Kardinal Cesare Baronio und das Kurienzeremoniell des posttridentinischen Papsttums
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Kardinal Cesare Baronio und das Kurienzeremoniell des posttridentinischen Papsttums

Ein Beitrag zur Geschichte der römischen Kurie während der zweiten Hälfte des Cinquecento

  1. 592 Seiten
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Kardinal Cesare Baronio und das Kurienzeremoniell des posttridentinischen Papsttums

Ein Beitrag zur Geschichte der römischen Kurie während der zweiten Hälfte des Cinquecento

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Über dieses Buch

Innerhalb der Forschung mangelt es immer noch an einer kritischen Neuauswertung der Arbeiten des Oratorianers und Kardinals Cesare Baronios sowie seiner kirchlichen Laufbahn innerhalb der römischen Kurie. Deshalb geht es in der hier dargelegten Untersuchung darum, eine vertiefte, auf die verfügbaren Quellen gestützte und die historischen Disziplinen sowie Methoden des 21. Jahrhunderts bündelnde Geschichte von Liturgie, Zeremoniell und Kirchenhistoriographie der katholischen Kirche während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vorzulegen. Das Konzil von Trient (1545–1563) schuf die Grundlagen für eine Reform, mit welcher die Kurie die liturgischen Bücher bearbeiten und mit Hilfe derselben ihre eigene Zeremonialkultur neu organisieren konnte. Auf diese Neufassung des Kurienzeremoniells zwischen den Pontifikaten Pius' V. und Gregors' XIII. soll der Schwerpunkt der Untersuchung gelegt werden, indem Kirchen-, Politik-, Sozial- und Kulturgeschichte zu einer Einheit verschmelzen. Der Beitrag Baronios steht in engstem, aber bisher noch kaum bemerktem Zusammenhang mit der Entstehung seiner zwölfbändigen "Annales Ecclesiastici", mit denen die katholische Kirchengeschichtsschreibung für Jahrhunderte gültige Referenztexte vorlegte.

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Information

Jahr
2021
ISBN
9783110741162

1 Das römische Oratorium im Spiegel der Annales Ecclesiastici

Divino plane consilo factum est, ut nostra aetate, ante annos triginta, ad eiusmodi Apostolici conventus formam magna ex parte, et potissimum quae ad audientium aedificationem ex rerum divinarum sermonibus comparata, ad profectum Ecclesiae peragi mandavit Apostolus, in Urbe fuerint instituta opera in primis R. P. Philippi Nerii Fiorentini.
Baronius, Ann. Ecc., I, S. 477
Im ersten Band seiner Annales Ecclesiastici fügte der aus Sora stammende Cesare Baronio eine Passage ein, in welcher die Funktion einer seit seiner Ankunft in Rom 1557 zuerst privaten und ab 1575 zu einer Kongregation angewachsenen Versammlung von Laien und Priestern beschrieben wird. Diese Zusammenkünfte wurden bereits seit ihrem Gründungsjahr vom engsten Kreis des später zum Heiligen gesprochenen Filippo Neri, der im Zentrum jener Versammlungen stand, als Oratorium bezeichnet. Die Kongregation des Oratoriums, die im Zusammenhang mit den Gründungen neuer Bruderschaften im Jubeljahr 1550 entstand, sollte ein Treffpunkt und Ort des gemeinsamen Gebetes von Menschen aus allen Gesellschaftsschichten Roms sein. Bis zu ihrer endgültigen Etablierung als eigenständige Kongregation, die schliesslich im Jahr 1575 durch ein päpstliches Gutachten Gregors XIII. Boncompagni bestätigt wurde, war diese vom Florentiner Neri gegründete Versammlung noch fest in ein dichtes Netzwerk karitativer Bruderschaften des römischen Stadtraumes eingebunden. Anlässlich des Jubeljahres 1550 boten die Hospitäler geeignete Unterkünfte für die nach Rom strömenden Pilger. Folgt man der Lebensbeschreibung des ersten Biographen Filippo Neris, Antonio Gallonio, hatte jener schon früher eine solche Bruderschaft samt Hospital gegründet, die als Vorbild der späteren Kongregation des Oratoriums betrachtet werden kann. Die Gründung karitativer Bruderschaften zielte nach der Eröffnung des Konzils von Trient im Jahr 1545 darauf ab, eine angemessene Verwaltung der Sakramente und der Spende im liturgischen officium zu bewerkstelligen. Dadurch rückte vor allem die Messzelebration mit den quarant’ore verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses solcher Bruderschaften:
Desiderando sempre Filippo fare cosa, che à Dio piacesse, volle insieme col P. Persiano Rosa Sacerdote [...] suo padre spirituale, che habitava in San Girolamo della Charità, [...] dar principio ad uno Spedale, dove si ricevessero poveri pellegrini, che venivano per visitare i santi luoghi di Roma. [...] S’adunavano costro insieme nella Chiesa [San Salvatore in Campo] [...], e quivi erano con affetto grande di charità ministrati loro i Santissimi Sagramenti. Facevasi nel medesimo luogo ogni prima Domenica del mese d’ordine del B. Padre l’oratione delle quaranta hore, nel qual tempo ragionava egli di Dio con frutto grande degli uditori, incitando tutti alla divotione colle parole [...] ne si partiva di Chiesa infino che l’orationi non erano finite.31
Die karitativen Tätigkeiten der am 16. August 1548 gegründeten Bruderschaft der Santissima Trinità dei Pellegrini e Convalescenti konzentrierten sich insbesondere auf die Unterstützung der Pilger während des Jubeljahres: ungefähr 20.000 von ihnen wurde eine Herberge angeboten. Die quarant’ore bildeten in Bezug auf die Verehrung sowie auf den Empfang der heiligen Sakramente das Zentrum der liturgischen Zelebration dieser Confraternità, in der durch ein über vierzig Stunden kontinuierlich andauerndes Gebet vor dem heiligen Sakrament der Eucharistie der Zeit Christi im Grab gedacht wurde. Der Mailänder Erzbischof Carlo Borromeo (1564–1584) war sich der Wirkung eucharistischer Frömmigkeitspraktiken angesichts der protestantischen Häresie bewusst. Er wollte in jeder Diözese Mailands eine sakramentale Bruderschaft gründen, um den Laienstand über die ordentliche Verehrung des heiligen Sakramentes der Eucharistie zu unterrichten, durch das er „gegen alle Sünden und bösartiges Verhalten beschützt[e]“ werde. Borromeo verfasste 1575 schliesslich seine Regeln, durch welche die Zelebration der darin beschriebenen quarant’ore festgelegt wurde. Der Kontrast zu den heiligen Prozessionen und zur eucharistischen Verehrung diente ihm dazu, die „weltlichen Vergnügen des Karnevals“ zu verurteilen.32 Diese besondere Art der Förderung eucharistischer Andacht, die bei der Bruderschaft der Santissima Trinità dei Pellegrini besonders ausgeprägt war, entstand in der Compagnia di San Girolamo della Carità. Der Florentiner Neri pflegte um die Mitte des 16. Jahrhunderts eine besondere Beziehung zu den beiden wichtigsten Gestalten der Tridentiner Reform, nämlich dem Priester Bonsignore Cacciaguerra und dem Dominikaner Ambrogio Catarino Politi.
Diese Erwähnung der Kongregation des Oratoriums muss innerhalb von Baronios Annales besonders berücksichtigt werden, da sie auch in Baronios Abhandlung des frühen Christentums angeführt wird. Deshalb hatte die bisherige Forschung die Wechselwirkung zwischen der eucharistischen Verehrung, wie sie in den Feiern der quarant’ore hervortrat, und einer liturgischen Messzelebration innerhalb derselben Kongregation vernachlässigt. Eine solche Betrachtungsweise der erwähnten Passage aus den Annales bietet sich daher besonders an, um die starke Einflussnahme der Tridentiner Debatten auf die eucharistische Verehrung sowie die Messefeier während Baronios ersten Jahren in Rom nachzuzeichnen.33 Der folgende Abschnitt wird daher sowohl die Entstehung und Datierung von Baronios De origine Oratori eingehend beleuchten als auch seinen Beitritt in das frühe Oratorium Neris neu bewerten.34 Baronio zeichnet darin in groben Zügen die Ursprünge des Oratoriums anhand dreier Kirchengebäude – San Girolamo della Carità, San Giovanni dei Fiorentini und Santa Maria in Vallicella – nach. Baronios Feststellung, dass es vor der Gründung der Kirche von Santa Maria in Vallicella und den damit verbundenen Ablässen durch Papst Eugen III. „in Rom kein Gedenken an die Geburt der Gottesgebärerin gäbe“, deutet auf eine Verbindung zwischen eucharistischer Andacht und der innerhalb des Oratoriums gepflegten Verehrung der Gottesmutter hin. Im Folgenden wird aber nicht nur auf die Bedeutung der Verehrung des heiligen Sakramentes der Eucharistie einzugehen sein. Ebenso soll die vielfach vernachlässigte Frage, aus welchem Anlass Baronio seinen Traktat verfasst habe, beantwortet werden.

1.1 Entstehungsnarrative des Oratoriums

Im ersten Band seiner Annales Ecclesiastici, der von der Vatikanischen Druckerei 1588 herausgegeben wurde, beschreibt Baronio die Entwicklung des frühen Christentums. Bereits in der Vorrede dieses Bandes, in der die Widmung an den Peretti-Papst Sixtus V. enthalten ist, findet die Kongregation des Oratoriums eine erste, bedeutende Erwähnung.35 Baronio reagierte damit – wie sich aus seiner Briefkorrespondenz mit dem Vorsitzenden der neapolitanischen Oratorianerfiliale, Antonio Talpa, rekonstruieren lässt – auf den durch seine Mitbrüder im römischen Oratorium auf ihn ausgeübten Druck. Aufgrund eines auf den 19. Februar 1588 datierten Schreibens an Talpa lässt sich schliessen, dass Baronio das Oratorium und dessen karitative Tätigkeiten ursprünglich nicht im ersten Band seiner Annales zu erwähnen beabsichtigte, da er in den Jahren davor einen Verfall der römischen Kongregation festgestellt hatte. Bereits in einem früheren Brief vom 30. Oktober 1587 an denselben Talpa erwähnt Baronio, dass das Oratorium bereits im Widmungsschreiben an den Papst eine honorevol mentione erhalten habe, weshalb er eine wiederholte Erwähnung als überflüssig erachte.36 Darüber hinaus waren Baronio und Talpa sich einig, dass die Predigten des Oratoriums zum Zeitpunkt der Drucklegung von Baronios Annales bereits von ihrer ursprünglichen Gestalt abgewichen waren. In einem Schreiben an Filippo Neri bekundet Talpa seine Freude über die „Reinheit“ und „Einfachheit“ der frühen Versammlungen, die nicht mehr länger zu finden seien:
Hoggi il Padre messer Francesco Maria (Tarugi) ha ragionato in sul libro familiarmente, et è stato il primo, e di poi ha ragionato messer Giovenale (Ancina) Io ne ho sentita tanta consolatione che non potrei dir di più, parendomi di veder l’Oratorio in quella purità e semplicità che soleva essere in San Girolamo [...] Si conservarà la forma di ragionare propria dell’Oratorio et si trasmetterà in posteros, chè altrimenti si perderebbe, ch’ è quanto bene ha la nostra Congregazione.37
Demnach wünschte sich Talpa, dass das Oratorium wieder zu seiner ursprünglichen Gestalt der ersten Jahre seit der Gründung in San Girolamo della Carità zurückgeführt würde. Talpa kritisierte vor allem die nun festzustellende Abkehr der confratelli von ihren durch die eucharistische Andacht motivierten Versammlungen.38 Nichtsdestotrotz setzte Baronio das Oratorium in seinen Annales mit einer „apostolische[n] Gemeinschaft“ gleich.39 Diese Einbindung der Kongregation Neris in die Annales bedarf daher im Zusammenhang mit seinem oben erwähnten Traktat De origine Oratori einer genaueren Erläuterung.
Cesare Baronio erklärt in diesem Traktat die Entstehung des Oratoriums mittels einer vom Kirchenvater Hieronymus überlieferten Metapher. Als dieser zusammen mit einem „Weltklerus“ in einem neuen Betlehem weilte, spendete er den Hungernden mit dem „Brot des Lebens“ die Heilige Eucharistie. Mit der Beschreibungder karitativen Tätigkeit des Kirchenvaters gewann Baronio gleichsam einen Einblick in die Verwaltungspraxis der Eucharistie und ihrer Spende:
Wie sehr die, die danach trachten Seelen zu gewinnen, der Stadt nützen, dafür ist die Welt Zeuge und für diejenigen, die, als ob sie mit dem heiligen Hieronymus zusammen in einem neuen Betlehem weilten, aus diesem das Brot des Lebens reichlicher den danach Hungernden spendeten. Damals lernte Rom nach diesem eifriger Hunger zu haben und reichlicher davon gesättigt zu werden. Daher wurde der häufige Empfang der heiligen Eucharistie wieder eingeführt, der schon seit langem außer Gebrauch gekommen war. Die Väter übten das in Worten und Schriften, und erzielten damit sofort einen Zustrom, als ob Hieronymus selbst aus der Wüste nach Rom hierher zurück gekommen sei [...] und die übrigen sich an ihn wandten, um mit dem Brot von Betlehem gesättigt zu werden, um in seine Worte eingeführt und mit seinen Bräuchen vertraut zu werden [...].40
Während somit die anfänglichen Versammlungen des Oratoriums noch eine lose Gruppierung in San Girolamo della Carità waren, mussten diese vor allem von der Verehrung sowie Spende des Eucharistie-Sakraments angeregt worden sein. Die Zusammenkünfte Neris und seiner Mitbrüder wiesen insbesondere bei der Messzelebration Ähnlichkeiten mit der Zusammenkunft Jesu und seiner Jünger beim letzten Abendmahl auf. Die Gedenkfeiern zum letzten Abendmahl w...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Abkürzungsverzeichnis
  5. Einleitung
  6. 1 Das römische Oratorium im Spiegel der Annales Ecclesiastici
  7. 2 Das Tridentinum und die Historia Ecclesiastica
  8. 3 Papsttum und Kirchenhistoriographie
  9. 4 Die Entstehung der Idee der Annales Ecclesiastici
  10. 5 Das Kurienzeremoniell des Anno Santo von 1575
  11. 6 Kirchenschatz und indulgentiae
  12. 7 Liturgische Gattungen des Kurienzeremoniells im Palazzo Apostolico
  13. 8 Auf dem Pfad der Kirchengeschichte: Cesare Baronio und die Liturgiewerkstätten der Kurie
  14. 9 Schlussbetrachtung und Ausblick
  15. Bibliographie
  16. Personenverzeichnis
  17. Bildteil