Open: Die Geschichte des menschlichen Fortschritts
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  1. 512 Seiten
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Über dieses Buch

Weltweit gehen Menschen gegen die Globalisierung und den freien Handel auf die Straße. Nationalistische Tendenzen sind auf dem Vormarsch. Covid-19 und die Finanzkrise haben die Schattenseiten einer vernetzten Welt aufgezeigt. Trotzdem oder gerade deshalb plĂ€diert Johan Norberg fĂŒr den Erhalt der Offenheit. Brillant kombiniert er historische Lehren mit Erkenntnissen aus der Evolutionspsychologie, um zu erklĂ€ren, warum der Liberalismus gerade in Gefahr, aber trotz allem der beste Weg zu mehr Wohlstand, Gesundheit und Fortschritt ist. Und er warnt davor, diese Errungenschaften aufs Spiel zu setzen, denn: "Betrachtet man den heutigen Lebensstandard, die Gesundheit, den Wohlstand, die Alphabetisierung und die Freiheit im historischen Kontext, besteht kein Zweifel, dass wir in einem goldenen Zeitalter leben. Aber die Geschichte ist ĂŒbersĂ€t mit goldenen Zeitaltern, die nicht von Dauer waren."

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1 OFFEN
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OFFENER AUSTAUSCH

„Wir sind alle in einem unentrinnbaren Netzwerk der Gegenseitigkeit gefangen, vernĂ€ht mit einem einzigen Gewebe des Schicksals. [
] Noch bevor Sie morgens Ihr FrĂŒhstĂŒck beendet haben, sind Sie schon von der halben Welt abhĂ€ngig.“
- Martin Luther King, 1967 -
Im Juli 2017 ĂŒberarbeitete Donald Trump eine Rede, die er bald halten sollte, mit seinem StabssekretĂ€r. Auf den Rand kritzelte er drei Worte, die darauf hinwiesen, was er in der Rede besonders betonen wollte und was auch seine „America first“-Weltsicht zusammenfasste:
„HANDEL IST SCHLECHT.“1
In den Augen Trumps und vieler der Populisten der Rechten und Linken, die ĂŒberall auf der Welt aufsteigen, ist der Freihandel der ĂŒbelste auslĂ€ndische Import von allen. Es ist etwas, das den unschuldigen Menschen von [fĂŒgen Sie hier das Land ein, in dem Sie zufĂ€llig leben] durch mĂ€chtige AuslĂ€nder aufgezwungen wird, die unsere Industrie zerstören wollen, indem sie uns mit billiger Ware ĂŒberschwemmen. Es ist ein Plan der Chinesen, der WTO, der EU, uns schĂ€bige und möglicherweise gefĂ€hrliche Importe aufzuhalsen. Ironischerweise haben in Europa lange Zeit die Kritiker von der Globalisierung als einem US-amerikanischen Plan gesprochen. Manche nannten es „Amerikanisierung“. Kurz nachdem ich Trumps hingekritzelte Worte gelesen hatte, schickte mir ein Freund eine Nachricht von der Schule seiner Kinder, in der von einem Problem mit Brotzeitdosen die Rede war. Anscheinend hatten die Kinder angefangen, untereinander ihre Brotzeit zu tauschen. Reiskekse in den Brotzeitdosen verursachten die grĂ¶ĂŸten Probleme, denn die Schulkinder nutzten sie, um fĂŒr andere GĂŒter zu bezahlen und sogar, um sich bei Aufgaben helfen zu lassen oder andere Dienstleistungen zu entlohnen. Die Schule wollte die Hilfe der Eltern, um die Kinder davon abzuhalten, dem Freihandel zu frönen. Die Kinder hatten erkannt, dass sie durch Handel etwas zu essen bekommen konnten, das ihnen besser schmeckte als das, was sie bereits hatten. Nach einem Austausch dachten also beide Seiten, sie hĂ€tten nun eine bessere Brotzeitdose als vorher. Sie entwickelten sogar ein Tauschmedium – Reiskekse –, denn sie stellten fest, dass sie damit den Markt erweitern konnten.
Handel wird uns nicht von außen aufgezwungen. Ein Markt ist nicht ein Ort und nicht einmal ein Wirtschaftssystem. Es ist das, was Menschen tun, egal wo sie sind, in allen Bereichen, sogar Kinder, solange sie nicht von der Regierung – oder den Eltern – davon abgehalten werden.
Nachdem er die historischen Belege begutachtet hatte, kam der britische Journalist und Wissenschaftsautor Matt Ridley zu dem Schluss:
Es gibt keinen menschlichen Stamm, der nicht handelt. Westliche Forscher, von Christoph Kolumbus bis zu Captain Cook, stießen auf allerlei Schwierigkeiten und MissverstĂ€ndnisse, als sie das erste Mal in Kontakt mit isolierten Völkern kamen. Aber das Prinzip des Handels gehörte nicht dazu, denn die Völker, die sie trafen, hatten in jedem einzelnen Fall bereits eine Vorstellung davon, dass man Dinge austauschen kann. Innerhalb von Stunden oder Tagen nachdem er einen neuen Stamm getroffen hat, treibt jeder Entdecker Handel.2
Warum handeln wir? Der Ökonom Charles Wheelan bat einmal darum, man solle sich die beste Maschine der Welt vorstellen.3 Sie wĂŒrde Sojabohnen in Computer verwandeln. Das sei fĂŒr die Farmer fantastisch. Sie könnten das tun, worin sie gut sind, und trotzdem die Computer bekommen, die sie brĂ€uchten, um ihre BewĂ€sserungssysteme zu steuern. Und was sogar noch besser wĂ€re, dieselbe Maschine könnte BĂŒcher in Kleidung verwandeln. Ich könnte fĂŒnf Exemplare dieses Buches hineinstecken und ein neues Hemd wĂŒrde herauskommen. Erstaunlicherweise könnte die Maschine sogar programmiert werden, um Möbel in Autos zu verwandeln, medizinische Versorgung in ElektrizitĂ€t, Flugzeuge in Finanzdienstleistungen und Mineralwasser in Wein. Und sie könnte all diese Dinge auch wieder zurĂŒckverwandeln. TatsĂ€chlich könnte sie alles, was man schon hĂ€tte, in alles verwandeln, was man wollte.
Die Maschine wĂŒrde auch in armen LĂ€ndern funktionieren, wo die Menschen dasjenige in die Maschine hineinstecken wĂŒrden, was sie produzieren könnten, auch ohne eine Menge Kapital und Bildung – sagen wir, Rindfleisch oder Textilien – und am anderen Ende wĂŒrde Hightechmedizin und Infrastruktur herauskommen. Die beste Methode, arme LĂ€nder reich zu machen, bestĂŒnde offensichtlich darin, ihnen Zugang zu einer solchen Maschine zu geben.
Es hört sich wie Magie an, aber diese Maschine existiert bereits.
Man nennt sie Handel. Man kann sie ĂŒberall einsetzen und sie funktioniert allein aufgrund menschlicher Vorstellungskraft und indem man die Protektionisten (oder Eltern) fernhĂ€lt. Das ist kein finsterer auslĂ€ndischer Plan, es ist die schnellste Methode, mehr Wohlstand durch das zu generieren, was man selbst herstellt, und die einzige Methode fĂŒr arme LĂ€nder, reich zu werden, und fĂŒr reiche LĂ€nder, noch reicher zu werden.
Die Menschheit hat, so dachte der schottische Philosoph und Ökonom Adam Smith, „eine Veranlagung, zu handeln, zu feilschen und zu tauschen“.4 Egal welches Zeitalter der Geschichte wir betrachten, die Menschen tauschen GefĂ€lligkeiten, Ideen, GĂŒter und Dienstleistungen aus. Und je tiefer die ArchĂ€ologen graben, desto weiter zurĂŒck in der Geschichte sieht man die Belege fĂŒr den menschlichen Austausch. Er reicht in der Geschichte Tausende Jahre zurĂŒck und laut einiger kĂŒrzlich gemachter Funde ist der Handel so alt wie die Menschheit selbst.

Homo mercator

Die Ă€ltesten Fossilien des Homo sapiens sind um die 300.000 Jahre alt. Genauso wie die ersten, kĂŒrzlich entdeckten Anzeichen von Fernhandel.5
Olorgesailie, das heute ausgetrocknete Becken eines uralten kenianischen Sees, ist eine wahre Fundgrube fĂŒr ArchĂ€ologen. Über die Jahre entdeckten sie vieles dort, aber nichts war so faszinierend wie die sorgfĂ€ltig bearbeiteten und spezialisierten, mehr als 300.000 Jahre alten Werkzeuge, Speerspitzen, Schaber und Ahlen. Nicht nur ihr Alter ist erstaunlich, sondern auch das Material, aus dem sie gemacht sind: Obsidian. Dieses schwarze Vulkanglas wurde sehr geschĂ€tzt, denn man kann es leicht zerbrechen, um daraus rasiermesserscharfe Schneidwerkzeuge und Waffen herzustellen.
Obsidian wird auch von den ArchĂ€ologen und Historikern geschĂ€tzt, denn es wird nur an einigen wenigen Standorten mit vulkanischer AktivitĂ€t gewonnen. Erstaunlicherweise ist keiner dieser Orte in der NĂ€he von Olorgesailie. TatsĂ€chlich kam das Obsidian wahrscheinlich aus Quellen, die bis zu 88 Kilometer entfernt sind, wenn man die AbkĂŒrzung ĂŒber die Berge nimmt. Die Forscher halten es fĂŒr sehr unwahrscheinlich, dass die Menschen von Olorgesailie dorthin gependelt sind, und nehmen eher an, dass sie Teil eines Langstrecken-Handelsnetzes waren, ĂŒber das GĂŒter und Ressourcen fĂŒr das Obsidian eingetauscht wurden, das sie haben wollten. Diese Interpretation wird von der Tatsache gestĂŒtzt, dass sie auch bunte Steine zum FĂ€rben benutzten, die ebenfalls von weit her importiert worden waren.
Handeln, feilschen und tauschen – vor 300.000 Jahren.
Menschen haben schon immer kooperiert. Die FrĂŒhmenschen haben nicht nur untereinander Obsidian und Werkzeuge getauscht, sondern auch Know-how, GefĂ€lligkeiten und LoyalitĂ€t. Sie kooperierten beim Aufziehen der Kinder, bei der Verteidigung, beim Jagen und Sammeln. Am wichtigsten war jedoch, dass diese Kooperation sich auf andere Menschen erstreckte, die nicht Teil der Familie waren, Individuen im Stamm, die nicht verwandt waren, und auf die Besitzer des Obsidians auf der anderen Seite der Berge. Diese Beziehungen Ă€nderten sich stĂ€ndig. Es war nicht einfach Bevorzugung des eigenen Stamms, sondern gegenseitig, ein Austausch, von dem beide Parteien einen Nutzen hatten. Wie es eine Beschreibung der Inuit-Kultur darstellte: „Der beste Platz fĂŒr ihn, etwas aufzubewahren, was er selbst nicht braucht, ist im Magen eines anderen, denn frĂŒher oder spĂ€ter wird er sein Geschenk zurĂŒckerwarten.“6
Wir lieben ReziprozitĂ€t und das sogar so sehr, dass wir uns schlecht fĂŒhlen, wenn wir nicht die Chance erhalten, etwas Nettes mit Nettigkeit zu vergelten (oder Böses mit Bösem). Die Produzenten von kostenlosen OnlinegĂŒtern waren ĂŒberrascht, als sie feststellten, dass die Menschen bezahlen wollen, selbst wenn sie es nicht mĂŒssen, sobald man ihnen eine einfache Bezahlmöglichkeit bietet. Deswegen gibt Ihnen der HĂ€ndler auf dem Basar immer einen Kaffee, sodass Sie das GefĂŒhl haben, Sie schuldeten ihm wenigstens einen genauen Blick auf seine Waren. Deswegen sollten Sie auch zweimal ĂŒberlegen, bevor Sie ein teures Geschenk von jemandem annehmen, der nicht Ihr Partner oder Ihre Partnerin ist.7
Kooperation und Austausch waren so essenziell fĂŒr die Menschen, dass es schwer ist, zu erklĂ€ren, was zuerst kam: der Handel oder der Homo sapiens. Und das meine ich wörtlich. Die Menschen gaben dem Handel seine Form, aber der Handel formte auch die Menschen, zu denen wir wurden. Das ist der SchlĂŒssel, um zu verstehen, wie Menschen es schafften, die Welt zu erobern und alle Klimazonen zu besiedeln – trotz nur wenigen umweltbedingten genetischen Anpassungen.
Der Evolutionspsychologe Steven Pinker glaubt, dass die Eigenheiten des Homo sapiens durch die „kognitive Nische“ der Wissensanwendung der gegenseitigen sozialen AbhĂ€ngigkeit erklĂ€rt werden können. Vor ein paar Hunderttausend Jahren haben wir gleichzeitig drei einzigartige Eigenschaften entwickelt: Intelligenz, Sprache und Kooperation. Diese verstĂ€rken sich gegenseitig: Schrittweise Verbesserungen der einen machen die andere wertvoller und verĂ€ndern daher die soziale und physische Umgebung – und damit den evolutionĂ€ren Druck fĂŒr zusĂ€tzliche Anpassungen.8
Die Intelligenz macht es möglich, zu lernen und Informationen sowie FĂ€higkeiten im GedĂ€chtnis zu speichern. Eine grammatikalisch fortgeschrittene Sprache erlaubt es uns, darĂŒber mit anderen zu kommunizieren, sodass sie auf unseren Erfahrungen aufbauen können und nicht die gleichen Fehler selbst machen oder das Rad neu erfinden mĂŒssen. Das gibt uns sowohl die Mittel als auch den Anreiz, mit anderen zu kooperieren – und nicht nur mit unseren Verwandten. Eine offene Kommunikation erlaubt es uns, Wissen mit geringem eigenem Aufwand zu teilen und Verhalten zu koordinieren. Intelligenz ermöglicht – manchmal implizit – das Aushandeln von Absprachen ĂŒber GefĂ€lligkeiten und GĂŒter, die zu verschiedenen Zeitpunkten ausgetauscht werden. In dem Moment, als die Menschen von einer fĂŒr beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit profitierten, erhöhte sich der Wert der Intelligenz und der Sprache dramatisch, was eine weitergehende Zusammenarbeit ermöglichte und so weiter.
Aber was hat unsere Vorfahren von Beginn an auf diesen besonderen evolutionĂ€ren Pfad gelotst? Es gibt eine ĂŒberzeugende Hypothese – zumindest fĂŒr mich –, die dies erklĂ€rt, indem sie uns zu dem Moment zurĂŒckbringt, als die ersten schimpansenartigen Kreaturen vor sechs oder sieben Millionen Jahren die BĂ€ume verließen und auf zwei Beinen zu laufen begannen: „die Wurfhypothese“. Warum wir jemals die BĂ€ume verlassen haben, wird seit Darwin kontrovers diskutiert.
Schimpansen sind in ihren BĂ€umen gut geschĂŒtzt, aber leichte Beute am Boden fĂŒr Löwen, Leoparden und SĂ€belzahntiger, weil sie langsam und klein sind. Man hat herausgefunden, dass einige ziemlich heftige tektonische AktivitĂ€ten das East River Rift Valley geschaffen und das Klima verĂ€ndert haben.
Das hat den Regenwald im Osten des Tals ausgetrocknet und er wurde zur Savanne. „Somit stellt sich heraus, dass wir die BĂ€ume gar nicht verlassen haben“, schreibt der Psychologe William von Hippel, der diese Hypothese skizziert, „die BĂ€ume haben uns verlassen.“9
In eine feindliche und verwirrende Umgebung geworfen, mussten diese schimpansenĂ€hnlichen Kreaturen eine Methode finden, um inmitten von großen Raubtieren zu ĂŒberleben. In den nĂ€chsten drei Millionen Jahren sind die meisten sicherlich gescheitert, aber einige von ihnen fanden einen Weg, ihre HĂ€nde einzusetzen, die nicht mehr fĂŒr die Fortbewegung gebraucht wurden, was ihnen half, in den GraslĂ€ndern zu ĂŒberleben, und sie physisch und mental verĂ€nderte und damit zu unseren Vorfahren machte. Die Lösung war – das Steinewerfen.
An den Überresten von Lucy, der weltweit berĂŒhmtesten Vertreterin des Australopithecus afarensis, können wir beobachten, das wichtige anatomische VerĂ€nderungen vor mindestens 3,2 Millionen Jahren stattgefunden hatten. Sie hatte beweglichere HĂ€nde und Handgelenke als Schimpansen, eine grĂ¶ĂŸere Beweglichkeit in den Oberarmen, eine mehr horizontal ausgerichtete Schulter und die HĂŒfte und der untere Teil der Rippen lagen weiter auseinander. All das machte sie perfekt dafĂŒr geeignet, Steine mit Wucht und Genauigkeit zu werfen. Selbst mit solch exzellenten Gelenken und Muskeln hĂ€tte Lucy nicht viel Chancen gegen einen Löwen gehabt, aber wenn sie sich gemeinsam mit anderen Vertretern der Gattung Australopithecus verteidigt hĂ€tte, dann hĂ€tten sie einen Steinhagel loslassen können, der jede Raubkatze in kleine StĂŒcke zerlegt hĂ€tte. Sie mussten bald herausgefunden haben, dass sie auf diese Weise auch jagen konnten. Durch Zusammenarbeit konnten unsere Vorfahren, die zuvor leichte Beute gewesen waren, ihren Platz an der Spitze der Nahrungskette einnehmen.
Das war unser „sozialer Sprung“, wie es von Hippel nennt. Individuen, die lernten, beim Steinewerfen zusammenzuarbeiten, konnten sich schnell besser fortpflanzen als die Individuen, die sich immer noch der alten „Jeder Affe fĂŒr sich selbst“-Strategie verschrieben hatten. Dies hat die Evolution veranlasst, VerĂ€nderungen zu begĂŒnstigen, die uns besser kooperieren ließen, zum Beispiel ein großes Gehirn, um andere zu verstehen und soziale Herausforderungen zu meistern.
Wenn Sie einen Beleg fĂŒr die einzigartige Geselligkeit des Menschen haben wollen, sehen Sie in den Spiegel. Schimpansen und andere Menschenaffen haben braune Lederhaut (der Teil des Auges, der die Hornhaut umgibt), um ihren Blick vor anderen Schimpansen zu verbergen. Schimpansen sind vor allem Rivalen und wollen nicht, dass andere Mitglieder der Gruppe wissen, dass sie einen potenziellen Partner oder einen leckeren Snack gesehen haben, damit nicht jemand anders ihre Idee stiehlt und zuerst dort ist. Menschen haben andererseits eine weiße Lederhaut entwickelt, damit die gesamte Gruppe sehen kann, in welche Richtung wir blicken, was nahelegt, dass wir mehr davon profitieren, Informationen mit anderen zu teilen, als sie geheim zu halten.
Wenn wir eine Bedrohung wahrnehmen, wollen wir, dass andere es wissen und unsere gemeinsame Verteidigung stÀrken. Wenn wir ein Beutetier erspÀhen, wollen...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Widmung
  5. INHALT
  6. Einleitung: HĂ€ndler und Tribalisten
  7. Teil 1: Offen
  8. Teil 2: Geschlossen
  9. Danksagungen
  10. Endnoten