Mr. Wilder und ich
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Mr. Wilder und ich

  1. 280 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
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Mr. Wilder und ich

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Über dieses Buch

In seinem neuen Roman zeichnet Bestseller-Autor Jonathan Coe ein faszinierendes Porträt der Hollywood-Legende Billy Wilder.Los Angeles, Sommer 1976: Durch einen verrückten Zufall lernt die junge Athenerin Calista einen witzigen Herrn mit österreichischem Akzent kennen, ohne zu ahnen, dass es das Kino-Genie Billy Wilder ist, Schöpfer von unsterblichen Filmen wie Manche mögen's heiß. Die Begegnung wird ihr Leben verändern. Als Dolmetscherin begleitet sie den Regisseur und seine glamouröse Filmcrew auf die verschlafene griechische Insel Madouri, wo er seinen vorletzten Film Fedora dreht, dann weiter nach München und Paris. Während es für sie eine traumwandlerische Reise ist, sieht sich der jüdische Exilant Wilder mit seiner Geschichte konfrontiert. Mit grandiosem Witz und feiner Ironie zeichnet Coe ein schillerndes Bild des Meisters der Komödie.

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Information

Jahr
2021
ISBN
9783990371121

München

Am Morgen nach Arianes Abflug nach Sydney machte ich mir einen Toast und einen Kaffee und wollte gerade in den Toast hineinbeißen, als ich schwach wurde und den Supermarkt-Brie aus dem Kühlschrank holte. Für meinen Geschmack sind Brie und Toast keine besonders glückliche Kombination, aber ich war nicht in der Stimmung für solche Spitzfindigkeiten. Ich nahm das herzhafte Frühstück allein in unserer Küche ein und ging dann niedergeschlagen die Treppe hinauf ins Gästezimmer: mein Arbeitszimmer, wie wir es nannten. Geoffrey unterrichtete wieder in Beaconsfield und Fran war irgendwo im Haus (ich wusste nicht, wo), ging mir aber aus dem Weg und wahrte Distanz. Es war sehr still. Ich ließ mich auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch am Fenster fallen, fuhr mechanisch den Computer hoch und schaltete den MIDI-Keyboard-Controller ein, obwohl ich mir bereits sicher war, dass ich an diesem Tag nichts komponieren würde.
Ich öffnete den „Musik“-Ordner, der zwei Unterordner enthielt: „Filmmusik“ und „Andere“. Unter „Filmmusik“ gab es einen Unterordner, der „Laufende Arbeiten“ hieß, aber der war gerade leer. „Andere“ enthielt einen Unterordner namens „Billy“, und den öffnete ich. Ich klickte auf die Datei „Pressekonferenz“, und sie öffnete sich in Pro Tools.
Auf dem Bildschirm erwachte ein altes Stück Filmmaterial flackernd zum Leben. Ich hatte es ein paar Wochen zuvor im Internet gefunden. Es war der Farbfilmmitschnitt von einer Pressekonferenz, die kurz vor Beginn der Vorproduktion von Fedora in den Bavaria Studios stattgefunden hatte, ungefähr einen Monat bevor die Filmcrew nach Griechenland kam. Der Stil und die Mode der späten Siebzigerjahre – etwa das triste Orange der Plastikstühle, auf denen die Reporter saßen, oder die geschmacklosen Blumenmuster der Kleider einiger Journalistinnen – erinnerten mich stark an meine frühen Zwanziger. Billy war wie immer salopp und dennoch elegant gekleidet: ein dunkelblauer Pullover mit V-Ausschnitt, darunter ein weißes Poloshirt, das bis oben hin zugeknöpft war. Sein Silberhaar war tadellos zurückgekämmt, und mit seiner schwarzgeränderten Brille sah er aus wie ein distinguierter Intellektueller, der mit seinem Werk eine breite Öffentlichkeit erreicht.
Ich hatte Geoffrey gebeten, den Clip ein wenig für mich zu bearbeiten. Er begann mit einer Einstellung, in der Billy den Raum betritt und zum Podium schreitet. Diese Einstellung war eigentlich nur zwanzig Sekunden lang, aber Geoffrey hatte sie so verlangsamt, dass sie jetzt fast dreieinhalb Minuten dauerte. Die Zeitlupe gab dem Zuschauer die Möglichkeit, sich in Billy und die Situation, in der er sich befand, hineinzuversetzen, zu beobachten, wie er sich bewegte und verhielt, und Mutmaßungen darüber anzustellen, was ihm wohl durch den Kopf gehen mochte, während er gemessenen Schrittes und ohne Eile auf das Podium zuging und dabei eine belustigte, etwas arrogante Vorfreude an den Tag legte, die zweifellos dem Umstand geschuldet war, dass er bereits einige gute Antworten auf die Fragen der Journalisten in petto hatte. Das hier war ein deutsches Publikum, und er würde sich auf Deutsch an die versammelte Presse wenden, und er würde unter anderem darüber sprechen, wie es für ihn war, wieder in Deutschland zu sein. Er wusste, dass er manch einem auf die Füße treten würde, und er freute sich darauf.
Die Slow Motion ließ Billys Bewegungen außerdem tänzerisch, fast schwerelos erscheinen. Er wirkte wie ein Mondastronaut oder ein Tiefseetaucher, der unendlich langsam über den Meeresboden schreitet. Im Takt dieser gemessenen, stetigen Schritte hatte ich begonnen, eine melancholische Begleitmusik zu komponieren, ein kleines Stück in Moll für Kammerorchester, bei dem Celli und Kontrabässe ruhig und stetig die Grundtöne absteigender Akkorde spielten, während die dezenten Klangfarben der Streicher und Holzbläser in jedem zweiten Takt von einer Sopranstimme interpunktiert wurden, die immer den gleichen vibratolosen Ton sang. Die Bearbeitung verwandelte das bloße Archivmaterial in einen bedeutsamen, ja historischen Moment. Sie verlieh diesem banalen Gang zum Podium das Gewicht einer feierlichen Prozession, in der Billy zugleich Hofnarr und Märtyrer war: Schließlich markierte dieser Auftritt seine Rückkehr in ein Land, das dreißig Jahre zuvor seine Familie ausgelöscht hatte, und hier war er nun und beehrte dieses Land mit seiner Gegenwart und lieferte sich ihm gleichzeitig aus – Triumph und Erniedrigung in einem.
Ich hatte vor, vier weitere Sätze für die „Billy“-Suite zu komponieren, wobei der erste noch gar nicht fertig war. Abgesehen davon hatte ich nie darüber nachgedacht, was ich mit dieser Musik eigentlich anfangen wollte, wenn sie erst einmal vollendet war: Niemand würde sie je aufführen oder einspielen, so viel stand fest. Wie alles in meinem Leben erschien mir das Schreiben von Musik in jenem Moment donquichottisch und sinnlos, und selbst dieser „Pressekonferenz“-Abschnitt, auf den ich bis vor Kurzem noch recht stolz gewesen war, bereitete mir mit einem Mal Verdruss. Daher klickte ich kurzerhand auf „Stumm“, und in der Stille, die folgte, hörte ich eine Stimme, die aus dem Garten kam.
Es war Frans Stimme, und sie telefonierte mit jemandem. Die Dringlichkeit ihres Tons legte nahe, dass es kein gewöhnliches Telefonat war. Ich nahm an, dass sie mit einer guten Freundin sprach, aber die Worte drangen nur undeutlich zu mir herauf. Nun, dem ließ sich abhelfen. Ich öffnete das Fenster einen Spaltbreit, um zu hören, was los war.
Natürlich bekam ich nur Frans Beitrag zu der Unterhaltung mit.
„Nein. Nichts. Will nichts davon wissen.“
„Weiß der Geier.“
„Wie soll ich das machen?“
„Ich weiß. Das weiß ich. Ganz allein meine Entscheidung.“
„Nein! Nein, ich kann das echt nicht. Es macht mich total verrückt.“
„Niemand. Kein Mensch. Und überhaupt, das ist nichts, was man eben mal so entscheidet.“
„Aber das ist es ja. Ich kann das nicht. Ich weiß nicht, Julie. Ich weiß es wirklich nicht.“
Bei diesen Worten brach sie in Tränen aus. Sofort sprang mein Mutterinstinkt an und ich eilte die Treppe hinunter. Wir wären beinahe zusammengestoßen, als wir in die Küche kamen – ich von der Treppe, Fran aus dem Garten. Ihr Telefongespräch war beendet und ihr Gesicht war rot.
„Was ist denn los, Süße?“, sagte ich.
Sie antwortete nicht, sondern starrte mich nur hasserfüllt an.
„Was los ist?“, sagte sie schließlich. „Was meinst du wohl, was los ist? Alles ist verflucht noch mal los.“
Sie schmetterte ihr Handy mit solcher Wucht auf den Küchentisch, dass ich befürchtete, das Display könnte gesprungen sein.
„Was immer es ist“, begann ich, „wir finden besti...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Über den Autor
  3. Titel
  4. Widmung
  5. Inhalt
  6. London
  7. Los Angeles
  8. Griechenland
  9. München
  10. Paris
  11. London
  12. Danksagungen, Quellen und Anmerkungen
  13. Impressum