW. S. 330) enthalten und wurde bei keiner Novellierung des POG geändert. Was heute eine Selbstverständlichkeit ist, war in der ersten Fassung des Gesetzes eine bedeutende Aussage, denn erst ab dem 1. Oktober 1953 hatte das im Jahr 1947 neu gebildete Land NRW wieder die Polizeihoheit, und die Polizei war Ländersache (Einf. RN 14). Damit ist zweierlei gesagt: 1. Das Land und nicht der Bund hat die Gesetzgebungskompetenz für das Polizeirecht und 2. Die Polizei ist keine Angelegenheit der Kommunen.
Das Land hat die Gesetzgebungskompetenz für das materielle Polizeirecht (Aufgaben und Befugnisse der Polizei) und das Polizeiorganisationsrecht. Das ergibt sich aus Art. 30 GG, der bestimmt, dass die „Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben“ Sache der Länder ist, soweit das „Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt“. Gemäß Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Führen die Länder Bundesgesetze aus, so tun sie dies nach Art. 83 GG „als eigene Angelegenheit“ und regeln nach Art. 84 Abs. 1 GG auch die „Einrichtung der Behörden“ und bestimmen das „Verwaltungsverfahren“.
Beispiel: Der Landtag NRW hat in § 11 Abs. Nr. 2 POG bestimmt, dass die Kreispolizeibehörden (KPB) für die Erforschung und Verfolgung von Straftaten sachlich zuständig sind. Diese Aufgabe wird in einem Bundesgesetz, und zwar in § 163 Abs. 1 StPO, den „Behörden und Beamten des Polizeidienstes“ übertragen. Nach Art. 84 Abs. 1 GG hat das Land die Kompetenz zu bestimmen, welche Behörde die Aufgabe übernimmt.
Der Bund verfügt über eine Gesetzgebungskompetenz nach Maßgabe der Art. 73 und 74 GG. Aufgrund seiner ausschließlichen Gesetzeskompetenz nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 hat der Bund das Bundeskriminalamt als Zentralstelle nach Art. 87 Abs. 1 GG für das „polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen“ und für die „Kriminalpolizei“ errichtet. Aufgrund der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für den Grenzschutz nach Art. 73 Nr. 5 GG wurde der Bundesgrenzschutz errichtet, der durch Gesetz vom 21. Juni 2005 (BGBl. I S. 1818) in „Bundespolizei“ umbenannt wurde. Aufgrund der „fakultativen Verwaltungskompetenz“ aus Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG wurden der Bundespolizei als Polizeibehörde des Bundes Aufgaben in den Bereichen Grenzschutz, Luftsicherheit und Bahnpolizei übertragen (vgl. zu den Einzelheiten die Erläuterungen von Drewes/Malmberg/Wagner/Walter zu § 1 BPOlG).
Bei der Gestaltung der Polizeiorganisation auf Landesebene sind die Vorgaben in Art. 77 S. 1 der Landesverfassung NRW zu beachten, wonach die „Organisation der allgemeinen Landesverwaltung und die Regelung der Zuständigkeiten“ durch Gesetz zu erfolgen hat (Einf. RN 1). Für die Organisation der Polizei sind das Landesorganisationsgesetz (LOG NRW) und das Polizeiorganisationsgesetz (POG) maßgeblich. Die konkrete Ausgestaltung der Organisation der Landesverwaltung fällt in den Kompetenzbereich der Exekutive, also der Landesregierung. Dies folgt aus Art. 77 Satz 2 der Landesverfassung NRW, wonach die Einrichtung der Behörden im Einzelnen der Landesregierung und aufgrund der von ihr erteilten Ermächtigung den einzelnen Landesministern obliegt (Einf. RN 3). Aufgrund dieser Ermächtigung hat die Landesregierung durch Rechtsverordnung (RVO) Einzelheiten der Polizeiorganisation wie z. B. die Festlegung der Zuständigkeitsbereiche (Polizeibezirke) der Kreispolizeibehörden (KPB) geregelt (vgl. § 2 RN 7). Weitere Einzelheiten der Aufbau- und Ablauforganisation wie z. B. die Bestimmung einzelner Polizeipräsidien zu Kriminalhauptstellen durch die Kriminalhauptstellen-Verordnung (vgl. § 2 RN 12) wurden vom Innenministerium durch RVO oder durch Erlass wie z. B. den Runderlass (RdErl.) über die Organisation der Landesoberbehörden (vgl. Einf. RN 82) geregelt.
2 Polizei als staatliche Angelegenheit
Mit der Formulierung „Die Polizei ist Angelegenheit des Landes“ hat sich der Gesetzgeber gegen eine kommunale Polizei entschieden. Diese Entscheidung ist staatspolitisch und nicht verfassungsrechtlich begründet. Die Grundsatzentscheidung traf der Gesetzgeber bereits mit dem „Gesetz über die Organisation und die Zuständigkeit im Lande Nordrhein-Westfalen“ vom 11. August 1953 (GV. NW. I 1953 S. 330). Damit wurden die nach Vorgabe der britischen Besatzungsmacht nach 1945 entstandenen Stadtkreis-Polizeien (SK-Polizeien) und Regierungsbezirks-Polizeien (RB-Polizeien) aufgelöst, die eine kommunale Polizei eigener Ausprägung waren (vgl. Mokros Die Polizei 2017, 15). Einen sehr begrenzten Einfluss der kommunalen Selbstverwaltung auf die Polizei ermöglichen heute die Polizeibeiräte (vgl. § 16 RN 1). Als staatliche Einrichtung unterliegt die Polizei nur der Aufsicht und den Weisungen staatlicher Stellen. Das gilt auch für die Landrätinnen oder Landräte, die zwar ein Organ der kommunalen Selbstverwaltung sind, als Leiterin oder Leiter einer KPB aber Teil der (staatlichen) Landesverwaltung sind (vgl. § 2 RN 4).
Die Polizei unterscheidet sich dadurch, dass sie ausschließlich Angelegenheit des Landes ist, grundlegend von den Ordnungsbehörden, die für die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung originär zuständig sind. Rechtsgrundlagen für deren Handeln sind im „Gesetz über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden“ (OBG) vom 13. Mai 1980 (GV. NRW. 1980 S. 528), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Juni 2021 (GV. NRW. 2021 S. 762 = SGV. NRW. 2060), geregelt. Das Innenministerium hat dazu den RdErl. „Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Ordnungsbehördengesetzes“ (VV OBG) vom 4. September 1980 (MBl. NRW 1980 S. 2114), zuletzt geändert durch Erl. vom 11. Juni 2013 (MBl. NRW. 2013 S. 204 = SMBl. NRW. 2060), erlassen. Nach § 3 OBG nehmen die Gemeinden die Aufgaben der örtlichen Ordnungsbehörde und die Kreise und kreisfreien Städte die Aufgaben der Kreisordnungsbehörden als „Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung“ wahr. Die Ordnungsbehörden sind jedoch kommunale und keine staatlichen Behörden. Die Befugnisse der Ordnungsbehörden ergeben sich aus der Generalklausel des § 14 Abs. 1 OBG und – durch Verweis in § 24 Abs. 1 OBG – aus dem PolG NRW. Dazu gehört auch der Einsatz „optisch-technischer Mittel in Fahrzeugen“ nach § 15b PolG NRW zur Eigensicherung und die Verwendung „körpernah getragener Aufnahmegeräte“ nach § 15c PolG NRW. Die Bild- und Tonaufzeichnung mit den sogenannten „Bodycams“ ist auch in Wohnungen erlaubt. Mit Blick auf das Gebot der Normenklarheit und die verfassungsrechtliche Verpflichtung, Eingriffe in das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ aus Art. 2 Abs. 1 GG nur in „bereichspezifischen Regelungen“ zu erlauben (BVerfGE 65,1), wäre statt einer Verweisung auf Befugnisnormen des PolG NRW eine eigenständige Regelung im Ordnungsbehördengesetz angemessen.
In zwei Bereichen ist in den letzten Jahren eine Annäherung bei der Aufgabenerfüllung von Ordnungsbehörden und Polizei im öffentlichen Raum zu beobachten, und zwar vor allem in den Großstädten. Nach § 48 Abs. 2 OBG sind die Ordnungsbehörden nicht mehr nur für die „Überwachung des ruhenden Straßenverkehrs“ (Parkraumüberwachung), sondern auch – beschränkt auf die Kreisordnungsbehörden und die „Großen kreisangehörigen Städte“ – für die „Überwachung der Einhaltung zulässiger Höchstgeschwindigkeiten und der Befolgung von Lichtzeichenanlagen im Straßenverkehr an Gefahrenstellen“ zuständig. Geschwindigkeitskontrollen sind auch ein wichtiger Teil der polizeilichen Verkehrssicherheitsarbeit (vgl. § 11 RN 13). Nur die Polizei hat allerdings die „Befugnis Kraftfahrer im fließenden Verkehr zum Zwecke der Verkehrskontrolle anzuhalten“ (48.22 VV OBG). Der zweite Bereich der Annäherung von Polizei und Ordnungsbehörden ist der Streifendienst zu Fuß und in Dienstkleidung (Uniform) oder mit Kraftahrzeugen als „Kommunaler Ordnungsdienst“ oder (wie in Düsseldorf) „Ordnungs- und Sicherheitsdienst“. Dienstkleidung und Lackierung von Fahrzeugen der Ordnungsbehörden ähneln in vielen Großstädten auf den ersten Blick betrachtet stark dem äußeren Erscheinungsbild der Polizei. Gravierende Unterschiede gibt es jedoch hinsichtlich der Ausbildung und der Besoldung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ordnungsbehörden und der Polizei. Hinsichtlich der Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der „Kommunalen Ordnungsdienste“ hatte die CDU als Oppositionspartei im Landtag NRW beantragt, „Empfehlungen für die Ausgestaltung eines Ausbildungsganges zur Stärkung der kommunalen Außendienste in Nordrhein-Westfalen auf den Weg zu bringen“ (LT NRW Drucks. 16/13527). Der Antrag wurde in der Plenarsitzung am 7. April 2017 (Plenarprotokoll 16/143, S. 15209) abgelehnt und in der 17. Wahlperiode nicht wieder aufgegriffen. Die Ausbildung bleibt weiterhin ungeregelt. Mit Blick auf Art. 34 Abs. 4 GG ist auch der Status der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den „Kommunalen Ordnungsdiensten“ bedenklich. Es handelt sich nämlich nicht um Beamtinnen und Beamte, sondern um Tarifbeschäftigte. Verfassungsrechtlich ist die „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnis“ nach Art. 34 Abs. 4 GG „in der Regel“ solchen Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem „öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis“ stehen, also Beamtinnen und Beamten.
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