Wolfsland oder Geschichten aus dem alten Ostpreußen
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Wolfsland oder Geschichten aus dem alten Ostpreußen

  1. 208 Seiten
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Wolfsland oder Geschichten aus dem alten Ostpreußen

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Über dieses Buch

Die Erzählungen dieses Bandes haben allesamt die historischen Ereignisse und Brüche zum Thema, die Ostpreußen und seinen Menschen durch die Jahrhunderte seiner Geschichte widerfahren sind. Arno Surminski schildert darin, wie die Pest einst nach Preußisch-Litauen kam (Der Pestreiter), wie sich die Verhandlungen zur Konvention von Tauroggen 1812 zugetragen haben mögen (In der Poscherunschen Mühle), wie sich die Menschen zu helfen wussten, als die Tataren vor mehr als 350 Jahren Ostpreußen heimsuchten (Der Tatarensee) oder was den ostpreußischen Dorfbewohnern widerfuhr, wenn aus dem Osten die Kosaken einfielen und auf der Durchreise durch ihre Dörfer zogen (Als die Kosaken kamen).

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Information

Geschichte eines Steins
Vom Eise befreit sind Ströme und Bäche …«, sang der alte Dichter. Marcus wollte es ihm gleichtun und machte sich, als die anderen noch schliefen, auf den Weg hinaus in die Natur. Er war nicht alt, auch kein Dichter, sondern nur ein Osterurlauber, der den Frühling im Marschenland erleben wollte. Als Erstes ging er hinauf zur Dorfkirche mit dem kleinen Turm. Er fand die Tür verschlossen.
Ostern fängt hier später an, dachte Marcus.
Vom Kirchplatz ging der Blick über die Wiesen zum Bahndamm, der wie ein graues Reptil durchs Land kroch und an einer Brücke endete. Die Brücke überragte das flache Land und ließ den Kirchturm klein aussehen. Kamen Schiffe den Kanal herauf, sahen die Kirchenbesucher die weißen Aufbauten; im November hörten sie die Nebelhörner.
An diesem Ostermorgen war der Kanal nebelfrei, es fuhren auch keine Schiffe. Nur ein Güterzug mühte sich den Bahndamm hinauf, gab rasselnde Töne von sich, fuhr sehr langsam, als fürchte er sich vor der Tiefe. Jenseits der Brücke glitt er hinab zu einem unsichtbaren Bahnhof.
Er spazierte am Turm vorbei, dessen Glocken noch schliefen; kurz vor zehn Uhr werden sie Laut geben und das Dorf aus dem Schlaf schrecken. Hinter dem Turm begannen die mit Kreuzen und Steinen markierten Gräberreihen. Im Vorbeigehen las er die nordischen Namen: Dammann und Petersen, Jansen und Sengelmann. Auch Östliches kam vor. Ein gewisser Pilkusk war in Pommern auf die Welt und hier, unweit der Nordsee, unter die Erde gekommen, wohl ein Flüchtling, den es 1945 ins Marschenland verschlagen hatte.
Unter Lindenbäumen, die noch keine Blätter trugen, fiel ein drei Meter hoher Stein auf, ein Kreuz mit einem schrägen Querbalken. Oben die Inschrift: »13 russische Soldaten«. Wer hatte die an die Nordsee geschickt, mehr als tausend Kilometer von Russland entfernt? Dreizehn Namen in den Stein graviert, der Vorname Iwan kam vier Mal vor. Hinter jedem Namen das Todesdatum, alle waren zur Zeit des Ersten Weltkrieges gestorben.
Die Glocken begannen zu läuten. Der Kirchendiener trat vor die Tür des Glockenhauses und sah zu, wie Marcus das Russengrab besichtigte.
Wissen Sie, was es mit den dreizehn russischen Soldaten auf sich hat?, fragte er ihn. Der Kirchendiener schüttelte den Kopf.
Ich bin fünfzig Jahre alt, aber die liegen hier schon hundert Jahre, sagte er und verschwand im Glocken­haus. Danach verstummte das Läuten, die letzten Töne prallten gegen den Bahndamm und kehrten leise zurück.
Vor der Tür des Glockenhauses wartete der Kirchendiener.
Sie nennen es Andreaskreuz, sagte er und zeigte zu dem Stein mit dem Querbalken. Im Ersten Weltkrieg soll es ein Gefangenenlager in dieser Gegend gegeben haben; da kommen schon mal Todesfälle vor.
Der Kirchendiener schlug vor, Marcus solle zum Gottesdienst kommen. Danach könne er den Pastor nach dem Russengrab fragen. Der wisse mehr.
Er setzte sich in die letzte Reihe und dachte an den Krieg, der hundert Jahre zurücklag. Zwei große Schlachten wurden zu Beginn des Krieges im Osten geschlagen. Ihre Gefangenen sind wohl per Eisenbahn zur Nordsee gekommen, um hier irgendeine Arbeit zu verrichten. Nach dem Krieg werden sie nach Russland zurückgekehrt sein, bis auf die dreizehn, die auf einem kleinen Dorffriedhof unter dem Andreaskreuz begraben liegen.
Nach dem Gottesdienst führte ihn der Kirchendiener in die Sakristei. Sie interessieren sich für unsere Russen?, fragte der Pastor.
Ich finde es sonderbar, dass auf einem kleinen Dorffriedhof weit weg von Russland und den Schlachten des Ersten Weltkrieges dreizehn russische Soldaten begraben liegen, sagte Marcus.
Genaues weiß keiner, erklärte der Geistliche. Die Dorfbewohner, die den Ersten Weltkrieg erlebt haben, sind inzwischen gestorben. Man müsste mal in den Kirchenbüchern nachschauen.
Wer pflegt die Grabstelle?, wollte Marcus wissen.
Es gibt da einen Reservistenverein der Bundeswehr, der hat die Grabpflege übernommen.
Was hat die Bundeswehr mit den toten Russen zu tun?, wunderte sich Marcus. Es sind auch Soldaten, antwortete der Pastor.
Der Kirchendiener lachte.
Die meisten Arbeiten verrichten die Frauen. Die Reservisten sind verheiratet und schicken, wenn es um die Blumen geht, ihre Frauen auf den Friedhof. Zweimal im Jahr ist Großeinsatz bei den Russengräbern. Im Herbst harken sie Blätter und schneiden die Rosenbüsche, im Frühling pflanzen sie Stiefmütterchen. In der Woche nach Ostern wird wieder jemand zu den Gräbern kommen.
Zu dritt standen sie auf dem Kirchplatz mit der schönen Aussicht zum Bahndamm und der fernen Brücke.
Die Brücke soll im Ersten Weltkrieg gebaut worden sein, wusste der Pastor, und der Kirchendiener sprach von einem Arbeitslager in der Nähe. Da lebten die Gefangenen, die an der Brücke arbeiteten.
Erst Soldaten, dann Gefangene, dann Brückenbauer, dann tot, dachte Marcus.
Er wartete noch ein paar Tage, besuchte immer wieder den Friedhof, bis er eine Frau traf, die sich am Russengrab zu schaffen machte. Erst harkte sie den Boden, lockerte die Erde, wischte die grünen Algen von den Namen der Toten. Danach holte sie aus einem Auto zwei Pappkartons voller weißer Stiefmütterchen, dreizehn Pflanzen, die sie so um den Stein setzte, dass jeder Tote eine Blume bekam.
Haben Sie einen Angehörigen unter den Toten?, fragte Marcus.
Die Frau schüttelte den Kopf.
Kommen Sie aus Russland?
Wieder nur Kopfschütteln.
Einer muss es doch tun, sagte sie schließlich. Früher hat mein Mann es getan. Der gehörte zum Reservistenverein der Bundeswehr, der sich um die Gräber kümmert. Nach dem Tod meines Mannes habe ich seine Arbeit übernommen.
Sie sagte es so, als werde es ihr mehr und mehr zur Last.
Was mag da vorgefallen sein?, fragte Marcus.
Es war eben Krieg, antwortete sie.
Aber nicht hier an der Nordsee, behauptete Marcus.
Die dreizehn sollen von der Tannenbergschlacht übrig geblieben sein, wusste die Frau. Sie kamen, um am Bahndamm und der Hochbrücke zu arbeiten. … Und zu sterben, fügte sie nach einer Pause hinzu.
Sie zeigte auf die Namen. Einige sind an Krankheiten gestorben, vielleicht auch an Verwundungen, die sie bei Tannenberg erlitten hatten. Drei sind vom Baugerüst an der Brücke gefallen und haben sich das Genick gebrochen.
Wie kamen sie auf diesen Friedhof?
Es gibt ein altes Zeitungsfoto aus dem Jahre 1916. Da stehen an die fünfzig Gefangene auf dem Hofplatz des Lagers. Vor ihnen ein Pferdewagen, beladen mit Särgen und Kränzen. Ein Geistlicher segnet die Toten. Danach zog der Wagen durch die Wiesen zu unserem Dorf, gefolgt von dem Trauerzug der Gefangenen. Unterwegs sangen sie. Einige hoben Gräber aus, die anderen sangen. Im ganzen Dorf hörten sie die tiefen Männerstimmen. Ja, die Russen können singen.
Wer hat das Andreaskreuz gestiftet?, wollte Marcus wissen.
Die Frau zuckte mit den Schultern und trieb den Spaten in die Erde.
Bekommen Sie für diese Arb...

Inhaltsverzeichnis

  1. Wolfsland
  2. Inhalt
  3. Vorwort
  4. Aus aller Herren Länder
  5. Der Pestreiter
  6. In der Poscherun’schen Mühle
  7. Der Tatarensee
  8. Als die Kosaken kamen
  9. Ephas Düne
  10. Die masurische Frömmigkeit
  11. Auf der Krutinna
  12. Lange Kerle
  13. Dichtertreffen
  14. Der Eisfischer
  15. Der Domherr zu Frauenburg
  16. Exulanten
  17. Ostpreußische Feuersbrünste
  18. Das achte Weltwunder
  19. Der masurische König
  20. Der Tote im Wald
  21. Der Teufelsberg
  22. Auf der Durchreise
  23. Das Treffen in Tilsit
  24. Der feine Herr Murat
  25. Gestohlene Ehre
  26. Über die Grenze
  27. Die vielen Schlachten
  28. Tannenberge
  29. Erntekrieg
  30. Mutter mit Kind
  31. Die große Schlittenfahrt
  32. Kalter Winter
  33. Unter Tage
  34. Wolfsland
  35. Schweigen ist Gold
  36. De oole Fretz
  37. Verspätete Sedanfeier
  38. Zu Gast in Masuren
  39. Die Vergangenheit saß auf der Treppe
  40. Die Fische im Beldahnsee
  41. Ein Bote für Dobre Miasto
  42. Der Engel von Mensguth
  43. Geschichte eines Steins
  44. Ein Mythos