Alphabet
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Alphabet

  1. 320 Seiten
  2. German
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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Seine Kindheit und Jugend hat Simon in Heimen und bei Pflegefamilien verbracht. Nun sitzt er wegen Mordes an seiner Freundin lebenslänglich in einem Hochsicherheitsgefängnis und durchläuft verschiedene Therapien. Er ergreift die Chance, Lesen und Schreiben zu lernen, und beginnt verbotenerweise mehrere Brieffreundschaften mit unterschiedlichen Frauen. Dabei findet er immer mehr über sie heraus, ohne sich selbst zu offenbaren. Nach einer Schlägerei kommt er ins Krankenhaus und teilt dort das Zimmer mit Vic, der sich gerade in Charlotte verwandelt. Aber welche Verwandlung gelingt Simon in den dreizehn Jahren seiner Haft? Kathy Page entfaltet dieses Leben in ihrem psychologischen Drama so sezierend wie zugeneigt. Kathy Page ist eine ungemein vielseitige Autorin, die in ihrem Werk eine immense Palette an Themen, Genres und Stilen vereint – jeweils mit beeindruckender Virtuosität. In diesem Roman verarbeitet sie eigene Erfahrungen während eines Arbeitsaufenthalts im Männergefängnis. Ohne diesen Handlungsort zu sentimentalisieren, gelingt ihr ein Bravourstück, das tiefgründig Identität, Vergebung und Gerechtigkeit verhandelt.

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Information

Jahr
2021
ISBN
9783803143150

A

21

Die Tür vor Simon ist leuchtend blau angemalt, und auf dem daran befestigten Schild aus poliertem Aluminium steht »Begutachtung«. Gleich rechts daneben befinden sich ein winziger Lautsprecher und ein Knopf. Seine Anweisung lautet, einfach den Knopf zu drücken und seinen Namen zu nennen: Die Person da drin wird ihn dann genauso einfach einlassen. So jedenfalls hat man es ihm gesagt – die Schlichtheit einer solchen Aktion in Verbindung mit seinem plötzlichen Gewinn an Bewegungsfreiheit ist sowohl zweifelhaft als auch beunruhigend, sofern er dem Ganzen überhaupt Glauben schenkt. Wie dem auch sei, es bringt nichts, hier herumzustehen und das Schild ein ums andere Mal zu lesen.
»Kommen Sie rein, Simon«, dröhnt eine Stimme aus der Gegensprechanlage, als sich die Tür automatisch öffnet. Da ist ein kurzer Flur, eher eine Diele, gelb gestrichen und mit blauem Teppich ausgelegt, an der Wand ein gerahmter Kunstdruck mit einer Vase grimmig wirkender Blumen. Der Besitzer der dröhnenden Stimme lugt aus einer der sechs Türen hervor. »Da sind Sie ja«, sagt er. Die Hand, die er zum Schütteln ausstreckt, ist groß und heiß, und insgesamt könnte er, mit seinem hellen Haar und den Koteletten, seinem schwerfälligen Gang, dem braunen Pullover und den braunen Wildlederschuhen, fast ein Tier sein, ein Bär oder ein Löwe vielleicht – jedenfalls ein Geschöpf, das nicht zum einst weißen Laborkittel passt, den er über seiner übrigen Kleidung trägt, offen, zerknittert, zu klein für ihn. Eine Reihe Kugelschreiber steckt in seiner Brusttasche. Auf der anderen Seite des Kittels verkündet ein Schild, er sei Dr. Martin Clarke. Simon werde heute sehr viel zu tun haben, sagt er nach der Begrüßung.
»Wie gefällt es Ihnen bislang? Sicherlich eine große Umstellung, oder? Kommen Sie rein und setzen Sie sich …« Simon folgt Dr. Clarke in einen großen, luftigen Raum, möbliert mit blauen Sesseln und einem Couchtisch. Es riecht intensiv nach Orangen, als hätte jemand erst vor ein paar Minuten eine gegessen.
»Bei allem, was wir hier machen werden«, erläutert Dr. Clarke, sobald sie sitzen, »geht es darum, Informationen zusammenzutragen, damit wir uns ein detailliertes Bild machen können …« Ob Simon, möchte er wissen, über ein gutes Sprachverständnis verfüge, mündlich wie schriftlich? Gut. Ob er derzeit bei guter Gesundheit sei? Gut. Irgendwelche Geschlechtskrankheiten? Gut. Keine Drogen?
»Sobald Sie bereit sind«, sagt er, »verschwinden Sie kurz im Bad und geben eine Urinprobe in diesen Behälter, nur für die Akten … Gut, gut, gut …« Dr. Clarke lächelt, reibt die Hände aneinander und bietet Kaffee, Tee, Wasser, Schokoladenkekse an. Er geht nach nebenan, um den Kaffee einzuschenken, kehrt mit Tasse und Untertasse zurück.
»Nun«, sagt er, »dann können wir ja loslegen.« Er zeigt Simon ein Heft aus spiralgebundenen A4-Seiten. »Das ist mein Baby!«, sagt er. »Ein kurzer Fragebogen, nichts, was Sie beunruhigen müsste. Nichts, worüber Sie sich den Kopf zerbrechen müssten. Einfach frei von der Leber weg …« Bitte beantworten Sie ALLE Fragen steht auf der Vorderseite, Kommentare ergänzen Sie in den leeren Feldern darunter. »Gehen wir es mal gemeinsam durch«, schlägt Dr. Clarke vor.
»Waren Ihre Eltern verheiratet? Haben sie zusammengelebt?«
»Das steht alles in meiner Akte«, sagt Simon. »Habe ich schon hundertmal durchgekaut.«
»Sind Sie verheiratet oder in einer langjährigen Beziehung, oder waren Sie in der Vergangenheit verheiratet oder in einer langjährigen Beziehung?«
»Nein. Eigentlich nicht«, sagt Simon. Amanda zählt vermutlich nicht.
»Zu wem fühlen Sie sich gegebenenfalls sexuell hingezogen?«, fragt Dr. Martin strahlend. »Hier können Sie mehr als eine Antwort wählen. Frauen, Männer, sowohl Frauen als auch Männer?«
»Frauen.«
»Nur Frauen?«, fragt Clarke mit einem aufmunternden Nicken.
»Ja!«
»Fühlen Sie sich zusätzlich zu anderen / anderem hingezogen?« Clarke macht eine Pause und hält zwischen den einzelnen Punkten lange inne, als wollte er Simon Zeit geben, sich zu entscheiden. »Weibliche Jugendliche? Männliche Jugendliche? Männliche Kinder? Weibliche Kinder? Kleinkinder beiden Geschlechts?«
»Was soll das?«
»Die Fragen sind so angelegt, dass sie alles abdecken. Ich muss sie alle stellen … soll ich noch einmal von vorn –«
»Nein«, sagt Simon. »Nichts davon!« Er atmet laut aus, versucht, die Muskeln in seinen Armen und Händen zu entspannen, aber es ist sinnlos, sie verkrampfen sich sofort wieder.
»Tiere?«, fragt Clarke. »Oder sonstige außergewöhnliche Reize?«
»Was soll dieser ganze Scheiß?« Er muss in der falschen Einrichtung gelandet sein. Das hier kann Bernie nicht gemeint haben. Unmöglich.
»Antworten Sie einfach mit ja oder nein«, wiederholt Dr. Clarke sanft. »Das sind nur Fragen, keine Anschuldigungen.«
»Na dann, nein«, sagt Simon. »Aber wenn hier alles voller Leute ist, die Schafe ficken, dann bin ich raus.« Nur wie? Wie kommt man hier wieder raus? Und wie macht es sich in der Akte, wenn man es schafft? Angenommen, sie stimmen nicht zu?
»An welchen dieser Varianten des Geschlechtsaktes finden Sie Vergnügen?« Simon stürzt seinen Kaffee hinunter, er ist zu heiß, und etwas davon spritzt auf sein Hemd. Er tupft den Fleck mit ein paar Papiertüchern ab.
»Kommt da noch viel in dieser Richtung?«, fragt er.
»Simon«, sagt Dr. Clarke, »Sie wirken sehr aufgeregt. Möchten Sie darüber sprechen, oder möchten Sie den Fragebogen vielleicht lieber allein ausfüllen?« Na, das lässt sich locker mit ja beantworten.
»Ist gebongt«, sagt der Doktor, ein Ausdruck, der bizarr aus dem Mund von jemandem wirkt, der einen weißen Kittel trägt und offensichtlich an irgendeiner Edeluni studiert hat. »Achten Sie nur darauf, dass Sie am Ende jeder Frage sorgfältig lesen, wo es weitergeht. Einfach Bescheid geben, wenn Sie fertig sind, und wir schauen nochmal drüber.« Der Doktor strahlt Simon an und schlendert zur Tür, die er hinter sich halb offenlässt. Simon geht sofort hin, um sie richtig zu schließen. Dann, Minuten später, steht er wieder auf, öffnet die Tür und geht zur Toilette, wo ein »Stirb nicht aus Unwissenheit«Poster hängt und ein Weidenkörbchen mit Kondomen steht. Er gibt die Urinprobe in das Plastikfläschchen, kehrt in den riesigen Raum zurück, schließt die Tür, setzt sich wieder. Du musst das hier nicht machen, sagt er sich, als er mit dem Klemmbrett auf den Knien dasitzt. Andererseits, will er jetzt kneifen und geradewegs dorthin zurück, wo er hergekommen ist? Will er Bernie erklären, er habe einen Fehler gemacht? Was, wenn etwas dabei herauskommt? Eine Weile sitzt er mit geschlossenen Augen da und erinnert sich an das gestrige Orientierungsgespräch: Eine therapeutische Einrichtung, versicherte ein erfolgreicher Insasse aus dem B-Trakt den Neuankömmlingen, ist keine psychiatrische Anstalt … Tests sind nicht dazu da, um euch dranzukriegen, sondern, um an Informationen zu kommen, die euch bei der Therapie helfen können. Ein Teil der Begutachtung wird euch vermutlich völlig gestört vorkommen, aber überlegt es euch gut, bevor ihr überreagiert … Simon atmet ein paarmal tief ein und aus, öffnet seine Augen und orientiert sich im Fragebogen.
An welchen dieser Varianten – das sind nur Worte, sagt er sich, als er die aufgeführten Beispiele durchliest. Er kringelt Oralsex Frau zu Mann ein, was ihn interessiert und ok sein sollte, und Geschlechtsverkehr, sowohl Mann als auch Frau oben. Zuschauen ist nicht dabei. Als Nächstes wird gefragt: Haben Sie je für sexuelle Dienstleistungen bezahlt? Wie regelmäßig? An das letzte Mal kann er sich erinnern, wie sich das Mädchen genauso hinlegte, wie er es wollte, und brav alles tat, was er ihr sagte, bis er fast fertig war und sie anfing, ihn mit ihren inneren Muskeln zu drücken. »Was ist?«, sagte sie, als er sich aus ihr herauszog, zu spät, und brüllte. »Das war dein kostenloses Geschenk, mein Hübscher, jetzt entspann dich!« Er war nie wieder bei ihr, und Dr. Martins Fragebogen wird er nichts davon erzählen. Es ist ja nichts Schlimmes passiert, warum sollte er?
Fällt es Ihnen schwer, über Sex zu reden? Nicht leicht.
Wurde in Ihrer Familie oder von Erwachsenen dort, wo Sie aufgewachsen sind, offen über Sex gesprochen? Wurde es Ihnen zu Hause oder in der Schule je erklärt? Soll das ein Witz sein? Ab etwa welchem Alter haben Sie Sex in dem Sinne begriffen, was Männer und Frauen machen und wie Babys entstehen? Während seiner Zeit in Burnside wurden drei der Mädchen schwanger, zwei hatten eine Abtreibung. Vielleicht gab es noch mehr, von denen er nichts wusste.
In welchem Alter, fragt Dr. Clarkes Baby ihn als Nächstes, hatten Sie Ihre erste sexuelle Erfahrung? Was genau soll damit gemeint sein? Simon steht auf und geht mit großen Schritten nach gegenüber zu Dr. Clarkes Büro. Die Tür steht offen, und das Geräusch, das er hören kann, stammt von einem Drucker, der ein Diagramm auf Endlospapier auswirft. Auch das Büro riecht sehr intensiv nach Orangen, und der Doktor, halb verborgen hinter einem riesigen Computerbildschirm, liest eine Zeitschrift namens Devianzforschung. Er blickt lächelnd auf.
»Im Heim wurde ich in den Arsch gefickt, ok?«, berichtet Simon. »Aber ich mochte es nicht, es hat wehgetan. Ich habe es gemacht, um nicht verprügelt zu werden. Ist das eine sexuelle Erfahrung?«
»Verstehe, also, ja. Ich denke schon.«
»Das sollten Sie deutlicher formulieren, ok?«
Irgendwann zwischen elf und dreizehn, schreibt er.
Wem haben Sie davon erzählt? Niemandem. Es war kein großes Ding, es hätte schlimmer kommen können: zum Beispiel, wenn es jemand vom Personal gewesen wäre. Das Kind, das es vor allem getan hatte, wurde verlegt, verblasste.
Pornografie? Das hat John Kingswell manchmal in der Garage liegenlassen. Da war er acht oder so. Was für Bilder waren darin? Frauenkörper? Genitalien? Heterosexueller Geschlechtsverkehr? Zwang, Gewalt, Sadomasochismus? Lesbisch? Homosexuell? Anderes?
Frauen. Geschlechtsverkehr. Genitalien. Frauen, die sich selbst anfassen. Sich Sachen reinstecken. Es anbieten. Faszination. Angst. Neugier – wie bekommt man sie dazu, dass sie … Er erinnert sich an den Geruch von Maschinenöl.
»John ist schuld, weil er diesen Dreck überhaupt besitzt, aber wenn ich dich noch einmal hier drin erwische …« Das hatte Iris Kingswell gesagt.
Schließlich ist es geschafft: Alter zum Zeitpunkt des ersten feuchten Traumes, Masturbation, Häufigkeit, Länge, Anzahl der Orgasmen, wiederkehrende Träume, wie stufen Sie sich selbst als sexuellen Partner ein, alles. Er steckt den Stift in seine Gesäßtasche, legt Dr. Clarke das Formular auf den Schreibtisch.
»Gut, gut, sehr gut«, sagt der Doktor und wischt sich die Finger mit einem Taschentuch ab. Wieviele Orangen kann ein Mensch an einem einzigen Vormittag essen? Was hat dieser Mann für einen Job?
Drüben bei der Aufnahmestelle hat man für Simon einen Teller mit Eier-Mayonnaise-Sandwiches aufbewahrt, weil er das warme Mittagessen verpasst hat. Das Essen schmeckt ungewöhnlich gut, aber es reicht nicht. Alle anderen sind draußen und spielen Fußball, aber nach einer halben Stunde Pause soll er gleich wieder zurück zur Begutachtung. Er macht ein paar Dehnübungen, joggt auf der Stelle. Na, das Schlimmste ist hoffentlich vorbei.
»Wie nennen Sie Ihren Penis?«, fragt Dr. Clarke, als sie sich setzen, diesmal im Büro mit dem Drucker. Na, denkt Simon, der Mann ist kein Freund von Smalltalk.
»Ich nenne ihn überhaupt nicht«, sagt er. »Haben Sie denn einen Namen für Ihren?«
»Ich meine, mit welchem Wort dafür fühlen Sie sich am wohlsten?« Der nächste Test, erklärt Clarke, ist physisch und findet in einem speziellen Untersuchungszimmer am Ende des Flurs statt. Er reicht Simon ein kreisrund gebogenes Stückchen Gummischlauch, das an einem Draht befestigt ist. Es ist merkwürdig schwer: ein mit Quecksilber gefülltes Messgerät, erläutert Dr. Clarke, das fast auf halber Penishöhe sitzt und auf Umfangzunahme reagiert. Es wird individuell angepasst. Ein elektrischer Schock ist ausgeschlossen.
»Sobald es angepasst ist, bekommen Sie eine Reihe Dias sexuellen Inhalts zu sehen und einige Tonbandszenen zu hören. Das Gerät misst die Stärke Ihrer Reaktion … und diese Informationen können verwendet werden, um uns ein besseres Verständnis von Ihrem Sexualtrieb im Kontext des indizierten Delikts zu vermitteln. Wir bemühen uns, es so entspannt wie möglich zu machen. Fragen?« Ja, jede Menge. Muss das jeder machen, oder haben sie nur ihn ausgewählt? Was, wenn er ihn bei nichts davon hochbekommt? Was, wenn er aus irgendeinem Grund auf alles reagiert? Kann man als Bestie oder so dastehen, ohne es zu wissen, und was passiert, wenn sie dahinterkommen? Was, denkt er, wenn ich mich weigere, was dann? Er bekommt das nicht alles über die Lippen, nicht mal die Hälfte.
»Was passiert«, sagt er grinsend, »wenn ich beim Bild von einem Schafsarsch einen Ständer kriege?«
Vielleicht ist Dr. Clarke diese Frage früher schon untergekommen; jedenfalls lächelt er und sagt: »Ah, ja, das wäre sehr interessant! Aber uns geht es natürlich sehr viel mehr um Ihre Reaktion auf Frauen … Hier unterschreiben, als Beleg dafür, dass Ihnen das Verfahren erklärt wurde und dass Sie Ihr Einverständnis geben …«
»Machen das alle oder nur ich?«
»Das ist absolut Routine«, sagt Dr. Clarke und hält ihm den Stift hin.
Sie gehen zum Ende des Flurs und betreten einen anderen Raum, sehr warm, fensterlos, nur von einer Stehlampe erleuchtet. Hier riecht es nach Desinfektionsmittel. Ein dürrer Mann kommt hinter einer Trennwand hervor, schaltet dabei das Deckenlicht ein und enthüllt so, dass der Raum babyrosa gestrichen ist, und dass sein weißer Kittel, im Gegensatz zu Dr. Clarkes, frisch und strahlend weiß ist. Ein Liegesessel, bedeckt mit riesigen blassblauen Papierhandtüchern, steht auf einem Plastikviereck. Es gibt ein Handwaschbecken, einen Handtuchhalter, eine Topfpflanze.
»Julian«, sagt Dr. Clarke, »das ist Simon. Simon, das ist Dr. Julian Bentley, der den Test durchführen wird. Ich lasse euch allein, damit ihr alles klären könnt …«
»Also«, sagt Julian Bentley, nachdem er die Tür geschlossen hat, die Dr. Clarke angelehnt hatte, »als Erstes möchte ich, dass die Klienten wissen, wie der Raum funktioniert. Hier, sehen Sie, das ist die Leinwand – die ziehe ich herunter. Und hier, am Stuhl angebracht, sind Kopfhörer, die Sie aufsetzen, wenn ich es Ihnen sage. Ich werde da hinter der Trennwand sein, mit geschlossener Tür. Ihnen wird der Deckenspiegel da oben auffallen, dessen Winkel so eingestellt ist, dass ich durch das Sichtfenster da drüben Ihre Augenbewegungen beobachten kann. Ab und zu werde ich überprüfen, ob Sie während der Präsentation wirklich auf die Leinwand sehen …
So … was noch? Der Raum ist komplett schallisoliert. Es gibt eine Gegensprechanlage, damit Sie bei Bedarf mit mir reden können, sie springt auf Ihre ganz normale Stimme an … Das da in der Tr...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Impressum
  3. Widmung
  4. B
  5. A
  6. C
  7. Nachwort und Danksagung
  8. Über die Autorin