Tanzen wie jeder Sport auf höchstem Profi-Level geht nicht ohne Leidenschaft. Tänzer brennen dafür, was sie tun, und können gar nicht anders, als es zu tun. Sie lieben es und haben Spaß und innere Freude dabei. Leidenschaft ist ein starker emotionaler Treiber, ganz im Tun aufzugehen. Ohne Leidenschaft würden Tänzer das anstrengende Training nicht aushalten. Die Begeisterung für die Bewegung ist bei Tänzern sogar so groß, dass sie abends nach einem durchtanzten Tag noch ins Fitness-Studio rennen. Leidenschaft treibt sie an, ihre Komfortzone zu verlassen, und zwar immer und immer wieder. Sie wollen besser werden, die schönste Pirouette drehen, die tollste Choreografie tanzen. Das Gleiche gilt für jeden ambitionierten Sportler – Leichtathleten, Schwimmer, Karateka, Fußballer, für alle. In der Leidenschaft drückt sich die Liebe zu dem aus, was wir tun. Leidenschaft ist eine Art Liebe, eine große Begeisterung, eine Passion. Im besten Fall haben wir es dabei mit Hingabe zu tun. Es fließt und wir fließen mit. Wer sich hingibt, ist nicht dagegen; Tänzer sind nicht gegen die Bewegung, sondern mit ihr. Auch wenn das immer und immer wieder dazu führt, sich blutige Zehen zu holen. Per wissenschaftlicher Definition drückt sich Leidenschaft als eine heftige Gemütsregung auf der Grundlage einer sinnlichen Begierde aus. Wir befinden uns ganz auf der emotionalen Ebene. Leidenschaft ist eine Herzensangelegenheit und bringt eine gute Gestimmtheit mit sich. Wenn du etwas tust, wofür es sich deiner Meinung nach lohnt, sich anzustrengen, ist meist Begeisterung und Leidenschaft im Spiel. Dann vergeht die Zeit im Flug und du bist ganz im Flow.
Die drei Stufen der Leidenschaft
Zahlen, Daten Fakten, Struktur sind wichtig bei Veränderungen, keine Frage, doch reine Kognition führt nicht zum Tun. Der beste Anschub sind Begeisterung und Leidenschaft. Nicht immer musst du gleich „brennen“ für den Change, manchmal genügt es schon, das Gefühl der Leidenschaft überhaupt für etwas zu empfinden und so auch den Change gut zu überstehen.
Ich unterscheide drei Stufen:
Leidenschaft – Stufe eins
Du begeisterst dich für das Neue, für den Change, freust dich darauf und bist bereit, dich hineinzuknien und Zeit und Mühe zu investieren. So wie Tänzer sich den ganzen Tag stretchen, um besser zu werden. Leidenschaft und Hingabe führt sie an. Wenn du dich für den Change begeisterst, fällt das Stretching aus der Komfortzone leichter, ähnlich wie bei den Tänzern. Du schaffst es auch leichter, andere mitzureißen.
Begeisterung auf höchstem Level strahlte Peter Gerstmann, CEO von Zeppelin aus. Ich durfte ihn bei einer weltweit gestreamten Veranstaltung kennenlernen, bei der ich als Keynote Speakerin gebucht war.
Seine Augen leuchteten, während er über gelungene Kundenprojekte sprach und das Thema „Kundenfokus“ als Zukunftsstrategie erläuterte. Voller Begeisterung schilderte er zum Abschluss auch eine beeindruckende, private Geschichte, die hängen blieb: Mit seiner Familie war er zu Gast in einem hochpreisigen erstklassigen Restaurant. Seine Kinder wollten jedoch schlichtweg einfach nur Pommes ordern. Das sah die feine Speisekarte jedoch nicht vor. Auf Nachfrage entgegnete der freundliche Kellner jedoch: „Ja, natürlich kommen wir Ihrem Wunsch nach“, und 15 Minuten später aßen die Kleinen genüsslich ihre Fritten. Es war allen klar, dass diese nicht aus der Gourmetküche des Restaurants, sondern von einem bekannten Fast-Food-Anbieter stammten. Gerstmann erklärte: „Hier wurde ich überrascht und war extrem begeistert bei so viel Kundenfokus. Wir brauchen mehr Menschen, die mit Leidenschaft und Engagement wirken.“ Er beendete seinen Vortrag mit einem Lächeln, einem Lächeln, das ansteckte, und erntete Applaus im Studio vor Ort und im Chat.
Für diesen Change in puncto Kundenfokus konnte Peter Gerstmann dank seiner nahbaren und leidenschaftlichen Art seine Zuhörer leicht gewinnen. Begeisterung wirkt extrem ansteckend. Mit Begeisterung gewinnst du doppelt. Begeisterte Mitarbeiter, Führungskräfte und Projektleiter sind extrem ansteckend und haben selbst Freude bei dem, was sie tun. Sie erreichen ihre Leute nicht nur rational, sondern auch emotional. Das verbindet und schwappt über und schafft Engagement, und so schaffst du es, andere mitzureißen und für dich zu gewinnen. Schon der heilige Augustinus wusste: „In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst.“
Leidenschaft – Stufe zwei
Nicht der Wandel an sich begeistert dich, doch dein Job prinzipiell schon. Da ist der Schuhverkäufer, der Schuhe liebt und es liebt, zu verkaufen und seine Kundinnen und Kunden „schön“ zu machen. Oder die Lokführerin, ein Technik-Nerd, die in einem Interview sagt, wie sehr sie es liebt, Menschen zu befördern und von einem Ort zum anderen zu bringen. Der Frisör, der sein Handwerk als Kunst versteht und mit Begeisterung dabei ist. Begeisterte und zufriedene Kunden sind das Ergebnis. Wenn jetzt eine Veränderung einschlägt, wie zum Beispiel, dass dem Besitzer der Laden gekündigt wird, schaffen die Mitarbeiter es schnell, Lösungen zu finden, um ihr Handwerk weiter mit Leidenschaft auszuüben. Wie bei meinem Frisör am Tegernsee. Der Ladeninhaber steckte den Kopf in den Sand, erstarrte und handelte nicht. Doch das Team plante und handelte – mit dem Ergebnis, gemeinsam in einem neuen Laden weiter das tun zu können, was sie lieben.
Ich durfte einen Autoverkäufer, kennenlernen, der seinen Job liebte und das auch ausstrahlte. Ich spürte: Er wollte mich als Kundin glücklich machen. Ich bin eine Frau, das heißt, die Farbe des Autos ist wichtig. Und auch das nächste Klischee passt: Von der Technik habe ich wenig Ahnung. Doch schnell sollte der Wagen fahren. Das Resultat ist mein neues Auto, hybrid und bergtauglich. Wie hat mich der Verkäufer überzeugt? Was hat er besonders gemacht? Um ehrlich zu sein, war es gar nicht so besonders. Er hat einfach wirklich zugehört und mir genau das geliefert, was mich glücklich gemacht hat.
Ein Negativbeispiel: Kürzlich in einem Business-Hotel in Zürich fragte ich als Gast den Portier nach einem guten Restaurant in der Stadt. Darauf sagte er: „Wissen Sie, ich gehe gar nicht essen. Und wenn, dann esse ich Fast Food. Am Flughafen draußen gibt es ein Steakhaus.“ Punkt und Ende des Gesprächs. Er hatte so was von kein Interesse geschweige denn die Leidenschaft gezeigt, mir bei meinem Anliegen zu helfen. Vielmehr hatte er alles aus seiner eigenen Perspektive beantwortet und nicht auf meine Frage bezogen. Er hat autobiografisch zugehört, das heißt das Gehörte auf seine Biografie bezogen. Schlecht im Dienstleistungsbusiness, schlecht für die Kunden.
Wenn Leidenschaft im Job selbst verankert ist, können wir uns gut austoben und sind voller Freude und zufrieden. Wenn sich Dinge ändern, sind solche Menschen schnell stabilisiert, da ihre Leidenschaft sie trägt.
Doch wie oft kommt es vor, dass die Leidenschaft nicht im Job verankert ist und dieser mehr als Pflicht oder sicheres Einkommen gesehen wird, dessen Notwendigkeit man sich halt unterwirft. Damit sind wir bei Stufe 3.
Leidenschaft – Stufe drei
Pflicht und Geldverdienen sind angesagt. Begeisterung ist eher weit weg. Wie viele Angestellte dümpeln ohne Leidenschaft und Begeisterung eher unmotiviert in einem 9 to 5 Job herum. Sehr viele, wenn man den Gallup Engagement Index jährlich beobachtet. Gehalt wird mehr als Schmerzensgeld angesehen. Man fiebert in Richtung Feierabend, Wochenende, Urlaub und Rente. Wenn dann eine Krise, Veränderungen und damit verbunden Unsicherheiten im Unternehmen und Arbeitsalltag einziehen, verlieren solche Menschen schnell den Halt. Was tun in solchen Situationen?
Wenn der Job es nicht hergibt, hilft es, Begeisterung woanders zu suchen, im Privaten. Wir brauchen etwas, wofür wir brennen. Wenn das bedauernswerterweise nicht oder nur bedingt im Job ist, sollte es wenigstens im Privatleben etwas geben, wofür du dich begeistern kannst. Begeisterung trägt dich durch schwierige Situationen, kann dich über Wasser halten. Da ist der Hundefreund, der in seiner Freizeit alles für seine Vierbeiner macht und sich mit viel Freude und Begeisterung um sie kümmert.
Ein Bekannter von mir ist „okay“ mit seinem Job, er liebt ihn nicht, findet ihn aber auch nicht so schlecht, dass er wechseln will. Er hat für sich entschieden, dass er seine Begeisterung privat findet und ihn seine ausgiebigen Bergtouren tragen.
Welche Leidenschaft schlummert in dir? Liebst du es, in deiner Freizeit Gitarre zu spielen, oder wanderst du gerne? Bist du ein Hobbykoch oder ein Bücherwurm? Womit kannst du dich in schwierigen und unsicheren Zeiten über Wasser halten?
Hast du schon einmal eine Begeisterungs-Inventur gemacht?
Wann fühlst du dich im Unternehmen, in deinen Projekten, als Mitarbeiter oder Chefin, im Flow? Wann machst du „dein Ding“ und bist weder in der Unter- noch in der Überforderung?
Wann bist du positiv emotionalisiert bei deiner Tätigkeit und kannst gar nicht genug bekommen?
Wo spürst du Begeisterung in deinem Körper? Wie transportierst du Begeisterung auf andere (Mimik, Gestik, Worte)? Hängt deine Leidenschaft an einer bestimmten Kompetenz oder Fähigkeit?
Wie viel Prozent machen Leidenschaft und Begeisterung in deinem Arbeitsalltag aus? Kannst du Anti-Begeisterungs-To-dos delegieren?
Wenn du schon lange nicht mehr begeistert oder voller Leidenschaft etwas getan hast, such dir Mini-Momente und kleine Begeisterungsräume und versuch, diese auszubauen.
Wenn du zu dem Ergebnis kommst, dass diese Inventur eher schlecht für dich ausfällt, greife auf Privates zurück, um das Pflänzchen der Begeisterung weiter zu pflegen und zu nähren. Was liebst du oder was machst du gerne in deiner Freizeit? Lass Begeisterung hier bewusst zu und leb die damit verbundenen Emotionen aus. Wenn du mehr davon tust, wirst du mehr Begeisterung anziehen.
Das Gegenteil von Begeisterung ist Desinteresse. Abgewandtheit, Apathie. Ein Egal-Gefühl hat die Welt noch nie bewegt. Um es mit Steve Jobs zu sagen: „Menschen mit Leidenschaft können die Welt verbessern.“ Also fang an zu suchen und gib bitte nicht auf.