Die Opferrolle
eBook - ePub

Die Opferrolle

Der Islam, seine Selbstinszenierung und die Werte der Aufklärung

  1. 288 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Die Opferrolle

Der Islam, seine Selbstinszenierung und die Werte der Aufklärung

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Die Debatte zur Frage der Integration von Muslimen in Europa spaltet die Gesellschaft. Sehen seine Kritiker den Islam als Bedrohung des Abendlandes an, heißen ihn Multikulti-Verfechter bedenkenlos willkommen. Klemens Ludwig sucht einen Platz zwischen den Fronten und nach praktikablen Lösungen für ein friedliches Miteinander. Ausgehend von den Schattenseiten von Christentum und Islam und unterfüttert mit zahlreichen Beispielen, fordert er von führenden Vertretern des Islam, kritische Selbstreflexion zu betreiben anstatt sich nur als Opfer abendländischer Arroganz darzustellen. Und vom Abendland fordert er, selbstbewusst die Werte der Aufklärung zu verteidigen. Seine Vision: Ein aufgeklärter, emanzipierter Islam als gleichberechtigter Teil der europäischen Gesellschaft.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Die Opferrolle von Klemens Ludwig im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Theology & Religion & Islamic Theology. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2019
ISBN
9783784483429
Kapitel 1
Tragende Werte? Das Abendland und die islamische Welt
Die gesellschaftliche Auseinandersetzung um das Miteinander verschiedener Kulturen ist kontrovers, heftig und droht bisweilen, die eigene Basis, die eigenen Errungenschaften, aus dem Auge zu verlieren. Wer von »Werten« redet, macht sich schnell verdächtig, ein Reaktionär zu sein, ein Ewiggestriger, an dem die Herausforderungen einer globalisierten Welt vorübergegangen sind oder der davon so verunsichert ist, dass er sich in die Wagenburg der eigenen Tradition zurückzieht. Wer gar von einer »Leitkultur« spricht, muss damit rechnen, in die rassistische oder sogar braune, völkische Ecke gedrängt zu werden. Das sind keine Auswüchse einer lebhaften Debatte, es sind weitverbreitete Überzeugungen von öffentlichen Meinungsführern.
Dabei wird pikanterweise häufig übersehen, dass die Debatte über Leitkultur nicht von konservativen Politikern angestoßen wurde, sondern von einem arabisch-islamischen Migranten, Bassam Tibi. Der polyglotte emeritierte Politologieprofessor, der aus einer alten syrisch-islamischen Gelehrtenfamilie stammt, wusste, was er tat: »Mit der Debatte über Leitkultur wurde eine lange überfällige Diskussion über eine bisher tabuisierte Thematik entfacht, die das Land braucht. Die Kritik an der Wertebeliebigkeit der multikulturellen Gesellschaft ist der Hintergrund des von mir geprägten Begriffs der Leitkultur als konsensueller Werteorientierung.«[5] Tibi forderte in dem Zusammenhang eine »kulturelle Moderne«, deren Basis Vernunft, Säkularisierung, Demokratie, Pluralismus und Toleranz sein sollten.
Die Reaktionen auf seine Initiative waren nicht gerade ermutigend: »Wie bei anderen Debatten, so auch bei diesem Thema, holten die Kontrahenten von links und rechts ihre Keulen, mit denen sie ihre Gegner k. o. schlagen wollten, heraus, ohne auf die Inhalte des Begriffs ›Leitkultur‹ einzugehen und seine Bedeutung für die Integration zu erkennen.«[6] Dabei verteidigt Bassam Tibi die grundlegenden Werte gegen Bedrohung von allen Seiten: »Wenn es deutsche Feinde der offenen Gesellschaft gibt, sollen wir sie vermehren mit Feinden der offenen Gesellschaft aus dem Ausland? Als ehemaliger Ausländer sage ich: ›Wer die Grundwerte nicht akzeptiert, soll gehen.‹«[7]
Zahlreiche weitere Stimmen von Migranten treten entschieden für eine europäische Leitkultur der Toleranz und Offenheit ein: »Der Begriff Leitkultur erzeugt bei vielen Menschen eine extreme, fast aggressive Abwehrhaltung, als sei er ein Angriff auf ihre politisch korrekten Überzeugungen von Liberalität und Toleranz. Ich kann mir diese Überreaktion teilweise erklären, wirklich verstehen kann ich sie nicht. Denn wenn wir über Leitkultur sprechen, sprechen wir über Werte, diskutieren wir über Werte. Es geht dabei um das Entdecken gemeinsamer, transkultureller Werte, um das Gegenteil einer intoleranten, antiliberalen, alles Fremde und anderen ausgrenzenden Blut-und-Boden-Ideologie. […] Wir brauchen eine europäische Leitkultur, an der sich nach Europa zugewanderte, eingewanderte Menschen orientieren können und müssen«,[8] fordert die aus der Türkei stammende Rechtsanwältin, Autorin und liberale Imamin Seyran Ates, die sich selbst gern als »Deutschländerin« bezeichnet.
Während Begriffe wie »Werte« und »Leitkultur« Abwehr erzeugen, erklären Politiker des gesamten Parteienspektrums vor allem seit der großen Migrationsbewegung von 2015 geradezu gebetsmühlenartig, Migranten hätten selbstverständlich das Grundgesetz zu akzeptieren. Doch was bietet es anderes als Werte und Leitkultur? Die Frage muss erlaubt sein, ob Werte an sich etwas Reaktionäres, Rückwärtsgewandtes sind, das abzulehnen ist, weil es keinen Raum für Vielfalt und Toleranz lässt? Oder ob sich die Vorbehalte speziell gegen die Werte und Traditionen der abendländischen Welt richten?
Doch was ist eigentlich das Abendland? Der französische Philosoph Roger-Pol Droit stellt dafür zahlreiche Möglichkeiten zur Disposition: »Ist es ein Ort, eine Region? Europa oder Amerika? Sind es beide? Oder nur die reichen Staaten? Handelt es sich um einen historischen Zeitabschnitt? Oder nur um ein Wirtschaftssystem? Sind es ethische Grundsätze oder ist es eine Religion? Ein Lebensstil oder eine Geisteshaltung? Ist es ein Fluch oder ein Segen?«[9] Oder noch etwas ganz anderes, nämlich »schon im 18. Jahrhundert ein antiaufklärerischer Kampfbegriff«?[10]
Droit nimmt die Herausforderung an und bestimmt das Abendland. Als Ausgangspunkt dafür ortet er Athen und das antike Griechenland als den ersten »Grenzmeridian«: »Im Osten trafen die Griechen auf die Perser, den heutigen Iran, die Küste von Kleinasien, die am Mittelmeer gelegenen Gebiete der heutigen Türkei und jenseits des Schwarzen Meeres auf die Ausläufer des Kaukasus und Zentralasiens. Diese Region war für sie das ›Morgenland‹. Im Westen, auf der Seite, die bald ›Abendland‹ bezeichnet wurde, befinden sich Italien, Sizilien, Spanien, Gallien, alle Länder, die Griechenland von der anderen Seite des Mittelmeers trennen und die darüber hinaus das Mittelmeer vom Atlantik trennen.«[11]
Doch »Abendland« ist weit mehr als ein geografischer Begriff. Erst Religion, Philosophie, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft und die gesellschaftliche Ordnung charakterisieren den Begriff in seiner Vielfalt. Droit, ein entschiedener Gegner jeder Form von Totalitarismus, bringt seine Definition auf den Punkt, wenn er das Abendland heute als eine »grenzüberschreitende Idee von einer Modernität in konstanter Entwicklung« bezeichnet, »in dem politische und religiöse Macht getrennt sind, in dem grundlegende Freiheiten garantiert und die Gleichheit der Geschlechter beschlossen ist, in dem die Demokratie nicht nur ein Wort ist. […] Dieses Abendland ist kein Land, und auch keine Zivilisation, sondern eine Geisteshaltung – eine, in der der Geist, im Gegensatz zur Sonne, es ablehnt zu ruhen.«[12]
Bei allen Schattenseiten, auf die später noch eingegangen wird, hat die abendländische Kultur in dem Raum zwischen Mittelmeer, Atlantik und Ostsee grundlegenden Werten den Weg bereitet, die nicht hoch genug geschätzt werden können und nicht zur Disposition gestellt werden dürfen; auch nicht im Namen der Toleranz. Dazu zählt an erster Stelle die Bedeutung des Individuums. Ungeachtet aller Versuche totalitärer Bewegungen – auch im Abendland –, diese Errungenschaften auszuhöhlen, zieht sich der Kampf um die Bedeutung und Achtung des Individuums wie ein roter Faden durch 2500 Jahre abendländische Geschichte. Daraus resultieren Werte wie persönliche und politische Freiheit, Selbstbestimmung, Pluralismus, die Bedeutung von Bildung und Wissenschaft, soziale Verantwortung, Menschenwürde sowie die unveräußerlichen und durch sich selbst legitimierten Menschenrechte. In der uns bekannten Geschichte hat es keine Kultur gegeben, in der dem Individuum eine solche Bedeutung beigemessen wurde.
Die Wurzeln abendländischer Kultur
Manche Historiker datieren die Geburt der abendländischen Kultur noch 1000 Jahre früher als die griechische Antike und betrachten den ägyptischen Pharao Echnaton (Amenophis IV.) im 14. vorchristlichen Jahrhundert als deren Stammvater. Er gilt als Begründer der Monotheismus und beeinflusste damit den jüdischen Stammvater Moses, der den Monotheismus über Ägypten hinaus verbreitete. Heinrich August Winkler, Emeritus der Humboldt-Universität in Berlin, sieht in diesem kulturhistorisch bemerkenswerten Schritt »einen gewaltigen Schub in Richtung Rationalisierung, Zivilisierung und Intellektualisierung«.[13]
Die Betonung des Individuums jedoch hat seine Wurzeln in der antiken griechischen Kultur. Die mündigen Bürger der polis, des alten griechischen Stadtstaats, gestalteten ihre öffentlichen Angelegenheiten selbst; ein Grundsatz, der von der jungen römischen Republik übernommen wurde. Dass es sich bei den »Souveränen« nur um freie Männer gehandelt hat, mag aus heutiger Sicht die Errungenschaften schmälern; es ändert indes nichts an der Grundidee, wonach die Gemeinschaft von ihren Bürgern zu gestalten sei und die Bürger eine eigenständige Rolle gegenüber dem Kollektiv und dessen Autoritäten einnehmen. Feudalismus, Monarchie, Gottesgnadentum und Willkürherrschaft blieben dem Abendland zwar nicht erspart, aber es gab immer auch die entgegengesetzte Bewegung hin zu verbrieften Rechten und individuellen Freiheiten. Der Philosoph Karl Jaspers sieht in der antiken Polis »den Grund allen abendländischen Freiheitsbewusstseins, sowohl in der Wirklichkeit der Freiheit wie des Freiheitsdenkens.«[14] Die Individualität wurde auch philosophisch begründet. Aristoteles hat in seiner Nikomachischen Ethik den Zusammenhang von Vernunft und Ethos dargelegt, die Möglichkeit des Menschen, autonom zu handeln, für sich zu entscheiden, was ihm als gut erscheint.
Die Antike ist auch in Sachen Rechtssicherheit und Bildung die Basis für viele der heutigen Errungenschaften. Aus der Zeit von Kaiser Justinian I. im frühen 6. Jahrhundert stammt der Gesetzeskodex Corpus Iuris Civilis, der 533 n. Chr. in Kraft trat. Es war die Zeit, als das Römische Reich im Westen den Höhepunkt seiner Macht überschritten hatte und sein kultureller Einfluss mehr und mehr zurückging. Mit dem Gesetzeskodex gelang es dem in Konstantinopel regierenden Kaiser, die alten Rechtstraditionen zusammenzufassen und zu modernisieren. Der Rechtsstatus der Frauen und Sklaven verbesserte sich erheblich.
Der Corpus Iuris Civilis hatte seine Bedeutung nicht nur in der Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern er sollte auch zu einem höchst einflussreichen Werk für die Rechtsgeschichte Europas bis in die Gegenwart hinein werden, schuf er doch die Grundlage für die Herausbildung rechtsstaatlicher Traditionen, die zu den wichtigsten Errungenschaften der Zivilisation gehören. Im Hochmittelalter sorgte insbesondere die Rechtsschule von Bologna für die Rezeption und Verbreitung des Kodexes, der schließlich zur Grundlage der Rechtsprechung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation wurde. Gerade den nicht-privilegierten Schichten wie der bäuerlichen Bevölkerungsmehrheit gewährte der Kodex weit mehr Rechtssicherheit als in außereuropäischen autoritären Gesellschaften üblich. Um sich gegen Willkürherrschaft und Frevel des Adels zur Wehr zu setzen, beriefen sich die Bauern während ihres großen Aufstands von 1525 auf das alte oder gemeine bzw. das göttliche Recht, eben den Corpus Iuris Civilis. In der Neuzeit beeinflusste der Kodex auch die Rechtspraxis der Preußen, Habsburger und Franzosen, bis sein Geist schließlich Eingang in das Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 fand. Somit stehen die rechtsstaatlichen Strukturen Europas in einer eineinhalb Jahrtausende alten juristischen Tradition, eine weltgeschichtlich vermutlich einmalige Kontinuität.
Ein weiterer Meilenstein im Kampf um Rechtssicherheit, Freiheit und Achtung des Individuums war die englische Magna Charta Libertatum von 1215. Damit zwang der Adel den König, rechtlichen Garantien zuzustimmen, die seine Macht begrenzten und auch nicht-feudalen Gruppen einen Schutz vor Willkür sicherten.
Säkularisierung
Die Renaissance, die ihre Wurzeln in Italien hatte, verhalf dem antiken Wert der Individualität zu neuer Bedeutung und leitete damit eine allmähliche Schwächung der dominierenden Institutionen von Kirche und Kaiser ein. Obwohl sich ihre Vertreter noch als selbstverständliche Teile der Kirche betrachteten, markierte die Renaissance den Anfang vom Ende der uneingeschränkten Herrschaft des Klerus. Die von Deutschland ausgehende Reformation forcierte dessen Entmachtung. Der Augustinermönch Martin Luther (1483–1546) bestritt dem Papst das Recht, über den Nachlass der Sünden verfügen zu können. Dies sei allein de...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Dank
  5. Inhalt
  6. Vorwort
  7. Persönliche Vorbemerkung
  8. EinführungDer Islam – Opfer abendländischer Arroganz?
  9. Kapitel 1: Tragende Werte? Das Abendland und die islamische Welt
  10. Kapitel 2: Wer pflegt die Opferrolle des Islam?
  11. Kapitel 3: Die Motivation hinter der Opferrolle – die zukünftige Gestaltung Europas
  12. Kapitel 4: Kampf der Kulturen und Krise der Moderne
  13. Kapitel 5: »Ja, aber die Kreuzzüge …« – Christen als Opfer islamischer Expansion und Intoleranz
  14. EpilogZurück zu den Werten der Aufklärung
  15. Anhang